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„Wach auf, Welt!“<br />
Obwohl ihr Titel so klingen mag, hat A Collection of Blech- und Hausmusik<br />
von Polarlicht 4.1 zum Glück mit der gezwungen-familiären Hausmusik<br />
der Beimers aus der Lindenstraße überhaupt nichts am Hut. Vielmehr ist sie<br />
eine gelungene Kollektion alter und neuer Stücke, Gemeinschaftsarbeiten<br />
und Remixe, welche sich im Laufe der Jahre angesammelt haben. „Der<br />
Grund, warum die ganz alten Titel noch nicht veröffentlicht wurden, liegt<br />
darin, dass sie auf frühere Alben nicht so gut gepasst hätten und ich sie auch<br />
erst einmal mit neuerer Technik restaurieren musste, da es ohne Computer<br />
gemachte Aufnahmen sind“, erläutert Mastermind Ronny Jaschinski.<br />
Jetzt könnte man natürlich unterstellen, ihm fehlten Ideen für frische<br />
Tracks, jedoch: „Wäre ich nicht umgezogen und hätte die Kisten voller<br />
Material noch mal angehört, wäre mit Sicherheit ein ganz anderes Album<br />
entstanden. Einige Songs finde ich sogar heute viel besser als früher, weil<br />
sie aus der wilden Zeit stammen. Polarlicht 4.1 gibt es nun auch bereits seit<br />
über 13 Jahren. Manche hauen da schon ein Greatest Hits oder ein Cover-<br />
Album raus, was ein Industrial-Musiker ja nicht unbedingt möchte“, lacht<br />
Ronny und ist gewiss, dass sich das Restaurieren gelohnt hat, „auch wenn<br />
man an der einen oder anderen Stelle hört, dass die Songs vielleicht nicht so<br />
perfekt klingen, wie sie es heute mittels neuer Technik täten“.<br />
Auf A Collection of Blech- und Hausmusik überwiegen rein instrumentale<br />
Stücke. Verspürt man denn als Künstler kein Bedürfnis, die Geschichten<br />
im eigenen Kopf auch mit Worten und nicht allein durch Sounds zu<br />
beschreiben? „Samples sind ja Worte in dem Sinne, und im Industrial bin<br />
ich einer, der im Vergleich zu anderen Projekten recht viel Text hat. Es<br />
kann aber eine Geschichte oder Aussage auch rein instrumental oder mit<br />
Samples erzählt werden. Nimm zum Beispiel Zoran’s Equation (2011) mit<br />
Flint Glass – das war instrumental, und es ging um das Buch La Nuit des<br />
temps von René Barjavel. Ein Maler benutzt auch nur seine Farben und<br />
sein Bild und hängt selten eine Erklärung daneben oder spricht etwas auf<br />
Band dazu.“ Besonders viele Worte in Form von Samples sowie den Beweis,<br />
dass Industrial eine Aussage haben kann, bietet das hörspielartige DAS<br />
ENDE, wobei sich Ronny auf keinen speziellen Schluss festlegen lassen<br />
will. „Der Song kann sich um unser aller Ende drehen, aber ebenso auch<br />
nur um meines oder das Ende der Welt... oder er kann einfach eine kleine<br />
Abrechnung mit dem System, in dem wir uns befinden, sein. Wach auf,<br />
Welt!“<br />
www.polarlicht41.de<br />
Lars Schubert<br />
Discographie (Alben):<br />
Industrielle Hypnose (2003)<br />
Drittklangträger (2006)<br />
Famos (2008)<br />
„Ich bin mit Punk<br />
großgeworden und habe<br />
ihn sterben sehen...“<br />
Klischees sind so eine Sache – einmal etabliert, stehen sie dem Betrachter<br />
doch recht oft einfach nur im Weg. Wer allerdings vermutet, dass es in<br />
Köln wohl ziemlich schwierig ist, mit Post Punk und Gothic Rock zu<br />
landen, liegt laut Gitarrist Marten Bijkerk gar nicht so falsch. „In Köln<br />
und überhaupt im Rheinland ist es in der Tat sehr schwierig, ein Bein<br />
auf den Boden zu bekommen, wenn man Musik macht, wie wir es tun.<br />
Es gibt eine Menge Klischees über Köln, aber ich glaube, das Problem<br />
liegt eher darin, dass wir in unserer Stadt einen viel größeren Markt<br />
für augenscheinlich modernere Stilrichtungen haben. An einer solchen<br />
Entwicklung hatte auch eine Institution wie die Popkomm erheblichen<br />
Anteil, wenngleich Köln damals noch nicht zur Medienstadt erklärt<br />
worden war.“<br />
Um bei Stereotypen zu bleiben: Den Sound von So close ...so far verbindet<br />
eigentlich wenig mit den lebenslustigen Kerlen, die sich auf den<br />
Bandphotos präsentieren? „Ich persönlich habe nie viel von irgendwelchen<br />
Klischees gehalten. Auch die viel beschriebene Depression ist doch in den<br />
meisten Fällen eher inszeniert. Ich denke, man kann auch melancholische<br />
oder meinetwegen düstere Musik mögen, ohne ständig Trübsal zu blasen.<br />
Mit Lotus Feed gehen wir mit sehr viel Spaß an die Sache ran und haben<br />
auch kein Problem, das visuell zu transportieren. Trotzdem erhalten wir<br />
uns bei allem natürlich eine gewisse Ernsthaftigkeit. Insofern machen<br />
wir ein kleines Zugeständnis an diese Form des Rollenverständnisses<br />
innerhalb einer Szene, obwohl wir uns aber nicht als Protagonisten einer<br />
ganz bestimmten Nische sehen.“<br />
Egal welcher Szene man sich zugehörig fühlt, ob man Post Punk, Gothic<br />
Rock oder schlicht gute Musik mag, das neue Album bietet von allem<br />
etwas und sollte Marten zufolge allen, „die ähnlich nostalgieverliebt sind<br />
wie wir, gut gefallen und im Idealfall Begeisterung auslösen“. Wenn<br />
man dann „noch einen Fuß tief in den Achtzigern hat, kann nichts<br />
schiefgehen. Es ist in der Tat so, dass wir einfach auf diese Musik stehen<br />
und auch zum Teil unsere musikalische Sozialisation in jener Zeit erfahren<br />
haben. Zumindest darf ich das für mich persönlich beanspruchen. Ich<br />
bin mit dem Punk Ende der Siebziger großgeworden, habe ihn sterben<br />
sehen und war mehr als glücklich, als kurz später Bands wie Killing Joke,<br />
Virgin Prunes, The Church oder The Sound auftauchten. Die generelle<br />
Stimmung war damals mehr als düster, und diese Bands lieferten den<br />
perfekten Soundtrack für jene Ära“, nennt Marten genügend Gründe,<br />
Lotus Feed zuzuhören.<br />
www.facebook.com/lotusfeed<br />
Lars Schubert<br />
Discographie (Alben):<br />
A different place (2011)<br />
So close ...so far (2013)<br />
Line-Up:<br />
Alexander Landsberg – Gesang<br />
Marten Bijkerk – Gitarre<br />
Lars Tellmann – Bass<br />
David Sielaff – Schlagzeug<br />
132- <strong>Orkus</strong>!