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Ausgabe 06 - Goethe-Universität

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Hannes Ahbe: Die Kunst, einen Tag zu fliehen<br />

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ein sogenanntes sexy Outfit, welches vor allem viel Haut und Busen zeigt. Männer hingegen sind<br />

klassisch bis leger gekleidet. Wer es sich leisten kann knöpft das Hemd weit auf. Bei dem Teil des<br />

Festes an dem aufgrund der lauten Musik die verbale Kommunikation auf der Tanzfläche fast<br />

unmöglich ist, wird der körperbetonte Tanz zum wichtigsten Kommunikationsmittel. Dabei<br />

kommt es häufig wahllos zu körperlichen Kontakten zwischen den Passagieren auf der Tanzfläche.<br />

Dieser Effekt verstärkt sich umso mehr, wenn das Schiff von der Natur beherrscht wird und<br />

dies im Inneren spürbar wird. Wenn starker Wellengang das Schiff zu schaukelnden Seitwärtsbewegungen<br />

zwingt, sind die Effekte der körperlichen Kommunikation des Festes noch deutlicher<br />

zu beobachten, da die tanzenden Sprichwörtlich durch die Bewegung der Umwelt aufeinander<br />

prasseln.<br />

Das Thema sexuelle Aktivität an Bord wird von den meisten Teilnehmern an Bord erwähnt. Im<br />

Gespräch über die Schiffe wird neben Alkohol und Fest Sex oder ein erotisches Erlebnis erwähnt<br />

163 . Auf den Schiffen wird häufig über das Thema Erotik, Sex und körperliche Nähe ungezwungen<br />

gesprochen. Dies ist an Land das Gegenteil 164 . Das Fest auf dem Schiff erhält neben<br />

seiner eigentlichen Funktion des Exzesses auch die Funktion der Verhandlung über den weiteren<br />

Verlauf des Abends. Und diese Verhandlung geschieht in der Regel in einer spielerischen Form.<br />

Sie kann als eine Form des Spiels verstanden werden. Huizinga definierte das Spiel als „(...)free<br />

activity standing quite consciously outside the realm of ‘ordinary’ life as being ‘not serious’, but at<br />

the same time absorbing the player intensely and utterly“ (Huizinga 1955). Diese Definition kann<br />

auch auf das abendliche Fest angewendet werden. Die erwähnte Freiwilligkeit der Handlungen<br />

steht (meist) außer Frage, da sie ein zentrales Element der Schiffsreisen ist. Dabei ist den Passagieren<br />

durchaus bewusst, dass man sich nicht in der real world befindet, sondern dass das Fest<br />

und der Aufenthalt auf dem Schiff einen „Fiktionscharakter“ (Hennig 1999: 87) besitzen. Dies<br />

beweist die Reflektion der Passagiere über das Geschehen: „(...)it is a totally different world“ 165 . Die<br />

Verhandlung geschieht über kurze verbale und nonverbale Kommunikation. Sie verläuft bis zum<br />

Ende des Abends. Dabei finden sich dann in der späten Phase des Abends die Übriggebliebenen.<br />

Auch Emma, Angelika und Anna nahmen am abendlichen Spiel und der Verhandlung teil. Sie<br />

gingen auf die Tanzfläche und waren kurze Augenblicke später umringt von männlichen Tanzpartnern.<br />

Anna traf dabei ihre Wahl recht und wählte ihren Partner für den Abend. Sie tanzten<br />

engumschlungen miteinander und zeigten dadurch, dass sie an der Verhandlung (vorerst) nicht<br />

mehr teilnehmen.<br />

Dabei könnte es durchaus brisant sein, dass alle drei in der real world eine Beziehung zu einem<br />

Partner unterhielten. Als ich sie darauf ansprach, wie sie damit umgingen, riefen sie mir die einzige<br />

an Bord gültige Regel ins Gesicht: „What happens on the boat, stays on the boat“. Ich empfand es als<br />

erstaunlich, wie offen die drei mit diesem Thema umgingen. Nicht nur über ihre Offenheit über<br />

die Suche eines erotischen Kontaktes für die Nacht war ich erstaunt sondern auch wie problemlos<br />

sie mir über ihre Leben in der real world erzählten. Dabei hätte es ja in ihrer Auffassung eine<br />

Beziehung zu unterhalten aber trotzdem einen Partner für die Nacht zu suchen durchaus zu<br />

Problemen kommen können oder müssen. Weiterhin hätte ihr Handeln auf dem Schiff durchaus<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

163 Siehe hier zum Beispiel auch Gruppendiskussion. Die dritte Antwort auf meine Eingangsfrage, warum man die<br />

Schiffe nutzt lautete „get laid“.<br />

164 Zumindest war das mein subjektiver Eindruck. Als beispielsweise, wenn man von außerhalb über das Schiff und<br />

Sex spricht. Auf dem Schiff sprechen die Passagiere ungezwungener über das Thema.<br />

165 Gruppendiskussion.<br />

!

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