Kapitel 9 für PDF - Bezirk Oberfranken
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232 KAPITEL 9<br />
Industrialisierung im Dorf<br />
Geschäftshaus der Firma<br />
Samuel Zinn & Co. in<br />
Lichtenfels<br />
Postkarte um 1910<br />
Handelshaus Pauson<br />
(Bildmitte) am Bahnhofsplatz<br />
in Lichtenfels, 1906<br />
damals keine Korbmacher in Redwitz gegeben habe. Betrieb jemand die<br />
Flechterei nur nebenbei, so werden wir kaum erwarten dürfen, einen Hinweis<br />
darauf zu finden.<br />
Denkbar ist beispielsweise, dass Korbmacherei die Winterarbeit der Flößerfamilien<br />
war. Das würde zu einer Notiz aus dem Jahre 1780 passen: Die Korbmacher<br />
außerhalb der Zunft wurden von den <strong>für</strong>stbischöflichen Beamten und<br />
den Zunftmitgliedern als Pfuscher bezeichnet, wie gut ihre Arbeit auch sein<br />
mochte. Und diese Pfuscher betrieben, so heißt es 1780, mit ihren Körben<br />
regen Handel nach Holland. Flößer, die den Rhein hinabfuhren, könnten Körbe<br />
auf ihren Flößen mitgenommen und am Zielort verkauft haben.<br />
Erst um 1800 erscheint wieder ein als Korbmacher bezeichneter Mann in<br />
Redwitz: Lorenz Gagel aus Michelau, der 1799 nach Redwitz geheiratet hatte<br />
61 . In einer Einwohnerliste von 1815 werden bereits drei Korbmacher genannt:<br />
Lorenz Gagel (Haus Nr. 59 / Hauptstraße 46), Peter Martin (Haus Nr.<br />
94 / Am Berg 11) und Georg Ebitsch (Haus Nr. 116 / Gässla 3) 62 .<br />
Weitere Korbmacherfamilien kamen hinzu; Redwitzer ergriffen das damals<br />
zukunftsträchtig erscheinende Handwerk. Auch jüdische Einwohner, die seit<br />
dem Edikt von 1813 Handwerksberufe ausüben durften, ja sollten, wandten<br />
sich der Korbmacherei zu. Bemerkenswert ist, dass christliche Meister jüdische<br />
Lehrlinge und Gesellen ausbildeten und beschäftigten und umgekehrt.<br />
Der erste jüdische Korbmachermeister in Redwitz war Baruch Zinn<br />
(1792–1858), der Stammvater einer bedeutenden Korbhändlerfamilie 63 . Nachdem<br />
er sich 1821 als Meister niedergelassen hatte – ihm gehörte Haus Nr. 13<br />
(Gässla 6) –, begann er 1830 mit Körben zu handeln. Sein 17jähriger Sohn<br />
Carl Zinn reiste 1845, gewiss im Auftrag des Vaters, nach Amerika, um neue<br />
Kunden zu gewinnen.<br />
Weitergeführt wurde das Handelshaus jedoch vom anderen Sohn, Samuel<br />
Zinn, der 1862 an der Weltausstellung in London teilnahm 64 . 1868 heißt es<br />
über die Korbwaarenfabrik von Samuel Zinn & Co., sie liefere Körbe in<br />
ungefähr 10,000 Nummern in Weiden in Verbindung mit Schilf und Esparo 65 ,<br />
sowie in Rohr in Verbindung mit Hanfschnüren, theilweise gebleicht, theils<br />
weiss und bemalt, theils ganz farbig durch Anwendung von Anilin. Die Produkte<br />
gingen nach allen Weltrichtungen 66 .<br />
Zinn verlegte die Firma 1876 nach Lichtenfels, wo er bald darauf am Bahnhofsplatz<br />
Geschäftsbauten errichten ließ. Er galt damals als der wohlhabendste