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fährt mit dem 512-er-Bus ins Gäu, und die Automatenstimme<br />

kündigt Phantomhaltestellen an: «Hammer»,<br />

«Usego», das war einmal. Namen und Firmen von früher,<br />

Fabriken, Beizen, die es mal gab. «Hammer» – war das<br />

nicht ein Film, den man als junger Trübel mal an den<br />

Solothurner Filmtagen sah, über die letzten Tage eines<br />

alten Hotels, das gesprengt werden sollte? Mit einem irrlichternden<br />

Kellner, der die Vergangenheit nicht loslassen<br />

mochte? Olten, vertäut in einer ungefähren Vergangenheit.<br />

«Kleider Frey, Halt auf Verlangen.» Keiner<br />

verlangts. Garagen, Industriebauten, vorbeifliegende<br />

Schatten nur, Leuchtschriftzüge, undeutlich beim Eindunkeln.<br />

Mittelland rundherum, unwirkliches Kreiselland,<br />

Autobahnland, Durchzugland, Verteilcenterland.<br />

Wie ein Hohn hört sich die nächste Haltestelle an:<br />

«Gässli». Denn hier ist kein Gässli, hier ist nur Landstrasse,<br />

nur Drive-Thru, Autozubehör en gros, Tankstellenshop,<br />

nur betonierte Überlandschweiz.<br />

Maybe Baby<br />

Wie oft sind Sie schon an Olten vorbeigefahren, im<br />

Leben? Was heisst «Vorbeifahren»? Man fährt ja mittendurch,<br />

denn es gibt ein links- und ein rechtsufriges<br />

Olten, die Aare fliesst hindurch – und mittendrin steht<br />

der Bahnhof: «Meine Damen und Herren, wir treffen in<br />

Olten ein.» Aber man trifft nie ein, man macht nur kurz<br />

Halt. Fast jede längere Zugreise in diesem Land führt irgendwie<br />

über Olten und doch dran vorbei. «Via Olten»,<br />

steht auf dem Ticket.<br />

Gewiss, ja, mir ist bewusst, dass dieses Bulletin nur in<br />

Zugkompositionen der <strong>BLS</strong> aushängt, und die fährt von<br />

Brig bis Solothurn, von Zweisimmen bis Luzern, nicht<br />

aber nach Olten. Dennoch, wir sind ja hier unter uns<br />

Bahnreisenden, nicht wahr? Und welcher Bahnreisende<br />

wäre nicht schon …? Eben: Olten. Da fährt jeder durch.<br />

Täglich sind es über 300 000 Leute in 1100 Zügen. Sie!<br />

Das sind einhundertneuneinhalb Millionen Menschen<br />

pro Jahr, vierzehnmal die gesamte Schweizer Bevölkerung.<br />

In Olten, ich habs ausgerechnet, muss ich schon<br />

über 6000-mal vorbeigefahren sein. Aber ausgestiegen?<br />

Nie.<br />

Steigt man dann, aus Versehen oder weil man muss oder<br />

weil es einen wundernimmt, doch mal aus in Olten, sieht<br />

man lauter Dinge, die es eigentlich nicht mehr gibt. Man<br />

Und will man schliesslich spätnachts, von Egerkingen<br />

her kommend, in Olten noch etwas trinken, bevor einen<br />

auf Gleis 7 der Intercity mitnimmt, hat das «Flügelrad»<br />

schon zu, das Bahnhofbuffet sowieso. Nur im nahen<br />

Hotel «Amaris» lässt sich die Frau an der Theke, die<br />

gerade dichtmachen wollte, zu einem letzten Bier überreden.<br />

Darob gerät man mit ihr ins Plaudern. Aus Berlin<br />

komme sie, erzählt sie und sagt «icke», wenn sie ich sagt.<br />

Sie habe sich in einen Schichtarbeiter aus Selzach verliebt,<br />

drum sei sie hier. Nach Feierabend muss sie noch<br />

heim zu ihm fahren – mit dem Auto. Zug fährt keiner<br />

mehr. Sie klagt über die Arbeitszeiten, würde lieber<br />

Saxofon spielen als Bier zapfen, wünscht sich eigene<br />

Kinder. Sie nennt das etwas salopp «Familienplanung»,<br />

meints aber feiner.<br />

Vielleicht, denkst du später auf dem Perron, bibbernd<br />

vor Kälte, vielleicht wäre Olten ja ein Ort zum Bleiben?<br />

Am Automaten gibts nur blöde Nüsschen zu kaufen,<br />

Schokoriegel. Und einen Schwangerschaftstest für 15<br />

Franken, Marke «Maybe Baby». Und du wünschst dir<br />

insgeheim, der Schichtarbeiter aus Selzach möge noch<br />

wach sein, wenn die Thekenfrau nachts um zwei nach<br />

Hause kommt.<br />

Bänz Friedli<br />

Der Berner Bänz Friedli (48) ist Hausmann und<br />

freier Autor in Zürich. Er ist mit dem GA unterwegs<br />

und kommt mit seinem kabarettistischen<br />

Programm im Land herum. www.baenzfriedli.ch<br />

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