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SOZIALINFORMATIK IN LEHRE UND FORSCHUNG - wikiinarbeit

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Helmut Kreidenweis / Thomas Ley (Hrsg.)<br />

<strong>SOZIAL<strong>IN</strong>FORMATIK</strong><br />

<strong>IN</strong> <strong>LEHRE</strong> <strong>UND</strong> <strong>FORSCHUNG</strong><br />

-<br />

VON DER STANDORTBESTIMMUNG<br />

ZUR ZUKUNFTSPERSPEKTIVE


Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 2


<strong>IN</strong>HALTSVERZEICHNIS:<br />

Helmut Kreidenweis / Thomas Ley<br />

Vorwort ..............................................................................................................4<br />

I. CURRICULARE KONSEQUENZEN...........................................................................8<br />

Helmut Kreidenweis<br />

Sozialinformatik in der Lehre – Ein Konzept zur systematischen<br />

Verankerung in der Ausbildung ...................................................................9<br />

Ursula Mosebach / Hans-Jürgen Göppner<br />

Sozialinformatik studieren im virtuellen Seminarraum............................22<br />

Christiane Rudlof<br />

Benutzerzentrierte Anforderungsanalyse als Bestandteil der<br />

Sozialinformatik...........................................................................................34<br />

II. OPTIONEN DES <strong>IN</strong>TERNETS ...............................................................................39<br />

Hans Joachim Gehrmann<br />

Sozialberatung im Internet .........................................................................40<br />

Harald Mehlich<br />

Modernisierung sozialer Institutionen durch eGovernment als<br />

Herausforderung für die Sozialinformatik.................................................50<br />

III. IT-GESTÜTZTE DOKUMENTATION .....................................................................61<br />

Silke Axhausen<br />

Einige Anmerkungen zu IT-gestützten Dokumentations-systemen in der<br />

Sozialen Arbeit ............................................................................................62<br />

Martin Schmid<br />

Chancen und Grenzen IT-gestützter Dokumentation am Beispiel der<br />

Drogenhilfe ..................................................................................................79<br />

Nora Gaupp<br />

Entwicklung eines EDV-gestützten Dokumentationssystems für das<br />

Case Management mit benachteiligten Jugendlichen im<br />

Modellprogramm „Kompetenzagenturen“ ................................................95<br />

Autorenverzeichnis.......................................................................................102<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 3


Vorwort<br />

Die Sozialinformatik beginnt sich an den Hochschulen zu etablieren, Fachzeitschriften<br />

greifen das Thema vermehrt auf, ein (inter-)disziplinärer Diskurs<br />

kommt in Gang. Doch bislang wurden Lehrinhalte und Studienkonzepte wenig<br />

fachöffentlich diskutiert, empirische Forschung gibt es bisher kaum. Dabei<br />

boomt der IT-Einsatz in der Praxis und dringt immer weiter in die Kernprozesse<br />

sozialer Organisationen vor. - Zeit also für vermehrte Impulse aus Lehre und<br />

Forschung.<br />

Der vorliegende Tagungsband speist sich aus Beiträgen von zwei Fachtagungen,<br />

die in der Katholischen Fachhochschule in Mainz am 11. Januar sowie am<br />

26. Juni 2005 unter dem Titel „Sozialinformatik in Lehre und Forschung – Von<br />

der Standortbestimmung zur Zukunftsperspektive“ durchgeführt wurden.<br />

Ziel der Tagungen war es, Lehrende und Forschende im noch offenen Feld der<br />

Sozialinformatik zusammen zu bringen und den fachlichen Diskurs zu bündeln.<br />

Sie dienten der Standortbestimmung, sollten eine Basis für die Vernetzung der<br />

bislang verstreuten Aktivitäten bilden und nicht zuletzt Zukunftsperspektiven für<br />

das Fachgebiet entwickeln.<br />

Der 1. Fachtag Sozialinformatik im Januar 2005 hatte eine unerwartet breite<br />

Resonanz ausgelöst. Von den eingereichten Beitragsvorschlägen konnte nur<br />

knapp die Hälfte berücksichtigt werden und das Interesse der Teilnehmer an<br />

einer Fortführung war hoch, so dass wir - entgegen des ursprünglichen Konzeptes<br />

eines jährlichen Turnus - im Juni 2005 einen 2. Fachtag veranstaltet haben.<br />

Die inhaltlichen Themensetzung der Fachtagungen kreiste um drei Schwerpunkte:<br />

Curriculare Überlegungen, Optionen des Internets und IT-gestützte Dokumentation.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 4


1. Curriculare Überlegungen<br />

Helmut Kreidenweis entwirft auf der Grundlage eines kurzen historischen Überblicks<br />

über curriculare Bemühungen in der Sozialinformatik ein integriertes<br />

Lehrkonzept für IT-Grundausbildung und Sozialinformatik, das die Anforderungen<br />

der Fachpraxis, die Einbindung in das System der Lehre und Fachwissenschaft<br />

sowie den aktuellen Stand und künftige Entwicklungen der Technik berücksichtigt.<br />

Im Zentrum dieses Beitrages stehen Überlegungen zu Struktur und<br />

Themenfeldern der Ausbildung.<br />

Eine besondere Einheit von Form und Inhalt liegt vor, wenn Sozialinformatik im<br />

„virtuellen Seminarraum“ studiert werden kann. Ursula Mosebach und Hans-<br />

Jürgen Göppner beschreiben in ihrem Beitrag Erfahrungen aus vier Semestern<br />

Online-Lehre im Sinne eines Projektberichts. Sie stellen die inhaltlichen und<br />

didaktischen Entscheidungen dar und machen sie so diskutierbar und reflektierbar.<br />

Christiane Rudlof plädiert beim IT-Einsatz in der Sozialen Arbeit und im Sozialen<br />

Management für "Organisation vor Technik". Voraussetzzung dafür ist jedoch,<br />

dass man die eigenen Prozesse der Dienstleistungserbringung ebenso<br />

kennen muss, wie die Grundlagen des Software-Entwicklungsmanagements.<br />

Schwerpunkt des Beitrages bildet daher eine benutzerzentrierte Anforderungsanalyse<br />

als curricularer Bestandteil der Sozialinformatik.<br />

2. Optionen des Internets<br />

Hans-Joachim Gehrmann skizziert den sich entwickelnden Arbeitsbereich „Sozialberatung<br />

im Internet“ in verschiedenen sozialwissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen<br />

Dimensionen. Darauf aufbauend stellt er konkrete Möglichkeiten<br />

der Umsetzung dieser Erkenntnisse vor: Die Entwicklung einer innovativen<br />

Beratungspraxis und der anwendungsbezogenen Lehre anhand eines Kooperationsprojektes<br />

mit beranet / zone 35 und dem Caritasverband Mainz. Leider<br />

liegt dieser Beitrag nur in Form eines Handouts vor.<br />

Harald Mehlich kündigt einen Modernisierungsschub durch moderne Technologien<br />

bei freien und öffentlichen Trägern an. Dieser beruhe auf der flächendeckend<br />

verfügbaren Vernetzung per Internet in und zwischen Organisationen, die<br />

in der öffentlichen Verwaltung verstärkt unter dem Begriff eGovernment thematisiert<br />

wird. Diese Entwicklung hat im sozialen Bereich mit Verzögerung eingesetzt.<br />

Bei hohem Kosten- und Zeitdruck sind effiziente, trägerübergreifende<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 5


Systemlösungen gefragt. Dem steht eine extreme Zersplitterung des Sozialwesens<br />

entgegen, sowohl institutionell als auch bezüglich der eingesetzten technischen<br />

Lösungen. Diese wird bisher durch IT- und organisationsbezogene "Hoheiten"<br />

zementiert, die den integrierten Lösungen im Wege stehen.<br />

3. IT-gestütze Dokumentation<br />

Beim 2. Fachtag stand vor allem die IT-gestützte Dokumentation Sozialer Arbeit<br />

im Mittelpunkt. Sowohl die fachliche als auch die technische Konzeption der<br />

Programme beeinflussen die Kernprozesse Sozialer Arbeit erheblich. Dennoch<br />

wurde die Nutzung solcher Systeme bislang von Seiten der Wissenschaft nur<br />

wenig reflektiert.<br />

Silke Axhausen entfaltet in ihren Anmerkungen zur IT-gestützten Dokumentation<br />

in der Sozialen Arbeit zunächst einen weiten Begriff der klientenbezogenen<br />

Dokumentation und konkretisiert diesen auf den Bereich der Jugendhilfe und<br />

seine Adressaten. Anschließend geht sie auf den Stand der Implementation von<br />

IT-gestützten Dokumentationssystemen in der Sozialen Arbeit ein und zuletzt<br />

schlaglichtartig auf einzelne Programme.<br />

Martin Schmid reflektiert zunächst die Geschichte der Dokumentation in der<br />

Drogenhilfe. Der aktuelle Stand wird anhand zweier Beispiele aus der ambulanten<br />

und aus der niedrigschwelligen Suchthilfe konkretisiert. Schließlich werden<br />

die Zielvorstellungen, die mit der Einführung IT-gestützter Dokumentation in der<br />

Drogenhilfe verbunden waren, zusammengefasst und mit dem bislang Erreichten<br />

verglichen.<br />

Im Mittelpunkt des Beitrages von Nora Gaupp - von dem uns leider nur die Power<br />

Point Präsenation verfügbar ist - steht der Einsatz eines Dokumentationssystems<br />

im Kontext von Maßnahmen der beruflichen und sozialen Integration<br />

von benachteiligten Jugendlichen. Hier wird die inhaltliche Gestaltung von drei<br />

Modulen - biografische Vorgeschichte der Jugendlichen, Aktivitäten im Rahmen<br />

des Fallmanagements und Evaluation der Situation bei Beendigung des Fallmanagements<br />

- vorgestellt.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 6


Die Herausgeber danken der Katholischen Fachhochschule Mainz für die<br />

freundliche Unterstützung sowie die Bereitstellung der Räumlichkeiten. Weiterhin<br />

möchten wir den Referenten für ihr Engagement danken. Nur auf dieser Basis<br />

konnten die Tagungen ohne großen Organisationsaufwand und weitgehend<br />

kostenneutral durchgeführt werden.<br />

Dem Charakter einer Tagungsdokumentation folgend, wirft dieser Band nur einige<br />

Schlaglichter auf die aktuelle Fachdiskussion. Bewusst haben wir uns dazu<br />

entschlossen, auch nicht textlich komplett ausgearbeitete Dokumente hier zu<br />

publizieren, um diese ebenso der interessierten Fachwelt zugänglich zu machen.<br />

Obgleich die gewählte elektronische Publikationsform einerseits mit Vorläufigkeit<br />

und Flüchtigkeit der dokumentierten Überlegungen assoziiert werden<br />

kann, macht sie andererseits doch eine einfache Verbreitung und den ungehinderten<br />

Zugang zu Wissen (im Sinne des Open Access) möglich.<br />

Trotz der genannten Einschränkungen hoffen wir, mit dem vorliegenden Band<br />

einen weiteren Mosaikstein zur Ausformung der Sozialinformatik im deutschsprachigen<br />

Raum vorlegen zu können. Für Fragen, Anregungen und Kritik sind<br />

wir stets offen.<br />

Eichstätt / Bielefeld<br />

Im Juni 2006<br />

Helmut Kreidenweis<br />

Thomas Ley<br />

Bei Rückfragen, Anregungen oder Interesse zur Aufnahme in die Interessentenliste für Sozialinformatik-Fachtagungen<br />

wenden Sie sich bitte an:<br />

helmut.kreidenweis@ku-eichstaett.de oder thomas.ley@uni-bielefeld.de<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 7


I. CURRICULARE KONSEQUENZEN<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 8


Sozialinformatik in der Lehre – Ein Konzept zur systematischen<br />

Verankerung in der Ausbildung<br />

Helmut Kreidenweis<br />

Überlegungen zur „EDV-Ausbildung“ in FH-Studiengängen für Soziale Arbeit<br />

gab es bereits lange bevor sich die Sozialinformatik als Begriff und Disziplin zu<br />

etablieren begann (vgl. z.B. Kirchlechner/Kolleck 1991, Ohnemüller 1996, Visser/van<br />

Lieshout 1996). Sieht man von der offen-modularen Struktur des niederländischen<br />

Curriculums "Sociale Informatiekunde" (deutsch: van Lieshout,<br />

1998) ab, können die Konzepte aus den 90er Jahren aufgrund der stark gewachsenen<br />

Verbreitung der Computertechnik sowie des Wandels ihrer Anwendung<br />

in sozialen Organisationen heute als weitgehend überholt gelten.<br />

Die jüngeren Publikationen befürworten durchgängig eine stärkere Berücksichtigung<br />

der Sozialinformatik in der Ausbildung, Art und Tiefe der curricularen<br />

Ausprägung unterscheiden sich jedoch und werden nur in Teilaspekten thematisiert.<br />

So beschäftigen sie sich etwa mit der inhaltlichen Ausgestaltung einführender<br />

Lehrveranstaltungen (Ostermann/Tube 2002), beschränken sich auf die<br />

Auflistung von Themenbereichen für management-orientierte Bildungsangebote<br />

(Kohlhoff, 2003) oder widmen sich Randthemen wie der Begründung einer<br />

Vermittlung von Programmierkenntnissen (Jurgovsky, 2004). Das bislang zweifellos<br />

umfassendste Curriculums-Konzept legte Kirchlechner im Jahr 2000 vor.<br />

Es zeigt einen systematischen Aufbau mit Lernzielen, Inhalten und Methoden<br />

und bietet damit zahlreiche Anregungen für die Lehre. Dennoch war es bereits<br />

zum Zeitpunkt seiner Publikation nicht mehr auf der Höhe der technischen Entwicklung<br />

und beschränkte sich zu sehr auf die Ebenen der passiven Techniknutzung<br />

und Technikkritik in der klassischen Sozialarbeit, ohne auf Aspekte des<br />

Informations- und Prozessmanagements in sozialen Organisationen sowie auf<br />

Methoden zur aktive Mitgestaltung von IT-Lösungen und deren Implementation<br />

einzugehen.<br />

Dieser Beitrag will ein integriertes Lehrkonzept für die IT-Grundausbildung und<br />

Sozialinformatik entwerfen, das die Anforderungen der Fachpraxis, die Einbindung<br />

in das System der Lehre und Fachwissenschaft sowie den aktuellen<br />

Stand und künftige Entwicklungen der Technik berücksichtigt. Im Zentrum die-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 9


ses Beitrages stehen Überlegungen zu Struktur und Themenbereichen der<br />

Ausbildung. Nicht berücksichtigt werden hier Fragen der Didaktik und Methodik<br />

sowie der Evaluation der Lehre. Das hier vorgestellte Konzept basiert maßgeblich<br />

auf dem derzeit an der Fachhochschule Neubrandenburg im Studiengang<br />

Soziale Arbeit praktizierten Modell.<br />

1. Sozialinformatik als Disziplin<br />

Ziel dieses Beitrages ist es nicht, Begriff und Gegenstand der Sozialinformatik<br />

zu diskutieren. Angesichts der unterschiedlichen Akzentuierungen in der aktuellen<br />

Diskussion (vgl. Ley 2004) erscheint eine kurze Standpunktklärung im Hinblick<br />

auf die Profilierung der Sozialinformatik in der Lehre dennoch notwendig.<br />

Gegenstand der Sozialinformatik sind in erster Linie fachspezifische Fragen des<br />

IT-Einsatzes in Sozialer Arbeit, sozialen Organisationen und deren Umfeld.<br />

Doch IT-Nutzung in Feldern Sozialer Arbeit und Sozialinformatik sind nicht deckungsgleich:<br />

Wenn ein Sozialarbeiter seine Korrespondenz in Word verfasst<br />

oder eine E-Mail verschickt, ist dies nicht unbedingt schon Thema der Sozialinformatik.<br />

Daher soll hier zwischen allgemeinem IT-Grundwissen und Sozialinformatik<br />

unterschieden werden. Nach Wendt (2000, S. 20) befasst sich die Sozialinformatik<br />

„mit der systematischen Verarbeitung von Informationen im Sozialwesen<br />

in ihrer technischen Konzipierung, Ausführung und Evaluation“. Im Mittelpunkt<br />

steht also die Gestaltung und Reflexion der Prozesse der Informationsverarbeitung<br />

vor allem dort, wo sich fach- oder bereichsspezifische Implikationen<br />

durch den Technikeinsatz ergeben.<br />

Mit dieser Perspektive wird deutlich, dass die disziplinären Wurzeln der Sozialinformatik<br />

nicht, wie etwa von Ley (2004, S. 5) vorgeschlagen, in der Informatik<br />

zu suchen sind. Die auf formal-logische Aspekte der Informationsverarbeitung<br />

fixierte Informatik-Disziplin kann der lebensweltlich orientierten Ko-Produktion<br />

sozialer Dienstleistungen und ihrer sozialwissenschaftlichen Reflexion keinesfalls<br />

gerecht werden. Deshalb besitzt die Sozialinformatik eine deutlich höhere<br />

disziplinär Affinität zur Sozialen Arbeit (vgl. auch Kirchlechner 2000, S. 111) und<br />

zum Sozialmanagement. Die Informatik kommt als Werkzeug dort ins Spiel, wo<br />

fachliche oder organisatorische Fragestellungen im sozialen Handlungsfeld mit<br />

ihren Methoden effektiver, schneller oder qualitativ höherwertiger zu lösen sind.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 10


Einen ähnlichen Bezug zur disziplinären Informatik weisen auch andere<br />

„Bindestrich-Informatiken“ wie etwa die Wirtschaftsinformatik oder die Pflegebzw.<br />

Medizininformatik auf.<br />

Eine interdisziplinäre Orientierung ist für die Sozialinformatik selbstverständlich<br />

und als junge Disziplin ist ihre Entwicklung durchaus offen. Dennoch sollte man<br />

der Versuchung widerstehen, ihr bis dato unerledigte sozialwissenschaftliche<br />

Projekte wie die allgemeine Technikakzeptanz- und Wirkungsforschung oder<br />

bildungssoziologische Fragen der Teilhabe an der Informationsgesellschaft aufzuhalsen.<br />

Vielmehr gilt es, das Profil der Sozialinformatik an den Kernprozessen<br />

Sozialer Arbeit und sozialer Organisationen sowie ihrer Umweltbezüge<br />

auszurichten. Allein hierin findet sich eine immense Spannweite praktisch dringlicher<br />

wie wissenschaftlich anspruchsvoller Fragestellungen, die die Sozialinformatik<br />

geraume Zeit beschäftigen wird.<br />

2. Ausgangssituation und Ziele<br />

Ein mittelfristig tragfähiges Sozialinformatik-Lehrkonzept für muss Anforderungen<br />

und Rahmenbedingungen aus verschiedenen Sphären berücksichtigen und<br />

von dort her seine Ziele formulieren. Die wichtigsten davon sind:<br />

a) Anforderungen der Praxis an das handlungspraktische Wissen der Absolventen<br />

b) Standards der Lehre in einem sozialwissenschaftlich fundierten Studium<br />

c) Stand und Entwicklungstrends der Informationstechnologie und ihrer fachbezogenen<br />

Anwendungsformen<br />

d) Struktur und Gliederung der Ausbildung, hier unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Fachhochschulen<br />

a) Anforderungen der Praxis<br />

Die Praxis der Sozialen Arbeit ist derzeit einem beschleunigten Wandlungsprozess<br />

unterworfen, der direkte und indirekte Bezüge zum Einsatz von Informationstechnologien<br />

erkennen lässt. Wichtige Aspekte davon sind<br />

• die Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen, die bislang eher amorphe<br />

Arbeitsprozesse in der Sozialen Arbeit vermehrt strukturieren und standardisieren<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 11


• die Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen, verbunden mit Evaluation und<br />

Outcome-Orientierung, die eine verstärkte Messung des Erfolgs Sozialer Arbeit<br />

mit sich bringen<br />

• die finanziellen Engpässe aufgrund knapper öffentlicher Mittel, die eine unternehmerische<br />

Steuerung als Voraussetzung für das Überleben im Sozialmarkt<br />

der Zukunft darstellen.<br />

Diese Entwicklungen und die allgemein stark gestiegene Verbreitung der Computertechnik<br />

haben in Arbeitsfeldern wie der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe,<br />

Suchtkrankenhilfe oder Sozialpsychiatrie zu einem verstärkten<br />

Einsatz von Informationstechnologie und ihren fachspezifischen Anwendungsformen<br />

geführt (vgl. Kreidenweis 2002). Die Ungleichzeitigkeiten in der Praxis<br />

sind nach wie vor groß, doch ein Ende der Entwicklung hin zu einer breit gefächerten<br />

und tief in die Kernprozesse sozialer Organisationen hineinreichenden<br />

Nutzung der IT ist nicht abzusehen.<br />

Wie Analysen von Stellenanzeigen zeigen (vgl. Stempfle/Rosenkranz 2003)<br />

werden solide IT-Grundkenntnisse von FH-Absolventen bereits heute vielfach<br />

erwartet. Sozialarbeiter und Führungskräfte in sozialen Organisationen werden<br />

in den kommenden Jahren tagtäglich mit verschiedenen Anwendungsformen<br />

der Informationstechnologie konfrontiert sein.<br />

Fach- und Führungskräfte benötigen darüber hinaus auch Kenntnisse über die<br />

Arbeits- und Funktionsweise einschlägiger Fachsoftware sowie über die Möglichkeiten<br />

und Grenzen ihres Einsatzes. Weiterhin benötigt werden Kenntnisse<br />

über fachspezifische Formen der Internet-Nutzung wie Online-Beratung oder<br />

die Gewinnung von Fach- und Rechtsinformationen.<br />

Führungskräfte brauchen darüber hinaus Wissen über die strategische Bedeutung<br />

der Informationstechnologie sowie über Methoden des IT-Managements in<br />

sozialen Organisationen (vgl. Kreidenweis 2003). Nützlich sind ferner Kenntnisse<br />

über Programme, die steuerungsrelevante Daten bereitstellen oder aufbereiten.<br />

b) Anforderungen der Fachwissenschaft und Lehre<br />

Eine Ausbildung, die an den Anforderungen der künftigen Arbeitgeber von<br />

Hochschulabsolventen vorbeigeht, kann heute kaum mehr gerechtfertigt werden.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 12


Dennoch darf sich ein sozialwissenschaftlich fundiertes Studium darin nicht erschöpfen.<br />

Insbesondere in den komplexen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit<br />

mit seinen spezifischen Formen der Dienstleistungsproduktion muss die<br />

Reflexion der intendierten und nicht intendierten Wirkungen des eigenen Tuns<br />

innerhalb sozio-technischer Systeme integraler Bestandteil der Ausbildung sein<br />

(vgl. Wendt 2000, S. 8f). Dazu gehört auch die Thematisierung der gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen mit ihrer Wirkungen auf die Soziale Arbeit und ihre<br />

Adressaten.<br />

Bezogen auf die Sozialinformatik bedeutet dies zum einen, Einfluss, Grenzen<br />

und Gefahren des IT-Einsatzes auf die verschiedenen fachlichen Settings und<br />

Hilfeformen zu reflektieren. Zum anderen müssen die unter den Stichworten<br />

Informations- und Wissensgesellschaft diskutierten Rahmenbedingungen auf<br />

den Adressatenkreis der Sozialen Arbeit bezogen werden und reflexiv in die<br />

methodischen Handlungsansätze einfließen. Hier geht es etwa um die Ausgrenzung<br />

benachteiligter Menschen von Information und Wissen und um fachlich-methodische<br />

Ansätze der Sozialen Arbeit zur Teilhabe und aktiven Nutzung<br />

moderner Technologien.<br />

c) Stand und Entwicklung der Informationstechnologie<br />

Die Entwicklung der Informationstechnologie ist neben fortwährender Leistungssteigerung<br />

vor allem durch wachsende Vernetzung und ortsunabhängigeren<br />

Einsatz der IT-Systeme gekennzeichnet. Damit verbunden ist die Konvergenz<br />

digitaler Technologien, die beinahe die gesamte Lebens- und Arbeitswelt<br />

durchdringen. Beispiele dafür sind multifunktionale Handys oder digitale Unterhaltungselektronik<br />

auf PC-Basis. Ein Ende dieser Entwicklungen ist nicht abzusehen.<br />

Völlig neue Dimensionen werden durch die wachsenden Möglichkeiten<br />

intelligenter Robotik sowie durch Embedded Systems, also in Alltagsgegenstände<br />

wie Kleidung oder Fahrzeuge integrierte Mikroelektronik erreicht. Anwendungsformen<br />

dafür sind etwa in der Hilfe für mobilitätsbehinderte, geistig behinderte<br />

oder demente Menschen denkbar. Soziale Arbeit muss einerseits die Folgen<br />

dieser Entwicklungen reflektieren, andererseits muss sie Chancen, die sich<br />

daraus ergeben aktiv nutzen und in ihre Arbeitskonzepte integrieren.<br />

Deutlich konkreter sind bereits einige zentrale Entwicklungstrends im Bereich<br />

der fachbezogenen Software: Im Unterschied zu Programmen der 90er Jahre<br />

beschränkt sich zukunftsgerichtete Fachsoftware nicht mehr auf administrativ-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 13


abrechnungstechnische Funktionen oder die nachgehende Dokumentation der<br />

geleisteten Arbeit. Vermehrt werden einzelfallbezogene Hilfeplanungsmodule,<br />

verbunden mit evaluativen Instrumenten wie der Messung der Zielerreichung im<br />

Fallverlauf in die Programme integriert. Soziale Arbeit muss einerseits diese<br />

Funktionalitäten in ihre Geschäftsprozesse integrieren, andererseits muss sie<br />

dazu in der Lage sein, diese tief in Kernprozesse der Hilfeplanung und -<br />

durchführung eingreifenden Software-Funktionalitäten entlang ihrer fachlichen<br />

Erfordernisse aktiv zu gestalten (vgl. Halfar 1997).<br />

d) Struktur der Ausbildung<br />

Durch den Bologna-Prozess ist die Hochschullandschaft den bislang wohl<br />

stärksten Umwälzungen der Nachkriegsgeschichte unterworfen. Ein zukunftsgerichtetes<br />

Konzept der Sozialinformatik muss sich auch diesen neuen strukturellen<br />

Bedingungen stellen.<br />

In der grundständigen Ausbildung scheint sich abzuzeichnen, dass das achtsemestrige<br />

Diplom durch das u.U. ein bis zwei Semester kürzere Bachelor-<br />

Studium abgelöst wird. Für die Sozialinformatik ist hier insbesondere relevant,<br />

inwieweit sich das Volumen der theoretischen Ausbildung in diesem Umstellungsprozess<br />

reduziert. Kommt es zu einer Kompression der Studieninhalte,<br />

wird sie es als neue Disziplin deutlich schwerer haben, sich im Fächerkanon<br />

angemessen zu etablieren. Hinzu kommt die der Finanzkrise der öffentlichen<br />

Haushalte geschuldete, immer restriktivere Stellenbesetzungspraxis an Hochschulen.<br />

Sie kann letztlich zu einer Konzentration auf die angestammten Kernfächer<br />

und zu einer Vernachlässigung innovativer disziplinärer Ausrichtungen<br />

wie der der Sozialinformatik führen.<br />

Geht man davon aus, dass das Gesamtvolumen der Theorie-Ausbildung und<br />

die grundlegende Studienstruktur ähnlich bleiben werden, stellt sich im alten<br />

wie im neuen Modell die Frage der Verortung der Sozialinformatik in der Studienstruktur<br />

sowie in den Studienschwerpunkten.<br />

Ausgehend von der oben dargestellten Verbreitung der IT in den Feldern Sozialer<br />

Arbeit und den Anforderungen der Praxis sollte ein Einführungskurs in Sozialinformatik<br />

künftig fester Bestandteil des Studiums sein. Inwieweit es günstiger<br />

ist, diese Einführung im Grund- oder im Hauptstudium anzusiedeln, hängt von<br />

der konkreten Studienorganisation der jeweiligen Hochschule ab. Für das<br />

Grundstudium spricht, dass es sich um eine Einführung handelt, auf die in ei-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 14


nem Studienschwerpunkt des Hauptstudiums sowie in ausgewählten anderen<br />

Fächer aufgebaut werden kann. Für das Hauptstudium spricht, dass es den<br />

Studierenden eher möglich ist, die Inhalte der Sozialinformatik mit anderen<br />

Lehrinhalten oder eigenen Praxiserfahrungen in Beziehung zu setzen.<br />

Im Hauptstudium liegt die Einführung eines Studienschwerpunktes Sozialinformatik<br />

nahe. In einer Studienstruktur mit erstem und zweitem Schwerpunkt, wie<br />

sie derzeit etwa an der FH Neubrandenburg realisiert ist, besteht die Möglichkeit,<br />

neben einem ersten Schwerpunkt in klassischen Arbeitsfeldern wie Behindertenhilfe<br />

die Sozialinformatik als zweiten Schwerpunkt zu wählen. Die Einrichtung<br />

eines entsprechenden Schwerpunkt-Faches ist aber auch in Studiengängen<br />

mit nur einem Schwerpunkt denkbar.<br />

Völlig neue Möglichkeiten bieten sich im Rahmen der derzeit vor allem im Weiterbildungsbereich<br />

angebotenen Master-Studiengänge, künftig aber auch in<br />

konsekutiven Master-Programmen. Aus Sicht der Sozialinformatik relevant sind<br />

dabei vor allem die etwa 70 Sozialmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen<br />

Raum (vgl. Boeßenecker 2003), die für Führungsaufgaben qualifizieren.<br />

Da management-orientiertes IT-Wissen im Rahmen eines modernen Leitungsverständnisses<br />

unverzichtbar ist, sollte die Sozialinformatik integraler Bestandteil<br />

jedes entsprechenden Studiengangs sein (vgl. auch Kohlhoff 2003).<br />

Eine weitere Option könnte darin bestehen, ähnlich wie in der Schweiz (vgl.<br />

Eugster 2002) einen eigenständigen Weiterbildungsstudiengang Sozialinformatik<br />

zu etablieren. Das Schweizer Konzept setzt sich aus den drei Modulen Informatik<br />

(vertiefte Einführung), Informations- und Wissensmanagement sowie<br />

Medienpädagogik zusammen. Hierzulande erscheint es dagegen sinnvoller,<br />

sich von der fachlichen Ebene der Medienpädagogik abzugrenzen und stattdessen<br />

die Studieninhalte auf Kenntnisse und Fähigkeiten von IT-<br />

Verantwortlichen/IT-Managern in mittleren und größeren sozialen Organisationen<br />

zu konzentrieren. Weitere Tätigkeitsfelder für Absolventen eines solchen<br />

Studienganges könnte eine (selbständige) Beratertätigkeit oder Mitarbeit in einem<br />

auf die Sozialwirtschaft ausgerichteten Systemhaus bzw. Software-<br />

Unternehmen sein.<br />

3. Curriculare Konzeption<br />

Das nachfolgende Konzept ist primär auf das grundständige Studium der Sozialen<br />

Arbeit ausgerichtet. Es orientiert sich am eingangs bereits erwähnten Nie-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 15


derländischen Sozialinformatik-Curriculum (Lieshout 1998), das vier idealtypische<br />

Phasen der Wissensvermittlung und -aneignung in der Sozialinformatik<br />

beschreibt.<br />

Dem hier vorgestellten Konzept liegt weiterhin die Überlegung zugrunde, dass<br />

die Sozialinformatik im bereits sehr breit gefächerten Themenspektrum des Sozialarbeit-Studiums<br />

nicht zu einer weiteren Aufblähung der Studieninhalte führen<br />

sollte. Deutlich sinnvoller erscheint es, wo möglich an vorhandene Ausbildungsstrukturen<br />

anzudocken und IT-Themen in diese Lehrinhalte zu integrieren.<br />

Einerseits ist heute im Berufsalltag häufig fundiertes IT-Anwenderwissen<br />

gefordert, andererseits sollen in der Grundausbildung keine berufsfremden IT-<br />

Spezialkenntnisse wie Programmierung, Datenbankmanagement oder Netzwerk-Administration<br />

vermittelt werden, die nicht zur Kernkompetenz Sozialer<br />

Arbeit zählen. Solche Kenntnisse könnten bestenfalls auf drittklassigem Niveau<br />

vermittelt werden. Sie würden darüber hinaus das noch immer fragile Berufsprofil<br />

mit Ballast aus berufsfernen Welten verwässern und damit der Professionsentwicklung<br />

Sozialer Arbeit einen Bärendienst erweisen.<br />

Soweit dem Autor bekannt, ist die IT-bezogene Ausbildung in den einschlägigen<br />

Studiengängen bislang nur selten klar strukturiert. Oftmals ist das Lehrangebot<br />

zunächst aus persönlichen Fähigkeiten und Neigungen einzelner Lehrender<br />

entstanden. Für die Studierenden ist es in solchen, eher beliebig erscheinenden<br />

Angeboten schwer, Orientierung zu finden und ihre eigene IT-Qualifikation auf<br />

Fähigkeiten, Interessen und Erfordernisse der Berufspraxis auszurichten.<br />

Daher wird hier eine Gliederung in vier grundlegende Ausbildungsbereiche vorgeschlagen,<br />

die als Bausteine flexibel in verschiedene Studiengangsstrukturen<br />

eingepasst werden können:<br />

• IT-Grundqualifikation<br />

• Berufsbezogene IT-Aufbauqualifikation<br />

• Arbeitsfeld- und aufgabenbezogener IT-Einsatz (horizontaler Aspekt der Sozialinformatik)<br />

• Sozialinformatik (vertikaler Aspekt)<br />

Als weitere Bausteine der IT-bezogenen Ausbildung können diejenigen Elemente<br />

der Medienpädagogik betrachtet werden, die sich auf computergestützte Medien<br />

beziehen. Dazu gehört etwa die Computergrafik, die Bild- und Videobear-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 16


eitung oder die Erstellung von Internet-Seiten in pädagogischen Settings. Da<br />

sich hier seit weit über einem Jahrzehnt ein eigenständiger fachlicher Diskurs<br />

mit methodisch-didaktischen Ansätzen gebildet hat (vgl. etwa Baacke 1997),<br />

erscheint es nicht sinnvoll, die Medienpädagogik unter die Sozialinformatik zu<br />

subsumieren. Dies schließt freilich enge Kooperationen in der Ausbildungspraxis<br />

keineswegs aus, wenn sich in einzelnen Themenbereichen oder Projekten<br />

Berührungspunkte ergeben.<br />

a) IT-Grundqualifikationen<br />

Da noch immer nicht alle Studienanfänger die IT-Grundqualifikationen in erforderlichem<br />

Umfang aus der Schule oder dem privaten Umfeld mitbringen, müssen<br />

die Hochschulen solche Angebote optional mindestens noch für eine gewisse<br />

Zeit vorhalten.<br />

Die IT-Grundqualifikationen umfassen insbesondere folgende Bereiche:<br />

• Windows Betriebssystem: Basisfunktionen, nutzerspezifische Desktop-<br />

Konfiguration, Programm- und Treiber-Installation, Verwaltung von Ordner<br />

und Dateien<br />

• Textverarbeitung, insbesondere für wissenschaftliches Arbeiten<br />

• Browser-Nutzung und Internet-Recherche<br />

• E-Mail-Nutzung, v.a. mit dem Mail-Client der jeweiligen Hochschule<br />

Da es hier nicht um fachbezogenes Wissen geht, kann diese Grundausbildung<br />

auch in fachbereichsübergreifenden Lehrveranstaltungen oder in Kooperation<br />

mit externen Bildungseinrichtungen vermittelt werden. Ein qualifizierter Test zu<br />

Beginn des Studiums kann von diesen Lehrveranstaltungen befreien, wenn entsprechende<br />

Kenntnisse nachgewiesen werden.<br />

b) Berufsbezogene IT-Aufbauqualifikation<br />

Diese Qualifikationsstufe ist wie die Grundqualifikation auf die Nutzung von<br />

Standardsoftware ausgerichtet. Die Lehrveranstaltungen vermitteln Kompetenzen,<br />

die auf das aktuelle Anforderungsprofil der Praxisfelder Sozialer Arbeit abgestimmt<br />

sind. Wichtige Elemente davon sind derzeit:<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 17


• Vertiefung der Textverarbeitung für typische Büro-Anwendungen: Serienbriefe,<br />

Formulare, gegliederte Konzepte, einfache Werbemedien (Flyer)<br />

• Grundlagen und spezifische Anwendungsformen der Tabellenkalkulation<br />

(z.B. Dienstplanung, Pflegesatz-Kalkulation, Fallstatistiken mit grafischer<br />

Darstellung)<br />

• Aufbau und Gestaltung von Bildschirm- und Beamer-Präsentationen (z.B.<br />

mit Microsoft Powerpoint)<br />

• IT-gestützte Team- und Projektarbeit: Terminmanagement, Kontaktdaten,<br />

Kommunikation usw. mit Organizer- und Mail-Software (z.B. Microsoft Outlook)<br />

c) Arbeitsfeld- und aufgabenbezogener IT-Einsatz<br />

Die Konzeption dieses Ausbildungsbereichs basiert auf der Tatsache, dass<br />

fachspezifische IT-Anwendungen sich mittlerweile quer über nahezu alle Arbeits-<br />

und Aufgabenfelder der Sozialen Arbeit erstrecken. So gibt es etwa hoch<br />

spezialisierte Fachprogramme für Felder wie Schuldnerberatung, Sozialpsychiatrie,<br />

Jugendämter oder Einrichtungen der Erziehungshilfe. Vieles spricht dafür,<br />

die Nutzung dieser Software und ihre fachliche Reflexion in die jeweiligen Lehrfächer<br />

zu integrieren. Gleiches gilt für arbeitsfeld-übergreifende Aufgaben von<br />

Fach- und Führungskräften, wie die Nutzung elektronischer Rechtsauskunftssysteme<br />

oder die Anwendung von Spezialsoftware für statistische Analysen.<br />

In diesen Kontexten tritt die Sozialinformatik nicht als eigenes Fach in Erscheinung,<br />

sie ist horizontal in den unterschiedlichen Lehrfächern verankert und stellt<br />

darin einen Teilaspekt der Ausbildung dar. Dies ist nicht nur didaktisch im Sinne<br />

einer praxisorientierten Wissensvermittlung sinnvoll, sondern auch praktisch<br />

notwendig, da kaum ein Sozialinformatiker die Lehrinhalte all dieser Fächer in<br />

genügender Tiefe kennen dürfte. Beispiele für eine Realisierung dieses Ansatzes<br />

wären:<br />

• Statistische Analysen mit SPSS in Lehrveranstaltungen zu sozialwissenschaftlichen<br />

Methoden und Arbeitsweisen<br />

• Software-gestützte Hilfe- und Erziehungsplanung sowie Falldokumentation<br />

in einem Methodenseminar zu erzieherischen Hilfen<br />

• Nutzung von Juris, Solex oder verschiedenen Internetquellen zu sozialrechtlichen<br />

Fragen innerhalb von Übungen zum Sozialrecht<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 18


• Erstellung von Entschuldungsplänen und Überprüfung von Kreditverträgen<br />

mit Hilfe von Fachsoftware in Schuldnerberatungs-Seminaren.<br />

d) Sozialinformatik<br />

Die Sozialinformatik als eigenständiges Fach konzentriert sich primär auf die<br />

vertikalen Aspekte, also diejenigen Themen, die über die einzelfachspezifischen<br />

Anwendungsformen der Informationstechnologie hinausreichen und gleichsam<br />

eine Klammer um sie bilden.<br />

Für einführende Lehrveranstaltung im Grund- oder Hauptstudium bieten sich<br />

folgende Themenbereiche an:<br />

• Soziale Arbeit in der Informations- und Wissensgesellschaft<br />

• Fachsoftware für Soziale Arbeit: Entwicklungslinien, grundlegender Aufbau,<br />

Funktionen und Anwendungsbereiche, ggf. verbunden mit exemplarischen<br />

Übungen<br />

• Fachspezifische Formen der Internet-Nutzung: Online-Beratung, Auskunftssysteme,<br />

Fachportale<br />

• Grundlagen von Datenschutz und IT-Sicherheit<br />

• Chancen und Risiken der IT-Nutzung in der Sozialen Arbeit<br />

Innerhalb eines Studienschwerpunktes Sozialinformatik konzentriert sich die IT-<br />

Ausbildung auf Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Management,<br />

Fachlichkeit und Informationstechnologie. In diesem Rahmen ist partiell die Integration<br />

spezieller IT-Kenntnisse wie Aufbau und Struktur von Datenbanken<br />

und Netzwerken sinnvoll, um Zusammenhänge begreifbar zu machen und die<br />

Sozialinformatiker zum kompetenten Dialog mit IT-Fachkräften zu befähigen.<br />

Wichtige Themen und Inhalte in diesem Kontext sind:<br />

• Grundlegende Architekturen von IT-Systemen, Netzwerken, Datenbanken,<br />

Anwenderprogrammen<br />

• Entwicklungslinien und Trends in der Informationstechnologie<br />

• Informations- und Prozessmanagement in sozialen Organisationen<br />

• IT-Strategien und Formen des IT-Managements<br />

• Definition von Anforderungen an und Mitgestaltung von IT-Lösungen<br />

• Prozesse und Methoden der Auswahl und Einführung von IT-Lösungen sowie<br />

der laufenden Anwenderunterstützung<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 19


• Praktische Übungen zum Einsatz und zur Administration von Fachsoftware<br />

• Rechtliche Rahmenbedingungen des IT-Einsatzes<br />

• Organisatorisch-technische Grundlagen von IT-Sicherheit und Datenschutz<br />

Ein tieferer Einstieg in IT-spezifische Fragen erscheint nur im Rahmen eines<br />

eigenständigen Studiengangs der Sozialinformatik sinnvoll. Neben einer ausführlicheren<br />

Behandlung der oben genannten Themen könnten dazu etwa folgende<br />

Themenbereiche gehören:<br />

• Planung und Administration verschiedener Netzwerk-Topologien<br />

• Datenbank-Administration und Abfragen mittels SQL<br />

• Erstellung von Skripten, kleinen Programmen oder Datenbank-Anwendungen<br />

mit Sprachen wie Pearl oder Visual Basic zur Füllung softwaretechnischer<br />

Lücken im Betriebsalltag<br />

• Projektierung und Steuerung von Prozessen der Software-Entwicklung<br />

4. Fazit<br />

Die Zeit scheint reif, die Sozialinformatik dauerhaft in Lehre und Forschung der<br />

Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft zu verankern. Zu wünschen ist, dass sich<br />

das neue Fach trotz aller Variationsbreite in der praktischen Ausgestaltung an<br />

den Kernaufgaben der Profession orientiert und so ein klar erkennbares Profil<br />

gewinnt, das seine Verbreitung und Akzeptanz in den Praxisfeldern Sozialer<br />

Arbeit fördert.<br />

Literatur<br />

Baacke, Dieter 1997: Medienpädagogik. Tübingen<br />

Boeßenecker, Karl-Heinz / Markert, Andreas 2003: Studienführer Sozialmanagement/Sozialwirtschaft<br />

an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz. Baden-Baden<br />

Eugster, Reto 2002: Ein Ostschweizer Weg zur Sozialinformatik? In: Sozial<br />

aktuell, Nr. 15, S. 12-14<br />

Halfar, Bernd 1997: Sozialinformatik unerläßlich. In: Blätter der Wohlfahrtspflege,<br />

Nr. 6, S. 113-114<br />

Jurgovsky, Manfred 2004: Sozioinformatik. Ein Vorschlag zur Neupositionierung<br />

der Informatik in der Sozialen Arbeit. In: Archiv für Wissenschaft und Praxis<br />

der sozialen Arbeit, Nr. 1. S. 40-48<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 20


Kirchlechner, Berndt / Kolleck, Bernd 1991: Überlegungen zur EDV-<br />

Ausbildung in den Sozialwesenfachbereichen. In: Soziale Arbeit, Nr. 1, S. 18-22<br />

Kirchlechner, Berndt 2000: Curriculum "Informatik der Sozialarbeit". In:<br />

Wendt, Wolf Rainer 2000: Sozialinformatik: Stand und Perspektiven. Baden-<br />

Baden, S. 111-134<br />

Kreidenweis, Helmut 2002: Plädoyer für eine Sozialinformatik. In: Sozial Extra,<br />

H. 7-8, 26. Jg., S. 41-43<br />

Kreidenweis, Helmut 2003: Informationstechnologie-Ressourcen durch integriertes<br />

Management besser nutzen. In: SOCIALManagement Nr. 5, S. 22-24<br />

Kreidenweis, Helmut 2004: Sozialinformatik. Baden-Baden.<br />

Kreidenweis, Helmut / Wüstendörfer, Werner 2004: Sozialinformatik. In:<br />

Kreft, D. / Mielenz, I. (Hrsg.) Wörterbuch Soziale Arbeit, 5. Auflage (im Ersch.)<br />

Kolhoff, Ludger 2003: Sozialmanager brauchen Sozialinformatik. In: SOCI-<br />

ALmanagement, Nr. 3, S. 9-11<br />

Ley, Thomas 2004: Sozialinformatik. Zur Konstitution einer neuen (Teil-)Disziplin.<br />

In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, Nr. 1. S. 3-39<br />

Lieshout, Herman van 1998: Mehr als Komputer! – Niederländische Ansätze<br />

in der EDV-Ausbildung für soziale Berufe. In: Kreidenweis, H. u.a.: EDV im Sozialwesen.<br />

Kongress-Dokumentation Cosa ´97., Freiburg 1998<br />

Ohnemüller, Bernhard 1996: Was müssen Profis künftig können? EDV-<br />

Ausbildung für die Soziale Arbeit. In: Kreidenweis, H. u.a. Hrsg.: EDV im Sozialwesen.<br />

Kongress-Dokumentation COSA ' 96. Freiburg<br />

Ostermann, Rüdiger / Trube, Achim 2002: Sozialinformatik lehren – aber<br />

wie? In: Sozialmagazin H. 7-8, 27. Jg., S. 66-71<br />

Peterander, Franz 2001: Sozioinformatik als neuer Weg in der Sozialen Arbeit.<br />

In: König, J.; Oerthel, Ch.; Puch, H.-J. (Hrsg.): Wege zur neuen Fachlichkeit.<br />

Qualitätsmanagement und Informationstechnologien. Starnberg<br />

Stempfle, Katja / Rosenkranz, Doris 2003: Der Stellenmarkt für die Soziale<br />

Arbeit. Einstellungsvoraussetzungen & Chancen. Eine empirische Analyse. In:<br />

Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, Nr. 6, S. 52-58<br />

Visser, Albert / Lieshout, Herman van 1996: Welzijnswerk en computers.<br />

Méér dan tekstverwerken. Bussum (Niederl.)<br />

Wendt, Wolf Rainer 2000: Sozialinformatik: Stand und Perspektiven. Baden-<br />

Baden<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 21


Sozialinformatik studieren im virtuellen Seminarraum<br />

Ursula Mosebach / Hans-Jürgen Göppner<br />

Damit der Zug in die Wissens- und Informationsgesellschaft nicht ohne die Soziale<br />

Arbeit abfährt, finden an vielen Fachhochschulen Veranstaltungen in Sozialinformatik<br />

statt, an einigen ist dieses Lehrgebiet inzwischen auch hauptamtlich<br />

besetzt. Eine besondere Einheit von Form und Inhalt liegt vor, wenn Sozialinformatik<br />

im virtuellen Seminarraum studiert werden kann.<br />

Mit diesem Vorhaben steht man vor dem Problem, wie man reflektiert und<br />

sachkundig an die Sache hergehen kann, um eine „digitale Hochstapelei” („studieren<br />

per Internet ist bequemer als im Hörsaal sitzen, aber das Angebot ist<br />

dürftig” textet der UniSPIEGEL 2002) zu vermeiden.<br />

Seit Sommersemester 2004 haben StudentInnen aus Bayern die Möglichkeit,<br />

bei der virtuellen Hochschule Bayern (VHB; siehe auch http://www.vhb.org) ein<br />

virtuelles Seminar zur Sozialinformatik zu besuchen, das von den beiden Autoren/innen<br />

angeboten wird. 1 Dieses ist unseres Wissens das bisher einzige im<br />

deutschsprachigen Raum.<br />

Im Folgenden wollen wir unsere Erfahrungen von vier Semestern Online-Lehre<br />

im Sinne eines Projektberichts darstellen und unsere inhaltlichen und didaktischen<br />

Entscheidungen beschreiben, um sie diskutierbar und reflektierbar zu<br />

machen. Wir wollen damit KollegInnen bei der Entwicklung von Projekten unterstützen<br />

und die neue Form des Lernens und Lehrens für Studierende und als<br />

berufsbegleitende Fortbildung exemplarisch demonstrieren. Studierende und<br />

PraktikerInnen könnten eine Vorstellung davon bekommen, welche Inhalte mit<br />

welchen Relevanzen zu einem Basiskurs der Nutzung von Informationstechnologie<br />

(IT) in der Sozialen Arbeit gehören und was dieser Schwerpunkt für die<br />

Praxis der Sozialen Arbeit bedeuten könnte.<br />

1 In einer Projektlaufzeit von zwei Jahren wurde das Seminar in einem Team aus Hochschuldozenten/innen<br />

und Praxisvertretern/innen erstellt. Die Aktualität der Inhalte wird durch die breit<br />

gestreute fachliche Kompetenz des Projektteams im Bereich der Sozialinformatik gewährleistet:<br />

Prof. Dr. Paul Gödicke, KSFH München; Prof. Dr. Doris Rosenkranz, FH Würzburg-Schweinfurt;<br />

Prof. Helmut Kreidenweis, KI Consult Augsburg und FH Neubrandenburg; Alexander Nacke<br />

(Lernmanagementsystem und die multimediale Kursplattform); Fa. Europhin, Regensburg; Susanne<br />

Staudinger, Fa. Syntegral Abensberg; Dipl.-Soz.Päd (FH) Petra Schopp, Kids-Hotline<br />

München; Dipl.-Soz.Päd. (FH) Stephanie Bauer, KU-Eichstätt.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 22


1. Profil der virtuellen Lehrveranstaltung Sozialinformatik<br />

Grundsätzliche Fragen etwa zum Verhältnis von Informatik und Sozialer Arbeit<br />

bzw. Sozialarbeitswissenschaft, wie sie z. B. von Jurgovsky (2002, 2004) und<br />

Ley (2004) diskutiert werden (s. a. Göppner und Hämäläinen 2004, Kap. 11.6),<br />

mussten bei der Konzeptionierung vorläufig unberücksichtigt beiseite gelassen,<br />

viele Entscheidungen eher intuitiv gefällt werden. Mit Hilfe von Online-Texten,<br />

einem interaktiven Rollenspiel und Übungsbeispielen setzen sich die TeilnehmerInnen<br />

in virtuellen Arbeitsgruppen über Forum und Chat kritisch mit sechs<br />

Modulen auseinander, die im Umfang einem einsemestrigen Seminar mit zwei<br />

Semesterwochenstunden entsprechen.<br />

Sie erhalten dadurch einen Überblick über den Entwicklungsstand von Internet-<br />

Plattformen, Fachsoftware für die Soziale Arbeit, sammeln Erfahrungen in der<br />

Online-Beratung und erhalten Informationen über Datenschutz und Datensicherheit.<br />

Der virtuelle Kurs "Sozialinformatik 1" ist auf dem Kurs-Server der<br />

Fachhochschule Regensburg gespeichert und wird über die folgende Internet-<br />

Adresse angeboten: http://kurse.fh-regensburg.de/sozinfo. 2<br />

2. Lernziele und Inhalte der Module<br />

Modul 1: Basiskompetenzen für die Sozialinformatik<br />

Lernziele/Inhalte: Einführung in die Grundprinzipien des Internets und Kennen<br />

lernen von Internetdiensten, die für die Lehrveranstaltung benötigt werden.<br />

Modul 2: Informationstechnologien für die Soziale Arbeit<br />

Lernziele/Inhalte: Beschäftigung mit dem Gegenstand und den Aufgabengebieten<br />

der Sozialinformatik. Als Übung ist von der virtuellen Arbeitsgruppe ein Leserbrief<br />

zu einem Zukunftsszenario aus dem Sozialen Arbeit zu schreiben und<br />

in das Forum einzustellen.<br />

Modul 3: Internetplattformen für soziale Fragen<br />

Lernziele/Inhalte: Vermittlung von grundlegenden Informationen zum Stellenwert<br />

von Expertenplattformen innerhalb der Sozialen Arbeit am Beispiel von<br />

http://www.bayris.de Auskunfts- und Informationssystem des bayerischen Sozialmarktes.<br />

Als Übungen werden eine Anbietersuche anhand eines Fallbeispiels<br />

angeboten und die Möglichkeit als Online-RedakteurIn eine fiktive Institution im<br />

2 Alle Studenten/innen, die an einer bayerischen Hochschule immatrikuliert sind, können sich<br />

kostenlos über die virtuelle Hochschule Bayern (http://www.vhb.org) jeweils zum Semesterbeginn<br />

zum Kurs anmelden. Für andere InteressentenInnen ist der Kurs kostenpflichtig.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 23


Redaktionssystem (Content Management System) von http://www.bayris.de<br />

aufzunehmen.<br />

Modul 4: Sozialberatung im Internet<br />

Lernziele/Inhalte: Reflexion der inhaltlichen und methodischen Anforderungen<br />

an eine professionelle Sozialberatung und der Standards und Prinzipien der<br />

Online-Beratung.<br />

Als Übung wird u.a. ein virtuelles Rollenspiel im Rahmen der peer-to-peer Beratung<br />

für junge Menschen im Internet http://www.kids-hotline.de angeboten. Darin<br />

simulieren die Studierenden einen Beratungsverlauf in dem sie von Fachberatern<br />

unterstützt werden und nehmen anschließend kritisch über ein Online-<br />

Evaluationsformular dazu Stellung.<br />

Modul 5: Fachsoftware für Soziale Arbeit<br />

Lernziele/Inhalte: Überblick über die Entwicklungsgeschichte und heutigen<br />

Stand von Fachsoftware; Fähigkeit zur kritischen Bewertung und Sensibilisierung<br />

für Anforderungen einer Fachsoftware FÜR Soziale Arbeit („Wo Soziale<br />

Arbeit draufsteht, muss auch Soziale Arbeit drin sein“). Überblick über Basisfunktionen<br />

(z. B. Sortieren, Suchen), administrative Funktionen (Stammdaten-<br />

Verwaltung, Leistungserfassung, Abrechnung und Statistik), fachliche Funktionsbereiche<br />

(sozialarbeiterische Kernfunktionen: Klassifikation der klientenbezogenen<br />

Probleme, Klassifikation der „Dienstleistungen“ an Klienten (Hilfeplan),<br />

fachliche Dokumentation des Hilfeprozesses, Steuerung des Abläufe und Sicherstellung<br />

von Qualitätsstandards, Evaluation, Kontrolle der Zielerreichung).<br />

Da dieses Modul eine hohe Informationsdichte enthält, wird als Lernzielkontrolle<br />

ein Multiple-Choice-Test angeboten. Darüber hinaus werden die Studierenden<br />

aufgefordert, Fachsoftware anhand von Produktbeschreibungen im Internet zu<br />

bewerten, ob sie den Anforderungen an den Dokumentations- und Planungsbedarf<br />

in der Sozialen Arbeit genügen, ob die oben genannten Basisfunktionen,<br />

administrativen Funktionen und sozialarbeiterisch-fachlichen Kernfunktionen in<br />

den einzelnen Programmen angesprochen werden.<br />

Modul 6: Datenschutz und Datensicherheit.<br />

Lernziele/Inhalte: Einführung in den rechtlichen Hintergrund des Datenschutzes<br />

und praktische Hinweise zur Datensicherheit. Als Übung sollen anhand eines<br />

Fallbeispiels notwendige Datenschutzmaßnahmen entworfen und im Forum zur<br />

Diskussion gestellt werden.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 24


Diese Themen stellen nur einen Ausschnitt des stark im Wachstum begriffenen<br />

Fachs Sozialinformatik dar. Bei einer Weiterentwicklung der Veranstaltung wären<br />

weitere curriculare Ergänzungen denkbar: aus Kapazitätsgründen konnte<br />

z.B. die Erstellung von Websites für Sozialeinrichtungen nicht eingebaut werden,<br />

obwohl dies von Seiten der StudentInnen bei der Evaluation oft gewünscht<br />

wurde. Auch die Installation von Workflow-Systemen oder Fragen der<br />

Implementation von Programmen in den Einrichtungen (vgl. Rudlof 2005) sind<br />

denkbar und nicht zuletzt auch die kritische Reflexion der Nutzerfreundlichkeit<br />

und der Konzeptionierung von Fachsoftware für Soziale Arbeit.<br />

Da sich aufgrund technischer und inhaltlicher Neuerungen im Bereich der IT<br />

laufend Änderungen ergeben, wird eine Weiterentwicklung des Kurses im 2-<br />

jährigen Turnus notwendig sein. Die Servertechnik an den Hochschulen lässt<br />

Downloads und Installation von Software in PC-Räumen meist nicht zu. Deshalb<br />

war die ursprünglich geplante Fallarbeit mit Hilfe von Fachsoftware im Modul<br />

5 bisher nicht umsetzbar, was auch einen Einschnitt in die Interaktivität des<br />

Seminars bedeutet.<br />

3. Theoretischer Exkurs zur didaktischen Vermittlung und Betreuung<br />

Bildung mit digitalen Medien benötigt eine neue Lehrkultur und führt zu einer<br />

neuen Lernkultur (Reinmann-Rothmeier 2001, S. 297). Ein „frontaler“ Wissenstransport,<br />

bei dem Lehrende versuchen, objektive Inhalte so zu übermitteln,<br />

dass die Lernenden letztlich das gleiche Wissen haben, ist nicht mehr sinnvoll.<br />

Es geht also nicht nur um Entscheidungen über Inhalte (Kreidenweis 2004, Ostermann<br />

/ Trube 2002, Wendt 2000).<br />

Auf die Diskussion zu den theoretischen Grundlagen können wir hier nicht eingehen<br />

(vgl. Röll 2003, Schindler u. a. 2001, Reinmann-Rothmeier 2001, 2003,<br />

Reinmann-Rothmeier / Mandl 2001), wir versuchen lediglich die von uns getroffenen<br />

didaktischen Entscheidungen in den als relevant erachteten Punkten zu<br />

beschreiben, um sie nachvollziehbar und reflektierbar zu machen.<br />

Röll (2001, S. 298 - im Anschluss an Bauer/Philippi) formuliert vier notwendige<br />

Komponenten, um von E-Learning sprechen zu können:<br />

• Multimedia-Technik: Verknüpfung multimedialer Techniken (Text, Fotografie,<br />

Simulation, Animation, Video) mit Ansprechen multimodaler<br />

Rezeptoren (auditive, visuelle, kognitive).<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 25


• Autonomes und interaktives Lernen: gutes E-Learning ermöglicht<br />

nicht nur Selbstbestimmung des zeitlichen Ablaufes, sondern fördert<br />

aktive und explorative Lernformen. Es bietet sich auch an, die Kommunikations-Technologien<br />

für kooperative Lernformen zu nutzen<br />

(kommunikatives Lernen in einer vernetzten Lerngemeinschaft).<br />

• Tutoring: Anleiten und Begleiten beim Erwerb von Wissen.<br />

• Nutzung von Datennetzen: die Organisation von Seminaren erfolgt<br />

über Netzkommunikation (E-Mails, Newsgroups, Chatrooms, virtuelle<br />

Klassenräume).<br />

Einen interessanten Weg, die Qualität von E-Learning aus Lernersicht zu<br />

bestimmen, beschreitet Ehlers (übrigens in deutlicher Abhebung von der üblichen<br />

Übernahme von QS-Konzepten aus dem gewerblichen Bereich). Er<br />

kommt zu Dimensionen im Modell subjektiver Qualität (Ehlers 2004, S.<br />

239f), die als empirisch gesicherte Vermittlungsgrundlagen von virtuellen<br />

Seminaren verwendet werden können:<br />

• Tutorieller Support: Interaktionsorientierung, Lernmoderation, individualisierte<br />

Lernerunterstützung, Lernziel- und Entwicklungsorientierung,<br />

• Kooperation und Kommunikation: soziale und diskursive Kooperation,<br />

• Lerntechnologie: Personalisierung und nutzerangepasste Bedienungsmöglichkeit,<br />

synchrone Kommunikationsmöglichkeiten, technische<br />

Verfügbarkeit der Inhalte,<br />

• Kosten - Erwartungen - Nutzen: Orientierung an individuellen Lernbedürfnissen,<br />

Praxistransfererwartungen, Interesse am Internet und an<br />

Wissenserwerbsstrategien,<br />

• Informationstransparenz bei Angebot und Anbieter: Beratung zu<br />

Kursbeginn, Kursauswahl, Lernmethoden, Transparenz der Ziele und<br />

Inhalte, anbieterbezogene Informationen (Tutorqualifikation, Erfahrungsberichte<br />

u. ä.),<br />

• Kursverlauf/Präsenzveranstaltungen: kursbegleitende interpersonale<br />

Unterstützung des Lernprozesses (reale Aushandlungsprozesse),<br />

thematisch-inhaltliche und technische Einführung, Vermittlung rezeptiv-anwendender<br />

und instrumentell-qualifikatorischer Kompetenzen,<br />

• Didaktik: inhaltliche Gestaltung des Kursmaterials, mediengerechte<br />

multimediale Materialaufbereitung, strukturiertes und lernzielorientier-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 26


tes Kursmaterial, Rückkoppelung des Lernens (Tests und Übungsaufgaben,<br />

Feedback).<br />

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Effektivität des E-Learning stieß<br />

man auf die Rolle der emotionalen Kommunikation (Schachtner 2001) und der<br />

Gruppenprozesse. „Lost in Cyberspace“ zu sein, erweist sich als wenig animierend<br />

und blockierend für selbstgesteuertes Lernen. Das Fehlen nonverbaler<br />

Kommunikation und sozialer Kontexthinweise und die damit verbundene Verringerung<br />

der sozialen Präsenz in Online-Lernsituationen bewirkt, dass nicht<br />

automatisch begünstigende Lernpotentiale erschlossen werden. Es muss auf<br />

andere Weise als im Alltag zu einer positiven Kommunikation kommen, um sich<br />

verstanden zu fühlen, für die kooperative Verfolgung von Lernzielen motiviert zu<br />

sein und in virtuellen Lerngemeinschaften zu profitieren.<br />

Neuere Forschungen setzen daher auf die Form des „Blended Learning“ (vermischtes<br />

Lernen) (vgl. u.a. Reinmann-Rothmeier 2003; Buchegger 2004, Röll<br />

2003, Ehlers 2004). Darunter ist ein Methodenmix aus Präsenzschulungen und<br />

E-Learning zu verstehen.<br />

4. Didaktische Umsetzung<br />

Ein wichtiges Element und auch die Chance in der Didaktik virtueller Lehrveranstaltungen<br />

ist die Interaktivität. „Von Online-Lernen kann nicht die Rede sein,<br />

wenn lediglich der Lerninhalt elektronisch zur Verfügung steht. Online-Lernen<br />

erfordert Aktion, Interaktion, Reflexion und Anwendung.“ (Baltes, 2001, S. 116).<br />

StudentInnen sollen demnach nicht nur wie in einem Buch eindimensional Texte<br />

am Bildschirm lesen, sondern auch die Möglichkeit zum Dialog im IT-System<br />

mit den DozentInnen, KommilitonInnen und Fachleuten aus der Sozialen Arbeit<br />

haben. Über die Teilnahme an dieser Lehrveranstaltung erleben sie ein praktisches<br />

Beispiel vernetzten Arbeitens. Dafür stehen verschiedene technische<br />

Möglichkeiten der synchronen (z.B. Chat, Video-Konferenz) und asynchronen<br />

(z.B. Forum, E-Mail, Recherche in Expertenplattformen) Kommunikation zur<br />

Verfügung.<br />

In diesem virtuellen Seminar wurde bewusst Wert auf eine übersichtliche und<br />

einfache Steuerung gelegt. Das bedeutet Verzicht auf umfangreiche Downloads<br />

(Software, Animationen usw.), da den Kursteilnehmern/innen dafür oft die notwendige<br />

Hardware- und Softwareausstattung fehlt. Bisher wird nur in einem<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 27


Modul (4) synchrone Kommunikation über einen Chat angeboten, ansonsten<br />

nur asynchrone Kommunikation über ein Forum und E-Mail.<br />

Alle TeilnehmerInnen stellen sich nach ihrer erfolgreichen Anmeldung bei der<br />

VHB und dem Erhalt eines Begrüßungs-Emails auf der TeilnehmerInnen-Seite<br />

mit einem Foto (virtuelles Klassenzimmer) und im Forum mit einem kurzen Text<br />

zu ihren Seminarerwartungen vor. Um die Motivation der StudentInnen zu steigern<br />

und zu garantieren, dass die Quote der erfolgreichen Abschlüsse möglichst<br />

hoch ist, wird für jedes Semester ein Zeitplan zur Abarbeitung der Module<br />

erstellt. Außerdem erhalten die TeilnehmerInnen als Lernzielkontrolle bei den<br />

virtuellen Arbeitsgruppen und für die Erledigung von Übungsaufgaben Smilies,<br />

die auf der TeilnehmerInnen-Seite veröffentlicht werden.<br />

Zum Schutz der StudentInnen ist das Seminar nur über ein Passwort zugänglich.<br />

Um künftigen StudentInnen jedoch einen Einblick zu gewähren, ist das<br />

Einführungsmodul offen zugänglich. Die Texte stehen zusätzliche als Skript<br />

zum Download zur Verfügung.<br />

Jedes Modul enthält interaktive Übungsaufgaben, die teilweise in virtuellen Arbeitsgruppen,<br />

teilweise als Multiple-Choice-Test gelöst werden müssen. Die<br />

virtuellen Arbeitsgruppen werden nach Anmeldeschluss durch die DozentInnen<br />

zusammengestellt (pro Gruppe ca. 4-5 StudentInnen). Jede Gruppe wählt eine/n<br />

Gruppensprecher/in, der/die dafür verantwortlich ist, dass die Gruppenaufgabe<br />

termingerecht in die Newsgroup eingestellt wird. Diese kooperative Lernstruktur<br />

wurde bewusst gewählt, um die Teamfähigkeit, der TeilnehmerInnen zu<br />

erhöhen, die auch beim Arbeiten in vernetzten Systemen erforderlich ist (Aufgaben<br />

verteilen, Kompromisse eingehen, ggf. Konflikte regeln und sich auf ein<br />

Ergebnis einigen) (vgl. Baltes, 2001, S.72 f). Über die Präsentation im Forum<br />

können die TeilnehmerInnen zeit- und ortsunabhängig ihre Lernergebnisse vergleichen<br />

und sich gegenseitig Feedback geben.<br />

Nach Abschluss jedes Moduls erhält die Arbeitsgruppe bzw. die Studierenden<br />

individuell ein Feedback per E-Mail oder im Forum durch die Dozenten. Die weitere<br />

fachliche Betreuung und der technische Support erfolgt über individuelle E-<br />

Mails. Die Studierenden werden darauf hingewiesen, den Kurszeitplan im Interesse<br />

einer erfolgreichen Gruppenarbeit unbedingt einzuhalten.<br />

Präsenzveranstaltungen finden teilweise zu Beginn statt, um technische Fragen<br />

des Anmeldeverfahrens und der Handhabung der Kursplattform zu klären.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 28


Ein virtuelles Rollenspiel zum Thema Peer-Beratung (incl. Chat) wird im Rahmen<br />

des Moduls 4 im Beratungsforum von "Kids Hotline" (http://www.kidshotline.de)<br />

angeboten.<br />

Im Modul 3 wird die Interaktivität dadurch erhöht, dass die TeilnehmerInnen<br />

sich probeweise als Online-Redakteure in der Internetplattform für Soziale Fragen<br />

(http://www.bayris.de) betätigen können.<br />

Die Betreuungsarbeit für die KursTeilnehmerInnen gestaltet sich insbesondere<br />

zu Beginn des Kurses sehr zeitintensiv, da sehr viele technische Fragen zu klären<br />

sind und die Übungsantworten in allen Modulen individuell beantwortet werden<br />

(geschätzter Zeitaufwand ca. 30 Minuten pro Teilnehmer/in/Woche). Dieser<br />

hohe Zeitaufwand ist nur durch die Betreuung der beiden Autoren und durch die<br />

Unterstützung der TutorInnen zu leisten.<br />

5. Erste Erfahrungen und Evaluationsergebnisse<br />

Im WS 03/04 fand ein Pilotkurs mit Studenten aus Eichstätt und Benediktbeuern<br />

statt, aufgrund der Evaluationsergebnisse in einigen Teilen wurden Verbesserungen<br />

vorgenommen (z.B. Anzahl der Übungen und Rückmeldung zu den Ü-<br />

bungen, Einführung einer Teilnehmerbeschränkung auf 25 pro Semester).<br />

Bisher haben ca. 70 StudentInnen von fast allen Hochschulstandorten in Bayern<br />

die Lehrveranstaltung besucht (gleichmäßige Verteilung auf Semester 1-8).<br />

Ca. 50 Prozent konnten ein Leistungsnachweis (aufgrund einer Klausur) ausgestellt<br />

werden. Die Quote der KursabbrecherInnen ist damit im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen<br />

als relativ hoch einzustufen. Die Gründe dafür sind schwer<br />

zu ermitteln, da sich diese TeilnehmerInnen in der Regel auch nicht mehr an<br />

der Online-Evaluation am Kursende beteiligen. TeilnehmerInnen die sich „unterwegs“<br />

abmelden, nennen als Grund meist zeitliche Belastung oder technische<br />

Probleme mit dem eigenen Computer.<br />

Hinsichtlich der Kursbewertung waren bei den Teilnehmern/innen, die den Kurs<br />

bis zu Ende besuchten, keine großen Abweichungen festzustellen. Die Evaluation<br />

der bisherigen Lerngruppen hat ergeben, dass die TeilnehmerInnen kaum<br />

technische Probleme mit dem Lernmanagementsystem hatten. Dem kam zugute,<br />

dass der Kursserver stabil läuft und es während des letzten Jahres zu keinem<br />

Ausfall kam. Der Zeitplan, Umfang der Lerninhalte und Übungen und das<br />

Anspruchsniveau wurden im Wesentlichen als angemessen bewertet, ca. ein<br />

Viertel der StudentInnen würde sich eine Reduzierung wünschen. Der durch-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 29


schnittliche Lernaufwand wird mit ein bis zwei Stunden pro Woche angegeben.<br />

Die Beschäftigung mit weiterführender Literatur und Links über das Seminarangebot<br />

hinaus wurde in jedem Semester nur von einem Student angegeben.<br />

Als sehr sinnvoll für die Motivation der StudentInnen erwies sich das Bonussystem<br />

(Smilies) für die erfolgreiche Erledigung der Übungen. Auch die Aufforderung,<br />

sich nach erfolgreicher Anmeldung in der Newsgroup vorzustellen und<br />

sich in den virtuellen Arbeitsgruppen bekannt zu machen, führte zu einer Steigerung<br />

der Kommunikation über dieses Medium.<br />

Fast alle Student/innen waren sich einig, dass diese Form des selbstgesteuerten<br />

Lernens ihrem persönlichen Lernstil entgegen kommt. Als Gründe werden<br />

hierfür genannt: „flexible Zeiteinteilung - wobei der Zeitplan schon sehr sinnvoll<br />

war - weil man sonst sehr schnell vergisst, wieder was zu tun“, „freie Zeiteinteilung<br />

und autonomes Arbeiten zu Hause“, „Zeit, mein Kind nebenbei zu betreuen“,<br />

„keine Abhängigkeit von Mitstudenten (außer in der Arbeitgruppe)“, „ich<br />

habe keine Fahrkosten zum Präsenzort“, „ist neben Beruf machbar“.<br />

Bedauert wurde, dass kein eigener Chatroom zur Verfügung steht. Die StudentInnen<br />

haben allerdings Möglichkeit eines einmalig moderierten Chats über<br />

Kids-Hotline zur Vorbereitung des virtuellen Rollenspiels im Modul 4 Onlineberatung.<br />

Der Lernerfolg dieser Übung wurde von den StudentInnen am höchsten bewertet.<br />

Auch die Nachhaltigkeit der Texte und Kommentare im Forum wurde begrüßt.<br />

Als Nachteile der virtuellen Veranstaltung gegenüber der Präsenzlehre nennen<br />

die StudentInnen folgende Gründe: „Es ist umständlicher Verständnisfragen zu<br />

stellen, bzw. kommen die Antworten verzögert und sind vielleicht schon nicht<br />

mehr wichtig“, „es war im Gegensatz zu Präsenzveranstaltungen ein hoher<br />

Mehraufwand für mein Empfinden“, „ich empfand es auch als schwierig immer<br />

vor dem PC zu hocken und zu studieren“, „Nachfragen sind schwieriger - weil<br />

nicht unmittelbar zum Lehrstoff nachgefragt werden kann (in Vergleich zu<br />

Präsenzlehre) - auch vermisse ich Kontakt (zwischenmenschlich) zu<br />

Mitstudenten, um sich über Inhalte noch intensiver auszutauschen“, „hoher<br />

Selbstständigkeitsgrad - von Vorteil aber kann auch schnell von Nachteil sein -<br />

daher war Idee mit Zeitplanung und Erinnerungsemails eine sehr gute<br />

Einrichtung“.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 30


Die größten Probleme entstanden dadurch, dass sich nicht alle StudentInnen<br />

mit gleichem Aufwand an den Übungen der virtuellen Arbeitsgruppen beteiligten<br />

und somit bei den Aktiven der Eindruck entstand, dass sich einige KommilitonInnen<br />

auf ihre Kosten durch das Seminar „mogeln“.<br />

Erstaunlicherweise haben alle StudentInnen auf die Frage, ob sie diese Veranstaltung<br />

weiterempfehlen würde mit „ja“ geantwortet. Dafür werden eine Reihe<br />

von Gründen genannt: „man lernt etwas, verliert die Berührungsängste vor PCs,<br />

man ist nicht an strenge Termine gebunden“, „es ist eine Veranstaltung, die ich<br />

für die Soziale Arbeit sehr wichtig erachte - denn in Zukunft wird es genau um<br />

diese Fragen und Probleme gehen und ich finde es gut, dafür gerüstet zu sein.“<br />

6. Qualitätsanspruch und Ausblicke<br />

Abschließend erfolgt eine Bewertung des Kursangebots unter Berücksichtigung<br />

der von Ehlers formulierten Qualitätsdimensionen (s.o.) und es werden Überlegungen<br />

zur konzeptionellen Weiterentwicklung formuliert.<br />

Es scheint kaum vorstellbar zu sein, ein komplettes Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik<br />

nur online anzubieten. Untersuchungen haben ergeben,<br />

dass E-Learning-Angebote besonders dann erfolgreich sind, wenn sie in ein<br />

Lernarrangement eingebunden sind, welches neben virtuellen Elementen, auch<br />

konventionelle Präsenz-Lernformen umfasst (vgl. Ehlers 2004). Dies entspricht<br />

auch dem Wunsch der TeilnehmerInnen der Veranstaltung Sozialinformatik<br />

nach mehr sozialen Kooperationsformen (a.a.O., S.239 f). Umzusetzen wäre<br />

dieser Bedarf z.B. durch die Etablierung von hochschulinternen studentischen<br />

Arbeitsgruppen, die sich 2-3 mal im Semester zum Erfahrungsaustausch treffen,<br />

mit oder ohne tutorieller Unterstützung (Kostenfrage!). Synchrone Kommunikation<br />

in Form von regelmäßigen Chats werden von den StudentInnen zwar<br />

oft gewünscht. Erfahrungen zeigen aber, dass diese aus terminlichen Gründen<br />

und/oder technischen Hürden dann doch nur von einem Teil der Lerngruppe<br />

genutzt werden (s. Probleme beim Chat im virtuellen Rollenspiel, Modul 4). Zur<br />

Lernziel- und Lernfortschrittskontrolle dient bisher ein Bonussystem (Smilies).<br />

Farbliche Kennzeichnung und die Einrichtung eines „persönlichen Arbeitsplatzes“<br />

zur Ablage von Notizen und Kommentaren auf der Lernplattform könnten<br />

hier noch unterstützend wirken. Foren werden nur dann genutzt, wenn sie thematisch<br />

gut strukturiert sind und die Diskussion dort über die Übungsaufgaben<br />

gefordert wird. Auch in virtuellen Seminaren dürfen gruppendynamische Pro-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 31


zesse nicht unterschätzt werden. Die TeilnehmerInnen übernehmen die selben<br />

Rollen, wie in Präsenzarbeitsgruppen (Sprecherrolle, Lernpartnerschaften, MitläuferInnen,<br />

„MoglerInnen“). Zu Beginn des Kurses war die Arbeit in den virtuellen<br />

Arbeitsgruppen bisher durch hohe Motivation (z.B. ausführliche und pünktliche<br />

Arbeitsergebnisse im Forum) geprägt. Im Verlauf des Kurses entstanden in<br />

einigen Gruppen Konflikte durch unzuverlässige TeilnehmerInnen. Zwei Gruppen<br />

lösten sich deshalb auf, da kein Interesse an einer Kooperation mehr bestand<br />

(die Lernautonomie der anderen StudentInnen wird zu stark eingeschränkt,<br />

wenn sie auf die Rückmeldung von Kommilitonen/innen zu lange warten<br />

müssen). Hier bedarf es offensichtlich der Einführung konkreterer Spielregeln.<br />

Eine offene Frage ist die Bewältigung der sozial-emotionalen Seite der<br />

Gruppendynamik, ein Ausbau von Präsenzveranstaltungen ist nicht ohne weiteres<br />

realisierbar, da die Anfahrten sehr aufwendig würden. Ergänzt könnte die<br />

Kursdidaktik noch durch die Entwicklung von problemorientierten Aufgaben<br />

werden, anhand derer Fachsoftware für die Soziale Arbeit hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz<br />

überprüft werden kann. Interessant erscheint auch die Selbsteinschätzung<br />

der TeilnehmerInnen zu sein, dass der Besuch der virtuellen Lehrveranstaltung<br />

nicht nur ein inhaltlicher Gewinn zum Thema Sozialinformatik ist,<br />

sondern grundsätzlich die eigene Medienkompetenz fördert, die sowohl die kritische<br />

Reflexion der Informationstechnologie in Bezug zur Sozialen Arbeit, wie<br />

auch die sinnvolle Nutzung und Handhabung der Technik umfasst.<br />

Literatur<br />

Baltes, B. (2001): Online-Lernen, Schwangau: Huber<br />

Buchegger, B. (2004): Jugendliche, Pädagogen/innen und Lehrer/innen lernen<br />

verschieden - Zielgruppenspezifische Konsequenzen beim Online-Lernen, in:<br />

Schindler, Bildung und Lernen online, München: Kopäd, S. 183-193<br />

Ehlers, U.-D. (2004): Qualität im E-Learning aus Lernersicht. Grundlagen, Empirie<br />

und Modellkonzeption subjektiver Qualität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften<br />

Eugster, R. (2002): Wissenswertes Wissen?<br />

http://www.sonews.ch/Download/wissensmanagement.pdf (Stand: 10. 09. 02)<br />

Göppner H.-J. und Hämäläinen, J. (2004): Die Debatte um Sozialarbeitswissenschaft.<br />

Auf der Suche nach Elementen für eine Programmatik. Freiburg/Br.:<br />

Lambertus-Verlag<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 32


Gierke, Ch., Schlieszeit, J. und Windschiegel H. (2003): Vom Trainer zum E-<br />

Trainer, Offenbach: Gabal<br />

Jurgovsky, M. (2002): Was ist Sozialinformatik“ In: Neue Praxis, 3, S. 297 –<br />

303<br />

Jurgovsky, M. (2004): Sozialinformatik, Ein Vorschlag zur Neupositionierung<br />

der Informatik in der Sozialen Arbeit. In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der<br />

sozialen Arbeit. 36, 1, S. 40 - 49<br />

Kreidenweis, H. (2004): Sozialinformatik. Baden-Baden: Nomos<br />

Ley, T. (2004): Sozialinformatik. Zur Konstituierung einer neuen (Teil-) Disziplin.<br />

In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit. 36, 1, S. 3 - 39<br />

Otto, H.-U., Kutscher, Nadia (2004): Informelle Bildung Online, Perspektiven<br />

für Bildung, Jugendarbeit und Medienpädagogik, Weinheim u. München: Juventa<br />

Ostermann, R. und Trube, A. (2002): Sozialinformatik lehren – aber wie? Ein<br />

Lehrkonzept zum niedrigschwelligen Einstieg für den Einsatz von EDV in der<br />

Sozialen Arbeit. In: Sozialmagazin, 7-8, S. 66 – 71<br />

Poseck, O., (Hrsg.) (2001): Sozialarbeit Online, Neuwied, Kriftel: Luchterhand<br />

Röll, F. J. (2003): Pädagogik der Navigation. Selbstgesteuertes Lernen durch<br />

Neue Medien. München: kopaed<br />

Rudlof, C. (2006): Benutzerzentrierte Anforderungsanalyse als Bestandteil der<br />

Sozialinformatik. In diesem Band<br />

Schachtner, C. (2001): Netfeelings. Das Emotionale in der computergestützten<br />

Kommunikation. In: Schindler, W. u. a. (Hrg.), S. 301 – 317<br />

Schindler, W., Bader, R. und Eckmann, B. (Hrsg.) (2001): Bildung in virtuellen<br />

Welten. Praxis und Theorie außerschulischer Bildung mit Internet und Computer.<br />

Frankfurt/M.: Gemeinschaftswerk der Evang. Publizistik, Abt. Verl.,<br />

Reinmann-Rothmeier, G. (2001): Bildung mit digitalen Medien. Möglichkeiten<br />

und Grenzen für Lehren und Lernen. In : Schindler, W. u. a. (Hrg.), S. 275 – 300<br />

Reinmann-Rothmeier, G. und Mandl, H. (2001): Virtuelle Seminare in Hochschule<br />

und Weiterbildung. Drei Beispiele aus der Praxis. Bern: Huber<br />

Reinmann-Rothmeier, G. (2003): Didaktische Innovation durch Blended Learning,<br />

Bern: Huber<br />

Wendt, W.R., (2000): Sozialinformatik. Stand und Perspektiven, Baden-Baden:<br />

Nomos<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 33


Benutzerzentrierte Anforderungsanalyse als Bestandteil der<br />

Sozialinformatik<br />

Christiane Rudlof<br />

1. Einleitung<br />

In der Sozialwirtschaft werden in den nächsten Jahren IT-Lösungen zu einem<br />

unverzichtbaren Faktor für Effizienz und Output der sozialen Einrichtungen<br />

werden, sei es im innerbetrieblichen Einsatz oder bei der Vernetzung von Organisationen.<br />

Damit ändert sich auch die Positionierung der Informations- und Kommunikationstechnik<br />

in diesen Organisationen. Wurden EDV, besser IT Aspekte bisher<br />

vorwiegend als rein infrastrukturelle Arbeiten gesehen, wird sich dieser Bereich<br />

in die Verantwortung des Managements verlagern müssen. Es geht um die<br />

aufgabenangemessene Technik-Unterstützung der zu erbringenden Dienstleistungsprozesse<br />

und deren ständige Verbesserung bzw. Ausrichtung an den<br />

Klientenbedürfnissen.<br />

IT-Verantwortliche in Sozialeinrichtungen werden den Technikeinsatz gezielt<br />

planen, geeignete Systeme auswählen und einführen und pflegen, interne Anwenderunterstützung<br />

leisten oder Mitarbeiter in der Software-Anwendung zu<br />

schulen.<br />

Dies bedeutet für ein Curriculum der Sozialinformatik das die Studenten Grundkenntnisse<br />

des Software-Entwicklungs- und Einführungsprozesses kennen lernen<br />

sollten. Des Weiteren sollte der Zusammenhang zwischen Organisationsentwicklung<br />

und Technikeinsatz belegt werden können und einige rechtliche<br />

Besonderheiten beim Kauf von Hard- und Software vermittelt werden.<br />

2. Wie gut kenne ich mein Unternehmen, oder was kommt vor der Software?<br />

Beim IT-Einsatz im Bereich Sozialer Arbeit und deren Management sollte immer<br />

mit der Priorität "Organisation vor Technik" gehandelt werden. Dies bedeutet<br />

dass man die zugrunde liegenden Prozesse der eigenen Dienstleistungsangebote<br />

ebenso kennen muss, wie es eine abgestimmte Organisation der Aufbauund<br />

der Ablauforganisation geben muss.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 34


Erst wenn eine Prozessausrichtung der Organisation gegeben ist, kann eine<br />

sinnvolle Entscheidung über die Unterstützung durch Informations- und Kommunikationstechnik<br />

getroffen werden. Technikeinsatz ist kein Selbstzweck,<br />

sondern erfordert eine sorgfältige fachliche Anforderungsermittlung. Anderenfalls<br />

muss sich ggfs. die Organisation der neuen Technik anpassen, mit der<br />

Folge dass sich vermutlich die Arbeitskosten durch „work arounds“ erhöhen.<br />

Die Planung einer Technikunterstützung kann auch katalysatorische Wirkung<br />

haben, in dem Sinne das überholte eingefahrene Abläufe hinterfragt und neu<br />

modelliert werden können.<br />

3. Wie wird Software entwickelt?<br />

Man kann Software-Lösungen nach verschiedenen Handlungsfeldern, wie Altenarbeit,<br />

Arbeitsförderung, Behindertenarbeit, Gesundheitsförderung/ Prävention,<br />

Kinder-/Jugendarbeit und Sozialberatung kategorisieren.<br />

Eine weitere Kategorisierung kann nach Fachsoftware, fachspezifische Internet-<br />

Anwendungen oder Management-Informationssysteme getroffen werden.<br />

Eine weitere Kategorisierung kann nach so genannter Standardsoftware oder<br />

Individualsoftware getroffen werden.<br />

Mindestens sind auch in Organisationen der Sozialwirtschaft die Softwarearten<br />

Betriebssysteme, Datenbanken, Fachanwendungen, Standardbürokommunikationssoftware<br />

(MS Office) usw. zu unterscheiden.<br />

Über diese Unterschiede müssen im Bereich der Sozialinformatik Grundkenntnisse<br />

vermittelt werden.<br />

3.1 Software-Entwicklungsvorgehensmodelle<br />

Unabhängig davon, um welche Art von Software es sich handelt, ist der „weichen<br />

Ware“ (Software) immanent, dass sie sich in ständiger Veränderung befindet.<br />

Ob es sich um eine neue Version einer Standardsoftware handelt oder<br />

um die permanente Pflege oder Wartung einer laufenden Software. Dies bedeutet,<br />

das es auch einen ständigen Abgleich der Softwarefunktionen mit den sich<br />

verändernden Prozessen der Dienstleistungserstellung geben muss. Und dieses<br />

ist Leitungsaufgabe.<br />

Grundsätzlich wird bei der Entwicklung von Software in Phasen wie Analyse,<br />

Entwurf, Programmierung, Test und Einführung unterschieden, wobei die Abgrenzung<br />

zwischen den einzelnen Phasen nicht fix ist. Zieht man zusätzlich in<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 35


Erwägung das in Organisationen verschiedene Releasestände zu pflegen sind,<br />

ist deutlich das auch hierüber Grundkenntnisse vorhanden sein sollten.<br />

3.2 Die Rolle der Analyse<br />

Jeder Software -Nutzung geht eine Anforderungsanalyse voraus. Dieses ist die<br />

Phase der engen Zusammenarbeit zwischen Fach- und IT-Personal. Hierbei<br />

muss klar sein, das es um einen Abgleich der verschiedenen Sichten auf die<br />

Organisation geht. Die Sicht des Klienten, die Sicht der Verwaltung, die Sicht<br />

der Sozialarbeiter, die Sicht der Leitung. Jeder dieser Gruppen hat eine etwas<br />

andere Sichtweise auf die Organisation und deren Abläufe. Diese müssen für<br />

die Softwaresystemgestaltung in Übereinstimmung gebracht werden. Dies kann<br />

nur durch Beteiligung der Betroffenen, durch ergebnisorientierte Arbeitsweise,<br />

Visualisierung der Ergebnisse und iterative Softwareentwicklung erreicht werden.<br />

Außerdem geht es in dieser Phase um die Analyse des IST-Zustandes und die<br />

Erarbeitung eines Soll-Konzeptes, will man nicht alte, überholte Abläufe in<br />

Software zementieren.<br />

Hier kann die Systementwicklung durchaus katalysatorische Wirkung auf Organisationsentwicklung<br />

haben.<br />

3.3 Benutzungsqualität und Barrierefreiheit<br />

Im Rahmen des Arbeitsschutzes in Deutschland fordert die Bildschirmarbeitsverordnung,<br />

das beim Erwerb, der Auswahl, der Neuanschaffung, der Entwicklung,<br />

und der Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an<br />

Bildschirmgeräten ergonomische Mindestkriterien erfüllt sein müssen. Ergonomische<br />

Qualität von Software wird definiert, als das Maß in dem die effektive,<br />

effiziente und zufrieden stellende Nutzung eines Softwareprodukts gemäß den<br />

Erfordernissen des Nutzungskontextes gewährleistet ist. Dabei ist offensichtlich,<br />

dass man konkretisiert haben muss, was man als Softwarequalität erwartet.<br />

Im Bereich Sozialinformatik sollten deshalb Grundzüge der benutzerzentrierten<br />

Software-Entwicklung (also der Weg hin zu einem guten Produkt) vermittelt<br />

werden.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 36


Für die Sozialwirtschaft nicht zu ignorieren sind die Vorschriften des Behindertengleichstellungsgesetzes<br />

(BGG), die in der ISO 16071 (Richtlinien für Barrierefreiheit<br />

an Mensch-Rechner-Schnittstellen) konkretisiert sind.<br />

Es handelt sich um Konzepte, die einen universellen Zugang zu Informationsund<br />

Kommunikationstechnologien, insbesondere für Benutzer mit spezifischen<br />

Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen.<br />

Dies sind Benutzer mit permanenten und temporären physischen, sensorischen<br />

und kognitiven Beeinträchtigungen. Des Weiteren Benutzer die mit mobilen<br />

oder technologisch eingeschränkten Geräten, z. B. ohne Maus oder Keyboard,<br />

mit begrenzten Übertragungsraten, nicht aktuellen Browser Versionen, kleinen<br />

Displays oder nur alphanumerischen Anzeigemöglichkeiten, auf Informationen<br />

zugreifen möchten. Und schließlich Benutzer die keine oder nur eingeschränkte<br />

Kenntnisse der Sprache haben, in der der Content in einem System bereitgestellt<br />

wird. Es sollen keine programmiertechnischen Feinheiten vermittelt<br />

werden, sondern das konzeptionelle Herangehen an diese besondere Form der<br />

Schnittstellengestaltung.<br />

4. Wie wird Software eingeführt?<br />

Je nach Größe einer Organisation bzw. des Projektes sollte eine neue Software<br />

sofort an einem Tag an allen Arbeitsplätzen eingeführt werden oder z.B.<br />

erst an 2-3 Pilotarbeitsplätzen, um dort den Echteinsatz zu prüfen.<br />

Bevor Software zum Echteinsatz kommt müssen systematische Tests nicht nur<br />

der Funktionalität erfolgt sein. Dieses ist eine Aufgabe des Projektmanagements<br />

für die Softwareentwicklung.<br />

Darüber hinaus sind eine Reihe von weiteren Aspekten zu berücksichtigen:<br />

Wie und wann erfolgt die Ablösung eines eventuellen Altsystems, wie wird die<br />

Unterstützung für Einarbeitungsprobleme (nicht zu verwechseln mit überdauernden<br />

Nutzungsproblemen) gewährleistet. Schulungen sind zeitnah zur Einführung<br />

durchzuführen, dies alles ist in der Regel während des normalen Tagesgeschäfts<br />

zu organisieren.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 37


5. Wie wird Software weiterentwickelt?<br />

Nach allgemeiner Erfahrung liegen die Wartungs- und Nutzungskosten einer<br />

Software während des Produktivbetriebes weit höher als die Anschaffungskosten.<br />

Deshalb ist ab Inbetriebnahme einer Software ein Prozess zu organisieren<br />

und eine verantwortliche Person zu benennen, die sich um die Weiterentwicklung<br />

der Software kümmert.<br />

Ein derartiges Änderungsmanagement dient dazu Veränderungen der Anforderung<br />

wie auch Fehlermeldungen zu managen. Dies bedeutet im Einzelnen, das<br />

die Änderungsanforderungen gesammelt, beschrieben, verifiziert (ggf. verworfen),<br />

kategorisiert (Fehler, Mangel, Änderung), bewertet (Aufwand, Kosten, Nutzen<br />

der resultierenden Maßnahmen), priorisiert und gegebenenfalls umgesetzt<br />

werden.<br />

Da eine Veränderung der Arbeitsprozesse eine Veränderung der Software zur<br />

Folge haben kann, sind diese Aktivitäten in ggfs. vorhandene Qualitätskonzepten,<br />

wie Balanced Scorecard oder EFQM zu integrieren.<br />

6. Rechtliche Grundlagen<br />

Ausgehend davon, das in Organisationen der Sozialwirtschaft keine hauptamtlichen<br />

Juristen bei der Vertragsgestaltung in Bezug auf IT-Einführung zur Verfügung<br />

stehen, ist es notwendig, das einige Grundkenntnisse über die Spezifika<br />

von Verträgen in diesem Bereich zu vermitteln.<br />

Dies ist insbesondere deshalb sinnvoll, da eine unprofessionelle Vertragsgestaltung<br />

hohe finanzielle Konsequenzen für die Organisation haben kann.<br />

7. Zusammenfassung<br />

Dieser Curriculumsteil soll das bisher beschriebene „Produktwissen“ der I-und<br />

K-Technologien in Hinsicht auf die Prozessgestaltung erweitern. Dies bezieht<br />

sich zum einen auf die Abläufe zur Erstellung einer Dienstleistung, aber auch<br />

auf die Abläufe der Software- Pflege. Nur so ist der grundsätzliche Ansatz „Organisation<br />

vor Technik“ zu gewährleisten.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 38


II. OPTIONEN DES <strong>IN</strong>TERNETS<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 39


Sozialberatung im Internet 1<br />

Hans-Joachim Gehrmann<br />

1. Sozialberatung im Internet – eine Problemskizze<br />

Wenn Sozialinformatik fachliche Verantwortung für den Produktionsfaktor Information<br />

im System sozialer Dienstleistungen wahr zu nehmen hat (Wendt<br />

2000), dann<br />

• müssen ihre Aufgaben und ihre Leistungen aus den Anforderungen der<br />

sozialen Arbeit heraus definiert und bewertet werden,<br />

• hat Sozialinformatik in den Kernbereichen der Sozialer Arbeit wirksam<br />

zu werden,<br />

• sollte gefragt werden, welchen Stellenwert sie im Feld der sozialen Beratung<br />

hat.<br />

Aktuelle Daten zeigen jedoch einen noch sehr geringen Stellenwert der „Sozialberatung<br />

im Internet“ sowohl in der Beratungspraxis als auch in der Fachdiskussion<br />

der Sozialinformatik.<br />

Dabei steht die Sozialberatung vor folgenden Problemen und Herausforderungen:<br />

• Gesellschaftliche Modernisierung schafft Beratungsbedarf, wenn Sozialberatung<br />

eine „Abfangeinrichtung“ im risikoreichen Prozess der Inklusion/<br />

Exklusion moderner Gesellschaften ist.<br />

• Raumgebundene Beratungsangebote berücksichtigen inhaltlich und organisatorisch<br />

nicht ausreichend den sozialstrukturellen Wandel.<br />

• Neue Kommunikationsstrukturen verlangen neue (virtuelle) Beratungsangebote<br />

und –strukturen.<br />

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich lediglich um das Manuskript zum Vortrag nicht aber um<br />

eine ausgearbeitete und überarbeitete Fassung. (Anmerkung der Herausgeber)<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 40


Steigender Beratungsbedarf bei sinkenden Ressourcen<br />

• Steigender Beratungsbedarf<br />

aufgrund von<br />

– Arbeitsteilung<br />

– Unübersichtlichkeit<br />

– Differenziertheit<br />

– Bedürftigkeit<br />

– Arbeitslosigkeit<br />

– …<br />

• Sinkende Ressourcen<br />

im sozialen Bereich<br />

– Steuereinnahmen<br />

– Mittelkürzung<br />

– Personalabbau<br />

– …<br />

Träger der Sozialberatung können effizient<br />

• Telearbeit nutzen<br />

• Marktpräsenz verbessern<br />

• Uno-actu-Prinzip entzerren,<br />

• qualifizierte Ehrenamtliche gewinnen<br />

• BeraterInnen von Routineanfragen entlasten<br />

• Einstellung von Beratungsangeboten abwenden<br />

• flexible und differenzierte Beratungsangebote für mobile Ratsuchende<br />

schaffen<br />

• Effektiveres und effizienteres Beratungs-Setting entwickeln.<br />

Digitale Spaltung und Exklusion<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

b & l<br />

pro familia<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

Hauptschule<br />

10<br />

Mittlerer Abschluss<br />

Abitur<br />

Hochschule 0<br />

Wohnbevöl ker ung Inter netnutzer T-onl i ne<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 41


Da ein wesentlicher Abbau der digitalen Spaltung auf absehbare Zeitz trotz aller<br />

Anstrengungen im Prozess der Weiterentwicklung der Wissensgesellschaft<br />

nicht zu erwarten ist, müssen für die Benachteiligten Wege gesucht werden, die<br />

ihre Informations-/ Lebenschancen nicht noch weiter verschlechtern:<br />

2. Empirische Befunde zur Sozialberatung im Internet<br />

Aus den Daten einer von Beranet 2003 durchgeführten Onlinebefragung bei<br />

über 500 Beratungsstellen konnten u.a. folgende Befunde herausgearbeitet<br />

werden (vgl. Gehrmann 2004b):<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 42


Funktionen der Internetpräsenz:<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Fachinformation<br />

ÖffentlArbeit<br />

Klientenkontakt<br />

Onlineberatung<br />

Diakonie<br />

AWO<br />

Caritas<br />

anderer<br />

Selbsthilfe<br />

Gesamt<br />

Anteil der e-Mail-Beratung mit Sicherheitsstandard<br />

( web-basiert)<br />

Selbsthilfe<br />

freie Träger<br />

Diakonie<br />

Caritas<br />

AWO<br />

web-basiert<br />

offen wie<br />

z.B.outlook<br />

Gesamt<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 43


Sozialberatung im Chatroom:<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

anderer<br />

AWO<br />

Caritas<br />

Diakonie<br />

evangl. Kirche<br />

Selbsthilfeorganisation<br />

hat kein<br />

Interesse an<br />

Beratung im<br />

Chatroom<br />

möchte es in<br />

Zukunft gerne<br />

anbieten<br />

hat es als festen<br />

Beratungbestand<br />

teil<br />

Finanzierung der Internetpräsenz durch Kommune oder Land:<br />

(differenziert nach Bundesländer)<br />

100%<br />

80%<br />

0%<br />

BW<br />

Bayern<br />

Berlin<br />

Brandenburg<br />

Bremen<br />

Hamburg<br />

Hessen<br />

Nieders<br />

NRW<br />

RPP<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Sachsen<br />

SWH<br />

60%<br />

40%<br />

ja<br />

nein<br />

20%<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 44


3. „Helpline Mainz“ als Entwicklungs- & Studienprojekt in der Praxis<br />

In einem Modellprojekt zwischen einem Wohlfahrtsverband (BCV Mainz), einer<br />

Agentur für digitale Kommunikation (Zone 35 / Beranet Berlin) und der Hochschule<br />

soll versucht werden, innovative Wege in der Praxis und Ausbildung zur<br />

Verbesserung des Beratungsangebotes zu gehen und den Prozess des Aufbaus<br />

und der Ausweitung der Beratung im Internet gemeinsam zu analysieren.<br />

Das Helpline-Nutzer Portal:<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 45


Das Helpline-Berater-Portal:<br />

Vgl. http://www.das-beratungsnetz.de/helpline<br />

Das virtuelle Sprechzimmer :<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 46


Erste Erfahrungen:<br />

• Inhaltlich: Angebotsstruktur, Nutzerverhalten....<br />

• Personell: Engagement, Motivation, „Informatik“-Kenntnisse , Kooperation<br />

Praxis – Hochschule als Innovationsträger<br />

• Organisatorisch: Einbindung in die bestehenden Beratungsstrukturen<br />

und Leistungsprofile, technische Ausstattung , räumliche Vernetzung....<br />

…und Konsequenzen:<br />

• Lernen, in neuen virtuellen Strukturen zu denken und zu handeln<br />

• Verbesserung der Kenntnisse über Einsatzmöglichkeiten und Funktionen<br />

der Beratungssoftware<br />

• Optimierung der Nutzerfreundlichkeit durch gezielten Einsatz der Sozialinformatik<br />

4. Schlussfolgerungen für die Entwicklung der SozialinformatikNoch hat<br />

Sozialberatung im Internet eine eher marginale Bedeutung – sowohl in der Beratungspraxis<br />

als auch in der Fachdiskussion der Sozialinformatik<br />

Notwendig sind daher neben<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 47


• Bemühungen um differenzierte interdisziplinäre Evaluation von Projekten<br />

wie z.B. „Helpline Mainz“<br />

• Empirische Untersuchungen als Follow-up Studie für die bisherige<br />

Onlinebefragung incl. der bisher netzfernen Einrichtungen/Träger<br />

insbesondere<br />

• Ausbau der virtueller Sozialberatungsräume durch den gezielten Einsatz<br />

der Sozialinformatik in Lehre, Forschung und Praxis, um den<br />

Bedingungen und Anforderungen einer Wissensgesellschaft Rechnung<br />

zu tragen<br />

• Qualifikation der Träger und ihrer (zukünftigen) Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, um die eigene dafür notwendige Motivation und Mobilität<br />

aufbringen zu können<br />

• Noch stärkere Berücksichtigung der personellen, organisatorischen<br />

und gesellschaftspolitischen Situation der sozialen Dienste durch die<br />

Sozial-Informatik<br />

Zur gesellschaftlichen Funktion der Sozialinformatik:<br />

Literatur<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 48


Castells, Manuel 2001: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Teil 1 der Trilogie<br />

Das Informationszeitalter, Opladen.<br />

Gehrke, Gernot (Hrsg.) 2004: Digitale Teilung – Digitale Integration, München.<br />

Gehrmann, Hans-Joachim 2002: Sozialberatung per Internet, in: Caritas 2002.<br />

Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, S. 245 - 248<br />

Gehrmann, Hans-Joachim 2004a: Digitale Spaltung und sozialwirtschaftliches<br />

Handeln, in: neue caritas, Politik – Praxis – Forschung, Heft 13 /2004, S.<br />

24<br />

Gehrmann, Hans-Joachim 2004b: Situation der Beratungslandschaft. Ergebnisse<br />

der Onlinebefragung „Bedarfsermittlung 2003 zum Thema Onlineberatung“,<br />

Online unter: http://www.fbs.fh-darmstadt.de/HOMEPAGES/Gehrmann/<br />

gehrmann_auswertung_onlinebefragung.pdf<br />

Knatz, Birgit u. Dodier, Bernard 2003: Hilfe aus dem Netz. Theorie und Praxis<br />

der Beratung per E-Mail, Stuttgart<br />

Kreidenweis, Helmut 2004: Sozialinformatik, Baden-Baden<br />

Ley, Thomas 2004: Sozialinformatik. Zur Konstituierung einer neuen (Teil-)Disziplin.<br />

In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, 35. Jg., S.3-39<br />

Wendt, Wolf Rainer 2000: Sozialinformatik: Stand und Perspektiven, Baden-<br />

Baden<br />

Wimmer, Andreas 2004: 24 Hilfen auf einen Klick – Psychosoziale Beratung<br />

im Internet, in: Wolf Müller u. Ulrike Scheuermann (Hg.): Praxis Krisenintervention,<br />

Stuttgart , S. 289 - 299<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 49


Modernisierung sozialer Institutionen durch eGovernment als<br />

Herausforderung für die Sozialinformatik<br />

Harald Mehlich<br />

1. Fragestellung<br />

Mit der vorliegenden Arbeit soll herausgearbeitet werden, inwieweit sich infolge<br />

der nahezu flächendeckenden Vernetzbarkeit von Organisationen über das Internet<br />

auch für die Gestaltung sozialer Dienstleistungsprozesse neuartige Rahmenbedingungen<br />

gebildet haben, die für die Sozialinformatik eine neue Herausforderung<br />

darstellen.<br />

Im sozialen Sektor ist von den mittlerweile fortgeschrittenen Entwicklungen des<br />

Electronic Government im Bereich der öffentlichen Verwaltung bisher noch immer<br />

relativ wenig zu verspüren. Entwicklungen dieser Art im Sozialsektor finden<br />

sich vereinzelt auch mit dem Begriff Electronic NonProfit (Lenz 2001) belegt.<br />

Kaum ein Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge bleibt mittlerweile von den<br />

technischen Innovationsansätzen aus dem Umfeld des Internet ausgespart.<br />

Dies belegen zahlreiche “eBegriffe” wie eDemocracy, eVoting, eJustice,<br />

eTaxes, eHealth, eAdministration, eProcurement, eInformation, eService, eOrganization,<br />

eWork, eCollaboration, eCensus, ePolicy (Mehlich 2002, S. 1). Insofern<br />

verwundert es nicht, dass inzwischen auch wesentliche Teile des Sozialbereichs<br />

in die Einflusssphäre dieser wohl kaum aufzuhaltenden Entwicklung geraten<br />

sind. In der Identifizierung des Gestaltungspotentials, das sich hieraus<br />

abzeichnet, liegt eine vordringliche Aufgabe der Sozialinformatik. Hierfür ist es<br />

letztlich gleichgültig, ob Begriffskonstellationen wie „eGovernment im Sozialwesen“<br />

oder „Electronic Nonprofit“ zur Charakterisierung dieser Entwicklung Anwendung<br />

finden.<br />

Die Begriffe eNonprofit bzw. eGovernment werden bewusst gewählt, weil sie<br />

weiter gefasst erscheinen als Begriffe wie Cyber Social Work oder Sozialarbeit<br />

online (Poseck 2001), bei denen die in der Regel enge Verzahnung zwischen<br />

der Klientenarbeit vor Ort (Front-Office) mit spezifischen Datenlagen und Geschäftsprozessen<br />

im Back-Office eher unterbeleuchtet bleibt.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 50


Unter eGovernment soll in einer ersten Annäherung eine umfassende elektronische<br />

Reform von Arbeitsprozessen, Organisation und Klientenbeziehungen im<br />

gesamten Sozialwesen verstanden werden, was durch die Internettechnologien<br />

historisch erstmals flächendeckend ermöglicht wird.<br />

2. eGovernment und eBusiness - Schrittmacher für die Sozialinformatik?<br />

Zunächst ist herausarbeiten, inwiefern dem Electronic Government überhaupt<br />

die Funktion eines Schrittmachers für die Sozialinformatik zuteil werden kann.<br />

Hierbei ist zu beachten, dass die Sozialinformatik noch immer eine in Forschung,<br />

Lehre und Praxis wenig etablierte Fachdisziplin darstellt, die allerdings<br />

in den letzten Jahren zunehmend Konturen gewinnt (Kreidenweis 2004; Wendt<br />

2000; Jurgovsky 2002; Trube / Ostermann 2002).<br />

In dem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Wirtschaftsinformatik bereits<br />

vor etlichen Jahren mit dem eBusiness einen Sammelbegriff gefunden<br />

hatte, um die Dienstleistungsproduktion in vernetzten Umgebungen vor allem in<br />

der Privatwirtschaft zu analysieren. Der Wirtschaftsinformatik sind dadurch zahlreiche<br />

neue Fragestellungen vermittelt worden (Meier / Stormer 2005).<br />

In der Verwaltungsinformatik macht diese Entwicklung spätestens seit der Ende<br />

der 90er Jahre unter der Bezeichnung Electronic Government bzw. eGovernment<br />

Furore. Wohnsitzummeldungen, Kfz-Zulassungen über das Internet, Online-Bauanträge,<br />

elektronische Steuererklärungen, schließlich auch der Online-<br />

Sozialhilfeantrag sowie weitergehende Phasen der Prozessabwicklung über<br />

das Internet stehen auf der Agenda.<br />

Wozu dient der Hinweis auf Wirtschaft und Verwaltung, wo es hier doch um<br />

Fragestellungen der Sozialinformatik geht?<br />

Soziale Arbeit findet zwar vorwiegend in Nonprofit-Organisationen statt, etwa in<br />

Wohlfahrtsverbänden, bei freien Trägern und kirchlichen Einrichtungen. Sie findet<br />

aber auch im öffentlichen Dienst statt, wobei kommunale und staatliche Einrichtungen<br />

wie Jugend-, Gesundheits- und Sozialämter, Arbeitsagenturen sowie<br />

der Strafvollzug nur exemplarisch zu nennen sind. Darüber hinaus sind zahlrei-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 51


che privatwirtschaftliche Einrichtungen zu nennen. Die dortigen Entwicklungen<br />

werden eben maßgeblich durch eGovernment und eBusiness beeinflusst, wobei<br />

dort naturgemäß eher administrative und ökonomische – und eben keine sozialen<br />

– Sichtweisen vorherrschen.<br />

Für die Sozialinformatik erscheint es angebracht, einen eigenständigen „e-<br />

Begriff“ herauszuarbeiten, der der spezifischen Logik des Sozialwesens optimal<br />

entspricht. Denn nur auf diese Weise lassen sich die Besonderheiten bei der<br />

Herstellung und beim Vertrieb sozialer Dienstleistungsprozesse zur Geltung<br />

bringen.<br />

Ohne ausreichende Kompetenzen zur Einschätzung des Potentials der angewandten<br />

Informatik im Sozialwesen liegt nahe, dass die in Wirtschaft und Verwaltung<br />

entwickelten Informatikkonzepte im 1:1-Maßstab auf das Sozialwesen<br />

übertragen werden, wobei jedoch zu fragen ist, inwieweit Konzepte der elektronischen<br />

Steuerakte eine sinnvolle Vorlage für die Akten der Jugendgerichtshilfe<br />

abgeben bzw. welche Anforderungen für sinnvolle Softwarelösungen in diesem<br />

Bereich zu stellen sind.<br />

3. Sozialinformatik in der Zeit vor dem Internet<br />

Der Übergang zur flächendeckenden Verbreitung des Internet in den 90er Jahren<br />

bedeutet einen Meilenstein auch für die Art und Weise der künftigen Erbringung<br />

sozialer Dienstleistungen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der EDV-<br />

Einsatz in Wirtschaft, Verwaltung und Teilen des Sozialwesens bereits seit den<br />

60er Jahren stattgefunden hat. Bezeichnenderweise sprach man seinerzeit a-<br />

ber weder von eGovernment noch von eNonprofit oder eBusiness. Vielmehr<br />

herrschte im Sprachgebrauch die Abkürzung EDV für elektronische Datenverarbeitung<br />

vor. Im öffentlichen Dienst sprach man dagegen von der ADV – automatisierte<br />

Datenverarbeitung. Dies umfasste z.B. automatisierte Abrufverfahren<br />

zwischen Einwohnermeldeamt und Finanzamt zum Zwecke des Lohnsteuerkartenversandes.<br />

Der EDV-Einsatz im Sozialwesen hatte bis zur Verbreitung des Internet in den<br />

90er Jahren folgende Schwerpunkte (Mehlich 1996):<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 52


• Fachneutrale Standard-PC-Software (z.B. Textverarbeitung als „kostspielige<br />

Schreibmaschine“ bis hin zum integrierten Paket oder zur Office-Suite).<br />

• Lokale Netze in den Einrichtungen, z.B. auf Basis von Novell Netware<br />

• Fachanwendungs-Software, vorwiegend zur Unterstützung von<br />

Routineprozessen in der Administration. Beispiele sind die Zahlbarmachung<br />

von Leistungen sowie Finanzbuchhaltung, Personal- und<br />

Einrichtungsverwaltung.<br />

• Ansatzweise gibt es Softwareunterstützung für die Soziale Arbeit im engeren<br />

Sinne, also etwa bei der Sozialplanung und bei der Klientenarbeit vor Ort:<br />

• Fachanwendungen für Falldokumentation<br />

• Software zur Unterstützung der Fachplanung etwa in der Jugendhilfe<br />

• Schuldnerberatung<br />

• Statistik<br />

• Datenbanken für Hilfsmittel für Behinderte<br />

• Rechenzentrumsbetrieb mit Großrechner und mittlerer Datentechnik. Dies<br />

spielte vor allem bei der Haltung von Daten sowie den meist über Terminal<br />

bzw. Terminalemulation zugänglichen Anwendungssystemen in zentralen<br />

Verwaltungen und dem Datenaustausch zwischen Kostenträgern wie<br />

Kommunen und Versicherungen eine Rolle.<br />

Diese Situation hält im Prinzip bis heute an und lässt sich durch die folgenden<br />

Merkmale näher charakterisieren:<br />

Es herrschen Daten- und Anwendungsinseln mit geringem Integrationsgrad vor.<br />

Die papierförmige Datenhaltung dominiert nach wie vor.<br />

Der Wirkungsradius der elektronischen Datenverarbeitung ist durch Gebäudebzw.<br />

Organisationsgrenzen wie z.B. einzelne Abteilungen begrenzt. Dem entspricht<br />

eine organisatorisch hochgradig zersplitterte Trägerlandschaft, auf die<br />

die Arbeitsprozesse bei komplexer Zuständigkeitslage verteilt sind.<br />

Der Anwendungsschwerpunkt des EDV-Einsatzes liegt bei gut strukturierten<br />

Daten, z.B. Adress-, Familien- und Personenstandsdaten von Klienten und Institutionen.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 53


Die verfügbaren EDV-Lösungen unterstützen den Gesamtprozess der Herstellung<br />

und des Vertriebes sozialer Dienstleistungen lediglich punktuell bzw. über<br />

kleinere Phasenabschnitte des Gesamtprozesses.<br />

4. Sozialinformatik und die beginnende Verbreitung des Internet<br />

Dieser Befund ändert sich auch mit der beginnenden Verbreitung des Internets<br />

zunächst nicht. Das Internet steht zu Beginn zunächst als Hypertextsystem im<br />

Vordergrund. Die schnelle Bereitstellung multimedialer Information auf Webseiten<br />

macht dabei seinen Kern aus. Auch kommunikative Funktionen werden<br />

durch das Internet unterstützt. Beispielhafte Internetdienste sind eMail, Chat<br />

und Newsgroups.<br />

Zur massenhaften Verbreitung des Internet haben dabei wohl vor allem die zunehmend<br />

benutzerfreundlichen Mail-, Chat- und Browserprogramme mit grafischen<br />

Oberflächen beigetragen. Die entsprechenden Internetdienste haben<br />

mittlerweile im Sozialwesen Verbreitung gefunden, und zwar sowohl bei der<br />

professionellen Sozialarbeit wie auch zumindest bei Teilen der Klientel. Insbesondere<br />

trifft dies für die Nachwuchskräfte im Sozialwesen zu. Eine Befragung<br />

bei den Studenten an der Universität Bamberg im WS 2003/2004 hat gezeigt,<br />

dass über 90% der Befragten Internetdienste nutzen.<br />

Das Internet wird im sozialen Bereich bisher vor allem als Informations- und<br />

Kommunikationsmedium genutzt, wobei medienpädagogische Fragestellungen<br />

vorherrschen. Inzwischen lässt sich hier eine Veralltäglichung der Internetnutzung<br />

als modernes Medium der Information und Kommunikation beobachten.<br />

Demgegenüber haben sich nachhaltige Auswirkungen auf die Strukturen und<br />

Prozesse in der Erbringung sozialer Dienstleistungen mit der Verbreitung des<br />

Internet bisher kaum ergeben. Wesentliche Aufgabenbereiche der Sozialarbeit<br />

finden nach wie vor weitgehend offline statt.<br />

5. Internettechnologie als Basis-Infrastruktur zur Produktion<br />

sozialer Dienste<br />

Das Internet ist zwar als Informations- und Kommunikationsinfrastruktur inzwischen<br />

weltweit etabliert. Mit Diensten wie Chat, Mail und Webinformationen<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 54


wird heute aber erst ein sehr geringer Anteil des nutzbaren Anwendungspotentials<br />

des Internet erschlossen.<br />

Dies gilt für den Kernbereich der öffentlichen Verwaltung und insbesondere für<br />

den sozialen Bereich. Wenn es künftig um die Erschließung weiterführender<br />

Anwendungspotentiale des Internet geht, stehen vor allem komplexere Arbeitsund<br />

Dienstleistungsprozesse im Vordergrund, die über mehrere Organisationen<br />

und Träger verteilt sind und die bisher oft noch an fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

und mangelnden elektronischen Standards zwischen den<br />

Anwendungssystemen scheitern.<br />

6. Front-Office<br />

Diese Entwicklung sei hier nur exemplarisch für zwei Bereiche ausgeführt, nämlich<br />

für die vielgestaltigen Varianten des Front-Office und des Back-Office in<br />

moderner elektronischer Form.<br />

Das Front-Office betrifft die Schnittstelle zwischen dem freien Träger bzw. der<br />

Behörde und den jeweiligen Kunden. Externe Kunden sind etwa Klienten und<br />

Leistungsempfänger, interne Kunden sind die Mitarbeiter. Über das Front-Office<br />

erfolgt der Zugang zu den sozialen Dienstleistungen sowie deren Vertrieb an<br />

die Kundschaft. Hier ist ein Trend zu verzeichnen, die Dienstleistungen über<br />

eine Webschnittstelle zu erbringen, sofern ihre Onlinefähigkeit gegeben ist.<br />

Auch für die Mitarbeiter eines freien Trägers lassen sich zahlreiche Dienste ü-<br />

ber ein Intranet online bereitstellen, z.B. Urlaubsantrag, Beantragung einer<br />

Dienstreisegenehmigung oder Ausstellung einer Bescheinigung zur Vorlage bei<br />

einem Versicherungsträger.<br />

Auch die Klienten können bereits einfache soziale Dienstleistungen über das<br />

Internet im Wege der Selbstbedienung in Anspruch nehmen. Dies sind z.B. einfache<br />

Formen der Beratung oder die Ermittlung von Leistungsansprüchen mittels<br />

Online-Rechner.<br />

Die allgegenwärtige Vernetzung erweist sich zumal als eine günstige Rahmenbedingung,<br />

um mobile Arbeitsplätze telekooperativ in die Arbeitsprozesse beim<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 55


Träger einbinden. Damit erstreckt sich die Computerunterstützung erstmals direkt<br />

auf die Hilfesituation vor Ort.<br />

7. Back-Office<br />

Bevor komplexere Dienstleistungsprodukte über das Internet anzubieten sind,<br />

sind zahlreiche Probleme vor allem im Back-Office zu überwinden. Dies ist der<br />

Ort, an dem die sozialen Dienstleistungen hergestellt werden. Speziell im sozialen<br />

Bereich sind freilich Herstellung und Vertrieb von Dienstleistungen nicht<br />

immer klar zu trennen. Bei Beratung und Pflege und beim Klienten vor Ort bildet<br />

dies oft eine Einheit.<br />

Für Bürger und Klienten erweist sich ein breit angelegtes browservermitteltes<br />

Online-Dienstleistungsangebot rund um die Uhr (Verwaltung24) zwar als<br />

höchst komfortabel. Für das Jugendamt oder den freien Träger bringen jedoch<br />

online angestoßene Dienstleistungsprozesse – z.B. Sozialhilfeantrag – zunächst<br />

keine nennenswerten Einspar- oder Effizienzvorteile, solange ihre Weiterverarbeitung<br />

im Back-Office nach wie vor mit traditionellen Mitteln wie Hauspost,<br />

Aktenordner und Papierformular als Offline-Prozess erfolgt.<br />

Konsequenterweise unterliegt das Back-Office derzeit einem unübersehbaren<br />

Anpassungsdruck zur durchgängigen elektronischen Abwicklung von Dienstleistungsprozessen<br />

bei weitgehender Vermeidung von Medienbrüchen.<br />

Unter Nutzung des Internet lassen sich Arbeitsprozesse im Rahmen virtueller<br />

Organisationsansätze trägerübergreifend gestalten (Brosch / Mehlich 2005).<br />

Ansatzpunkte gibt es bei interkommunalen Projekten zum Aufbau von Internetportalen,<br />

auf die verschiedene Träger wie Arbeiterwohlfahrt, Sozial- und Jugendämter<br />

und Arbeitsverwaltung gemeinsamen Zugriff haben. Dies kann die<br />

Aufgabenwahrnehmung in Problembereichen wie Arbeitsbeschaffung und Armutsbekämpfung<br />

unterstützen.<br />

Auch lassen sich Intranets über das Internet zu Extranets verkoppeln. Dies<br />

kann dem Aufbau von Wissensmanagementsystemen dienen, die verschiedenen<br />

Nutzergruppen über Portale zugänglich sind. Sie integrieren den Zugriff auf<br />

hilferelevante Datenbestände des eigenen Trägers und dritter Einrichtungen –<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 56


auch im Mobilbetrieb. Die Sozialraumorientierung lässt sich unterstützen, indem<br />

Klienten zeitnah über einen geeigneten Platz in einer Jugendhilfeeinrichtung<br />

informiert werden.<br />

8. Voraussetzungen fortgeschrittenen eGovernments: Integration und<br />

Standardisierung<br />

Innovationen beim elektronischen Front- und Back-Office sind auf zahlreiche<br />

Vorleistungen angewiesen, die heute entweder fehlen oder nicht ausreichend<br />

erbracht sind. Dies betrifft vor allem Integrationsbestrebungen auf technischem<br />

und auf organisatorischem Gebiete.<br />

Hervorzuheben ist zunächst die erforderliche stärkere Integration bei Datenbanken<br />

und Anwendungssystemen als bisher. Erst dies ermöglicht eine weitgehend<br />

durchgängige elektronische Aktenführung und Dokumentenhaltung bei<br />

Minimierung von Medienbrüchen, z.B. im Verbund räumlich verteilter Institutionen<br />

wie Jugendamt, Jugendgerichtshilfe, Strafvollzug, Staatsanwaltschaft etc.<br />

Auch die hoch integrierten ERP-Systeme erweisen sich aus der Gesamtperspektive<br />

einer hochgradig zersplitterten Anwendungslandschaft oft als Insellösungen<br />

(Mehlich 2002, S. 156 f., 190).<br />

Verbesserungen in dieser Hinsicht erfordern eine weit reichende Einigung der<br />

zahlreichen involvierten Akteure auf Standards bei der Definition von Datenstrukturen<br />

und Schnittstellen zwischen den Fach-Anwendungssystemen. Hier<br />

zeichnen sich inzwischen Optimierungsansätze ab, z.B. im Rahmen von<br />

DeutschlandOnline, einer eGovernment-Initiative auf Bundesebene<br />

(http://www.deutschland-online.de). Einen speziell für das Sozialwesen interessanten<br />

Standard dokumentiert das XML-basierte XSozial (http://www.osci.de).<br />

Mit diesem Teilprojekt von DeutschlandOnline wurde 2004 begonnen. Ziel ist<br />

der elektronische Austausch von Fachdaten zwischen sozialen Trägern und<br />

Behörden auf standardisierter Grundlage, um den papierförmigen Datenaustausch<br />

zu reduzieren und fehlerarm zu gestalten.<br />

Vergleichbare Projekte aus anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes sind<br />

etwa<br />

• XMeld im Meldewesen,<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 57


• XKfz bei Kfz-Zulassungen,<br />

• XGewerbe beim Gewerberegister,<br />

• XBau für das Bauwesen,<br />

• XJustiz.<br />

Diese Aktivitäten setzen eine enge Kooperation zwischen Trägern, Kassen und<br />

öffentlichen Einrichtungen bei der Entscheidung für gemeinsame Standards<br />

voraus. Angesichts der vorherrschenden organisatorischen Zersplitterung und<br />

der zumeist vorhandenen Organisationshoheit der handelnden Akteure bedeutet<br />

dies eine anspruchsvolle Aufgabe.<br />

Weitgehend offen ist die Beantwortung der Frage, wer die Internet-Infrastruktur<br />

im Sozialwesen künftig bereitstellen und betreiben wird. Hierzu gehören etwa<br />

Sicherheits-, Bezahl-, Applikations- und Formulardienste. Weitere Beispiele sind<br />

elektronische Einkaufsplattformen, der Betrieb sozialer Internetportale oder trägerübergreifende<br />

Plattformlösungen für das Wissensmanagement. Da der Aufbau<br />

dieser Infrastruktur ein kostspieliges Unterfangen darstellt, kann hier nicht<br />

jeder Träger das Rad jeweils neu erfinden, vielmehr sind intensivere Kooperationen<br />

als bisher gefragt. In diesem Rahmen vermag etwa ein Träger elektronische<br />

Dienstleistungen zu entwickeln, die er dann nicht nur selbst nutzt, sondern<br />

auch dritten Nachfragern bietet. Dies kann auch unter der Einbeziehung privater<br />

Dienstleister im Sinne von Public-Private-Partnerships (PPP) erfolgen.<br />

9. Resümee: Soziale Arbeit und Informatisierung<br />

Der oben geschilderte Trend zum Aufbau zunehmend komplexer sozialer<br />

Dienstleistungsnetzwerke (Brüggemeier / Röber 2002) auf Internetgrundlage ist<br />

sicherlich nicht mehr umkehrbar, obgleich sich das Tempo und der konkrete<br />

Entwicklungsverlauf in den verschiedenen Anwendungsbereichen mit höchst<br />

unterschiedlicher Schrittgeschwindigkeit vollziehen.<br />

Auch bei den freien Trägern im Sozialwesen unterliegt die Herstellung von<br />

Dienstleistungen einem zunehmenden Außendruck, der eine Umstellung auf<br />

Internettechnologien nahe legt. Der Druck geht zum einen von Institutionen wie<br />

Kommunen, Privatwirtschaft und Krankenversicherungen aus. Änderungsdruck<br />

resultiert aber auch von wachsenden Teilen der Klientel sowie vom Beschäftig-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 58


tennachwuchs im Sozialwesen, der zunehmend auf eine „Internet-Sozialisation“<br />

zurückblicken kann.<br />

Als Resümee für die Sozialinformatik lässt sich folgende Aussage treffen:<br />

Soziale Arbeit war unter dem Aspekt der Informatisierung schon immer eine<br />

sperrige Materie. Dies liegt in der weitgehenden „Offenheit“ der spezifischen<br />

Situationen, in denen die Beziehungsarbeit mit dem Klienten stattfindet. Soziale<br />

Arbeit ist in wesentlichen Teilen generischer Natur, wobei wenig strukturierte<br />

Ad-hoc-Situationen häufig vertreten sind. Der Situationsverlauf wird durch die<br />

beteiligten Klienten und Sozialarbeiter bestimmt – und nicht durch eine<br />

Workflow-Engine. Hierin dürfte ein zentraler Unterschied zu den workflowgesteuerten<br />

Systemen bei stärker routineförmigen Abläufen liegen, die in der<br />

öffentlichen Verwaltung und den administrativ geprägten Bereichen der Nonprofit-Organisationen<br />

stärker verbreitet sind. Gefragt sind hier eher Intuition, Erfahrungswissen<br />

und informelle Strukturen, die prinzipiell nicht algorithmisierbar und<br />

damit auch nicht vollständig auf Software übertragbar sind. Wohl aber spezifische<br />

Phasenabschnitte des Gesamtprozesses sowie etwa Unterstützungsfunktionen<br />

wie beispielsweise Archivierungssysteme!<br />

Brauchbare Software für die Soziale Arbeit kommt nur dann zustande, wenn die<br />

besonderen Anforderungen des sozialen Dienstleistungssektors in die Anforderungsanalysen<br />

einfließen. Diese lassen sich jedoch nur dann angemessen geltend<br />

machen, wenn eine ausreichende IT-Kompetenz zur Beurteilung der gegebenen<br />

technischen Möglichkeiten vorhanden ist.<br />

Heute bedeutet das vor allem das Erfordernis einer realistischen Einschätzung<br />

zur optimalen Ausschöpfung des Potentials, das innovativen Systemlösungen<br />

bei der künftigen Gestaltung sozialer Dienstleistungen zukommt.<br />

Aufgrund bereits vorliegender Erfahrungen im öffentlichen Bereich erscheint es<br />

ertragreich, den aktuellen eGovernment-Prozess speziell unter dem Aspekt des<br />

Erfahrungstransfers näher zu verfolgen. Zahlreiche Strukturanalogien zwischen<br />

den Geschäftsprozessen des Sozialwesens und denen des übrigen öffentlichen<br />

Dienstleistungssektors legen dies nahe.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 59


Literatur<br />

Brosch, Dieter / Mehlich, Harald 2005: E-Government und virtuelle Organisation.<br />

Bedeutung für die Neugestaltung der sozialen Sicherungssysteme und<br />

Perspektiven für die Kommunalverwaltung. Wiesbaden<br />

Brüggemeier, Martin / Röber, Manfred 2002: Stand und Entwicklungsperspektive<br />

der Arbeitsorganisation im öffentlichen Dienst. In: Koch, R. / Conrad,<br />

P. (Hg.): New Public Service. Wiesbaden 2002. S. 123 – 154<br />

Jurgovsky, Manfred 2002: Was ist Sozialinformatik? In: Neue Praxis, H. 3, 32.<br />

Jg., S. 297-303<br />

Kreidenweis, Helmut 2004: Sozialinformatik, 1. Auflage, Baden-Baden 2004.<br />

Lenz, Thilo 2001: E-Government und E-Nonprofit. Management von Internetprojekten<br />

in Verwaltung und Nonprofit-Organisationen. Stuttgart<br />

Mehlich, Harald 1996: Einsatzperspektiven und Wirkungen des Computereinsatzes<br />

im Sozialwesen: Ein Beitrag zur Sozialinformatik. In: Zeitschrift für Sozialreform<br />

42 (1996). Heft 3. S. 180-201.<br />

Mehlich, Harald 2002: Electronic Government. Die elektronische Verwaltungsreform.<br />

Grundlagen –Entwicklungsstand – Zukunftsperspektiven. Wiesbaden<br />

2002<br />

Meier, Andreas / Stormer, Henrik 2005: eBusiness & eCommerce. Berlin et<br />

al.<br />

Poseck, Oliver (Hrsg.) 2001: Sozial@rbeit Online. Neuwied<br />

Trube, Achim; Ostermann, Rüdiger 2002: Sozialinformatik lehren - aber wie?;<br />

in: Sozialmagazin, 27.Jhg. Heft 7/8 2002, S. 66-71<br />

Wendt, Wolf Rainer 2000: Sozialinformatik: Stand und Perspektiven, 1. Auflage,<br />

Baden-Baden 2000<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 60


III. IT-GESTÜTZTE DOKUMENTATION<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 61


Einige Anmerkungen zu IT-gestützten Dokumentationssystemen<br />

in der Sozialen Arbeit<br />

Silke Axhausen<br />

Fachleute, die sich mit IT-gestützter Dokumentation beschäftigen, gehen von<br />

einer Selbstverständlichkeit aus, dass sich Fachsoftware relativ schnell in der<br />

Sozialen Arbeit durchsetzen werde. Dies tun sie allerdings schon seit gut zehn<br />

Jahren. Da die Praxis nur zögerlich Informationstechnologie für Dokumentation<br />

einsetzt, möchte ich mich damit beschäftigen, wie die Lage beschaffen ist, die<br />

IT-Befürworter und IT-Skeptiker gleichermaßen hervorbringt.<br />

Ich möchte im Folgenden zunächst darauf eingehen, was Dokumentation in der<br />

Sozialen Arbeit eigentlich bedeutet und dies vor allem im Bereich der Jugendhilfe,<br />

speziell in den erzieherischen Hilfen vertiefen. Anschließend möchte ich kurz<br />

auf den Stand der Implementation von IT-gestützten Dokumentationssystemen<br />

in der Sozialen Arbeit eingehen und erst am Schluss schlaglichtartig auf einzelne<br />

Programme. 1<br />

1. Zum Begriff von Dokumentation<br />

Ich verstehe unter Dokumentation „systematisches Festhalten von Sachverhalten<br />

im Verlauf der Erziehungspraxis“ (Moch 2004, 57).<br />

Selbstverständlich findet Dokumentation auch in den Bereichen der Sozialen<br />

Arbeit statt, in denen es nicht um Erziehung geht. Dokumentation interessiert<br />

vor allem dort, wo es um Veränderung des Verhaltens durch gezielte Beeinflussung<br />

geht.<br />

Festgehalten werden in der Dokumentation vor allem „Sachverhalte“, die das<br />

sich verändernde Erleben und Verhalten einzelner Kinder und Jugendliche<br />

kennzeichnen. Gemeint dabei ist nicht abweichendes Verhalten, sondern die<br />

gesamte individuelle Entwicklung.<br />

Meines Erachtens gehört dieses „systematische Festhalten von Sachverhalten“<br />

zu jeder professionellen Tätigkeit und entspricht dem wissenschaftlichen Inte-<br />

1 Mein persönlicher Hintergrund für dieses Thema besteht weniger in Expertenwissen als<br />

hauptsächlich in der Neigung: Datenbanksysteme können - richtig eingesetzt - viel eintönige<br />

Arbeit ersparen und viel zur Erkenntnis beitragen. Der derzeitige Stand an Wissen über Soziale<br />

Arbeit verdient durch Datensammlungen in der Dokumentation Sozialer Arbeit vorwärts<br />

gebracht zu werden.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 62


esse an der Tätigkeit und ihrer gekonnten Durchführung. Insofern ist Soziale<br />

Arbeit von Beginn an vom Interesse an den Lebensumständen des Klientels<br />

und seinen Lebenswelten (als Begriff für die individuelle Deutung dieser Lebensverhältnisse)<br />

begleitet. 2<br />

”Von den Pionierinnen selbst wurde stets eine forschende Grundhaltung vertreten,<br />

weil von der Erforschung der Lebensumstände und der Verarmungsprozesse<br />

zurecht Erkenntnisgrundlagen fürsorgerischen Handelns erwartet wurden.<br />

Und auch die Überprüfung der Wirkung des beruflichen Tuns, also Evaluationsforschung,<br />

war von Beginn an Gegenstand der theoretischen Bemühungen.<br />

Dennoch blieb der Forschungsertrag der Sozialschulen gering, weil der<br />

Handlungs- und Entscheidungsdruck der Praxis dem Forschungsinteresse wenig<br />

Raum ließ.” (Mühlum / Bartholomeyczik / Göpel 1997, 56)<br />

Eher erklärungsbedürftig ist, warum diese selbstverständliche Grundhaltung der<br />

eigenen Tätigkeit gegenüber - wissen zu wollen, mit wem man es zu tun hat,<br />

was aus Menschen wird, was man selbst erreicht hat, auf welchem Wege dies<br />

geschah usf. - warum diese selbstverständlichen Grundfragen im Beruf der Sozialen<br />

Arbeit eben nicht so selbstverständlich sind. Dass „der Handlungs- und<br />

Entscheidungsdruck der Praxis dem Forschungsinteresse wenig Raum ließ“,<br />

wird schon so sein. Warum dies in einem Beruf so ist, der immerhin eine wissenschaftliche<br />

Ausbildung verlangt, ist damit nicht erklärt.<br />

Staub-Bernasconi schreibt in einem Email-Kommentar zu Dokumentationssoftware<br />

in der Sozialen Arbeit, dass darin eigentlich nur die „explizite Nennung<br />

der W-Fragen“, die für eine Fallerfassung notwendig wären, erfolgte. 3 Wenn die<br />

systematische Stellung dieser „W-Fragen“ in der Profession erst eingeführt<br />

werden muss, verweist das auf einen Stand der Profession, der eben nicht auf<br />

einem Standard an Wissen für die Praxis beruht. Dies ist nicht nur „ein Armutszeugnis<br />

für die Ausbildung“.<br />

2 Man erinnere sich an die Begründung der „Sozialen Diagnose“ durch Alice Salomon in<br />

Deutschland, die als berufliche Grundlage die genaue Erfassung einzelner Klienten und ihres<br />

Umfelds erläuterte, um Handlungsstrategien zu ihrer Förderung zu entwickeln. Auf einer anderen,<br />

nämlich mehr soziologisch begründeten, Basis werden im Umfeld von Jane Addams<br />

die „Maps und Papers“ im Zusammenhang mit Hull House in Chicago erstellt – um nur zwei<br />

prominente Beispiele aus den Anfängen der Sozialen Arbeit zu nennen.<br />

3 „Die fast allseits bezeugte erhöhte Reflexionskompetenz ist eigentlich ein Armutszeugnis für<br />

die Ausbildung, die es offenbar nicht fertig bringt, die einfachsten W-Fragen als erkenntnistheoretische<br />

Grundlage wie ganz praktische Anleitung für eine Fallerfassung zu lehren! Was<br />

diese Software liefert, ist eigentlich nur die explizite Nennung dieser W-Fragen.“ (E-Mail vom<br />

21.05.2005)<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 63


1.1 Zum Nutzen von Dokumentation<br />

Regelmäßige Dokumentation ist keine Selbstverständlichkeit in der Sozialen<br />

Arbeit. Erst seit Sozialmanagement ein Thema ist und in der Praxis durch gesetzliche<br />

Grundlagen Qualitätsentwicklung verankert wurde (§ 93 BSHG, §78a<br />

KJHG), stellten sich Anstrengungen ein, die Praxis genauer zu erfassen. Noch<br />

heute gibt es für die Bundesrepublik bis auf wenige Ausnahmen keine einheitlichen<br />

Standards, nach denen in den verschiedenen Arbeitsfeldern dokumentiert<br />

wird. 4<br />

Dennoch ist meines Erachtens der Nutzen von Dokumentation öfter schon beschrieben<br />

und wird bei jedem Projekt, in dem Dokumentation in Einrichtungen<br />

der Sozialen Arbeit entwickelt wird, von neuem benannt.<br />

Von Spiegel nennt schon 1994 „Wissenschaftliche Kontrolle und Aufklärung,<br />

Qualifizierung, und Innovation“ als Funktionen von Dokumentation und Evaluation<br />

(von Spiegel 1994). Durch Dokumentation werden Daten erhoben, in Bereichen,<br />

in denen sonst häufig nur Vermutungen vorliegen. Dafür müssen die Ziele<br />

der Arbeit klar bestimmt sein. Kolleginnen und Kollegen, die diese Datenerhebungen<br />

durchführen, verständigen sich über wissenschaftliche Kategorien, mit<br />

denen ihre Arbeit und Klienten zu beschreiben sind und qualifizieren sich dabei.<br />

Häufig gewinnen sie ein neues Bild von Klienten und ihrem Umfeld und entwickeln<br />

dabei neue Zugänge und Konzepte. Insofern ist Dokumentation häufig<br />

Hebel von Innovation in der Praxis.<br />

Martin Schmid hebt in diesem Prozess noch die Funktion der „Modernisierung“<br />

als eigene hervor. Damit meint er, dass sich Fachteams in dieser Verständigung<br />

selbst reflektieren und auf moderne Anforderungen an ihre Arbeit durch<br />

erneuerte Praxis reagieren (Schmid 2006). 5<br />

4 Eine Ausnahme bildet v.a. der Suchtbereich: Verschiedene Länderministerien haben Wert<br />

darauf gelegt, dass eine einheitliche Dokumentation in den Einrichtungen der Suchthilfe gewährleistet<br />

wird. Insofern gibt es einen nationalen und sogar europäischen Datensatz in diesem<br />

Bereich, der durch verschiedene Software erhoben werden kann. Was die Qualität dieser<br />

Daten angeht, ist eine andere Frage. Immerhin ist ein Verfahren gefunden, bei dem die<br />

Einrichtungen einheitliche Basisdaten erheben und die Möglichkeit haben, weitere zusätzliche<br />

Informationen für sich zu gewinnen.<br />

5 Von Fachkräften in der Praxis selbst werden zwei Bedeutungen von Dokumentation am häufigsten<br />

genannt: Zum einen besteht fast immer eine Unsicherheit darüber, worin die eigene<br />

Leistung eigentlich besteht. Bewirkt Soziale Arbeit überhaupt etwas? Wird mehr als Verwaltungsarbeit<br />

geleistet? Man könnte das mit Selbstvergewisserung beschreiben, die offensichtlich<br />

in diesem Beruf nötig ist. Zum anderen kann mit den Daten das Arbeitsfeld präzise beschrieben<br />

werden. Zum Beispiel: Meine Klienten sind ärmer geworden. Die Jugendlichen sind<br />

früher für harte Drogen anfällig. Mädchen rauchen früher usf.. Die Härte der Daten kommt der<br />

Sozialen Arbeit durchaus zupass, wenn sie präzise Aussagen über das Klientel treffen will,<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 64


Middendorf, in dessen Projekt es um die Entwicklung eines elektronischen<br />

Gruppentagebuches in der Erziehungshilfe ging, beschreibt beispielhaft diesen<br />

Prozess:<br />

„Schon jetzt läßt sich allerdings berichten, daß die Einführung des elektronischen<br />

Gruppenbuches einen Prozeß initiiert hat, der eine methodische Ausrichtung<br />

des pädagogischen Handelns fördert. Die Entwicklung von Checklisten für<br />

die Dokumentation und die durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen befördern<br />

diesen Prozeß. Zielbezogenheit, Reflexion und Überprüfbarkeit der eigenen<br />

Leistungen und Qualität werden zu einem selbstverständlicheren Bestandteil<br />

der Erziehungsleistungen der Fachkräfte. Damit wird durch institutionell gesetzte<br />

Rahmenbedingungen in der Praxis Qualitätsentwicklung nicht nur auf der<br />

Strukturebene sondern insbesondere im schwierigen Feld der Prozeßebene in<br />

Gang gesetzt, was nicht zuletzt allen Beteiligten zu Gute kommen soll (Evaluationsfrage<br />

4).“ (Middendorf 2004, 25)<br />

Und auch Kreidenweis weist daraufhin, dass die Einführung von Software in<br />

den Jugendämtern eine Reflexion und Veränderung des Prozesses der Hilfeplanung<br />

bewirkt hat: „In allen Jugendämtern wurde der Hilfeplanungsprozess im<br />

Zuge der Software-Einführung umgestaltet. [...] ‚Mit der Hoffnung eben, daß der<br />

Computer mehr Klarheit verschafft.’ “ (Kreidenweis 2005, 40)<br />

So klar der Nutzen von Dokumentation ist, so unbeliebt ist sie zugleich und so<br />

wenig wird sie in der Praxis durchgeführt:<br />

Nirgends wird der Zeitaufwand bei der Entwicklung und Einführung von Dokumentation<br />

extra berücksichtigt und deswegen mehr Personal kalkuliert und bezahlt.<br />

Selten werden Rechner in den Haushaltsplänen berücksichtigt, geschweige<br />

denn die Folgekosten zur Schulung, zur Erneuerung der Systeme, zur<br />

Reparatur usf. in der nötigen Höhe.<br />

Mitarbeiter und ihre gewerkschaftlichen Vertretungen befürchten eine Verschlechterung<br />

ihrer Arbeitsbedingungen und eine Erhöhung ihres Arbeitsdrucks,<br />

wenn den Geschäftsleitungen detailliertere Daten über ihre Arbeit vorlägen.<br />

mit denen sie die Politik und Öffentlichkeit überzeugen will, d.h. auch erfolgreich für mehr Mittel<br />

werben will.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 65


Die Software, die es gibt, bietet in vielen Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit<br />

keine überzeugenden Lösungen und keine einheitliche Dokumentation, so dass<br />

auch keine flächendeckenden und darin aussagekräftigen Erhebungen möglich<br />

sind. Es geht meistens nur um in der Aussage sehr begrenzte Insellösungen.<br />

Auch wenn es noch nicht einmal um eine IT-gestützte Dokumentation geht,<br />

sondern um eine Dokumentation in Papierform, liegen keine wissenschaftlich<br />

abgesicherten Kategoriensysteme für die vielen Arbeitsbereiche der Sozialen<br />

Arbeit vor, so dass der Entwicklungsaufwand für jede Einrichtung oder jedes<br />

Amt enorm hoch ist und die Ergebnisse in jedem Fall umstritten sind.<br />

Insofern gibt es immer wieder dieselben Klagen und Berichte, wenn Dokumentation<br />

doch Thema ist: Keine oder zuwenig Zeit, um sinnvolle Kategorien für die<br />

Erfassung der Praxis zu entwickeln. Unklare begriffliche Kategorien, kein amtsübergreifender<br />

Konsens über die Begriffsinhalte und Auswertungsmethoden;<br />

keine vernünftigen Grundlagen, wenn Systeme angeschafft werden. Pädagogische<br />

Mitarbeiter wissen zuwenig über eine betriebswirtschaftliche Kalkulation<br />

oder die Erstellung von Pflichtenheften; selbst Ministerien verhandeln ungeschickt<br />

mit Firmen (vgl. Kreidenweis 2005, 59)<br />

In der Folge entstehen häufig Daten mangelhafter Qualität, da unwillige Mitarbeiter<br />

entweder gleich viele Felder gar nicht ausfüllen (die berühmten „missing<br />

data“, mit denen sich die auswertenden Wissenschaftler herumschlagen müssen)<br />

(Schmid 2006) oder Felder mit sehr unterschiedlicher Deutung ausfüllen.<br />

Auch bei bester Motivation verlangt die Software manchmal Umwege, was ein<br />

Mitarbeiter aus einem Jugendamt folgendermaßen charakterisiert:<br />

„Ich mache das nur um sozusagen die Software zu beruhigen“ (Kreidenweis<br />

2005, 46). Soweit zur Effizienz der Arbeit.<br />

Diese vielfältigen Misslichkeiten aus dem Alltag Sozialer Arbeit lassen sich sicher<br />

auf ein mangelndes Interesse an Aufklärung in diesem Bereich zurückführen.<br />

So sehr es erstaunt, dass so wenig Interesse an wirklichen Daten aus diesem<br />

großen Bereich besteht, so wenig soll es hier weiter Thema sein. Aber eine<br />

Gesellschaft, die es sich leistet, so viele Menschen an ihren Maßstäben scheitern<br />

zu lassen, und eher noch einen ganzen Berufsstand dafür ausbildet, sich<br />

mit diesen scheiternden Existenzen individuell zu beschäftigen, verlangt offen-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 66


sichtlich keine Klarheit darüber, wie diese Probleme rationell zu bewältigen wären.<br />

Die Frage danach, wie Soziale Arbeit kostengünstig und zielorientiert geleistet<br />

werden kann, ist eben eine andere.<br />

„Gutes Dokumentieren ist nur möglich in einer an guten Leistungen interessierten<br />

Gesellschaft, Jugendhilfe und öffentlicher Erziehung“(Blandow 2004, 55).<br />

Und: Gutes Dokumentieren ist umgekehrt ein Schritt in diese Richtungen.“<br />

(ebd.)<br />

„Zum guten Dokumentieren gehört dann auch, dass sinnloses Dokumentieren<br />

zurückgewiesen wird [...]“. Und: „dass Dokumentieren nur dann Sinn macht,<br />

wenn es zu etwas nutze ist. Ohne den Wunsch, sie (die Daten – Anmerkung<br />

von Silke Axhausen) auszuwerten und aus ihnen für die Zukunft zu lernen, sind<br />

sie überflüssig und rauben mir Zeit, die ich sinnvoller verbringen kann.“ (ebd.)<br />

Mit diesen schlichten Grundzügen legt Blandow zunächst fest, dass die Dokumentation<br />

für eine sinnvolle Reflexion und Veränderung der Praxis ausgerichtet<br />

sein muss. Und dass nur so die Motivation der Mitarbeiter geweckt werden<br />

kann.<br />

Im Folgenden entwickelt er – nicht eine Theorie der Jugendhilfe – aber zumindest<br />

ein Gerüst an Dokumentation, dass ich vorstellen will. Er unterscheidet fünf<br />

verschiedene Bereiche der Dokumentation, dementsprechend viele verschiedene<br />

Formen, um den unterschiedlichen Anforderungen, die in diesem Fall an<br />

Jugendhilfe gerichtet werden, gerecht zu werden. Ich möchte sie darstellen, um<br />

anschließend Software, die für Jugendhilfe vorliegt, an diesen Maßstäben zu<br />

messen.<br />

1.2 Zur Dokumentation in der Jugendhilfe<br />

Blandow spricht zunächst davon, dass Erziehungshilfe Dokumente entwickelt,<br />

die wegen ihres Charakters als öffentliche Erziehung nötig sind. Dafür führt er<br />

auf<br />

• den Entwicklungsbericht<br />

• die Konzeption einer Einrichtung<br />

• das Qualitätshandbund oder die Leistungsbeschreibung.<br />

Diese Berichte werden erstellt, um der öffentlichen Hand, meist dem Jugendamt,<br />

inhaltlich darzustellen, dass der öffentliche Auftrag ordnungsgemäß verrichtet<br />

wird.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 67


Einen weiteren, relativ formalen Bereich sieht er darin begründet, dass in der<br />

Institution berufliche Arbeit geleistet wird. Dies erfordert:<br />

• Dienstpläne usf.<br />

• Hausordnungen, Dienstanweisungen, Protokolle von Dienstbesprechungen<br />

• Stellenpläne- oder Arbeitsplatzbeschreibungen sowie<br />

• Informationen bei Übergabe zwischen den Schichten<br />

Schließlich geht es um die pädagogische Falldokumentation. Hier sind aufzuführen:<br />

• Psychosoziale und biographische Diagnose, Beobachtungen, Gesprächsprotokolle,<br />

Hypothesen<br />

• Gesprächsprotokolle und Selbstäußerungen von Kindern und Jugendlichen<br />

zur systematischen Auswertung<br />

• Tonbandprotokoll bestimmter wiederkehrender Situationen (Lehren für<br />

die bessere Gestaltung)<br />

Während er die vorgenannten Instrumente allein den Fachkräften zuordnet, bestimmt<br />

er einen weiteren Bereich, in dem es um Koproduktion in der Pädagogik<br />

geht. Dafür führt er an:<br />

• Biografische Interviews mit Jugendlichen<br />

• Pädagogische Verträge und Hilfepläne<br />

• Gemeinsam erstellte Mitbestimmungsmodelle, Regeln, Strategieentwicklung<br />

für Vorstellungsgespräch<br />

Und auch mit diesen Instrumenten ist seine Liste noch nicht vollständig. Als<br />

letzten Bereich nennt er noch ausdrücklich Dokumentationsformen, die als Mittel<br />

des Erziehungs- und Unterstützungsprozesses selbst gelten können,<br />

nämlich:<br />

• Life-story-books<br />

• Projekt, in dem sich die Jugendlichen in Pose setzen<br />

• Rollenspiele, Video-Experimente, gestaltpädagogische Experimente<br />

(alles Blandow 2004, 44ff.)<br />

Natürlich wird in dieser Aufzählung vor allem anderen augenfällig, wie wenige<br />

dieser Instrumente bisher in Software übertragen sind.<br />

Überzeugend ist dabei aber, dass viele Elemente aus der pädagogischen Praxis,<br />

die unter „Mitarbeit“ der Jugendlichen und Kinder zustande kommen, aussagekräftige<br />

Formen der Dokumentation einer Entwicklung darstellen.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 68


M.E. kann mit den letztgenannten Instrumenten noch eine weitere Rolle der<br />

Sozialen Arbeit ausgefüllt werden: Aussagen der Kinder und Jugendlichen<br />

selbst sind besonders geeignet, ihre Lebenswelt zu charakterisieren. So kann<br />

Soziale Arbeit nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht Deutungen der Klientel<br />

realitätsgetreu abbilden, um ihr Verhalten zu erklären, sondern auch in politischer<br />

Hinsicht sich zum Sprachrohr machen. 5<br />

Inwieweit diese Selbstaussagen von Kindern und Jugendlichen sogar notwendig<br />

sind, um Heimerziehung sachgerecht abzubilden, möchte ich anhand einer<br />

Darstellung von Klaus Wolf, der ich in weiten Teilen zustimme, in einem weiteren<br />

Punkt zeigen (Wolf 2000).<br />

1.3 Der Nutzen der Kindersicht für Evaluation<br />

• Dokumentation und Evaluation in der Jugendhilfe tendiert nicht nur<br />

weiterhin zu einer defizitären Sicht von Kindern und Jugendlichen; sie<br />

tendiert auch dazu, den Anteil der öffentlichen, gezielten Heimerziehung,<br />

der bewussten Interventionen, zu überschätzen. Nicht zuletzt<br />

die Erfordernisse der Qualitätsentwicklung nach KJHG zwingen ja<br />

nachgerade dazu, Erziehungserfolge monokausal auf Leistungen der<br />

Einrichtungen zurückzuführen. Kinder und Jugendliche werden bei<br />

dieser Sicht zu Objekten: „Gestörte Kinder kommen ins Heim, um<br />

dort repariert zu werden. […] Erziehungserfolge werden abrechenbar“<br />

(Wolf 2000, 6 alle folgenden Zitate aus diesem Aufsatz)<br />

• Und selbst wenn bestimmte Verhaltensänderungen wirklich durch<br />

den Einfluss der Heimerziehung erreicht werden – werden dadurch<br />

nicht unter Umständen andere wesentliche erzieherische Ziele vernachlässigt?<br />

Wenn Jugendliche, um einer Berufsausbildung nachzugehen,<br />

regelmäßig geweckt werden, so „wird aber möglicherweise<br />

ein Lernfeld arrangiert, in dem die Jugendlichen Selbstkontrolle und<br />

die Fähigkeit, Selbstzwang auszuüben, nicht weiterentwickeln können.<br />

Hinsichtlich dieses Zieles ist das Lernfeld also ungünstig.“ (ebd.,<br />

9) Dokumentation und Evaluation, die sich notgedrungen an erzieherischen<br />

Maßstäben orientiert, Kinder und Jugendliche auf die beste-<br />

5 „Früher konnte ich unterm Teppich Stelzen gehen“ – diese Aussage einer ehemaligen Sozialhilfeempfängerin,<br />

mit der sie beschreibt, wie sehr inzwischen im Verlauf einer Umschulungsmaßnahme<br />

ihr Selbstbewusstsein gewachsen ist, weil sie Arbeit hat, und insofern in dieser<br />

Gesellschaft „mitreden“ kann – diese Aussage ist ein Bespiel für eine Äußerung, deren Bild in<br />

einer wissenschaftlichen Äußerung an Anschaulichkeit nicht überboten werden kann.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 69


henden Zwänge unserer Gesellschaft vorzubereiten, vernachlässigt<br />

unter Umständen andere Ziele, die aber für die Entwicklung der Betroffenen<br />

mindestens genauso relevant wären.<br />

• Ein dritter Einwand gegen zu reparierende Verhaltensdefizitlisten:<br />

Täuschen wir uns nicht oft darüber, welcher Einfluss wirklich Wirkungen<br />

bei den Kindern und Jugendlichen erreicht, bzw. für sie wirklich<br />

von Bedeutung ist? Wissen wir nicht auch ganz genau, dass sie viele<br />

erzieherische Schritte nur berechnend durch vorgetäuschtes Wohlverhalten<br />

beantworten, wirklich aber ganz anders denken und handeln<br />

(wollen)?<br />

„Wenn die Absicht der Verhaltensänderung allzu deutlich im Mittelpunkt steht,<br />

löst dies bei Kindern – und erst recht bei Jugendlichen – eher Widerstände<br />

aus.“ (ebd., 10) Und: „Über ein Repertoire an Methoden, mit denen wir eindeutig<br />

gezielte Effekte im Denken und Fühlen von Menschen erreichen können,<br />

verfügen wir nicht. […] Das Denken, dass wir Erwachsenen die Kinder in bestimmter<br />

Weise behandeln können und dabei gezielt geplante Effekte erzielen,<br />

stammt aus dem medizinischen Kontext und erscheint mir für pädagogische<br />

Arrangements eher ungeeignet.“ (ebd., 11)<br />

Insoweit Erfolgsmessungen nur eine pädagogisch lineare Zielebene abbilden,<br />

gehen sie an den wirklichen Entwicklungen von Kindern und Jugendlichen, die<br />

sich mit solchen Anforderungen auseinandersetzen, sie weitgehend als unangenehm<br />

und nicht einzusehen umgehen, ihnen teilweise nachkommen, sie verachten,<br />

sie ganz anders verstehen, sie vielleicht wegen des Wohlwollens der<br />

Erzieher erfüllen usf., vorbei.<br />

Schließlich: Eine Erfolgsmessung mit eindimensionalen Verhaltenszielen, die es<br />

zu erreichen gilt, oder mit Defiziten, die es abzustellen gilt, stellt immer Kind<br />

oder Jugendlichen mit seinen Fähigkeiten als wesentliche Ursache in den Mittelpunkt,<br />

anders ausgedrückt „Krankheit oder Sünde“ des Klienten. (ebd., 13)<br />

Nicht die Erziehungsplanung oder die einzelnen Interventionen, vielleicht auch<br />

äußere Strukturen und Bedingungen kommen ins Blickfeld, sondern klassisch<br />

der Einzelfall, der seiner eigenen Reparatur im Wege steht, weil er nicht kann<br />

oder nicht will, was als seine Unfähigkeit oder moralische Schwäche behandelt<br />

wird, wenn sich der gewünschte erzieherische Erfolg nicht einstellt. Oft genug<br />

ist das Kind dann nicht mehr bloß das Erziehungsobjekt, sondern in seinen per-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 70


sönlichen Eigenschaften das Hemmnis, das seiner eigenen Besserung entgegensteht.<br />

Ganz sicher aber ist der Erzieher derjenige, der „alles versucht“ hat.<br />

Um nicht in dieses sich selbst reproduzierende Setting zu geraten, stellt Wolf<br />

eine Methode der Evaluation aus Kindersicht gegenüber, die wie aus einem<br />

narrativen Interview aus den Aussagen der Kinder ihre Entwicklungswege rekonstruiert,<br />

und so ein ganz anderes Licht auf ihr Erleben des Heimalltags wirft.<br />

Dass dieses Erleben eine Auseinandersetzung mit den erwünschten Verhaltensweisen<br />

ist und keine eindimensionale Übernahme von Normen, weil Erzieher<br />

sie einfordern, ist dabei nur eine, aber eine notwendige Dimension, um das<br />

wirkliche Erziehungs- und Entwicklungsgeschehen zu beschreiben. (Und vielleicht<br />

ist der wichtigste Gedanke dabei, dass Kinder Erzieher nicht nur als für<br />

sie abgestellte Erziehungsspezialisten betrachten, auch wenn ihnen der funktionale<br />

Charakter dieser Beziehung klar ist, sondern als Menschen, um deren<br />

Zuneigung es ihnen geht.)<br />

Die „sechs Leidensursachen“, die er auf diese Weise ermittelt (Biografische<br />

Brüche, Sanktionen, Funktionalisierung von Beziehungen, Aussonderungsverfahren,<br />

Zukunftshoffnungen und Zukunftsangst sowie Elternbild, ebd. 26) seien<br />

der Diskussion in der Heimerziehung überlassen, für das Gebiet der Dokumentation<br />

und Evaluation sei aber entnommen, dass diese Art der Erhebung, die<br />

nur in Freitextform zu integrieren ist, auch mit dem Standard der IT-gestützten<br />

Dokumentation unbedingt zu vereinbaren ist, will man nicht wesentliche Dimensionen<br />

des Geschehens in der Sozialen Arbeit für die Darstellung und Erfolgsmessung<br />

vernachlässigen.<br />

2. Zum Stand der Implementation von IT-gestützter Dokumentation in der<br />

Sozialen Arbeit<br />

Ich verfolge seit einiger Zeit die Entwicklung von Software, die Soziale Arbeit<br />

dokumentiert. So sehr ich zu Beginn dieser Entwicklung auch fasziniert war von<br />

dieser neuen technischen Erhebungsmöglichkeit und überzeugt, dass sie sich<br />

sehr schnell durchsetzen werde, so sehr sehe ich derzeit einen Bruch, der die<br />

Landschaft kennzeichnet. Auf der einen Seite die Software-Firmen, Mitarbeiter,<br />

die die Entwicklung vorantreiben und einige Fachhochschullehrer – auf der anderen<br />

Seite viele skeptische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen<br />

der Sozialen Praxis und skeptische Studierende. Davon, dass es nur um ein<br />

Generationenproblem ginge, kann heute keine Rede mehr sein. Auch wenn<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 71


sich die Computerliteracy bei den heutigen Studierenden verbessert hat, ist ihre<br />

Zuneigung zu IT-gestützter Dokumentation keineswegs gestiegen. Deswegen<br />

ein kurzes Schlaglicht auf den derzeitigen Stand bei der Einführung von ITgestützter<br />

Dokumentation in der Praxis aus meinem Erfahrungsbereich, um die<br />

Aussagen von Kreidenweis zu erschüttern: „Spätestens gegen Ende dieses<br />

Jahrzehnts wird die elektronische Dokumentation aller Voraussicht nach zum<br />

Standard in nahezu allen Einrichtungsarten gehören.“ (Kreidenweis 2005, 249f)<br />

Eine Jugendhilfe-Einrichtung in einer Großstadt mit vielen einzelnen Stationen,<br />

die schon seit fünf Jahren eine Software eingeführt hat und mit der Firma weiterentwickelt,<br />

überlegt sich, ob sie zur Dokumentation in Form von Excel-<br />

Tabellen zurückkehrt. Verpflichtend eingeführt wurden vor allem Items aus dem<br />

Verwaltungs- und Abrechnungsbereich. Pädagogische Dokumentation wurde<br />

nur in einzelnen Projekten erprobt. Die Akzeptanz der Dokumentation bei den<br />

Mitarbeitern ist nicht hoch, auch wenn es vereinzelte Enthusiasten gibt. Die<br />

Ausstattung macht viele Probleme in dieser dezentralen Organisation. Die Frage<br />

ist, ob sich die Software für den begrenzten Einsatz überhaupt lohnt.<br />

Ein Jugendamt in der Umgebung meiner Fachhochschule, zunächst sehr engagiert<br />

in Modellprojekten und bei der Entwicklung vieler Items Vorbild, hat das<br />

Problem, dass die verwendete Software aufgekauft worden ist. Das Modellprojekt<br />

steht still. Die viele investierte Arbeit war umsonst. Auch wenn die einzelnen<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen noch interessiert sind, kommen sie an das<br />

Produkt ihrer Entwicklung gar nicht mehr heran. Es herrscht Resignation.<br />

In der Lehre an den Fachhochschulen hat sich nach meinem Erfahrungsausschnitt<br />

IT-gestützte Dokumentation nicht durchgesetzt. In der Konkurrenz der<br />

vielen Teilwissenschaften und Methodenansätze spielt sie weiter eine untergeordnete<br />

Rolle.<br />

Selbst die Grundkenntnisse der Studierenden in den einfachen Anwendungsprogrammen<br />

(Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation und Datenbanken<br />

sowie Internetbrowsern und –recherche) sind oberflächlich. Kenntnisse<br />

in Dokumentation und Evaluation gehören nicht zum Grundkanon. IT-gestützte<br />

Dokumentation wird vom technischen Standard her weitgehend als unrealisier-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 72


ar verstanden. 6 Nur Einzelne, an Informationstechnologie Interessierte, beschäftigen<br />

sich intensiver mit diesem zukunftsträchtigen Thema. 7<br />

Von dieser skeptischen Bilanz nun weiter zu einem kurzen Blick auf die Programme,<br />

deren Entwicklung natürlich von dieser Bilanz betroffen sind und deren<br />

Entwicklung auch unter der finanziellen Situation der Sozialministerien leidet.<br />

3. Aus Programmen, die in der Sozialen Arbeit eingesetzt werden können<br />

Hier ist nicht der Platz, um einen repräsentativen Überblick über den derzeitigen<br />

Stand geben zu können. Ich möchte anhand eines relativ unbekannten Programms<br />

Grundstrukturen, wie die meisten Programmen angelegt sind, den<br />

Inhalten nach darstellen. 8<br />

Dazu gehören im Regelfall als Formulare aufgebaute Screens, deren auszufüllende<br />

Felder oft erweiterbar sind oder ganz durch die Einrichtungen gestaltet<br />

werden können.<br />

3.1 Arbeitsorganisatorische Funktionen wie Kalender, Terminplanung,<br />

Gruppenkalender u.ä.<br />

Hier werden vielfach Funktionalitäten aus den gewohnten Programmen benutzbar<br />

gemacht, so dass zum Beispiel ein Kalender aus Outlook verwendbar ist<br />

oder Email wie Outlook Express mit der Adressenverwaltung aus diesem Programm<br />

verwendet werden kann.<br />

3.2 Das Blatt für die Stammdaten<br />

Diese Datenerfassung variiert in der Darstellung selten (dem Inhalt natürlich<br />

stark nach den verschiedenen Arbeitsfeldern). Namen, Adressen, Angaben zum<br />

Netzwerk der Person, zu Versicherungen u.ä. werden aufgenommen.<br />

Die Programme variieren danach, wie viele Arbeitserleichterungen wie Sozialbericht<br />

auf Knopfdruck u.ä. auf Grundlage der hier erhobenen Daten möglich<br />

sind.<br />

6 Studierende aus dem Hauptstudium meines Fachbereiches, die mit solchen Programmen<br />

konfrontiert waren, kommentierten sie mit „nicht überzeugend, viel zu teuer für die Praxis“ usf.<br />

7 vgl. verschiedene Diplomarbeiten: Fessler 1999, Grahn 2000, Boyer 1998<br />

8 Leider ist auch hier nicht der Ort, die technische Struktur der Programme zu diskutieren, obwohl<br />

das eine sehr sinnvolle Arbeit wäre, um die sparsamsten und zugleich für die Auswertung<br />

effektivsten Datenbankstrukturen zu ermitteln.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 73


Abb. 1: Pädnet Stammdaten<br />

3.3 Daten des Klienten und seiner Entwicklung eingeschlossen Hilfeplanung<br />

und Grad der Zielerreichung<br />

In diesem Bereich liegen die inhaltlich interessanten Kategorien, die auch nach<br />

unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund und Konzeption stark variieren.<br />

Variationen liegen vor allem darin, wie viel mit Freitext oder stark vorstrukturierten<br />

Feldern gearbeitet wird.<br />

Das vorliegende Beispiel (vgl. Abb. 2) wählt eine interessante Mischung: Im<br />

Datenfeld wird auf Dokumente verwiesen, die in Freitext verfasst sind. Zugleich<br />

werden die „Kernaussagen“ der Dokumente aufgeführt. Dies zwingt zur kurzen<br />

aussagekräftigen Zusammenfassung und ermöglicht einen schnellen Überblick<br />

über Informationen, ohne ausführliche Texte öffnen zu müssen. Auf der anderen<br />

Seite werden sinnvolle längere Texte eingebunden.<br />

Zunächst geht es um die Diagnose:<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 74


Es folgt ein Hilfeplan, hier Behandlungsplanung genannt:<br />

Abb. 1: Pädnet Diagnose<br />

Abb. 3: Pädnet Behandlungskonzept<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 75


Bei diesem „Behandlungskonzept“ (Abb. 3) ist die Frage nach den Ressourcen<br />

hervorzuheben, sowie die klare Struktur: So wird zur zielorientierten Arbeit angeleitet.<br />

Häufig werden auch quantitative Befunde erhoben (Abb. 4). Allerdings beruhen<br />

sie meistens auf nicht weiter validierten Einschätzungen der Mitarbeiter.<br />

Abb. 4: Pädnet Evaluation<br />

Nur in medizinischen oder heilpädagogischen Bereichen sind objektivere quantitative<br />

Erhebungen integriert.<br />

3.4 Leistungen der Einrichtungen<br />

Manchmal werden die Leistungen der Einrichtung erhoben bis hin zu minutengenauen<br />

Darstellung der Tätigkeiten der Mitarbeiter. Dieser Teil der Software,<br />

der von einem der Pioniere der IT-gestützten Dokumentation „Horizont“ entwickelt<br />

worden ist, versuchte eine Leistungsbeschreibung analog zur Ziffernsystematik<br />

der Ärztegebührenordnung zu gestalten und damit für die Einrichtung<br />

wie für den Kostenträger mehr Transparenz herzustellen.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 76


3.5 Exportfunktionen und Schnittstellen für die Auswertung und Weiterleitung<br />

der Daten<br />

In diesem Bereich geht es darum die Daten für die Auswertung anderen Programmen<br />

zur Verfügung zu stellen. Früher gab es integrierte Auswertungstools,<br />

die sich aber den Bedürfnissen der Praxis gegenüber als zu starr und zu<br />

schwierig zu handhaben, herausgestellt haben.<br />

3.6 PädNet - Ein Versuch systemisches Denken in Software umzusetzen<br />

Zum Schluss sei noch auf eine Besonderheit des vorgestellten Programms<br />

PädNet hingewiesen: Mit der folgenden Grafik versucht dieses Programm erstmals<br />

den in der Praxis sehr verbreiteten Ansatz des systemischen Arbeitens in<br />

eine Software zu integrieren und auch in der Entwicklung abzubilden.<br />

Abb. 5: Systemische Visualisierung<br />

Zwar wird in der Form des Diagramms ansatzweise versucht, ein Netz darzustellen;<br />

und sicherlich kommen alle Akteure auf einmal ins Blickfeld in Bezug<br />

auf bestimmte Fragestellungen. Dennoch ist es eigentlich unredlich, Verbindungslinien<br />

zwischen den verschiedenen eingetragenen Werten zu ziehen.<br />

Welche Verbindung sollte da bestehen?<br />

Vielleicht wird auch daran deutlich, wie viel Entwicklungsbedarf für eine Dokumentation<br />

der Erziehungspraxis noch besteht.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 77


Literatur<br />

Blandow, Jürgen: Dokumentation in der Heimerziehung. Reflexionen über<br />

Sinn und Zweck, Voraussetzungen und Probleme. In: Henes, Trede 2004, S.42-<br />

56<br />

Boyer, Andrea: High-Touch with High-Tech? Some Aspects on the Impact of<br />

Information Technologies in Social Work Counselling. Master Thesis at Gothenburg<br />

University 1998<br />

Fessler, Sven: Computergestützte Dokumentationssysteme in Feldern Sozialer<br />

Arbeit - Grundlagen, Anforderungen, Nutzen und Perspektiven anhand eines<br />

Vergleiches verschiedener Programme. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der<br />

Fachhochschule Kiel 1999<br />

Grahn, Wolfram: Der Beratungsprozess in der Sozialen Arbeit und der Einsatz<br />

EDV-gestützter Dokumentationssysteme. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der<br />

Fachhochschule Kiel 2000<br />

Henes, Heinz; Trede, Wolfgang: Dokumentation pädagogischer Arbeit. Grundlagen<br />

und Methoden für die Praxis der Erziehungshilfen. Frankfurt am Main<br />

2004<br />

Kreidenweis, Helmut: Die Hilfeplanung im Spiegel ausgewählter Software Produkte.<br />

Expertise Januar 2005, Online im Internet unter:<br />

http://www.dji.de/bibs/209_4520_Expertise-Software.pdf<br />

Kreidenweis, Helmut: IT-gestützte Dokumentation – Entwicklungen, Chancen<br />

und Grenzen moderner Softwaresysteme. In: Henes, Trede 2004, S. 242-250<br />

Moch, Matthias: Wenn Daten für sich sprechen – Fallstricke des Dokumentierens<br />

in pädagogischen Einrichtungen. In: Henes, Trede 2004, S. 57-75<br />

Schmid, Martin: Chancen und Grenzen IT-gestützter Dokumentation am Beispiel<br />

der Drogenhilfe. In diesem Band. 2006<br />

Von Spiegel, Hiltrud: Arbeitshilfen für das methodische Handeln. In: Heiner,<br />

Maja; Meinhold, Marianne; Spiegel, Hiltrud von; Staub-Bernasconi, Sylwia: Methodisches<br />

Handeln in der Sozialen Arbeit. Freiburg i. Brsg. 1994<br />

Wolf, Klaus: Heimerziehung aus Kindersicht als Evaluationsstrategie. In: Sozialpädagogisches<br />

Institut im SOS-Kinderdorf (Hrsg.): Heimerziehung aus Kindersicht.<br />

München 2000 S. 6-39<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 78


Chancen und Grenzen IT-gestützter Dokumentation am Beispiel<br />

der Drogenhilfe<br />

Martin Schmid<br />

Das Drogenhilfesystem in Deutschland ist ein vergleichsweise junges Hilfesystem,<br />

das als Reaktion auf den ansteigenden Drogenkonsum Jugendlicher Ende<br />

der 60er und Anfang der 70er Jahre entstand und seither auf einen rund 35<br />

Jahre andauernden Prozess der Ausdifferenzierung und Professionalisierung<br />

zurückblicken kann (Schmid 2003). Bereits in den 70er Jahren wurde versucht,<br />

ein einheitliches Dokumentationssystem in diesem Hilfesystem einzuführen.<br />

Heute wird in vielen Drogenhilfeeinrichtungen mit moderner Hard- und Software<br />

dokumentiert, und im Vergleich zu anderen Hilfesystemen hat sich ein elaboriertes<br />

Dokumentationssystem entwickelt. Dieser Entwicklungsprozess verlief<br />

allerdings keineswegs gradlinig. Typische Probleme, die an mehreren Stellen<br />

dieses Prozesses auftraten, waren technische Schwierigkeiten auf Seiten der<br />

Soft- und Hardware, die zunächst geringe Akzeptanz für Dokumentation und<br />

organisationsspezifische Probleme. Im Folgenden wird zunächst kurz die Geschichte<br />

der Dokumentation in der Drogenhilfe skizziert. Der aktuelle Stand wird<br />

anhand zweier Beispiele konkretisiert. Schließlich werden die Zielvorstellungen,<br />

die mit der Einführung IT-gestützter Dokumentation in der Drogenhilfe verbunden<br />

waren, zusammengefasst und mit dem bislang Erreichten verglichen.<br />

1. Zur Geschichte IT-gestützter Dokumentation in der Drogenhilfe<br />

Als Ende der 60er Jahre der Konsum von Cannabis und Amphetaminen, später<br />

dann auch von Heroin und Kokain sprunghaft anstieg, wurde die Gesellschaft<br />

mit einer neuen Form von Suchtproblemen konfrontiert. Bestehende Behandlungs-<br />

und Beratungseinrichtungen wie die Psychiatrie, die Medizin, die Jugendhilfe<br />

und die Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen für Menschen mit<br />

Alkoholproblemen waren mit jugendlichen Cannabiskonsumenten und den ersten<br />

Heroinabhängigen überfordert. Das Drogenhilfesystem differenzierte sich in<br />

Deutschland nicht aus dem Gesundheitssystem heraus, sondern entstand als<br />

Mischung aus Teilsegmenten dieser Hilfesysteme mit der Release-Bewegung,<br />

die wiederum mehr mit der Jugendprotestbewegung der 60er und 70er Jahre<br />

verband als mit den etablierten Institutionen des Sozial- und Gesundheitssys-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 79


tems (Schmid 2003). Die ersten Drogenhilfeeinrichtungen – Release-Zentren<br />

und Wohnkollektive – verstanden sich eher als politische Unterstützungsgruppen<br />

für jugendliche Drogenexperimentierer denn als Beratungs- und Therapieangebote.<br />

In diesem Selbstverständnis fand Dokumentation zunächst keinen<br />

Platz.<br />

Die Professionalisierung dieser Einrichtungen vollzog sich in mehreren Schritten.<br />

Von zentraler Bedeutung war dabei, das „Großmodell“ genannte, Bundesmodellprogramm<br />

„Zur Beratung und Behandlung drogen- und alkoholgefährdeter<br />

und -abhängiger junger Menschen“ (Bühringer 1981), das von 1971 bis 1978<br />

dauerte und dem bis zum Jahr 2000 14 weitere Bundesmodellprogramme folgten.<br />

Die Grundidee war dabei immer, in ausgewählten Einrichtungen neue Ansätze<br />

und Angebote zu erproben, diese durch ein wissenschaftliches Institut zu<br />

evaluieren und im Erfolgsfall in das Hilfesystems zu übertragen. Die besondere<br />

Schwierigkeit im „Großmodell“ lag nun darin, dass eine verhaltenstherapeutisch<br />

orientierte Forschergruppe auf Einrichtungen stieß, die einem völlig anderen<br />

Milieu entstammten. Im Rückblick der Forscher liest sich das so: „Die nahe liegende<br />

Idee, in der Anfangszeit der Behandlung von Drogenabhängigen zunächst<br />

einmal therapeutische Konzepte, Strukturen von Einrichtungen, die Zahl<br />

der Mitarbeiter und Klienten sowie die Charakteristika der Klienten zu dokumentieren,<br />

wurde als abwegig bis reaktionär betrachtet“ (Bühringer 1999: 94).<br />

Die Einrichtungen waren zu unterschiedlich und verfügten meist weder über<br />

eine schriftliche Konzeption noch über eine geregelte Form der Aktenführung<br />

oder Statistik. Die geplante vergleichende Therapiestudie konnte unter diesen<br />

Bedingungen nicht durchgeführt werden. Stattdessen entschied sich die „Projektgruppe<br />

Rauschmittelfragen“, den Stand der Entwicklung der einzelnen Einrichtungen<br />

systematisch zu dokumentieren und dazu geeignete Instrumente zu<br />

entwickeln. Parallel dazu wurden „Mindestkriterien“ erarbeitet, denen die Einrichtungen<br />

künftig nachkommen mussten, um weiterhin im Rahmen der Modellförderung<br />

finanziell unterstützt zu werden. Die Mitarbeit am neuen Dokumentationssystem<br />

gehörte zu diesen Mindestkriterien.<br />

Grundlage des Dokumentationssystems war 1974 eine Karteikarte mit 20 Fragen.<br />

Für jeden Klienten mit mehr als einem Kontakt zur Einrichtung sollte eine<br />

solche Karteikarte ausgefüllt werden. 1976 einigten sich zwei Wohlfahrtsverbände<br />

und die „Projektgruppe Rauschmittelabhängigkeit“ auf ein Verfahren, um<br />

mit diesem System einrichtungsübergreifend Klientendaten zu sammeln und<br />

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auszuwerten. In den Einrichtungen wurden die Daten auf den Karteikarten für<br />

jeden Klienten und jede Klientin gesammelt. Am Jahresende wurden alle in der<br />

Einrichtung gesammelten Daten ausgezählt und in aggregierter Form anonymisiert<br />

an die „Projektgruppe Rauschmittelabhängigkeit“ weitergegeben. Dort<br />

wurden dann bundesweite, träger- und einrichtungsspezifische Auswertungen<br />

in Form einfacher Häufigkeitstabellen erstellt. Damit war die Grundlage für das<br />

„Einrichtungsbezogene Informationssystem“ – abgekürzt EBIS – gelegt (Simon<br />

1999).<br />

Vor der Verbreitung des PC führte dieses Verfahren zu umständlichen Auswertungsroutinen:<br />

„Das in den Beratungsstellen verwendete System war noch weit<br />

entfernt von diesen ‚neuen Technologien‘ und im wahrsten Sinne des Wortes<br />

selbstgestrickt. Es basierte auf einer Randlochkarteikarte, auf die während der<br />

Betreuung der KlientInnen die wesentlichen Informationen mittels Ankreuzen<br />

von Alternativkategorien untergebracht werden konnten. Da sich eine zentrale<br />

Auswertung der Karteikarten außerhalb der Beratungsstellen aus Datenschutzgründen<br />

verbot, traf man sich – bei eingeschränktem oder sogar eingestelltem<br />

Publikumsverkehr – am Jahresende ein paar Tage in der Beratungsstelle, um<br />

die Jahresauswertung vorzunehmen. Mit einer Zange wurden dabei die angekreuzten<br />

Stellen der Karten so gelocht, dass – je nach Kategorie – das Loch bis<br />

zum Kartenrand reichte oder nicht. Anschließend wurden alle Karten auf einen<br />

Stapel gelegt und mit einer Stricknadel aufgespießt. Je nach Art der Lochung<br />

blieben nun beispielsweise die männlichen Klienten ‚auf der Nadel hängen’,<br />

während die Frauen vom Spieß herunterfielen und einen neuen Stapel bildeten.<br />

Eine spezielle Auswertungsanleitung sah mehrere 100 Nadelungsvorgänge vor,<br />

in deren Verlauf bis zu 25 verschiedene Stapel gebildet und wieder zusammengeführt<br />

werden mussten. Jeder fallende Kartenstapel wurde gezählt und die<br />

Ergebnisse jeweils in einen Auswertungsbogen übertragen“ (Strobl 1999: 86).<br />

Angesichts dieses Arbeitsaufwandes, der Verknüpfung der Beteiligung an der<br />

Dokumentation mit der Finanzierung und weiterhin bestehenden programmatischen<br />

Differenzen zwischen Forschern und Mitarbeitern in den Einrichtungen<br />

war die Akzeptanz für das neue Dokumentationssystem eher mäßig und die<br />

Kritik daran weit verbreitet. Immerhin konnten bereits Ende der 70er Jahre erste<br />

vergleichende Analysen auf der Grundlage des neuen Dokumentationssystems<br />

durchgeführt werden (Bühringer 1981). In den 80er Jahren stieg die Zahl der<br />

Einrichtungen, die sich an EBIS beteiligten, an, und jährlich wurden aggregierte<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 81


Auswertungen auf Bundesebene publiziert. Insgesamt blieb der Erkenntnisgewinn<br />

aus den EBIS-Daten bescheiden, da die Einrichtungen aus Gründen des<br />

Datenschutzes nur aggregierte Daten weitergaben, so dass statistische Verfahren<br />

nur begrenzt eingesetzt werden konnten. Aussagen zur Anzahl der Klientinnen<br />

und Klienten (z.B. in einer Stadt oder Region) waren nicht möglich, da Personen,<br />

die mehrere Einrichtungen aufgesucht hatten, auch mehrfach dokumentiert<br />

wurden und ein Personencode fehlte. Auch Zeitreihenanalysen waren nur<br />

auf der Grundlage der aggregierten Daten möglich. Doch ungeachtet dieser<br />

Schwierigkeiten verbreitete sich allmählich eine Liste von Erhebungsmerkmalen<br />

in der Drogenhilfe, die damit zum Standard der Dokumentation und wahrscheinlich<br />

auch der Anamnese wurde.<br />

Als 1989 die erste PC-Version von EBIS auf 5 ¼-Zoll-Disketten interessierten<br />

Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurde, waren weder die Einrichtungen,<br />

noch das für die Auswertung zuständige Institut „davon überzeugt, dass dies<br />

notwendig oder sinnvoll sei“ (Simon 1999: 40). Fünf Jahre später war das alte<br />

manuelle System aus den Einrichtungen verschwunden und durch die PC-<br />

Version ersetzt. Parallel dazu deutete sich eine neue Entwicklung an: Konkurrenzprodukte<br />

drängten sich auf den Markt, die mit anderen Dokumentationskonzepten,<br />

Itemlisten und Zusatzmodulen ausgestattet waren. Was Brack und<br />

Geisler Ende der 90er Jahre für die Aktenführung in der sozialen Arbeit insgesamt<br />

beobachtet haben, traf in der Drogenhilfe in besonderem Maße (und vielleicht<br />

etwas früher) zu: „Nach jahrelangem relativen Stillstand, ja nach einer<br />

eigentlichen ‚Friedhofsruhe’ im Bereich der Aktenführung sind neue Aktivitäten<br />

festzustellen“ (Brack/Geiser 2000: 13).<br />

Mitte der neunziger Jahre hatte die Debatte um Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung<br />

und neue Steuerungsmodelle die Drogenhilfe erreicht. Dabei wurde<br />

auch das Thema Dokumentation neu aufgegriffen. So nannte z.B. der damalige<br />

Hamburger Drogenbeauftragte Bossong 1995 in einem viel beachteten Vortrag<br />

die Jahresberichte der Drogenhilfeeinrichtungen „lyrisch verklärte Dateninterpretationen“,<br />

die durch „mehr oder weniger populistische Ausführungen zur jeweiligen<br />

Weltsicht“ auffielen, nicht aber erkennen ließen, „zu welchem Problem<br />

welche (passenden oder unpassenden) Maßnahmen mit welchem Erfolg oder<br />

Mißerfolg ergriffen wurden“. Mangels geeigneter Dokumentation „wissen weder<br />

die staatlichen Finanziers, noch die interessierte Fachöffentlichkeit, ja oft nicht<br />

einmal das Team der Kollegen (und vielleicht sogar der Sozialarbeiter am Ende<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 82


selbst nicht), was im Einzelfall geschehen, was warum und in welcher Zeit zum<br />

Erfolg oder zum Misserfolg geführt hat“. Die Informationssysteme in den Einrichtungen<br />

beständen – so Bossong – aus „mehr oder weniger sorgfältig gepflegten<br />

Leitz-Ordnern“ mit „Selbstdarstellungsbroschüren diverser Therapieeinrichtungen“.<br />

Insgesamt sei die Drogenhilfe „in ihrer Organisationsform Lichtjahre<br />

entfernt vom Stand der modernen Dienstleistungstechnik, wie wir sie in der<br />

freien Wirtschaft längst überall als pure Selbstverständlichkeit vorfinden“ (Bossong<br />

1995).<br />

Bossong initiierte in Hamburg einen Modernisierungsprozess, in dessen Verlauf<br />

eine „Rahmenvereinbarung über Qualitätsstandards für die ambulante Suchtund<br />

Drogenarbeit in Hamburg“ zwischen Behörde und Trägern abgeschlossen<br />

wurde. Die Träger verpflichteten sich darin zur Teilnahme an einem komplexen<br />

Dokumentationssystem (der Hamburger Basisdatendokumentation), das teilweise<br />

wissenschaftlichen Analysen, teilweise auch der Leistungsdokumentation<br />

dienen sollte. Dafür übernahm die Behörde die Kosten für die Hard- und Software<br />

und stattete alle ambulanten Drogenhilfeeinrichtungen mit Apple-<br />

Rechnern, Netzwerken und Zubehör aus. Mit der neuen (für Apple-<br />

Betriebssysteme geschriebenen) Klientendokumentationssoftware „Moonlight“<br />

wurde eine neue Dokumentationsphilosophie verfolgt: Im Gegensatz zum damaligen<br />

EBIS konnten jetzt nicht mehr nur Stichtagserhebungen zu einem reduzierten<br />

Datensatz erfolgen, sondern umfangreiche Merkmallisten erlaubten<br />

eine historische und beratungsbegleitende Dokumentation zu Klienten und Leistungen,<br />

bei der alte Einträge nicht überschrieben, sondern fortgeschrieben wurden.<br />

In den Einrichtungen sollte damit die klassische Aktenführung in Papierform<br />

durch eine elektronische Klientenakte abgelöst werden. Eine jährliche<br />

Auswertung auf der Stadtebene sollte Planungsdaten für die Weiterentwicklung<br />

des Hilfesystems liefern. Ein detailliertes Datenschutzsystem und eine einzelfallbezogene<br />

Codierung ermöglichten die Zuordnung mehrerer Datensätze zu<br />

gleichen Personen und damit Aussagen zur Zahl der Klientinnen und Klienten<br />

und fallbezogene Zeitreihenanalysen.<br />

Obgleich bei der Einführung der Hamburger Basisdatendokumentation mehr<br />

Wert auf die Beteiligung von Trägern und Fachkräften aus dem Hilfesystem gelegt<br />

wurde, gab es auch hier zunächst deutliche Akzeptanz-Probleme, die sich<br />

u.a. in den „Missing-data“-Raten der einzelnen Merkmale/Fragen zeigten. Vergleicht<br />

man die jährlichen Auswertungsberichte (im Internet unter<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 83


http://www.bado.de), so zeigt sich, dass der Anteil gültiger Antworten über die<br />

Jahre kontinuierlich angestiegen ist.<br />

Andere Bundesländer zogen nach, und das veraltete EBIS-System bekam jetzt<br />

Konkurrenz durch mehrere EDV-gestützte Dokumentationssysteme, die in der<br />

Drogenhilfe Aktenführung und Monitoring erleichtern sollten. Das neu erwachte<br />

Interesse wurde noch von einer anderen Seite aus unterstützt. 1993 wurde von<br />

der Europäischen Union die Gründung einer zentralen „Europäischen Beobachtungsstelle<br />

für Drogen und Drogensucht“ (European Monitoring Centre for<br />

Drugs and Drug Addiction, EMCDDA) beschlossen, die bald darauf ihre Arbeit<br />

in Lissabon aufnahm. Zu den Kernaufgaben dieser neuen Institution gehörte es,<br />

in allen Mitgliedsländern vergleichbare Daten zur Drogensituation zu sammeln<br />

und Methoden zu entwickeln, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen. Ein wichtiger<br />

Schritt hierzu war die Verabschiedung eines „Treatment Demand Indicator Protocol“<br />

(EMCDDA 2000), das eine europäische „Core Item“-Liste enthält. Alle<br />

Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind verpflichtet, Daten zur Drogensituation<br />

in ihren Ländern zu sammeln und an die EMCDDA zu übermitteln.<br />

In Deutschland wurde von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen – der<br />

Dachorganisation aller Träger der Suchthilfe – aus der alten EBIS-Itemliste ein<br />

zu den europäischen Core Items kompatibler Kerndatensatz erarbeitet (DHS<br />

2004), der als Grundlage für die sich immer weiter ausdifferenzierenden landes-<br />

, träger-, einrichtungs- und softwarespezifischen Itemlisten dienen sollte.<br />

Schließlich wurde auch die Software EBIS grundlegend überarbeit und modernisiert.<br />

2. Dokumentation heute<br />

Noch nie war der Stand der Dokumentation in der Drogenhilfe so hoch wie heute.<br />

Auf dem Markt konkurrieren mehrere Softwareprogramme wie z.B. EBIS,<br />

Horizont, Moonlight oder Patfak um die Drogenhilfeeinrichtungen. Diese Programme<br />

sind inzwischen zu komplexen Softwarelösungen angewachsen, deren<br />

Potential längst über das jährliche Dokumentieren einer Basisdatenliste hinausragt.<br />

Neben Modulen zur elektronischen Klientenverwaltung, zur Leistungsdokumentation,<br />

zur Auswertung, zur Abrechnung und zum Datenexport bieten<br />

manche dieser Programme inzwischen Komplettlösungen, die den Arbeitsalltag<br />

in einer Drogenberatungsstelle nahezu komplett abzubilden versuchen.<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 84


In den meisten ambulanten und stationären Drogenhilfeeinrichtungen wird inzwischen<br />

mit solchen Programmen gearbeitet. Mehrere Bundesländer veröffentlichen<br />

jährliche Auswertungsberichte (vgl. z.B. Kalke et al. 2005, Neumann<br />

et al. 2005). Auf Bundesebene werden diese Daten beim Institut für Therapieforschung<br />

zusammengeführt und wiederum ausgewertet (vgl. Strobl et al.<br />

2005a und 2005b, Sonntag/Welsch 2004). Schließlich legt die EMCDDA regelmäßige<br />

„Berichte zum Stand der Drogenproblematik in der Europäischen Union<br />

und Norwegen“ vor (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht<br />

2004). In Ergänzung hierzu gibt es stadtspezifische Auswertungen, trägerbezogene<br />

Analysen, Berichte zu einzelnen Angebotsformen und zunehmend<br />

Jahresberichte von Einrichtungen, die mit ausgefeilten statistischen Darstellungen,<br />

Tabellen und Diagrammen gefüllt sind. Nimmt man hierzu noch die zahlreichen<br />

Forschungsberichte, die aus dem Bereich der Suchtforschung jährlich<br />

publiziert werden, so kann es keinen Zweifel geben: Nie zuvor gab es so viele<br />

Informationen über Menschen mit Drogenproblemen.<br />

Bei den jeweils verwendeten Itemlisten hat sich inzwischen ein hierarchisches<br />

Kompatibilitätsmodell herausgebildet, bei dem jeweils die Kompatibilitätsvorgaben<br />

der übergeordneten Instanz berücksichtigt werden, zusätzliche Items und<br />

Ausdifferenzierungen aber möglich sind. Dieses Konzept ist in der folgenden<br />

Abbildung dargestellt.<br />

Träger- oder einrichtungsspezifische Datensätze<br />

Landesspezifische Datensätze<br />

Deutscher Kerndatensatz<br />

Europäische<br />

Core Items<br />

Abbildung 1: Itemlisten in der Drogenhilfe<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 85


Die Komplexität, die dieses System inzwischen erreicht hat, führt allerdings<br />

auch zu einigen Problemen. So sind beispielsweise Änderungen an einer Itemliste<br />

eine komplizierte Angelegenheit, da die Auswirkungen auf übergeordnete<br />

Itemlisten stets bedacht sein wollen. Auf der Ebene einer Einrichtung ist der<br />

Spielraum nur noch sehr begrenzt. Hinzu kommt der Aufwand, der betrieben<br />

werden muss, um die Daten aus den jeweiligen Softwarepaketen und Landesitemlisten<br />

jeweils korrekt zu exportieren und beim Institut für Therapieforschung<br />

wieder zusammenzuführen. Hierzu wurden inzwischen Schnittstellendefinitionen<br />

und Kompatibilitätsbescheinigungen erstellt. Änderungen am Deutschen<br />

Kerndatensatz müssen von einem speziellen Gremium beschlossen werden,<br />

das auf Kritik an der aktuellen Itemliste (vgl. z.B. Verthein 2005) nur schwerfällig<br />

reagiert.<br />

Um den hier skizzierten Stand der Dokumentation zu ermöglichen, mussten in<br />

den vergangenen Jahren viele Ressourcen in die Entwicklung von Itemlisten,<br />

Manualen, Schulungskonzepten, Leistungskatalogen usw. gesteckt werden.<br />

Angesichts der Komplexität der Materie verwundert es nicht, dass dies meist in<br />

Form von Landes- oder sonstigen Modellprojekten geschah. Im Folgenden<br />

werden zwei solcher Modelle vorgestellt und dabei Ausblicke auf das Potential<br />

einer ausgereiften Dokumentation gegeben, gleichzeitig aber auch Schwierigkeiten<br />

und Probleme beleuchtet werden.<br />

3. Beispiel I: COMBASS<br />

In Hessen begann die Implementierung eines einheitlichen Dokumentationssystems<br />

in der ambulanten Suchthilfe im Jahr 2000. Im Rahmen des Projektes<br />

COMBASS (Computergestützte Basisdokumentation der Suchthilfe in Hessen)<br />

wurden ambulante Suchthilfeeinrichtungen durch das Sozialministerium bei der<br />

Anschaffung zeitgemäßer Computernetzwerke unterstützt. Unter Beteiligung<br />

vieler Fachkräfte aus unterschiedlichen Suchthilfeeinrichtungen wurden mehrere<br />

landesweite Itemlisten zur Klienten-, Einrichtungs- und Leistungsdokumentation<br />

erarbeitet, die – wie oben beschrieben – kompatibel zum deutschen Kerndatensatz<br />

sein mussten, gleichzeitig aber Besonderheiten der hessischen<br />

Suchthilfe berücksichtigen sollten. Da in drei unterschiedlichen Feldern der<br />

hessischen Suchthilfe dokumentiert werden sollte, mussten Itemlisten für jeden<br />

dieser Bereiche erstellt werden, die wiederum in einem Kernbereich vergleichbar<br />

sein sollten. Um eine möglichst standardisierte Dokumentation sicherzustel-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 86


len, wurden Manuale zu diesen Items erarbeitet. Hessenweit wurde eine einheitliche<br />

Dokumentationssoftware eingeführt.<br />

Insbesondere die Erarbeitung der Itemlisten und Manuale führte dazu, dass<br />

eine inhaltliche Diskussion in Gang kam, in deren Verlauf sich die beteiligten<br />

Vertreter der Suchthilfe über ihre Leistungen und Methoden, relevante Klienteneigenschaften,<br />

Indikatoren für Erfolg der Maßnahmen und Fragen der<br />

Anamnese verständigen mussten.<br />

Nach einem gründlichen Auswahlprozess, in dessen Verlauf Anforderungsprofile<br />

erstellt wurden, Anforderungen geprüft und verschiedene Gutachten berücksichtigt<br />

wurden, entschied sich die Steuerungsgruppe des COMBASS-Projektes<br />

für die Software „Horizont“ der Firma ohltec AG. Insgesamt wurden bis zum<br />

Jahr 2004 in 108 Suchthilfeeinrichtungen Horizont-Arbeitsplätze eingerichtet.<br />

Landesgeförderte Einrichtungen erhielten zusätzlich einen Zuschuss zur Hardware.<br />

Nachdem die hessischen Itemlisten in die Software eingearbeitet worden<br />

waren, wurden die Mitarbeiter der Suchthilfe in der Dokumentationssoftware<br />

und in der Handhabung der Itemlisten und Manuale geschult. Zusätzlich wurden<br />

eine Hotline und mehrere Anwenderforen eingerichtet. Die Anwender bemängelten<br />

dabei insbesondere immer wieder die teilweise umständliche Bedienung<br />

der Software. Hinzu kam, dass einzelne Module wie z.B. die Auswertungsprozeduren<br />

Fehler aufwiesen. Im Jahr 2001 meldete schließlich der Entwickler der<br />

Software Insolvenz an. In der „Projektbeschreibung COMBASS“ wird zu den<br />

Folgen dieser Insolvenz ausgeführt: „Die firmeninternen Schwierigkeiten wirken<br />

sich auf Programmentwicklung und Kundenbetreuung aus. Die Zufriedenheit<br />

der Anwender mit dem Service der Firma sinkt“ (Schmidt 2004: 36).<br />

Eine erste Probeauswertung der im Jahr 2002 zusammengeführten Daten wies<br />

auf Probleme mit fehlenden Daten hin. Die Steuerungsgruppe reagierte darauf,<br />

indem die Schulungen und Anwenderforen verstärkt wurden. Bald darauf meldete<br />

auch der neue Eigentümer der Software Insolvenz an. Der Service des<br />

Programmherstellers für die Anbieter verschlechterte sich erneut. In der „Projektbeschreibung<br />

COMBASS“ heißt es dazu: „Die Unterstützung des Programmherstellers<br />

für die Anwender wird mangelhaft. Die Motivation der Anwender<br />

wird auf eine harte Probe gestellt“ (Schmidt 2004: 36).<br />

Eine weitere Probeauswertung der zusammengeführten Daten im Jahr 2003<br />

analysierte Schwachstellen und Eingabefehler. Diese Fehler ließen sich in drei<br />

Gruppen unterteilen: Erstens Fehler wegen schlechter Programmergonomie,<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 87


zweitens Fehler wegen schlechter einrichtungsinterner Kommunikation und drittens<br />

Fehler wegen mangelhafter einrichtungsübergreifender Absprachen und<br />

Konventionen (Schmidt 2004: 37). Wiederum reagierte die Steuerungsgruppe<br />

mit spezifischen Schulungs- und Unterstützungsangeboten. Im selben Jahr<br />

wurde die Software Horizont erneut verkauft. Unter dem neuen Besitzer verbesserten<br />

sich Programmpflege und Kundenservice, wodurch wiederum die<br />

Anwenderzufriedenheit stieg. In den Jahren 2004 und 2005 konnten schließlich<br />

landesweite Auswertungen vorgestellt werden (Kalke et al. 2005). Die Datenqualität<br />

hat sich kontinuierlich verbessert, was laut Auswertungsbericht auf die<br />

inzwischen hohe Akzeptanz und das Projektmanagement zurückzuführen ist<br />

(Kalke et al. 2005: 9).<br />

Finanziert wurde das Projekt COMBASS vom Hessischen Sozialministerium,<br />

das die Hessische Landesstelle für Suchtfragen (HLS) mit der Durchführung<br />

des Projektes beauftragte. Insgesamt floss mehr als eine Million Euro in das<br />

Projekt COMBASS (Schmidt 2004: 34). Darin nicht enthalten sind die laufenden<br />

Kosten für Softwarepflegeverträge, Schulungen neuer Mitarbeiter und Hardware-Aktualisierung,<br />

die von den Einrichtungsträgern übernommen werden.<br />

Mit dem Projekt COMBASS wurden sicherlich eine umfassende Modernisierung<br />

und auch ein erneuter Professionalisierungsschritt für die hessische Suchthilfe<br />

eingeleitet. Die Einrichtungen der Suchthilfe in Hessen arbeiten heute mit einer<br />

modernen Hard- und Softwareausstattung, verfügen über ein differenziertes<br />

und manualisiertes IT-gestütztes Dokumentationssystem, eine moderne Form<br />

der Aktenführung und wissen mehr über ihr Klientel und ihre Leistungen als je<br />

zuvor. Es ist allerdings auch nicht zu verkennen, wie anstrengend der Weg zu<br />

diesem Zwischenstand war.<br />

4. Beispiel II: Die Frankfurter Konsumraumdokumentation<br />

Das zweite Beispiel bezieht sich auf einen Teilbereich der niedrigschwelligen<br />

Drogenhilfe in der Stadt Frankfurt am Main. In Frankfurt gibt es seit mehr als 10<br />

Jahren so genannte Konsumräume, in denen der intravenöse Konsum mitgebrachter<br />

Drogen unter risikoärmeren Bedingungen als auf der Straße oder der<br />

offenen Szene möglich ist. Ursprünglich waren diese Räume für Heroinabhängige<br />

eingerichtet worden. In den letzten Jahren haben sich aber die Konsumpräferenzen<br />

der Drogenabhängigen in Frankfurt deutlich verändert. In Frankfurt<br />

wird seit einigen Jahren zunehmend Crack geraucht und auch injiziert. Wegen<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 88


der pharmakologischen Wirkung dieser Droge hat sich dadurch auch die Situation<br />

in den Konsumräumen verändert. Allerdings war man zur Analyse der Konsumgewohnheiten<br />

in den Konsumräumen auf exemplarische Berichte der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter angewiesen, da hierzu keine validen Daten vorlagen.<br />

Diese Lücke sollte im Jahr 2002 mit einem neuen Dokumentationssystem<br />

geschlossen werden.<br />

An dem niedrigschwelligen Teil der Drogenhilfe – dazu gehören neben den<br />

Konsumräumen auch Kontaktläden, Krisenzentren, Notübernachtungen und<br />

ähnliche Angebote – ist die Entwicklung von Dokumentationssystemen in der<br />

Suchthilfe bislang weitgehend vorbeigegangen. Dies ist zunächst mit den unterschiedlichen<br />

Arbeitsansätzen begründen. Während in ambulanten Beratungsstellen<br />

schon immer Akten geführt wurden, galt in dem niedrigschwelligen Hilfesegment<br />

das fachlich begründete Prinzip der Anonymität. Niedrigschwellige<br />

Einrichtungen wurden ja gerade für die Drogenabhängigen eingerichtet, denen<br />

die Schwellen zu den Beratungs- und Behandlungsangeboten zu hoch schienen.<br />

Entsprechend unterschiedlich ist auch die Klientel hochschwelliger und<br />

niedrigschwelliger Einrichtungen zusammengesetzt.<br />

Dennoch ist der Bedarf nach Dokumentation in der niedrigschwelligen Drogenhilfe<br />

in den letzten Jahren angestiegen. Dies liegt zum einen daran, dass auch<br />

diese Einrichtungen finanziert werden müssen und zunehmend nachweisen<br />

müsse, welche Leistungen für welche Klienten von diesem Geld erbracht werden.<br />

Aber auch zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung ist Dokumentation<br />

und Evaluation geboten.<br />

Bei der Entwicklung eines Dokumentationssystems für die Konsumräume konnte<br />

das hessenweit eingeführte COMBASS-System nicht übernommen werden.<br />

Dieses System war für die Arbeitsweise eines Konsumraums viel zu zeitintensiv.<br />

Schließlich wurde keine Dokumentation gemäß der Itemliste des deutschen<br />

Kerndatensatzes angestrebt, sondern eine an die Bedingungen der<br />

Niedriggschwelligkeit angepasste, stark verkürzte Itemliste sollte erhoben werden.<br />

Das im Jahr 2002 schließlich eingeführte System beruht auf einem mehrseitigen<br />

Erstbogen, den alle Benutzer eines Konsumraumes beim erstmaligen<br />

Besuch einer solchen Einrichtung in Frankfurt ausfüllen müssen. Hinzu kommt<br />

ein sehr viel kürzerer Folgebogen, der bei jedem weiteren Besuch ausgefüllt<br />

werden muss. Erst- und Folgebogen sind über einen Code verbunden, der die<br />

Anonymität der Klienten schützt, gleichzeitig aber die Zuordnung mehrerer Da-<br />

Tagungsband Sozialinformatik in Lehre und Forschung 89


tensätze zu einer Person erlaubt. Damit ist es möglich, die Datensätze aus allen<br />

vier Konsumräumen gemeinsam auszuwerten und einerseits Daten zu Konsumvorgängen,<br />

andererseits aber auch Daten zu Personen auszuwerten und<br />

diese zueinander in Beziehung zu setzten. Somit kann analysiert werden, wie<br />

viele Drogenabhängige wie oft welche Konsumräume aufsuchen und welche<br />

Drogen sie dort konsumieren.<br />

Die Mitarbeiter in den Konsumräumen erlebten die Implementierung dieses Dokumentationssystems<br />

wiederum vorrangig als zusätzliche Arbeitsbelastung und<br />

Eingriff in die Anonymität ihrer Klientel. Wie in den zuvor beschriebenen Beispielen<br />

schlugen sich auch in diesem Fall solche Akzeptanzprobleme zunächst<br />

in reduzierter Datenqualität nieder, die sich erst allmählich verbesserte. Inzwischen<br />

liegen auch hierzu detaillierte Auswertungsergebnisse vor (Simmedinger/Vogt<br />

2005, Schmid/Vogt 2005).<br />

Das Dokumentationssystem in den Frankfurter Konsumräumen wurde initiiert<br />

und finanziert vom Gesundheitsdezernat der Stadt Frankfurt am Main. Um in<br />

der Erprobungsphase flexibel vorgehen zu können, wurden beide Erhebungsinstrumente<br />

zunächst in Papierform implementiert. Eine Übertragung in ein ITgestütztes<br />

Dokumentationssystem ist beabsichtigt. Hierzu kann allerdings auf<br />

keines der derzeit am Markt vertretenen Systeme zurückgegriffen werden, da<br />

diese hierzu alle zu groß dimensioniert und kompatibel mit dem deutschen<br />

Kerndatensatz sind. Ideal für die Arbeitssituation in niedrigschwelligen Einrichtungen<br />

wie Konsumräumen wären spezielle Eingabegeräte, die über vereinfachte<br />

Erfassungsmöglichkeiten (Touch-Screen, Scanner) verfügen. Die Entwicklung<br />

solcher spezialisierter Eingabegeräte ist allerdings extrem aufwendig,<br />

so dass auf absehbare Zeit wohl auf Standard-PCs zurückgegriffen werden<br />

muss.<br />

5. Schlussfolgerungen<br />

In diesem Beitrag wurde anhand mehrer Beispiele die Entwicklung von Dokumentationssystemen<br />

in der Drogenhilfe in Deutschland beschrieben. Inzwischen<br />

wird in der Suchthilfe soviel und wohl auch so detailliert, so valide und so<br />

reliabel wie nie zuvor dokumentiert. Der Standard der Dokumentation ist auch<br />

im Vergleich zu anderen psychosozialen Hilfesystemen beeindruckend. Die Akzeptanz<br />

der Dokumentationssysteme durch die Fachkräfte hat sich kontinuierlich<br />

verbessert; Indizien für Akzeptanzprobleme seitens der Klientel gab es nur<br />

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wenige. Insgesamt hat die Weiterentwicklung der Dokumentation für die Drogenhilfe<br />

mehrere Modernisierungs- und Professionalisierungsschübe bedeutet.<br />

Es kann aber auch nicht übersehen werden, dass dieser Prozess mit viel Widerstand,<br />

Enttäuschung und Frustration einherging. Immerhin hat sich die Drogenhilfe<br />

inzwischen Foren geschaffen, auf denen sie im Dialog zwischen Anwendern,<br />

Software-Entwicklern, Politik und Wissenschaft die Weiterentwicklung<br />

der Dokumentation diskutieren kann. Dazu zählt z.B. die jährliche Fachtagung<br />

zur EDV-gestützten Dokumentation in der Suchthilfe, die 2006 bereits zum<br />

sechsten Mal durchgeführt wird (Informationen unter http://www.issfrankfurt.de/tag__edv_doku.htm).<br />

Abschließend sollen drei offene Punkte angesprochen werden: Erstens die Anforderungen<br />

an die Software, zweitens das Verhältnis zwischen Standarddokumentation<br />

und wissenschaftlichen Studien sowie drittens die Frage der Planung<br />

und Steuerung.<br />

1. Die Entwicklung von Dokumentationssoftware in der Drogenhilfe nahm<br />

wie gezeigt ihren Ausgangspunkt von zuvor erarbeiteten Itemlisten.<br />

Letztlich verwundert es nicht, dass die Fachkräfte in den Einrichtungen<br />

das Ausfüllen der entsprechenden Masken meist als zusätzliche Arbeit<br />

empfunden haben. Moderne Software, die sich am „Workflow“, also an<br />

den tatsächlichen Arbeitsabläufen in den Einrichtungen orientiert und<br />

diese unterstützt (Kreidenweis 2004: 65), fehlt hingegen noch weitgehend.<br />

Solche Software zum „IT-unterstützten Counselling“ oder zum „ITgestützten<br />

Case Management“ müsste Assistenten für die Aufnahme, für<br />

das Assessment, für die Hilfeplanung, für die Vermittlung etc. bereithalten,<br />

die den jeweiligen Arbeitsschritten angepasst sind und dazu passende<br />

Module zur Verfügung stellen. Dazu wäre es allerdings erforderlich,<br />

dass die Einrichtungen ihre Schlüsselprozesse kennen und gemeinsam<br />

mit Entwicklern an der Übertragung in EDV-Systemen arbeiten.<br />

Schnittstellen zum Qualitätsmanagement, ein gerne im Zusammenhang<br />

mit Dokumentation erwähnter Begriff, fehlen bislang weitgehend. Da es<br />

immer noch Probleme mit der Ergonomie, mit Auswertungsmodulen, Exportfunktionen<br />

und der Kompatibilität gibt, wäre möglicherweise eine Zertifizierung<br />

geeigneter Software eine sinnvolle Idee.<br />

2. Die bisherigen Dokumentationssysteme in der Drogenhilfe wurden vor<br />

dem Hintergrund unterschiedlicher Erwartungen entwickelt. So geht es<br />

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zum einen darum, den Fachkräften ein praktikables Instrument zur elektronischen<br />

Aktenführung zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sollten<br />

damit Daten für regionale, bundesweite und europäische Monitoringsysteme<br />

gesammelt werden. Drittens sollten diese Daten für komplexe<br />

Fragestellungen wissenschaftlich ausgewertet werden. Inzwischen muss<br />

darüber diskutiert werden, ob ein solches multifunktionales System sinnvoll<br />

ist. Wissenschaftliche Studien stellen hinsichtlich der Datenqualität<br />

andere Anforderungen als einfache, aber robuste Monitoringsysteme. So<br />

sind z.B. fehlende Daten bei der Auszählung einfacher Indikatoren zu<br />

verschmerzen, während sie für multivariate statistische Analyseverfahren<br />

erhebliche Probleme bedeuten.<br />

3. Eine weitere Begründung für die Implementierung von Dokumentationssystemen<br />

in der Drogenhilfe war in der Vergangenheit stets der Verweis<br />

auf die für rationale Steuerung und Planungsprozesse auf kommunaler,<br />

Landes- und Bundesebene benötigte Datengrundlage. In den letzten<br />

Jahren entstand indes der Eindruck, dass die Steuerungs- und Planungsansprüche<br />

der Politik auf allen diesen Ebenen deutlich zurückgenommen<br />

wurden. Wenn dies stimmt, dann sind daraus wiederum Konsequenzen<br />

für die Dokumentation zu ziehen. Mitarbeiter der Drogenhilfe,<br />

die Daten als Steuerungs- und Planungsgrundlage für Gremien erheben,<br />

die kaum noch Interesse an Steuerung und Planung haben, würden darauf<br />

möglicherweise wieder mit abnehmender Akzeptanz für die Dokumentation<br />

insgesamt reagieren. Bei der Entwicklung von Dokumentationssystemen<br />

für die Drogenhilfe stand lange Zeit das Sammeln von Daten<br />

für aggregierte Auswertungen im Vordergrund. Vielleicht wäre es an<br />

der Zeit, die Gewichtung zwischen den einzelnen Funktionen – Unterstützung<br />

der Fachkräfte beim Beratungsprozess sowie Datenerhebung<br />

für wissenschaftliche Auswertungen, Planung und Steuerung – neu auszutarieren.<br />

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Literatur<br />

Bossong, H. (1995): Drogenhilfe als Dienstleistung. In: Hamburgische Landesstelle<br />

gegen die Suchtgefahren (Hg.): Qualitätssicherung in der ambulanten<br />

Suchtkrankenhilfe. Geesthacht (Neuland), 11-29.<br />

Bühringer, G. (1981): Planung, Steuerung und Bewertung von Therapieeinrichtungen<br />

für junge Drogen- und Alkoholabhängige. Ergebnisse einer Modellförderung<br />

des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit. München:<br />

Gerhard Röttger Verlag.<br />

Bühringer, G. (1999): Tops und Flops der letzten Jahre. In: IFT Institut für Therapieforschung<br />

(Hg.): 25 Jahre IFT. 1973 – 1998. Teil 1: Entwicklungen, Erfahrungen,<br />

Einschätzungen. München (IFT), 93-98.<br />

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2004): Deutscher Kerndatensatz zur<br />

Dokumentation im Bereich der Suchtkrankenhilfe. Definitionen und Erläuterungen<br />

zum Gebrauch (Stand: 03.12.2004). Hamm (im Internet unter<br />

http://www.dhs-intern.de/pdf/DHS_Manual_Kerndatensatz_Sucht.doc)<br />

EMCDDA (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction)<br />

(2000) (ed.) co-ordinated by Simon, R. & Pfeiffer, T.: Treatment demand indicator.<br />

Standard protocol 2.0. (EMCDDA Scientific Report). Lissabon: EMCD-<br />

DA.<br />

Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2004):<br />

Stand der Drogenproblematik in der Europäischen Union und in Norwegen. Lissabon<br />

(EMCDDA, im Internet unter http://www.emcdda.eu)<br />

Kalke, J. et al. (2005): Landesauswertung der Computergestützten Basisdatendokumentation<br />

der ambulanten Suchthilfe in Hessen (COMBASS). Grunddaten<br />

2004. Frankfurt am Main (HLS).<br />

Kreidenweis, H. (2004): Sozialinformatik. Baden-Baden (Nomos).<br />

Neumann, E., Martens, M.-S. & Buth, S. (2005): Ambulante Suchthilfe in<br />

Hamburg. Statusbericht der Hamburger Basisdatendokumentation. Hamburg<br />

(im Internet unter http://www.bado.de).<br />

Schmid, M. & Vogt, I. (2005): Die Nutzung von Konsumräumen in Frankfurt/Main<br />

unter besonderer Berücksichtigung des Konsums von Crack. In:<br />

SUCHT 51 (4), 233-239.<br />

Schmid, M. (2003): Drogenhilfe in Deutschland. Entstehung und Entwicklung<br />

1970-2000. Frankfurt am Main (Campus).<br />

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Schmidt, W. (2004): Projektbeschreibung COMBASS. In: Kloss, M. et al.: Landesauswertung<br />

der Computergestützten Basisdatendokumentation der ambulanten<br />

Suchthilfe in Hessen (COMBASS). Grunddaten 2003. Frankfurt am Main<br />

(HLS), 34-37.<br />

Simmedinger, R. & Vogt, I. (2005): Auswertung der Konsumraumdokumentation<br />

2004. Endbericht. Frankfurt am Main (ISFF).<br />

Simon, R. (1999): Klinische Epidemiologie: EBIS, EBIS und noch einmal EBIS?<br />

In: IFT Institut für Therapieforschung: 25 Jahre IFT. 1973 – 1998. Teil 1: Entwicklungen,<br />

Erfahrungen, Einschätzungen. München (IFT), 35-44.<br />

Sonntag, D. & Welsch, K. (2004): Deutsche Suchthilfestatistik 2003 für ambulante<br />

Einrichtungen. Sucht, 50, Sonderheft 1, 6-31<br />

Strobl, M. et al. (2005a): Suchthilfestatistik 2004 für Deutschland. Tabellenband<br />

für ambulante Einrichtungen. München: IFT (im Internet unter<br />

http://www.suchthilfestatistik.de)<br />

Strobl, M. et al. (2005b): Suchthilfestatistik 2004 für Deutschland. Tabellenband<br />

für stationäre Einrichtungen. München: IFT (im Internet unter<br />

http://www.suchthilfestatistik.de)<br />

Strobl, M. (1999): Die Entwicklung von klinischen Dokumentationssystemen –<br />

ein Drahstseilakt zwischen epidemiologischer Basisdokumentation und multifunktionaler<br />

Klientenverwaltungssoftware. In: IFT Institut für Therapieforschung:<br />

25 Jahre IFT. 1973 – 1998. Teil 1: Entwicklungen, Erfahrungen, Einschätzungen.<br />

München (IFT), 86-92.<br />

Verthein, U. (2005): Dramatischer Anstieg der Opiatabhängigen in 2003! In:<br />

Suchttherapie 6<br />

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Entwicklung eines EDV-gestützten Dokumentationssystems für<br />

das Case Management mit benachteiligten Jugendlichen im<br />

Modellprogramm „Kompetenzagenturen“ 1<br />

Nora Gaupp<br />

1 Sie finden hier lediglich den ersten Teil der Folien des Vortrages vom 24.06.2005 wieder.<br />

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HERAUSGEBER<br />

Helmut Kreidenweis, Diplom-Pädagoge (Univ.), Diplom-Sozialpädagoge (FH),<br />

Professor für Sozialinformatik an der Fakultät für Soziale Arbeit (FHStg.) der<br />

Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt; Inhaber der IT-Beratung KI Consult,<br />

Augsburg<br />

helmut.kreidenweis@ku-eichstaett.de<br />

Thomas Ley, Diplom-Sozialpädagoge (FH), Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg<br />

„Jugendhilfe im Wandel“ an der Universität Bielefeld<br />

thomas.ley@uni-bielefeld.de<br />

AUTOREN<br />

Silke Axhausen, Dr. phil, M.A., Professorin für Theorien und methodisches<br />

Handeln in der Sozialen Arbeit am Fachbereich Soziale Arbeit der Fachhochschule<br />

Koblenz<br />

axhausen@fh-koblenz.de<br />

Nora Gaupp, Dr. phil, Diplom-Psychologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />

Deutschen Jugendinstitut (DJI) München im Forschungsschwerpunkt "Übergänge<br />

in Arbeit"<br />

gaupp@dji.de<br />

Hans-Joachim Gehrmann, Dr. phil, Diplom-Volkswirt, Professor für Soziologie<br />

und Sozialpolitik am Fachbereich Sozialpädagogik der Fachhochschule Darmstadt<br />

gehrmann@fh-darmstadt.de<br />

Hans-Jürgen Göppner, Dr. phil., Dipl. Psychologe, Professor für Psychologie<br />

und empirische Methoden an der Fakultät für Soziale Arbeit (FHStg.) der Katholischen<br />

Universität Eichstätt-Ingolstadt<br />

hans.goeppner@ku-eichstaett.de<br />

Harald Mehlich, Dr. phil, Diplom-Soziologe, Professor für Sozialinformatik am<br />

Fachbereich Soziale Arbeit (FHStg.) der Universität Bamberg<br />

harald.mehlich@sowes.uni-bamberg.de<br />

Ursula Mosebach, Dr. phil, Dipl. Pädagogin (Univ.), Dipl. Sozialpädagogin<br />

(FH), Professorin für Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit an der Kath.<br />

Stiftungsfachhochschule München, Abt. Benediktbeuern<br />

mosebach.bb@ksfh.de<br />

Christiane Rudlof, Diplom-Informatikerin, Professorin für Sozialinformatik / U-<br />

sability Engineering an der Fachhochschule Oldenburg, Ostfriesland, Wilhelmshaven,<br />

Abt. Emden<br />

rudlof@fho-emden.de<br />

Martin Schmid, Dr. phil., Diplom-Soziologe, Professor für Soziologie Am Fachbereich<br />

Soziale Arbeit an der Katholischen Fachhochschule Mainz<br />

schmid@kfh-mainz.de<br />

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