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<strong>Ausgezeichnete</strong> Beiträge 1. Preis Kai M. Feldhaus, Johannes Strempel Essen ist fertig – ein Tag bei den Rittern der Tafelrunde Sonntagsbeilage der Berliner Morgenpost „Berliner Illustrirte Zeitung“, 1. Februar 2004 Ein Tag bei den Rittern der Tafelrunde. Wollen Sie wissen, wie arm Berlin wirklich ist? Dann fahren Sie mal mit den Helfern der „Berliner Tafel“ durch die Stadt. Von Kai Feldhaus und Johannes Strempel 8.30: Zentrale Schöneberg Die Tafelrunde ist ziemlich fertig, und man sieht es ihr an. „Mann, hab’ ich Rückenschmerzen“, stöhnt Thorsten und streckt sich, die anderen nicken schweigend. Die Grüne Woche hat Spuren hinterlassen – im Kreuz, in den Gesichtern, im Büro. 20 Tonnen Lebensmittel haben sie in den letzten zehn Tagen gesammelt. Nach ihrer normalen Schicht, auf Extratouren, um die üppigen Reste der Lebensmittelmesse unter die Armen von Berlin zu bringen. Das meiste sind sie losgeworden. Alles Übrige türmt sich im Büro, in Kisten, Kästen und Eimern, im Eingang, im Flur. Thorsten gähnt. Vor ihm liegt der 13. Arbeitstag in Folge. Freiwillig, unbezahlt, ehrenamtlich. 9.35: Lidl, Meineckestraße Wortlos und mit geübten Fingern rupfen sie angefaulte Blätter aus dem Kopfsalat, drücken Orangen, ob sie noch gut sind, sortieren Tomaten, prüfen das Datum auf den Joghurtbechern. Es ist ein ganzer Berg Nahrung, den die blaue Stahltür in der Tiefgarage heute für sie ausgespuckt hat. Gute, unverdorbene Nahrung, die trotzdem niemand mehr kaufen wird. Fleisch, Zucker, Eier, Haferflocken, Negerküsse, Paletten mit Schlagsahne türmen sich auf der Laderampe. Dies ist Michas Tour. Er fischt, elegant wie ein Zauberer, einen in Plastik verpackten Strauß Tulpen aus einer Salatkiste. „Hier, für dich!“ Micha ist ein großer, gefährlich aussehender Kerl mit einer sanften Stimme. Und Martina sieht kurz auf und grinst. Die beiden sind ein festes Team. Martina steuert den weißen Transporter, Micha sitzt dann neben ihr und macht Witze mit seiner sanften Stimme. 10.05: Fruchthof Der Moabiter Fruchthof ist mehr als eine weitere Etappe auf der Suche nach Lebensmitteln. Er ist auch eine Tauschbörse für die Fahrer der „Tafel“. Wer in der ersten Stunde der täglichen Tour mehr Glück hatte, gibt denen ab, deren Transporter noch leer sind. „Günther, du kriegst ‘ne Kiste Äpfel von mir für deine Grundschule“, sagt Micha, als er aus dem Auto steigt. Dann warten die Fahrer auf dem Parkplatz auf einen Kollegen, der in Rehfelde eine große Ladung Brot aufgetan hat. Es ist ein kalter Wintermorgen, und dort drüben am Auto von Werner Saß gibt es Kaffee für alle. Er und seine Frau Rita betreiben seit sechs Jahren eine Suppenküche in der Advent-Gemeinde Spandau. An- 8