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Ausgabe 06 - Goethe-Universität

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Hannes Ahbe: Die Kunst, einen Tag zu fliehen<br />

55<br />

Die Welt der Vergnügungs-Kreuzfahrer ist eine reizende, spannende und unüberschaubare zugleich.<br />

Es ist eine Welt in der sich die Teilnehmer selbst in einer anderen Realität 2<strong>06</strong> wähnen. Dieses<br />

besondere Sub-Sinnsystem ist trotz seiner anfänglichen Unübersichtlichkeit erstaunlich gut<br />

organisiert. So habe ich zwar keine oder nur schwache Hierarchien feststellen können. Dennoch<br />

gibt es Regeln, Automatismen und Konventionen für diese temporäre Gemeinschaft. Ich will sie<br />

als Neue Ordnung beschreiben. Mit dem Betreten des Schiffs befinden sich die Passagiere gewissermaßen<br />

automatisch in dieser neuen und eigenen Ordnung. Diese ist zuallererst von „Anti-<br />

Struktur“ 207 (Turner 2005) geprägt. Bedingt wird dies auch durch die Unübersichtlichkeit des<br />

Raumen.<br />

Gegenwelt & Gegenrealität<br />

Die erste Eigenschaft dieser neuen Ordnung ist, dass die Passagiere sich in einer Gegenrealität<br />

oder Gegenwelt befinden. Auf dem Schiff sei man dementsprechend in einer„totally different<br />

world“. Das Schiff gilt für die Passagiere als eine von „two worlds“, eine small society. So you (...) live<br />

there“.<br />

Der Versuch sich häuslich in dieser Gemeinschaft einzurichten („the cabin is like your home“), kann<br />

als Versuch verstanden werden der anfänglichen Strukturlosigkeit an Bord eine gewisse eigene<br />

Ordnung zu verleihen, welche diese auch von zu Hause (oder der real world) gewohnt sind. Auf<br />

dem Schiff machen die Passagiere „holiday from life“. Die Art des Urlaubs wird in der Regel auch<br />

als Flucht aus der Realität beschrieben. Caroline, die eine solche Flucht fast wöchentlich unternimmt,<br />

fasst die Schiffe als einen sicheren und fernen Ort auf, an welchen sie vor Problemen des<br />

Alltags fliehen kann. Dabei spielt es insbesondere eine Rolle, das die Schiffe dabei kostengünstig<br />

und verfügbar sind. Aber auch Viktoria, die auf den Schiffen arbeitete, berichtete von der<br />

Fluchtmöglichkeit in diese Gegenwelt: „back then I used to have a very very bad relationship and that was<br />

true for me (pause) I really escaped of that relationship to my work. that 2 weeks in a month that I worked on<br />

board was like the good time. and then I had to get home I live that horrible relationship for two weeks. I really<br />

waited and longed to go to work cause everything was so much better back then“.<br />

Regeln<br />

Die Gegenwelt an Bord deutet gewissermaßen darauf hin, dass während der Kreuzfahrt nicht<br />

mehr die Regeln, Normen und moralischen Vorstellungen der Gesellschaft gelten. Somit ist wie<br />

wir gesehen haben deviantes Verhalten an der Tagesordnung. Festgestellt werden konnte außerdem<br />

ein gewisser Wandel der Mentalitäten.<br />

Die Lebenswelt färja hat ihre eigenen Regeln. Deutlich wird, dass für die Passagiere fundamentale<br />

Regeln und Konventionen der gesellschaftlichen Ordnung nicht mehr wirklich von Bedeutung<br />

sind. Dies fängt bei dem günstigen und unbeschränkten Einkauf und Konsum von Alkohol an.<br />

Dieser „(...)good access to alcohol. Close to your home(...)“ 208 steht diametral gegenüber dem, was in der<br />

„real world“ als „forbidden“ 209 und „taboo“ 210 erlebt und erfahren wird. Aber auch moralische Regeln<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

2<strong>06</strong> Siehe Eingangszitat.<br />

207 Im Folgenden: Strukturlosigkeit.<br />

208 Gruppendiskussion. In diesem Fall ist mit home selbstverständlich die Kabine an Bord gemeint.<br />

209 Ebd.<br />

210 Ebd.<br />

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