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Ausgabe 06 - Goethe-Universität

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Hannes Ahbe: Die Kunst, einen Tag zu fliehen<br />

48<br />

noch einmal am Ausgang des Schiffes kurz vor dem Aussteigen. Sie stand in einer Gruppe von<br />

Leuten, die sehr vertraut miteinander schienen. Sie schien damals nicht die Unwahrheit erzählt sie<br />

habe. Ich ging auf die Gangway und verließ das Schiff. Ich hatte mich also geirrt. Nichtsdestominder<br />

lässt sich aber konstatieren, dass in die soziale Interaktion der Passagiere untereinander<br />

von einer gewissen Skepsis gekennzeichnet ist. Ein deutliches Zeugnis hierfür ist Monicas und<br />

Harrys Skepsis sowie meine eigene Bereitschaft mich ihr anzuschließen zeugen vom Einfluss der<br />

Anonymität unter den Passagieren. Dieses Phänomen der Skepsis aufgrund von Anonymität hat<br />

zwei Ausprägungen. Zum einem scheint es eine Angst zu sein auf dem Schiff belogen zu werden.<br />

Zum anderen erlaubt aber die Möglichkeit zur Anonymität auch erst die Möglichkeit zum Verwandlungsspiel<br />

(Goronzy 2005).<br />

Das Element Spiel auf dem Schiff findet sich nicht nur im Rausch(Fest) und der Verwandlung(Anonymität)<br />

und dem Rollentausch(festliche Kleidung oder gar Verkleidung) wieder, sondern<br />

zieht sich durch das Schiff wie ein roter Faden. Dies spiegelt auch die Ambivalenz, die auf<br />

den Schiffen vorherrscht wieder. Damit meine ich einen Zustand aus unklaren Vorgaben, Regeln<br />

und deren Durchsetzung. Die schon oben mehrfach erwähnte Regel an Bord, dass der Konsum<br />

von (alkoholischen) Getränken, welche nicht in den Restaurants und Bars gekauft wurden 177 , soll<br />

wenn nötig von den Sicherheitsmitarbeitern durchgesetzt werden. Dabei sind die Sicherheitsmitarbeiter<br />

angehalten, Passagieren, die dieser Regelübertretung überführt werden, das jeweilige Getränk<br />

abzunehmen und es zu entsorgen. In der Praxis setzten die Mitarbeiter ihre Vorgaben auch<br />

(teilweise) 178 um. Dabei wird bei den Patrouillengängen vor allem jüngeren Passagieren das Getränk<br />

aus der Hand gerissen. Ältere Passagiere werden verbal auf ihr Vergehen hingewiesen und<br />

gebeten das jeweilige Getränk zu entsorgen. Es gibt jedoch andere Institutionen an Bord die wiederum<br />

diese Regeleinhaltung immens erschweren und somit gegen den Sicherheitsdienst arbeiten.<br />

Dazu zählt der Tax Free Shop der Getränke schon in Einzelportionen und auch gekühlt zum<br />

direkten Verzehr anbietet: „and they have the (ähm) ciders and beers cold and but what are they thinking<br />

people are going to do with it? people are going to drink them“ 179 . Aber auch die Kabinenausstattung<br />

spricht eine andere Sprache. So gibt es beispielsweise Flaschenöffner, welche direkt in das Mobiliar<br />

integriert wurden. Dieser Umstand produziert wie selbstverständlich eine gewisse Ambivalenz<br />

und führt dazu, dass die Passagiere sich immer wieder in einer Art siegerlosen Wettkampf 180 mit<br />

dem Sicherheitspersonal befinden. 181<br />

Als Gegenveranstaltung zum Abendprogramm des FunClubs gibt es gleichzeitig ein individuelles<br />

Programm in den privaten Kabinen. Dabei wirkt es, als reicht das Abendliche Fest vom öffentlichen<br />

Bereich bis in die privaten Kabinen und wird dort parallel durchgeführt. Auf dem lower car<br />

finden dabei recht heftige Partys statt. „they go crazy down there ähm I think its really bad for the cleaners<br />

I really feel. the people they puke over everything and they have alcohol everywhere“ 182 Dabei ist das lower car<br />

deck am weitesten von der Hauptveranstaltung und dem Rest der Schiffsgemeinschaft entfernt.<br />

Die Gegenveranstaltung ist aber eher unbewusster Natur und ziemlich spontan. Meist wirken die<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

177 Die Bars schenken Getränke nur in Gläsern aus. Daher ist für die Sicherheitsmitarbeiter identifizierbar, dass<br />

eine Getränkedose nicht aus dem „regulären“ Verkauf stammen.<br />

178 Im Verlauf der Abends kann es vorkommen, dass aufgrund der Menge an Regelverstößen darüber selektiv<br />

hinweggesehen wird.<br />

179 Interview Catharina.<br />

180 Callois nennt diese Form des Wettkampfsspiels »Agon« (siehe auch Goronzy 2005: 47)<br />

181 Siehe auch die Beschreibung der Szene in der Auseinandersetzung mit dem Sicherheitspersonal.<br />

182 Interview Catharina.<br />

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