Vortrag von Herrn Prof.Dr. Thomas Bliesener - SFBB

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11.10.2013 Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Rechtspsychologie Definitionen der Verantwortlichkeit und typische Merkmale jugendlicher Straftäter Inhaltliche Ausfüllung (Definition) des Verantwortlichkeitsbegriffs § 3 JGG: Vermutete typische Merkmale jugendlicher Straftäter Durch Andere (Familie) gelernt, was Recht und was Unrecht ist; Verantwortung in Familie; wissen, wie man respektvoll miteinander umgeht; Bindungsfähigkeit; Beziehungsfähigkeit Desolate Familien, Trennungen, kein familiärer Halt, Gewalt, Alkohol, Arbeitslosigkeit in der Familie, Verwahrlosung, wenig Zuwendung, keine Bezugs-person, dissoziale Entwicklung Altersentsprechende intellektuelle Entwicklung Schulprobleme, Haupt-oder Förderschule, Abbrüche Kognitive Differenziertheit; Fähigkeit, sich differenziert mit sich und seiner Umwelt auseinandersetzen zu können; Normen kennen, reflektieren darüber nachdenken können Sich selbst in seiner Entwicklung und Andere einschätzen können; eigene Position in Gesellschaft/Familie/Clique richtig einschätzen können Impulsives Verhalten, unbedacht, allgemeine Unreflektiertheit des Verhaltens Bizarre Lebensvorstellungen, eigene Situation nicht realistisch eingeschätzt („hoffnungslos überschätzt“) Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Rechtspsychologie 24
11.10.2013 Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Rechtspsychologie Schlussfolgerungen Ein wesentlicher Grund für die fast stereotyp positive Beurteilung der Verantwortlichkeit scheint in einem gravierenden Informationsdefizit zu liegen. Die den Jugendgerichten mit der Anklageerhebung vorgelegten Akten sind primär auf Informationen zur Tatbestandmäßigkeit sowie zu Beweismitteln fokussiert, die die Schuld des Angeschuldigten belegen sollen. Psychosoziale Informationen über den angeschuldigten Jugendlichen sind dagegen – wenn überhaupt –nur sehr fragmentarisch und unsystematisch in den Akten enthalten. Staatsanwaltschaft und Gericht verlassen sich fast ausschließlich auf die Berichte der Jugendgerichtshilfe. Diese enthalten aber – wie unsere Auswertungen mehrerer JGH-Berichte gezeigt haben –selbst oft unzulängliche Informationen zum Reifestand des Jugendlichen. Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Rechtspsychologie Schlussfolgerungen Möglicherweise suchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe nicht aktiv nach Informationen, die sie für eine Reifebeurteilung benötigen – evtl. deshalb, weil es Ihnen an entwicklungspsychologischen und diagnostischen Kenntnissen mangelt. ⇒ Eine Verbesserung der Situation, d. h. eine sorgfältigere Prüfung der Verantwortlichkeit im Einzelfall, muss bereits lange vor der gerichtlichen Hauptverhandlung ansetzen muss. ⇒ Den Staatsanwaltschaften und Jugendgerichten müssen bereits vor der Prüfung einer Anklageerhebung bzw. im Zwischenverfahren Informationen vorliegen, die sie zu einer ersten Einschätzung darüber in die Lage versetzen, ob die Verantwortlichkeit möglicherweise nicht gegeben ist. 25
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