Ausgabe 06 - Goethe-Universität
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Hannes Ahbe: Die Kunst, einen Tag zu fliehen<br />
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grund der zeitlichen Beschränkung und der besonderen Örtlichkeit als störend empfunden und<br />
von den Passagieren abgelehnt wurden. Außerdem kam ich zu der Erkenntnis, dass ich die<br />
Passagiere auf dem Schiff aus ihrer Umgebung reisen würde. Daher versuchte ich die Gespräche<br />
nicht während der Schifffahrt stattfinden zu lassen und fragte potentielle Teilnehmer, ob sie für<br />
ein Interview im Nachhinein zur Verfügung stünden. Zwar fanden sich während der Fahrt tatsächlich<br />
interessierte Teilnehmer für ein Gespräch. Zu den meisten konnte aber im Nachhinein<br />
kein erfolgreicher Kontakt mehr aufgebaut werden. Aber auch diese Forschungserkenntnis konnte<br />
ich für meinen Bericht nutzbar machen. So ist dieses Verhalten ein nicht nur Anzeichen für<br />
den Umgang mit Beziehungen an Bord, welche Gewichtung die Passagiere diesen Beziehungen<br />
im Nachhinein geben. Anschließend nahm ich mir die einzige an Bord gültige Konvention zu<br />
Herzen („What happens on the boat stays on the boat“) und versuchte daher in informellen Gesprächen<br />
auf dem Schiff die Lebenswelt der Kreuzfahrer zu durchdringen. Diese ero-epischen Gespräche<br />
(Ehalt & Girtler 20<strong>06</strong>; Girtler 2009; Knoblauch 2001) haben sich am Bord als am produktivsten<br />
erwiesen. Das ero-epische Gespräch bietet im Gegensatz zur formellen Interviewsituation<br />
eine offene Atmosphäre und gleicht einem gewöhnlichen Gespräch. Es ist aber dennoch<br />
auf den Forschungsinhalt fokussiert ist. Fragen oder ein Leitfaden 301 liegen hierbei nicht vor. Der<br />
Forscher bringt sich und die Untersuchung in das Gespräch ein und stellt eine generelle Gleichheit<br />
zwischen den Gesprächspartnern her (Girtler 2001: 147f). Das ero-epische Gespräch ist vor<br />
allem für Felder wie das Schiff geeignet, die eine Interviewsituation erschweren 302 . Diese Gespräche<br />
werde idealerweise mit Wissen des Befragten aufgezeichnet 303 oder danach akribisch protokolliert<br />
(Girtler 2001: 168) 304 . Als grundsätzlich problematisch darf aufgefasst werden, dass die<br />
meisten Gespräche keiner generellen und objektiven Aufzeichnung unterlagen und somit nur<br />
durch den Autor wiedergegeben werden können. Dabei habe ich mir nach den Gesprächen lange<br />
field notes im Sinne Girtlers gemacht, durch welche Inhalt wiedergeben konnten. Interviews fanden<br />
aber während der Feldforschung dennoch statt. Zwei informelle Interviews konnte ich mit<br />
Mitarbeiterinnen der Fähren aufzeichnen. Dabei war entscheidend ein Höchstmaß an Anonymität<br />
zu wahren. Die Erfahrung zeigte, dass ich sich Mitarbeiter durch das Wort Interview in bedrängt<br />
fühlten. Grundsätzlich wurde meine Anfrage abgelehnt oder an einen Vorgesetzten verwiesen,<br />
der diese Ablehnung für die Angestellten übernahm. Der versuch die Binnenperspektive<br />
der Angestellten in meine Arbeit mit aufzunehmen war daher lange Zeit mit Frustration verbunden.<br />
Auch nachdem ich das ganze zu einem Gespräch umgelabelt hatte fand ich auf den Schiffen<br />
niemanden, der hätte mit mir sprechen wollen 305 . Über Bekannte konnte dann dennoch ein Kontakt<br />
mit zwei Mitarbeiterinnen geknüpft werden. Die Gespräche absolvierten wir via Skype 3<strong>06</strong> , da<br />
sich die Gesprächspartnerinnen in Finnland befanden. Bevor ich jedoch die Mitarbeiter befragte,<br />
trat ich direkt mit den Reedereien in Kontakt. Ich stellte eine Anfrage über ein research interview<br />
an die PR-Abteilungen der drei Reedereien an. Außerdem fragte ich, ob ich vielleicht über einen<br />
längeren Zeitraum backstage für meine Forschung an Bord eines der Schiffe kommen könnte.<br />
Damit erhoffte ich mir auch Einblicke auf die Hinterbühne (Goffmann 1969) der Schiffe. Viking<br />
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />
301 In meinem Fall ein kurzer Leitfaden in Gedanken.<br />
302 Oder man die Teilnehmer nicht aus ihrem natürlichem Umfeld reißen möchte.<br />
303 Siehe Beispielsweise Gespräch Caroline.<br />
304 In meinem Fall habe ich die meisten Gespräche im Nachhinein protokollieren müssen<br />
305 Die meisten Mitarbeiter waren an einem Interview interessiert, haben aber dann, weil sie die Firmenpolicy nicht<br />
kannten, lieber abgelehnt, aus Angst ihren Job zu verlieren.<br />
3<strong>06</strong> Skype ist ein kostenloser Service mit welchem man über das Internet telefonieren kann.<br />
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