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Orkus! Depeche Mode (Vorschau)

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„Wir haben uns nicht gesucht und doch gefunden.“<br />

(Lupus Lindemann)<br />

Musik für Menschen mit Bärten – und solche, die es werden wollen. Mehr muss man über das Œuvre von Kadavar eigentlich gar<br />

nicht sagen. Endlich hat auch Deutschland seine große Retro Rock-Hoffnung, sein okkultes Vollbartphänomen, das sich auf dem<br />

Zweitwerk Abra Kadavar als Black Sabbath-Verehrer präsentiert. Das tun sie zwar irgendwie alle, selten jedoch so unprätentiös und<br />

lässig wie diese Berliner.<br />

<strong>Orkus</strong>: In puncto Bartlänge ist bei euch alles<br />

vertreten: von gepflegt gestutzt bis wuchernd<br />

lang. Warum seid ihr Bartträger?<br />

Tiger: Rasieren nervt.<br />

Lupus Lindemann: Aber echt! Und es ist<br />

einfach wärmer so.<br />

O: Seit wann seid ihr Bartträger?<br />

LL: Ich denke, seitdem mir Haare im Gesicht<br />

wachsen.<br />

T: Eigentlich hab’ ich schon immer irgendwas<br />

stehen lassen, früher an den Seiten, meistens<br />

auch unter der Nase, und seit etwa einem Jahr<br />

überall.<br />

O: Damit seid ihr nicht allein. Klassischer<br />

Retro/Occult Rock scheint ohne Bart<br />

undenkbar...<br />

T: Das halte ich für ein Gerücht, auch wenn es<br />

öfter bestätigt als widerlegt wurde. Aber dass<br />

jede Musikrichtung auch einen gewissen Look<br />

hat, ist ja nichts Neues.<br />

O: Gab es in den Sechzigern und Siebzigern<br />

prominente Bartträger, die euch beeindruckt<br />

haben?<br />

LL: Father Yod (Sänger von YaHoWha 13 –<br />

Anm.d.Verf.).<br />

T: Das ist jetzt schon die vierte Frage zu Bärten.<br />

Können wir mal über Mucke reden?<br />

O: Meinetwegen! Abra Kadavar verschweigt<br />

nicht, dass Black Sabbath Eindruck auf euch<br />

gemacht haben – auch Herrn Lindemanns<br />

Gesang gereicht einem jungen Ozzy durchaus<br />

zur Ehre. Was ist es an dieser Band, an jener<br />

Zeit, an jenem Stil, das euch so gefangen<br />

nimmt?<br />

T: Ich habe irgendwann dieses Live-Konzert<br />

von Black Sabbath gesehen. Paris, 1970. Das<br />

hat mich umgehauen. Zu der Zeit so eine rohe<br />

und energiegeladene Show zu bringen, war<br />

was Besonderes. Manchmal sind es auch die<br />

Bilder zur Musik, die den Unterschied machen.<br />

Danach habe ich die Platten von Black Sabbath<br />

jedenfalls anders wahrgenommen...<br />

LL: Es ist roh und es ist ehrlich und es ist<br />

nicht perfekt. Das macht es in meinen Augen<br />

zu etwas Besonderem. Es drückt in erster<br />

Linie Emotionen aus, das Technische kommt<br />

an zweiter Stelle. Die Jungs waren wild, wie<br />

übrigens viele andere Bands, die mich viel<br />

mehr beeinflusst haben. Aber der Sound von<br />

Black Sabbath ist einzigartig und so düster wie<br />

kaum ein anderer zu dieser Zeit.<br />

O: Natürlich liegt folgende Frage auf der<br />

Hand: Fehlt euch etwas in der modernen Welt?<br />

T: Die Welt ist nie perfekt, aber was mich<br />

hier gerade stört: dass alles so technikgestützt<br />

und darauf ausgelegt ist, leicht und mit<br />

möglichst wenig Gehirnaktivität Sachen<br />

erledigen zu können. Ich muss zugeben, dass<br />

wir selber auch mit Navigationssystem Auto<br />

fahren, auch besitze ich ein Smartphone.<br />

Man steckt ja irgendwie mit drin und nutzt<br />

die Vorteile. Aber bei der Musik versuchen<br />

wir, kompromisslos zu bleiben. Vor 40 Jahren<br />

gab es noch keine digitale Aufnahmetechnik,<br />

keinen Beat Detective und kein Auto-Tune.<br />

Wo diese Möglichkeiten noch nicht bestanden,<br />

um die Arbeit zu vereinfachen, war eine gute<br />

musikalische Leistung unabdingbar. Das ist<br />

heute anders.<br />

LL: Mir fehlen schon eine Menge Sachen in<br />

unserer modernen Welt. Ich hätte gerne diesen<br />

Universalübersetzer aus Raumschiff Enterprise.<br />

Dann kann man mit allen Menschen auf der<br />

Welt einfach losquatschen, und jeder versteht,<br />

was man sagen will. Wahnsinn. Oder das<br />

Hoverboard aus Zurück in die Zukunft. Das<br />

hat auch nie jemand auf die Reihe bekommen.<br />

Wenn wir das hätten, kämen wir meiner<br />

perfekten Welt ein gehöriges Stück näher.<br />

O: Zurück zum Retro-Boom: Es gibt<br />

erstaunlich wenige deutsche Bands in dem<br />

Metier – und das, obwohl dieses Land in den<br />

Sechzigern und Siebzigern mit dem Krautrock<br />

die Musikszene prägte. Wie erklärt ihr euch<br />

das?<br />

T: Der deutsche Mainstream sieht so was<br />

einfach nicht vor. In Schweden gewinnen<br />

Graveyard den „Grammy“, in Deutschland<br />

wäre es undenkbar, dass wir für einen „ECHO“<br />

nominiert werden. Andererseits gibt es ja<br />

eine Menge gute Bands in Deutschland, nur<br />

sind die größtenteils unter dem Radar. Der<br />

Experimentiergeist, der den Krautrockern<br />

weltweites Ansehen, wenn auch vielleicht<br />

nicht finanziellen Segen beschert hat, hat für<br />

das, was an deutschen Bands in den Charts ist<br />

oder was Majorlabels so signen, gar keine oder<br />

kaum eine Bedeutung. In anderen Ländern<br />

haben sich Leute davon inspirieren lassen und<br />

den Geist davon in die Pop-Musik getragen. In<br />

Deutschland ist es halt ein die ärzte covernder<br />

Heino, der die Charts anführt. Der coole Kram<br />

spielt sich dann logischerweise in kleineren<br />

Kreisen ab.<br />

LL: Ich denke, dass die deutsche Musikkultur<br />

seit Ende des Krieges unter einer Identitätskrise<br />

leidet. Wir haben nicht den Blues, wie ihn<br />

die Amerikaner hatten. Wir sind bekannt für<br />

unsere klassischen Komponisten, und das zu<br />

Recht, aber wir haben es nie geschafft, das<br />

Wissen und die Fähigkeiten für uns in unsere<br />

jetzige Zeit zu transportieren.<br />

O: Was eint euch drei? Welcher Bund besteht<br />

zwischen euch?<br />

T: Wir haben mittlerweile eine Menge<br />

zusammen erlebt. Ich glaube, das schweißt<br />

nach und nach mehr zusammen. Gemeinsam<br />

unterwegs zu sein und Konzerte zu spielen, das<br />

ganze Drumherum, Songs zu schreiben... eben<br />

etwas zu tun, was nicht nur stumpfe Arbeit ist.<br />

LL: Wir haben uns nicht gesucht und<br />

irgendwie doch gefunden. Es ist mittlerweile<br />

eine tiefe Freundschaft. Außerdem verfolgen<br />

wir dieselben Ziele.<br />

O: Jene Verbundenheit wird auch durch<br />

eure Pseudonyme offenbar. Lupus (Wolf),<br />

Mammut, Tiger... was hat es damit auf sich?<br />

Finden sich darin die Qualitäten des Albums,<br />

der Musik wieder?<br />

T: Klar, es gibt auf der Platte jede Menge<br />

Wolfsgeheule, Mammutstampfen und<br />

Klopfgeräusche von dem Tiger, der aus seinem<br />

Käfig ausbrechen will. Die Namen haben wir<br />

uns als eine Art animalisches Pendant zu uns<br />

gegeben, andererseits ist es aber auch nur die<br />

Vereinfachung, die man sich macht, wenn zwei<br />

Leute in der Band den gleichen Vornamen<br />

haben.<br />

O: Abschließend eine Frage in eigener Sache,<br />

die ganz gut zu den oben angerissenen Themen<br />

passt: <strong>Orkus</strong>! erschien als erstes Musikmagazin<br />

auch als eMagazine. Somit ist <strong>Orkus</strong>! auch im<br />

Dunkeln lesbar – auf dem Rechner zu Hause<br />

sowie am Tablet und Smartphone unterwegs.<br />

Praktisch, oder?<br />

T: Ich halte zwar momentan noch lieber Papier<br />

in der Hand, aber das ist wahrscheinlich<br />

die Zukunft. Und wenn man dann noch die<br />

passende Kerzenlicht-App dazu hat, kommt<br />

sogar eine richtig romantische Stimmung auf.<br />

LL: Wahnsinn! Könnt ihr mir auch mit dem<br />

Hoverboard helfen?<br />

www.nuclearblast.de/kadavar<br />

Björn Springorum<br />

Discographie (Alben):<br />

Kadavar (2012)<br />

Abra Kadavar (2013)<br />

Line-Up:<br />

Lupus Lindemann – Gesang, Gitarre<br />

Mammut – Bass<br />

Tiger – Schlagzeug<br />

<strong>Orkus</strong>! - 77

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