Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Das Leben ist zu kurz,<br />
um nicht zu sagen, was man denkt.“<br />
Jeder hat seine Dämonen. Und jeder hat seine<br />
Methode, mit ihnen fertigzuwerden – lieben,<br />
zerstören oder ihnen in Form von Musik<br />
ein Gesicht geben. Welche Methode Claus<br />
Larsen gewählt hat, ist wohl ebenso klar wie<br />
die Tatsache, dass wir seinen Dämonen nicht<br />
ins Antlitz schauen möchten, wenn man auf<br />
sein düsteres Schaffen der letzten Jahrzehnte<br />
zurückblickt. „Natürlich ist Musik ein<br />
Katalysator. Vor allem instrumentale Stücke,<br />
wie aktuell auf Serenade for the dead II, entstehen<br />
meist in Phasen des Selbstzweifels und erzählen<br />
die Geschichte meines lebenslangen Kampfes<br />
gegen Depressionen“, bekennt Claus gewohnt<br />
offen. Jetzt würde man doch annehmen, dass<br />
es hilft, sich die Dinge von der Seele zu reden,<br />
nicht umsonst boomt das Geschäft mit der<br />
Psychotherapie. Reine Instrumentaltracks<br />
muten da in etwa so produktiv an wie<br />
45-minütiges Schweigen auf der Couch<br />
eines Seelenklempners. „In den Perioden der<br />
Dunkelheit spüre ich einfach keine Worte.<br />
Urplötzlich ist dieses Gefühl da, und ich muss<br />
jede Sekunde damit rechnen, dass es mich<br />
überwältigt. Mit dem Alter habe ich jedoch<br />
einige Möglichkeiten gefunden, mein inneres<br />
Licht zurückzuholen, und das Komponieren<br />
von Musik ist für mich der beste Weg. Schon<br />
erstaunlich, was Klänge und Melodien für die<br />
Geistesverfassung tun können.“<br />
Serenade for the dead II ist also in gewisser<br />
Weise eine Vertonung von Claus Larsens<br />
Dämonen. Wenn es darum geht, hierzu einen<br />
realen Film zu bestimmen, hat er mit Lars<br />
von Triers Antichrist gleich den passenden<br />
Titel parat. „Es sind die Art der Regie und<br />
die Story des Films, die wirklich zu meiner<br />
Musik passen würden. Antichrist kann ich mir<br />
aber bloß sehr selten anschauen, weil mich<br />
viele der Szenen an meine eigenen Albträume<br />
erinnern. Andererseits muss man sich seinen<br />
Ängsten stellen, will man nicht von ihnen<br />
aufgefressen werden.“ Dazu gehört auch, ganz<br />
offen mit ihnen umzugehen... weniger, um<br />
ins Rampenlicht zu treten, sondern vielmehr,<br />
um mit sich selbst im Reinen zu sein: „Ich<br />
habe nichts zu verbergen. An dem Tag, an<br />
welchem ich mich als homosexuell geoutet<br />
habe, habe ich mir gleichzeitig geschworen,<br />
auch weiterhin über meine Gefühle, Sexualität<br />
und meinen Kampf gegen die Depression zu<br />
sprechen. Wahre Kunst kommt aus der tiefsten,<br />
hintersten Ecke unserer Seele, und da kann es<br />
nur hilfreich sein, sich nicht zu verstellen. Das<br />
Leben ist einfach zu kurz, um nicht zu sagen,<br />
was man denkt. Ich hätte mir bloß gewünscht,<br />
dass mir das bereits in meiner Kindheit erzählt<br />
worden wäre. Neben der Tatsache, dass dieses<br />
Versteckspiel Geist und Körper krank macht,<br />
zieht es auch noch schlechte Menschen an wie<br />
ein Magnet.“<br />
Serenade for the dead II zieht hoffentlich<br />
nur gute Menschen (mit einem Hang zum<br />
Dramatischen und Unheilvollen) an. Ganz<br />
so selbstverständlich ist das allerdings nicht,<br />
bedeutete doch Serenade for the dead 1994<br />
nicht bloß einen stilistischen Bruch, sondern<br />
auch einen Knick für Leæther Strips Karriere,<br />
da viele Fans schlicht ein bisschen überfordert<br />
waren. „Rückblickend erscheint das seltsam,<br />
denn Serenade for the dead ist nach Solitary<br />
Confinement das meistverkaufte Leæther Strip-<br />
Album. Durch den Titel wollte ich die Hörer<br />
einfach vorwarnen. Eigentlich habe ich schon<br />
lange vor Leæther Strip Instrumentalmusik<br />
komponiert, und wer mich kennt, weiß,<br />
dass mein Geschmack breit gefächert ist und<br />
ich mich ungern festlegen lasse. Natürlich<br />
trete ich dabei dem einen oder anderen auf<br />
die Zehen, aber zum Glück wird ja niemand<br />
gezwungen, meine Musik anzuhören. Selbst<br />
ich bin zu Beginn eines Albums nicht sicher,<br />
wie es am Ende klingen wird, weil die Welt<br />
der Sounds nun mal grenzenlos ist. Das<br />
ist auch der Grund, warum ich mir meine<br />
künstlerische Freiheit immer vertraglich habe<br />
garantieren lassen. Ich brauche sie, um mein<br />
volles Potenzial zu entfalten.“ Dass kreative<br />
Scherereien nicht immer sofort, aber – wie<br />
man an Claus sehen kann – oft zu einem guten<br />
Ende führen, bringt etwa Minion on a tightrope<br />
auf den Punkt: „Manchmal führt nur ein neuer<br />
und mitunter holprigerer Weg zur Lösung.<br />
Der Pfad, den andere bereits geebnet haben,<br />
ist nicht unbedingt der richtige Weg für jeden<br />
von uns.“<br />
www.facebook.com/LeaetherStrip<br />
Lars Schubert<br />
Discographie (Alben):<br />
The Pleasure of Penetration (1990)<br />
Science for the Satanic Citizen (1990)<br />
Solitary Confinement (1992)<br />
Underneath the Laughter (1993)<br />
Serenade for the dead (1994)<br />
Legacy of Hate and Lust (1995)<br />
The Rebirth Of Agony (1996)<br />
Self-Inflicted (1997)<br />
After the Devastation (2005)<br />
The Giant Minutes To The Dawn (2007)<br />
Civil Disobedience (2008)<br />
Ængelmaker (2009)<br />
Mental Slavery (2010)<br />
Serenade for the dead II (2013)