Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Er ist einfach immer vorbereitet und immer nett zu allen.“ fügt<br />
Famke Janssen hinzu, die in Ihrer Rolle als Jean Gray in vier X-Men<br />
Filmen zusammengearbeitet hat (ironischerweise die dritte Person<br />
in dieser Geschichte, falls jemand <strong>mit</strong>gezählt hat, die versucht hat,<br />
<strong>Jackman</strong> auf der Leinwand umzubringen. „Das mag nur eine kleine<br />
Geste sein, aber sie bedeutet so viel. Ich finde, wir alle, die wir in diesem<br />
Geschäft arbeiten, sollten stets daran denken, dass es nicht viel kostet,<br />
aber so viel bedeutet.“<br />
Natürlich sind Augenkontakt und Small Talk nichts wert,<br />
wenn kein Talent dahinter steht. Und wenn du denkst, dass der<br />
Schauspieler es nur <strong>mit</strong> seinem natürlichen Charme so weit gebracht<br />
hat, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dich <strong>mit</strong> Ana bekannt zu<br />
machen.<br />
„Ich habe drei Jahre lang in einem <strong>Fitness</strong>center gearbeitet.“ erzählt<br />
<strong>Jackman</strong>. “Ich wog 77 Kilogramm, ich war 1,87 Meter groß und ich<br />
bestand nur aus Haut und Knochen. Die Jungs in der Umkleidekabine<br />
riefen: ‚Hey, du dürrer Hering! Hey, Ana!‘. Sie nannten mich Ana,<br />
das stand für Anorexie, und ich sagte ‚Sag mir eine praktische<br />
Anwendungsmöglichkeit, bei der ich 150 Kilogramm drücken muss,<br />
dann tu ich es!‘.“ (Sagte der Mann, der später 450 Kilogramm <strong>mit</strong> den<br />
Beinen drücken sollte.)<br />
Als <strong>Jackman</strong> mir das erzählt, fange ich spontan an zu lachen, sodass<br />
ich nicht auf das vorbereitet bin, was als Nächstes kommt. „Ich bin<br />
einmal in eine Schlägerei geraten.“ erzählt er. „Ich<br />
war 23 und hatte ein Paar neuer Rollerblades. Wir<br />
waren in Australien in einem Küstenort, und ein paar<br />
Dorfrowdys beschimpften mich als ‚Wichser‘. Nicht<br />
einfach nur Arschloch, sondern ‚Wichser!‘. Wichser<br />
ist viel schlimmer als Arschloch. Ich fahre also auf<br />
meinen Rollerblades, übrigens lernte ich es gerade<br />
erst, und diese Kerle rufen mir zu ‚Komm her, du<br />
Wichser!‘. Ich bin immer noch so ein dürrer Hering.<br />
Einer von den Typen kommt auf mich zu, und ich will<br />
ihn schlagen, falle dabei aber hin und meine Arme tun<br />
automatisch dies [<strong>Jackman</strong> macht eine taumelnde,<br />
umarmende Bewegung] Ich habe mich wirklich an<br />
ihm festgehalten und er kreischt ‚Geh runter von mir,<br />
du Wichser!‘“<br />
Das Bild eines schlaksigen <strong>Hugh</strong> <strong>Jackman</strong>, der<br />
un-geschickt auf Rollerblades umherstolpert,<br />
das Gleichgewicht verliert und sich an einem<br />
Typen festklammert, der versucht hat, ihn<br />
zusammenzuschlagen, ist einfach zu viel. Niemand<br />
kann behaupten, dass der Kerl einfach nur <strong>mit</strong> guten<br />
Genen durchs Leben gleitet.<br />
Diese Geschichte jedoch macht <strong>Jackman</strong>s gegenwärtiges<br />
Erscheinungsbild umso beeindruckender, insbesondere, wenn man<br />
berücksichtigt, dass er in vergangenen Interviews offen zugegeben<br />
hat, dass er nicht gerne Sport treibt. Für ihn ist das einfach nur ein<br />
Teil seines Jobs. „Das ist wirklich bemerkenswert.“ sagt Schreiber.<br />
„Ich glaube, er setzt ganz einfach Prioritäten in seinem Leben. Da ist<br />
er äußerst diszipliniert.“<br />
ES GIBT KEINE BESSERE Möglichkeit, <strong>Jackman</strong>s Wesensart zu<br />
illustrieren, als die fünf Monate im letzten Jahr, als er sich zunächst auf<br />
seine Rolle in Les Miserables vorbereiten musste, um anschließend<br />
an den Set von <strong>Wolverine</strong> von zu gehen. Für seine erste Szene in Les<br />
Miserables, in der er den unterernährten Gefängnisinsassen Jean<br />
Valjean spielt, hatte <strong>Jackman</strong> innerhalb von sechs Wochen fast neun<br />
Kilogramm Gewicht verloren, indem er Kohlehydrate mied und<br />
jeden Tag <strong>mit</strong> seinem Trainer David Kingsbury trainierte. „Man hatte<br />
uns gesagt, er solle schlank sein, dabei aber so muskulös wie möglich. Das ist nicht<br />
einfach zu schaffen.“ sagt Kingsbury.<br />
„Für jemanden, der versucht, seine Muskeln zu erhalten, ist es wichtig,<br />
weiterhin Gewichte zu heben, auch wenn er versucht, Körperfett zu verlieren.<br />
Wenn dein Körper weiß, dass er regelmäßig schwere Gewichte stemmen muss,<br />
wird er mehr Muskelmasse erhalten. Wenn man es dagegen nur <strong>mit</strong> Herz-Kreislauf-<br />
Training versucht, verliert man alles. Muskeln und Fett.“<br />
In <strong>Jackman</strong>s nächster Szene in Les Miserables sieht sein Filmcharakter, nun<br />
ein wohlhabender Fabrikbesitzer, aus, als hätte er noch niemals in seinem<br />
Leben eine Mahlzeit ausgelassen. Man käme niemals darauf, dass sie nur zehn<br />
Tage später aufgenommen wurde und schon gar nicht, dass dies drei Monate<br />
vor den Dreharbeiten zu <strong>Wolverine</strong> war. „[Tom Hooper, der Regisseur von Les<br />
Miserables] wollte nur eine Gewichtszunahme, aber wir waren der Meinung, dass<br />
diese Gewichtszunahme positiv sein sollte, hauptsächlich Muskeln und nicht nur<br />
Fett,“ erklärt Kingsbury. „also konzentrierten wir uns darauf, dass <strong>Hugh</strong> sich sehr<br />
bewusst und sehr gesund ernährte, aber große Mengen aß, um innerhalb dieses<br />
Zeitraums die Muskelmasse zu vergrößern.“ Darüber hinaus begann <strong>Jackman</strong> <strong>mit</strong><br />
dem Workout, das ihm die beste Form seiner Karriere bescherte (siehe dazu Seite<br />
113, „Jacked Man“) und setzte den Ernährungsplan in die Tat um, den ihm The<br />
Rock verordnet hatte. Kingsbury nennt das eine „Kohlehydratzyklusdiät“: „An den<br />
Tagen, an denen wir <strong>mit</strong> Gewichten trainieren, aß er Kohlehydrate, und an Tagen<br />
ohne Gewichttraining nahm er nur wenig Kohlehydrate zu sich, dafür aber mehr<br />
Fette, wie Avocados, Nüsse und Körner. Auf diese Weise bekam <strong>Hugh</strong> immer noch<br />
die Kalorien, aber nicht so viele Kohlehydrate.“ Mit diesem rotierenden Verfahren<br />
erhält er ausreichend Brennstoff für<br />
sein Training, hat aber außerdem<br />
Zeiten, zu denen sein Insulinspiegel<br />
so niedrig ist, dass sein Körper mehr<br />
Fett verbrennen kann.<br />
<strong>Jackman</strong>s Auftreten und seine<br />
Hingabe an seine Kunst sind, wie<br />
es scheint, die eines Mannes, der<br />
sich wortwörtlich selber aufgebaut<br />
hat. Zum Abschluss frage ich den<br />
offensichtlichen Self-Made-Mann,<br />
„Sei einfach<br />
ehrlich zu dir<br />
selber über das,<br />
was du willst<br />
und warum du<br />
es willst.“<br />
welchen Rat er unseren Lesern<br />
geben kann. Seine Antwort lautet:<br />
„Was auch immer dein Traum ist,<br />
wie auch immer dein Ziel lautet, das<br />
ist nur ein Bruchteil des Erfolges.<br />
Jeder hat einen Traum und vielleicht<br />
glaubst du, dass du es mehr willst, als<br />
alle anderen, aber das stimmt nicht.<br />
Jeder wünscht sich das, was er will,<br />
<strong>mit</strong> aller Macht. Der Unterschied ist,<br />
ob man bereit ist dafür zu tun, was nötig ist, um es zu erreichen. Darum sollte das,<br />
was du tust, auch das sein, was du wirklich willst.“<br />
Und zu dem Thema netter Kerl von Nebenan…<br />
„Als Schauspieler war ich immer der Überzeugung, dass jegliche Art von<br />
Schubladendenken unser Feind ist.“ sagt <strong>Jackman</strong>. „Ich wurde dazu erzogen,<br />
anderen Menschen <strong>mit</strong> Respekt zu begegnen. Also ist es sicherlich leichter für<br />
mich, höflich und respektvoll zu den Leuten zu sein, als mich wie ein Arschloch<br />
aufzuführen. Wenn ich zum Beispiel <strong>mit</strong> meiner Familie die Straße entlang gehe und<br />
der 29. an diesem Tag bittet mich, <strong>mit</strong> ihm für ein Foto zu posieren, und ich sage:<br />
‚Keine Fotos, Hau ab!‘ würde ich die nächste Stunde da<strong>mit</strong> zubringen, zu<br />
denken, dass ich das nicht hätte sagen sollen. Wenn ich dagegen entweder sage:<br />
‚Klar, kein Problem!‘ oder ‚Schauen sie, ich bin <strong>mit</strong> meiner Familie unterwegs,<br />
aber es ist nett, dass Sie gefragt haben.‘ und dann weitergehe, ist das viel leichter<br />
für mich. Es ist eine Mischung aus meiner Erziehung und daraus, dass ich kein<br />
Wichser bin.“<br />
Jetzt im Kino: <strong>Wolverine</strong> - Weg des Kriegers<br />
56/SEPTEMBER 2013/mensfitness.de