Klimaschutz ist Gesundheitsschutz - G´sund Online
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Gesundheit & Forschung 25<br />
Schütteln <strong>ist</strong> lebensgefährlich!<br />
Grazer Präventionskampagne Schütteltrauma<br />
Verletzungen des Zentralnervensystems<br />
(ZNS) führen zur<br />
höchsten Morbidität und Mortalität<br />
bei misshandelten Kindern.<br />
Die größte klinische Bedeutung<br />
aller Verletzungen des frühkindlichen<br />
ZNS hat das Schütteltrauma,<br />
auch shaken baby syndrom (SBS)<br />
genannt. Durch das unkontrollierte<br />
Umherschwingen des Kopfes werden<br />
erhebliche Kräfte freigesetzt,<br />
die gravierende neurologische<br />
Schäden verursachen.<br />
Dr. A.<br />
Huber-Zeyringer,<br />
Dr. E. Sterl<br />
und Dr. E. Fandler.<br />
Foto: Fechter LKH-Univ. Klinikum Graz<br />
Diagnose<br />
Die klinischen Symptome ähneln<br />
jenen anderer Erkrankungen wie<br />
z. B. eines Infekts (u.a. Erbrechen,<br />
Trinkschwierigkeiten, Apathie,<br />
cerebrale Krampfanfälle),<br />
weshalb die Diagnosestellung<br />
oft erschwert wird. Neben einer<br />
guten Sozialanamnese <strong>ist</strong> eine<br />
Reihe klinischer Untersuchungen<br />
unabdingbar. Die Prognose <strong>ist</strong><br />
fatal: Zwei Drittel erleiden neurologische<br />
Folgeschäden in Form<br />
von Entwicklungsstörungen,<br />
schweren Seh-, Hör- und Sprachausfällen<br />
bis hin zu bleibenden<br />
Behinderungen. Die Sterblichkeitsrate<br />
liegt bei 12–27 %.<br />
Häufigkeit<br />
Legt man bisher vorhandene Studienzahlen<br />
auf die österreichische<br />
Population um, so sind in Österreich<br />
jährlich etwa 10–20 Kinder<br />
im ersten Lebensjahr betroffen.<br />
Die Dunkelziffer der Kinder, die<br />
aus Hilflosigkeit, Wut oder Unwissenheit<br />
geschüttelt werden,<br />
dürfte jedoch ungleich höher liegen.<br />
Betroffen sind Kinder aus<br />
allen Gesellschaftsschichten,<br />
wobei festgestellt wurde, dass<br />
sich das Risiko beim Zusammentreffen<br />
mehrerer Belastungsfaktoren<br />
deutlich erhöht.<br />
Risikofaktoren:<br />
• „Schreibabys“<br />
• Ess- und Fütterungsproblematik<br />
• überforderte Betreuungspersonen<br />
• misslungene Beruhigungsversuche<br />
• steigende Verzweiflung/<br />
Versagensgefühle<br />
• Neigung zu Gewalt<br />
und Sucht<br />
• familiäre oder partnerschaftliche<br />
Konflikte<br />
• fehlendes soziales<br />
Netzwerk<br />
• niedriger sozioökonomischer<br />
Status<br />
Daten 1999 – 2009,<br />
Kinder- und Jugendchirurgie<br />
Graz<br />
Im Kinderzentrum des Universitätsklinikums<br />
Graz wurden in<br />
den Jahren 1999–2009 15 Kinder<br />
unter dem ersten Lebensjahr mit<br />
schwerem Schädelhirntrauma an<br />
der kinderchirurgischen Intensivstation<br />
stationär aufgenommen.<br />
Bei 10 von 15 Kindern im durchschnittlichen<br />
Alter von 2,75 Monaten<br />
konnte eine Misshandlung<br />
als Ursache der schweren<br />
Hirnverletzung nachgewiesen<br />
werden. Eines der Kinder hat<br />
die Misshandlung nicht überlebt.<br />
Bei vier Kindern wurden<br />
neurologische Auffälligkeiten<br />
diagnostiziert, drei weitere haben,<br />
soweit beurteilbar, keine<br />
körperlichen Folgeschäden erlitten.<br />
Bei zwei Säuglingen <strong>ist</strong><br />
die weitere Entwicklung nicht<br />
bekannt.<br />
Erste österreichische<br />
Informationskampagne<br />
in Graz<br />
Im Juni 2010 präsentierte ein<br />
interdisziplinäres Team aus fünf<br />
Organisationen im Rahmen einer<br />
Pressekonferenz im Grazer<br />
Rathaus die erste österreichische<br />
Präventionskampagne zum<br />
Thema Schütteltrauma.<br />
Das Team stellte Informationsfolder<br />
und Plakate vor, die in Zusammenarbeit<br />
mit dem Amt für<br />
Jugend und Familie der Stadt Graz,<br />
der Wissenschaftlichen Akademie<br />
für Vorsorgemedizin, dem Ludwig-<br />
Folder: Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie<br />
Boltzmann-Institut für klinisch-forensische<br />
Bildgebung (Moderator<br />
des Teams: Dr. Nikolaus Krebs)<br />
sowie den Kinderschutzgruppen<br />
der Universitätskliniken für Kinder-<br />
und Jugendheilkunde bzw.<br />
Kinder- und Jugendchirurgie Graz<br />
entwickelt wurden.<br />
Information <strong>ist</strong> die beste<br />
Prävention<br />
Die Folder beinhalten Wissenswertes<br />
über Risiken und mögliche<br />
Folgen des Schüttelns, Ratschläge<br />
zum Umgang mit Babys,<br />
die sich nicht beruhigen lassen,<br />
sowie Informationen über Hilfseinrichtungen<br />
und Anlaufstellen.<br />
In den nächsten fünf Jahren werden<br />
die Folder der Grazer Geburtenmappe<br />
beigelegt. Sie liegen<br />
auch in den Ordinationen von<br />
Kinderfachärzten und Allgemeinmedizinern<br />
auf und können in<br />
mehreren Sprachen angefordert<br />
werden. <br />
n<br />
Weitere Informationen:<br />
www.graz.at/schuetteltrauma<br />
Dr. Elisabeth Fandler,<br />
Klinische Psychologin,<br />
Univ.-Klinik für Kinder- und<br />
Jugendheilkunde,<br />
Dr. Andrea Huber-Zeyringer,<br />
Dr. Elisabeth Sterl,<br />
Ärztinnen,<br />
Univ.-Klinik für Kinder- und<br />
Jugendchirurgie,<br />
LKH-Univ. Klinikum Graz<br />
Menschen helfen Menschen<br />
März 2011