Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
52 KEYNOTE<br />
Chief Energy Officer<br />
Wie sollen sich Unternehmen im „New Normal“ verhalten? Frank Appel, Vorstandsvorsitzender der<br />
Deutschen Post, empfiehlt in seiner Keynote Sinngebung und Optimismus – dann sei alles halb so wild.<br />
FOTO: THOMAS FEDRA<br />
„Es fehlt an Optimismus.<br />
Wir müssen daran<br />
arbeiten, eine positive<br />
Vision für Europa<br />
zu entwickeln“<br />
Frank Appel, Deutsche Post<br />
Frank Appel führt zwar einen Weltkonzern,<br />
der über 50 Milliarden Euro Umsatz<br />
macht, aber er ist ein bodenständiger<br />
Typ geblieben. Einer, der auch mal in<br />
Shanghai beim Pakete-Ausliefern hilft, um die<br />
Prozesse vor Ort kennenzulernen. Und einer, der<br />
in puncto „New Normal“ – dem Schlagwort für<br />
die sich dramatisch verändernden wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen der Gegenwart – ein<br />
bisschen Ruhe ins Spiel bringen kann.<br />
„New Normal“, so Appel in seiner Keynote<br />
beim HORIZONT Award, bezeichne den aktuellen<br />
Zustand der Welt, die komplexer, unsicherer,<br />
aber, vor allem durch das Internet, transparenter<br />
geworden sei. Diese Welt ist gekennzeichnet<br />
durch immer mehr Wahlmöglichkeiten: „Mark<br />
Zuckerberg konnte als Facebook-Gründer alle<br />
Frauen in Harvard kennenlernen“, führt der Diplom-Chemiker<br />
und promovierte Neurobiologe<br />
aus, „ich dagegen hatte im Chemielabor lediglich<br />
zu zehn Damen Kontakt.“ Macht aber nichts,<br />
denn: „Eine von ihnen ist heute meine Ehefrau.“<br />
Und dann erklärt der 51-Jährige, warum<br />
„New Normal“ für Unternehmen gar nicht so<br />
viel Stress bedeutet: „Die Rahmenbedingungen<br />
sind neu. Was aber nicht neu ist, das sind die<br />
Bedürfnisse der Menschen.“ Die haben nämlich<br />
nach wie vor genau drei Wünsche: Sie wollen<br />
einen Menschen, den sie lieben, einen Sinn für<br />
ihr Leben und die Hoffnung, dass es morgen<br />
besser ist als heute. „Auf diese Bedürfnisse müssen<br />
Unternehmen reagieren“, fordert Appel.<br />
„New Normal“ erfordere zwar einerseits Tempo,<br />
den Mut, schnelle Entscheidungen zu treffen.<br />
Gleichzeitig aber stehen Firmen vor der Aufgabe,<br />
den Menschen – und damit meint Appel Kunden<br />
genauso wie Mitarbeiter – eine dauerhafte Orientierung<br />
zu geben.<br />
Der Post-Chef erinnert sich noch gut an<br />
eine junge Frau, die beim Weltwirtschaftsgipfel<br />
in Davos von den Top-Entscheidern nur eines<br />
forderte: „Dass sich die Manager daran erinnern,<br />
welche Träume sie mit 18 hatten.“ Dem Bedürfnis<br />
nach Orientierung stelle sich ein Unternehmen,<br />
indem es klipp und klar formuliert, was der<br />
Sinn seiner Tätigkeit ist. Beim gelben Riesen laute<br />
die Mission: „Wir verbinden Menschen, um<br />
ihr Leben zu verbessern.“ Diesen gesellschaftlichen<br />
Auftrag setze die Post weltweit mit ihren<br />
Logistik-Ketten um – auch für Medikamente.<br />
Inwiefern Anspruch und Wirklichkeit<br />
übereinstimmen, überprüfe die Post regelmäßig<br />
in Bezug auf drei „Bottom Lines“: die Zufriedenheit<br />
bei Kunden, Mitarbeitern und Aktionären.<br />
Und überall sei man zuletzt deutlich vorangekommen.<br />
Die Bewertung durch Kunden habe<br />
sich seit 2009 spürbar verbessert, die Mitarbeiterzufriedenheit<br />
liege um 75 Prozent über dem<br />
globalen Durchschnitt. Und auch der lange<br />
schwächelnde Aktienkurs sei in den vergangenen<br />
zwei Jahren schneller gestiegen als der deutsche<br />
Index Dax. Dies hätten auch die Medien wohlwollend<br />
zur Kenntnis genommen.<br />
Zielsetzungen entwickeln natürlich nur<br />
Strahlkraft, wenn sie mit Optimismus verbunden<br />
sind. Appel kommt viel herum, und immer<br />
wieder fällt ihm auf, dass die Menschen in China<br />
oder Dubai zuversichtlich nach vorn schauen,<br />
nicht aber in Europa. „Es fehlt an Optimismus.<br />
Wir müssen daran arbeiten, eine positive Vision<br />
für Europa zu entwickeln“, beschwört er die Gäste<br />
beim HORIZONT Award. „Marketing, Medien<br />
und Agenturen sollten einen Diskurs darüber<br />
einleiten, wie das funktionieren kann.“<br />
In Unternehmen sei es Aufgabe der Führungsebene,<br />
für Optimismus zu sorgen. Ihn stört<br />
die Bezeichnung „Executive“ im Begriff CEO:<br />
„Das hört sich an, als würde man ständig Entscheidungen<br />
treffen.“ Seine Aufgabe sieht er viel<br />
mehr darin, der Organisation immer wieder<br />
Energie zuzuführen: „Daher sehe ich mich eher<br />
als Chief Energy Officer.“ KLAUS JANKE<br />
HORIZONT MAGAZIN JANUAR 2013