23.02.2014 Aufrufe

Ausgabe 06 - Goethe-Universität

Ausgabe 06 - Goethe-Universität

Ausgabe 06 - Goethe-Universität

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Hannes Ahbe: Die Kunst, einen Tag zu fliehen<br />

83<br />

384). Die Lebensweltliche Ethnographie hingegen spricht von beobachtender Teilnahme 296 (Honer<br />

1993; Reichertz 2012). Hierbei ist das berühmte „going native“ als methodische Form notwendig<br />

die „um Perspektive dieser Welt zu übernehmen und zu artikulieren“ und das(Lebens-<br />

)Gefühl der zu untersuchenden Lebenswelt zu verstehen.<br />

Bei der Feldforschung auf den Fähren habe ich beide Teilnahmeformen nebeneinander angewendet.<br />

Die Erfahrung des symbolischen Handlungsraumes Schiff habe ich mir über die teilnehmende<br />

Beobachtung im Sinne der soziologischen Ethnographie (Hirschauer & Amann 1997)<br />

angeeignet. Die Handlungs- und Interaktionsformen habe ich durch beobachtende Teilnahme<br />

(Honer 1993) erfahren. Das gemeinsame Mahl(in meinem Fall das Abendessen mit den Passagieren)<br />

wird beispielsweise „als bedeutende Geste des Forschers an die beobachtende Gruppe erachtet,<br />

um zu signalisieren, dass man wirklich Mitglied der Gruppe werden möchte“ (Kirchner<br />

2011: 181) 297 . Durch diese direkte Interaktion mit den Passagieren habe ich mich mehr teilnehmend<br />

als beobachtend verhalten und versucht viel tiefer in den Kosmos der Fährschifffahrer<br />

einzutauchen, als die reine (teilnehmende) Beobachtung zulassen würde.<br />

Die (dichte) Beschreibung der beiden Ebenen(Handlungsraum und Interaktionsform) bilden im<br />

Sinne der interpretativen, symbolischen Anthropologie von Clifford Geertz das „Bedeutungsgewebe“<br />

(Geertz 1983: 9). Forschungspraktisch habe ich also bei meiner Forschung die „Vogelperspektive“<br />

(Scheffer 1997: 168) der Soziologie verlassen und „mich eine Zeitlang unters Volk gemischt;<br />

nicht in autorisierten Werken gelesen, wie es sich wohl im >im Großen und Ganzen<<br />

verhält, sondern die Kämpfe, Spiele und Aufführungen im Kontext erfahren.“(ebd.)<br />

Gespräche<br />

Für das Zusammentragen des empirischen Materials benötigte ich neben Teilnahme- und Beobachtungsformen<br />

auch noch weitere Formen der Datenerhebung. Hierzu zählen neben Interviews<br />

vor allem ero-epische Gespräche. Daher sind auch in dieser Arbeit Interviewtranskripte,<br />

ein Gruppendiskussionstranskript, field notes und Auszüge aus Feld- und Gesprächsprotokollen<br />

298 zu finden. Außerdem ein sogenanntes Forschungstagebuch, welches ich über die Monate<br />

der Feldforschung angefertigt habe 299 .<br />

Die Durchdringung des „Bedeutungsgewebes“ habe ich hauptsächlich mit Gesprächen über das<br />

Schiff erreicht. Hierbei hat sich herausgestellt, dass die klassische Form des Interviews mit dem<br />

Feld kollidierte. Dies lag auch an den im Feld festgestellten Kategorien der neuen Zeitlichkeit 300<br />

sowie der eigenen im Feld gültigen Regeln. Die Erfahrung zeigte, dass Interviews vor Ort auf-<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

296 Honers Unterscheidung zu Teilnahmeformen:„Was aber unterscheidet überhaupt beobachtende Teilnahme von nicht beobachtender,<br />

von 'normaler' Teilnahme? Nun, der normale Teilnehmer an einem Geschehen entwickelt in der Regel ein sehr begrenztes,<br />

an seinen pragmatischen Zielen und Zwecken orientiertes Interesse an einer Situation bzw. an einem teilkulturellen Kontext.<br />

Der beobachtende Teilnehmer hingegen ist sozusagen die schiere Neugier selber: Er versucht, immer mehr zu erleben und mehr<br />

zu erfahren, als er, als Teilnehmer, eigentlich braucht. Er versucht, an möglichst Vielem teilzunehmen, was geschieht, und er versucht,<br />

auch über das, woran er nicht teilnehmen kann, etwas zu erfahren. Er versucht, verschiedene Meinungen zu Ereignissen und<br />

Sachverhalten zu eruieren; er versucht, in verschiedene Rollen zu schlüpfen oder zumindest mit möglichst verschiedenen Perspektiven<br />

direkt oder indirekt bekannt und möglichst vertraut zu werden.“ (Honer 1993: 59).<br />

297 Kirchner bezieht sich hier auf Girtler. (Girtler 2001: 134f).<br />

298 Eine Auswahl an Feldprotollen in Auszügen, sowie die Gruppendiskussion und drei Interviews sind der Arbeit<br />

angeheftet.<br />

299 Das FTB ist nicht Teil des Anhangs. Ich habe in diesem private Gedanken zur Arbeit aufgezeichnet.<br />

300 Aus dem Material entwickelte Kategorie.<br />

!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!