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24 MEDIENMANN DES JAHRES<br />
Das Blatt im<br />
Herzen, nicht vor<br />
dem Mund<br />
Gabor Steingart, HORIZONT-Medienmann des Jahres,<br />
hat Relevanz und Auflage des „Handelsblatt“ erhöht – und sieht<br />
Journalismus auch als Geschäftsmodell.<br />
War das eine frühe Bewerbungsanzeige?<br />
„Besitze Piratenflagge. Suche<br />
Partner mit Schiff“ – diesen<br />
Spruch nannte Gabor Steingart<br />
vor fast drei Jahren im HORIZONT-Porträt<br />
als sein Lebensmotto. Damals war gerade bekannt<br />
geworden, dass er – zu diesem Zeitpunkt<br />
Washington-Korrespondent des „Spiegel“ – bald<br />
neuer Chefredakteur des „Handelsblatt“ wird.<br />
Im April 2010 schließlich trat er in Düsseldorf an.<br />
Und hat seitdem seine Piratenflagge kräftig<br />
geschwenkt, in alle Richtungen. Nach innen, zur<br />
Seite und nach vorn.<br />
Als Chefredakteur des „Handelsblatt“ hat<br />
er die Wahrnehmung und die Relevanz der Wirtschaftszeitung<br />
mit klarer Themensetzung, meinungsstarkem<br />
Journalismus und blattmacherischer<br />
Raffinesse nachhaltig erhöht, lobt die 18-<br />
köpfige Jury des HORIZONT Award den Medienmann<br />
des Jahres 2012. Hervorzuheben sei, mit<br />
welchem Geschick er neue Kommunikationskanäle<br />
nutze und zugleich Print und digitale Bezahl-Vertriebswege<br />
stütze. Auch damit habe<br />
Steingart die Verkäufe des Titels entgegen dem<br />
Markttrend gesteigert (siehe Kasten Seite 26). So<br />
weit seine Piratentour im Marktgeschehen.<br />
Dabei scheut Steingart keine Rempeleien<br />
gegen (Ex-)Wettbewerber. Wiederholt hat er<br />
Meinungs- und Kampagnenstärke auch mit öffentlichen<br />
Äußerungen über die „Financial<br />
Times Deutschland“ gezeigt. Es sei kein Segen,<br />
wenn unrentable Objekte mitgeschleppt werden,<br />
ätzte er schon mal auf Veranstaltungen gegen die<br />
damals noch existente Konkurrenz: Dass die<br />
„FTD“ auf dem Markt sei, resultiere aus einer<br />
„konzerninternen Planwirtschaft“ bei Gruner +<br />
Jahr, schließlich werde der Titel seit dem ersten<br />
Tag subventioniert. Und jetzt, nach dem Ende<br />
der „FTD“, verspürt Steingart neben dem „Respekt<br />
gegenüber den Kollegen, die tapfer gekämpft<br />
haben“, auch „ein Gefühl der Erleichterung“,<br />
da nun ein ruinöser Wettbewerb – immerhin<br />
seien <strong>30</strong>0 Millionen Euro gegen das<br />
„Handelsblatt“ gesetzt worden – beendet sei.<br />
Und nach innen? Qualität kommt von<br />
Quälen, diesen Lehrspruch zitiert Steingart oft<br />
und gerne. Manche sagen, damit sei nicht nur die<br />
Arbeit am Text gemeint, sondern auch seine<br />
Führungsphilosophie. Viele beschreiben ihn als<br />
brillanten Analytiker und Schreiber – aber manche<br />
auch als ruppig und autoritär. „Eine Redaktion<br />
wird nicht aus der Mitte, sondern von<br />
DER VOLLBLUTJOURNALIST<br />
Gabor Steingart, Jahrgang 1962, kam nach Studium<br />
(Politik, VWL), Volontariat (Holtzbrinck-Schule)<br />
und einem Jahr bei der „Wirtschaftswoche“<br />
1990 zum „Spiegel“. Dort war er Bonn-Korrespondent,<br />
dann Ressortleiter Wirtschaft und<br />
schließlich sechs Jahre Leiter des Hauptstadtbüros.<br />
2007 wurde er Büroleiter in Washington. Im<br />
April 2010 trat Steingart als Chefredakteur beim<br />
„Handelsblatt“ an. Seit Anfang Januar 2013 fungiert<br />
er als Herausgeber des Titels sowie als Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung und Minderheitsgesellschafter<br />
der Verlagsgruppe Handelsblatt.<br />
Steingart ist verheiratet und hat drei Kinder.<br />
HORIZONT MAGAZIN JANUAR 2013