INTERVIEW Interview Joël Vermin Eishockey-Profi beim SC Bern Text: Thorsten Kaletsch Fotos: Rob Lewis «Die Zeit vergeht manchmal zu schnell.» Joël Vermin gehört mit 21 Jahren zu den Leistungsträgern beim SC Bern und hat bereits einen NHL-Vertrag in der Tasche. Im Interview spricht er über Verzicht, Trainingseifer und seine Rolle als Vorbild für die Jugend und als Werbeträger für die <strong>BLS</strong>. 6
Herr Vermin, welche Jahreszeit mögen Sie mehr – Sommer oder Winter? Beide haben ihre Vorteile. Wenn der Winter naht, bin ich froh, dass es endlich wieder mit Eishockey losgeht. Und im Sommer haben wir Eishockey-Profis mehr Zeit für uns selber, für Freunde und Familie. Dann ist auch die mentale Belastung nicht so gross wie während der Saison – und ich bin froh, dass ich einmal richtig entspannen kann. INTERVIEW Winter bedeutet für Sie also Arbeit und Druck. Andere freuen sich aufs Skifahren oder Snowboarden. Können Sie das zwischendurch auch geniessen? Ich glaube, ich war 15, als ich das letzte Mal auf den Skis stand. Ich würde das gerne wieder mal tun, wir Spieler müssen aber sehr darauf achten, dass wir uns nicht verletzen – Risikosportarten sind da nicht so gerne gesehen. Die Möglichkeit bestünde grundsätzlich wohl schon, aber wenn ich während der Saison mal einen Tag frei habe, dann spanne ich lieber aus, als etwas zu unternehmen. Und wenn die Eishockey-Saison für uns zu Ende ist, ist meist auch die Ski-Saison zu Ende – sonst waren wir nicht gut genug. Im Sommer haben Sie mit zusätzlichen Trainingseinheiten jeweils die Basis für Ihre Erfolge als Eishockey-Spieler gelegt. Sie sagten einmal, mit 15 hätten Sie realisiert, dass Andere talentierter seien und Sie nur auf diese Weise mithalten könnten. Sind Sie besonders ehrgeizig? Ich denke schon, dass ich sehr viel für meine Karriere arbeite. Ohne Mehraufwand wäre ich nicht bis zu diesem Punkt gelangt. Mein Ehrgeiz ist sicher einer der Erfolgsfaktoren – aber ich denke nicht, dass es so viel ist, was ich bisher erreicht habe. Immerhin sind Sie vom scheuen Junior, der mit 17 im Fanionteam des SC Bern debütiert hat, zu einem Leistungsträger gereift. Sie haben letzte Saison 35 Skorerpunkte erzielt, sind Nationalspieler geworden und haben einen NHL-Vertrag in der Tasche – und das mit 21 Jahren. Ging das nicht auch für Sie rasend schnell? Doch, extrem! Diese Jahre verflogen im Handumdrehen. Die Finalniederlage gegen den ZSC, der Titelgewinn gegen Gottéron – und jetzt stehe ich schon in meiner vierten kompletten Saison. Manchmal vergeht die Zeit wirklich zu schnell, und man kann zu wenig innehalten und geniessen. Letzte Saison spielten Sie an der Seite von NHL- Star John Tavares und Byron Ritchie. Auch mit Martin Plüss und Ivo Rüthemann agierten Sie schon in einer Linie. Welche Spieler haben Sie am meisten beeindruckt? Alle Erwähnten sind gestandene Spielerpersönlichkeiten und auf ihre Weise beeindruckend. Letztlich war es aber schon John Tavares, der den grössten Eindruck bei mir hinterlassen hat. Es war ein Riesen-Highlight für mich, Joël Vermin: «Ohne Ehrgeiz und Mehraufwand wäre ich nicht so weit gekommen.» neben ihm spielen zu dürfen. Er ist einer der besten Eishockeyspieler der Welt – was er auf dem Eis kann, haben alle gesehen. Es war aber nicht nur seine Spielweise: Es ist auch seine Art als Mensch, die ihn zu einem Vorbild macht. Neben dem Eis ist er ruhig und bescheiden, er ist am Boden geblieben und hat keinerlei Starallüren. Wie seriös seine Einstellung ist, zeigte sich auch im Kraftraum, wo er jeweils einer derjenigen war, der am längsten trainierte. Apropos Star: Auch Sie sind heute ein Vorbild – Sie werden von den Fans angehimmelt, geben Autogramme und sind Werbeträger auf Plakaten. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um? Als Star würde ich mich nicht bezeichnen. Wir sind Menschen wie alle Anderen auch – Eishockey zu spielen ist unser Job. Als Spieler, der aus der Nachwuchs- Sprachgewandter «Verminator» Joël Vermin wuchs in Murten (bis zur 5. Klasse) und Frauenkappelen auf. Sein Vater ist Niederländer, seine Mutter gebürtige Ungarin. Vermin absolvierte die Matur mit Schwerpunktfach Spanisch und spricht neben Deutsch und Berndeutsch fliessend Englisch, Französisch sowie Niederländisch und versteht auch ein paar Brocken Ungarisch. Der Flügelstürmer und Center absolvierte beim SC Bern sämtliche Nachwuchsstufen und debütierte mit 17 Jahren im Fanionteam, für das er aktuell die fünfte Saison bestreitet. Im September 2013 unterzeichnete Vermin einen Dreijahresvertrag beim NHL-Team Tampa Bay Lightning, zu dem er ab der Saison 2014 / 15 stossen wird. An der U20-WM 2012 in Kanada erhielt er von den Medien wegen seiner vier Tore den Übernamen «Verminator». 7