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Journalistenpreis Ehrenamtliches Engagement. Ausgezeichnete ...

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2. Preis<br />

vor der Reise ebenso beschlossen wie<br />

die fünf Gymnasiasten und ihre Lehrer,<br />

Franz Arnoldy und Hans-Josef Speen.<br />

Letztlich hatte Jana für alle gesprochen:<br />

„Unter allen Kontinenten kann ich mir<br />

etwas vorstellen – nur nicht unter Afrika.“<br />

Und deshalb fragen Kirsten Jensen<br />

und Wibke Grzonka alle Schüler, die<br />

sie in diesen Tagen in Burkina kennen<br />

lernen, wovon sie träumen und wie sie<br />

leben. In Deutschland wollen sie die<br />

Ergebnisse ihrer Befragung im Pädagogik-Leistungskurs<br />

vorstellen. Ein Schüler<br />

schrieb auf, er träume davon, reich<br />

zu werden. Eine Million Münzen besäße<br />

er gerne in seiner Landeswährung,<br />

was rund 1600 Euro wären. „Erstaunlich“,<br />

sagt Dirk Gunnemann. Der 17-<br />

Jährige schüttelt den Kopf, als ihm<br />

langsam bewusst wird, wie unterschiedlich<br />

„Reichtum“ definiert werden kann.<br />

Andere Burkinabé berichten aus ihren<br />

Familien, dass drei Personen in einem<br />

Zimmer schlafen, teils auch 15. „Familien<br />

können aus bis zu 120 Menschen<br />

bestehen, die in einem Haushalt leben“,<br />

lernt Wibke Grzonka und erfährt,<br />

dass „meist viele kleine Hütten wie in<br />

einer kleinen Festung, der Konzession,<br />

gebaut sind.“<br />

Schockiert reagieren vor allem die<br />

deutschen Schülerinnen, als sie sich<br />

über die Beschneidung von afrikanischen<br />

Mädchen kundig machen. Gerade<br />

weil sie die Beschreibungen von<br />

Waris Dirie, einem Model aus Somalia,<br />

aus deren Roman „Wüstenblume“ kennen,<br />

sprechen Jana Lüdtke und Katharina<br />

Merks den König von Yatenga darauf<br />

an. Er regiert die Provinz, in der sie<br />

sind. Er müsste es wissen. „Das Thema<br />

hat uns am meisten berührt“, sagt Jana.<br />

Aber der König wimmelt ihre Frage<br />

schnell ab (Weltweit leben 150 Millionen<br />

verstümmelte Frauen, jährlich kommen<br />

zwei Millionen hinzu). An einem<br />

anderen Tag sehen die Schülerinnen<br />

ein Mädchen, das traurig wirkt. Kirsten<br />

Jensen fragt die Acht-, vielleicht Zehnjährige,<br />

was mit ihr sei. „Sie hat nichts<br />

gesagt, nur den Rock gehoben und gezeigt,<br />

dass sie beschnitten wurde.“ Wibke<br />

und Jana reden über dieses Erlebnis<br />

erst nach einiger Zeit.<br />

Geprägt von dieser Reise kehren die<br />

Schüler zurück – und haben gelernt.<br />

Kirsten Jensen und Katharina Merks<br />

überlegen, nach dem Abi ein soziales<br />

Jahr in Afrika zu leisten. Jana Lüdtke<br />

will ihre Erfahrung an andere Schüler<br />

weiter geben, erzählen und Diavorträge<br />

halten, genauso wie Jan Schöwerling.<br />

Tatjana Weber, die körperbehindert ist<br />

und im Rollstuhl reiste, hat sich geschworen,<br />

eines nie zu vergessen: „Die<br />

Menschen, die ich in Zogoré traf, waren<br />

Überlebenskünstler.<br />

Sie scheuten sich nicht, aus dem etwas<br />

zu fertigen, das wir wegwerfen würden.“<br />

Sie hatte einen Mann beobachtet,<br />

der Plastiktaschen zerriss, um daraus<br />

Seile zu flechten. Einen anderen sah die<br />

18-Jährige, der Schmuckkästchen aus<br />

Abflussrohren bastelte: „Diese Menschen<br />

sind trotz der Armut herzlicher<br />

als die Menschen hier zu Lande.“<br />

Fortsetzen werden die Lehrer beider<br />

Schulen das Projekt. Die Gesamtschule<br />

schloss während der Reise eine Schulpartnerschaft<br />

mit dem einzigen Collège<br />

in Zogoré. Weniger offiziell wollen die<br />

Gymnasiasten ihre Schülerpartnerschaft<br />

pflegen. Bald schon werden die Schüler<br />

erneut losziehen und Spenden sammeln,<br />

so wie sie es vor der Reise taten –<br />

bei Schwimmaktionen, einer Wohltätigkeitswanderung<br />

oder auf Trödelmärkten,<br />

wo die Gesamtschüler Möbel und<br />

Spielsachen verkauften.<br />

Zeitgleich hatten die Gymnasiasten bei<br />

fast jedem Anlass über Jahre hinweg<br />

Würstchen angepriesen. Nicht irgendwelche,<br />

sondern solche, die sie auf einem<br />

Solarkocher garten, auf dem auch<br />

die Schüler des Collège in Zogoré, das<br />

in der unwirtlichen, nur an Sonne reichen<br />

Sahelzone liegt, meist ihr Mittagessen<br />

zubereiten. Nur solche Aktionen<br />

brachten das Geld, um Solarkocher<br />

und Tore für die Schule in Zogoré zu<br />

kaufen.<br />

Info<br />

Land der Aufrichtigen<br />

Burkina Faso, der Staatsname bedeutet<br />

Land der Aufrichtigen. Die Republik<br />

besteht seit 1960. Vor 18 Jahren gab es<br />

einen Putsch, doch wurde Präsident<br />

Blaise Compaore später bei Wahlen<br />

legitimiert. im 274190 Quadratkilometer<br />

großen Land leben 12114 Millionen<br />

Burkinabé.<br />

Das Bevölkerungswachstum liegt bei<br />

2,4% (BRD: 0,2), wobei die Geburtenziffer<br />

bei 4,4% (0,9) und die Sterbeziffer<br />

bei 1,9% (1,1) liegen; bei 6,5% liegt die<br />

HIV/Aids-Rate. Männer sterben durchschnittlich<br />

mit 47 (74,5), Frauen nach 49<br />

Jahren (80,6). 67% der Männer und<br />

87 % der Frauen sind Analphabeten. Mit<br />

einem Pro-Kopf-Einkommen um 200<br />

US-Dollar zählt Burkina Faso zu den<br />

ärmsten Ländern der Welt. In der Sahelzone<br />

gelegen, leidet es oft unter Dürre.<br />

Hindernisse sind geringe Ressourcen,<br />

die Binnenlage, Misswirtschaft, Korruption.<br />

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