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„Ich sage: Leben lohnt sich.“<br />
(Oswald Henke)<br />
Die „Do it yourself“-Formation HENKE schätzt unkonventionelle Methoden. So gründete die Band ihr eigenes Label<br />
und ließ die Produktionskosten für das Zweitwerk Maskenball der Nackten von ihren Fans tragen. Frei nach dem<br />
berühmten Motto: „Weil ich es kann, weil ich es will.“ Warum das Album in keinem gewöhnlichen Studio eingespielt<br />
wurde (<strong>Orkus</strong>! berichtete) und welch positive Gesamtaussage Oswald hinter dieser Veröffentlichung sieht, erfährst Du<br />
im zweiten Teil unseres exklusiven Interviews.<br />
<strong>Orkus</strong>: Was war das Besondere daran, auf einem Bauernhof<br />
aufzunehmen?<br />
Oswald Henke: Es hat ein ganz eigenes Flair. Wenn du<br />
überlegst, welche Dramen oder schönen Sachen sich hier<br />
abgespielt haben könnten... Ich finde das interessanter, als in ein<br />
modernes, schlichtes Studio zu gehen.<br />
Tom Bola: Es ist eine gewisse Magie, und dann kommt der<br />
kreative Fluss.<br />
OH: Kreativität kommt ja irgendwoher – hat einen Ursprung.<br />
Benjamin Küfner: Aus dem Alltag völlig herausgerissen<br />
zu sein und zusammen auf einem Fleck zu sitzen. Es ist auch<br />
eine Magie, die innerhalb der Band geschieht. Dass man für den<br />
anderen greifbar und füreinander da ist.<br />
OH: Und dass man vom Gegenüber akzeptiert wird.<br />
Tobias Schäfer: Jeder will ja dem anderen mal über die<br />
Schulter schauen und wissen, was man gut kann. Wenn sich aber<br />
der Stefan zum zehnten Mal in die Klaviermelodie einmischt, ist<br />
irgendwann auch gut. (Gelächter)<br />
Stefan Söllner: Ach, komm...<br />
OH: Sie studieren beide Tontechnik, und dann gibt es<br />
Kompetenzgerangel. (Stefan und Tobias drucksen herum)<br />
TS: Um noch einmal darauf zurückzukommen: Es macht<br />
wirklich etwas aus, ob du an solch einem Ort bist oder in einem<br />
Industriegebiet. Es ist einfach das Umfeld.<br />
OH: Wie die Aufnahme zu Medea, die wir in der Scheune<br />
gemacht haben. Das ist etwas ganz Besonderes, und darauf muss<br />
man sich auch entsprechend vorbereiten – zum Beispiel, vorher<br />
zum Strand gehen.<br />
O: Die Vocals wurden allerdings nicht komplett in Ostfriesland<br />
aufgenommen, richtig?<br />
OH: Genau, Medea ist das einzige Lied, was komplett in<br />
Wittmund aufgenommen wurde. Das hat einfach mit der<br />
Signalerfassung in den Räumen zu tun, dass eben zu viel Raum<br />
aufgenommen wird, der nicht kontrollierbar ist. Aber da musst<br />
du einen Tontechniker fragen. Die restlichen Lieder wurden<br />
dann im Studio unseres Tontechnikers eingesprochen.<br />
O: Inwiefern habt ihr euch, verglichen mit eurem Debut,<br />
weiterentwickelt... oder: wo gibt es Parallelen?<br />
OH: Ein Album ist eine Bestandsaufnahme von dem, was eine<br />
Band gerade macht. Seelenfütterung war eine Findungsphase.<br />
Von der Grundidee war die Band ja nur auf zwei Jahre angelegt.<br />
Wir wollten alte Lieder noch einmal live auf die Bühne bringen,<br />
und die ersten Gigs bestanden auch nur aus bereits vorhandenem<br />
Material. Dann kam die Frage, ob man als Band weiterbestehen<br />
will. Daraus wurde dann HENKE, und so wurden auch eigene<br />
Stücke geschrieben. Wir mussten erst mal schauen, wo wir den<br />
gemeinsamen Nenner haben, weil die Jungs bisher überhaupt<br />
nichts mit der Gothic-Szene zu tun hatten – ich war der Einzige.<br />
Wir waren zuerst vorsichtiger und mussten gucken, ob wir uns<br />
überhaupt wohlfühlen. Ich würde behaupten, dass Maskenball<br />
der Nackten wesentlich stärker ist als das Debutalbum, weil die<br />
Stücke auch viel reifer geworden sind.<br />
BK: Die Stücke sind bewusster, und das Gesamtkonzept ist als<br />
Paket viel geschnürter. Wir wussten am Anfang nicht, wo unser<br />
Platz in der Szene ist, und ob die alten Fans von Oswald uns<br />
überhaupt aufnehmen, weil es ja ein ganz anderer Ansatz als<br />
Goethes Erben ist. Wir waren sehr unsicher am Anfang, wie wir<br />
ankommen und ob das Ganze funktionieren würde. Im Großen<br />
und Ganzen waren wir dann aber hinsichtlich der Akzeptanz<br />
sehr zufrieden.<br />
O: ... die sich nicht zuletzt darin zeigte, dass das mit den<br />
Unterstützerpaketen so prima geklappt hat.<br />
TS: Genau! Unser Fazit ist, dass wir den Sprung ins kalte Wasser<br />
wohl echt gut gemanaget haben.<br />
O: Was denkt ihr denn, wie groß die Schnittmenge zwischen<br />
Goethes Erben- und HENKE-Fans ist?<br />
OH: Ich finde, dass die Musik von HENKE wesentlich greifbarer,<br />
begreifbarer und auch zugänglicher ist. Goethes Erben war<br />
Musik, die musste man anhören, und man musste sich darauf<br />
konzentrieren. Zeitmemory, die erste Singleauskopplung, ist zum<br />
Beispiel ein Stück, das kannst du hören, und es funktioniert,<br />
ohne dass du jedes Wort wahrnehmen musst. Vergleich’ doch<br />
dieses Stück mit beispielsweise Abseits des Lichtes oder Iphigenie.<br />
Das sind Lieder, die ja nicht in der Art songorientiert sind.<br />
TB: Goethes Erben war mehr Musiktheater.<br />
OH: Ja, das trifft es. Und jetzt ist es Musik. Eine Band.<br />
BK: Auch von den Songstrukturen.<br />
OH: Die Musik hat an Gewicht gewonnen, ohne dabei<br />
dem textlichen Inhalt oder der Wertigkeit des Textes etwas<br />
wegzunehmen. Goethes Erben war ein Solotanz, und HENKE<br />
ist ein Paarlauf.<br />
O: Ich schwenke jetzt leicht um, wobei das Thema doch<br />
recht verwandt ist: Inwieweit fühlst du dich für deine Fans<br />
verantwortlich?<br />
OH: Ich nehme diese Verantwortung wahr und auch sehr<br />
ernst und bin da sehr vorsichtig geworden. Für mich ist es<br />
manchmal sehr schwierig, die Wirkung einzuschätzen. Zum<br />
Beispiel sagtest du, dass Fernweh ist ziemlich psychotisch auf<br />
dich wirkt – finde ich persönlich gar nicht. Ich habe eine ganz<br />
34 - <strong>Orkus</strong>!