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Opitz Spitzen<br />
Imma rin in die Fijur ...<br />
von Opitz Spitzen<br />
… sagte der Berliner Taxifahrer irgendwann in den 60ern einem<br />
aus einer Konditorei ab<strong>zu</strong>holenden Herrn, dessen Möglichkeit,<br />
seine Schuhspitzen von oben <strong>zu</strong> betrachten, bereits <strong>zu</strong><br />
nahe<strong>zu</strong> 100% eingeschränkt war. Was den nicht hinderte, noch<br />
ein prachtvolles Stück Bienenstich „auf der Hand“ im Weggehen<br />
<strong>zu</strong> sich <strong>zu</strong> nehmen.<br />
Das war früher eigentlich ein Unding. Man aß nicht im Gehen<br />
und man rauchte nicht auf der Straße. Keine ganz blöden Sitten.<br />
Das mit dem Rauchen geht heute nur noch auf der Straße.<br />
Doch im Gehen, Stehen, Sitzen oder Liegen soll man, egal<br />
ob drinnen oder draußen, alle naselang etwas <strong>zu</strong> sich nehmen.<br />
Was ist da los?<br />
Von der Milchschnitte bis <strong>zu</strong>m Marsriegel reicht die Skala dessen,<br />
was wir – ginge es nach der Lebensmittelindustrie – möglichst<br />
im Halbstundentakt uns in die Magen-Darm-Container<br />
reinpfeifen sollen. Das Kalkül ist einfach: Je kleiner die Dinge<br />
portioniert werden, desto größer ist der mit ihnen in ihrer Gesamtheit<br />
<strong>zu</strong> erzielende Umsatz, entsprechenden Absatz einmal<br />
vorausgesetzt. Daher ist die Werbung voll von Büromenschen,<br />
die einen Plastikbecher neben dem Laptop stehen haben, in welchem<br />
das Wunder gelingt, durch Zugabe von heißem Wasser<br />
aus trockenem Bröselkram Spaghetti Carbonara <strong>zu</strong> destillieren.<br />
Oder Karrierefrauen/Karrierekerle kauen im Fitnessstudio auf<br />
irgendeiner Joghurtverheißung rum, Wasserfl asche immer an<br />
der Frau/am Mann. Kinder, die inzwischen Kids heißen, laufen<br />
nach jedem Schwächeanfall beim nachmittäglichen Spielen<br />
<strong>zu</strong> Mami und kriegen geschmacksgenormte Kleinteile in<br />
die Münder geschoben, mal mehr Bio, mal mehr Junk-Food.<br />
Gegen den Snack ist eigentlich nichts <strong>zu</strong> sagen. Auf mittelhochdeutsch<br />
hieß der noch inbiz und damit war alles das gemeint,<br />
was man nicht <strong>zu</strong> Tische sitzend verzehrte,<br />
sondern<br />
auf dem Pferderücken oder am Waldrand<br />
hingelümmelt. Der Snack kam in<br />
den 60ern nach Deutschland, aber der<br />
Pausensnack in der Schule setzte sich erst<br />
in den 90ern durch. Solange hielt das Pausenbrot<br />
durch. Den Leberkässnack als Wort<br />
kriegte ich in Form eines bis dato ehrwürdigen<br />
LKW (Leberkäswecka) jedenfalls<br />
<strong>zu</strong>m ersten mal Anfang der 2000er<br />
im Allgäu von einem Metzger<br />
angeboten. Snack<br />
hin, Imbiss her:<br />
Kulinarisch interessant sind 3 Fragen.<br />
1. warum überhaupt, 2. was und<br />
3. wie oft. Dass, 1., ein kleiner Durchhänger<br />
tagsüber mit einem Snack weggeht,<br />
steht außer Frage. Damit kommt 2.<br />
z.B. der Apfel ins Rollen. Es gibt kein<br />
anderes Lebensmittel, welches dermaßen<br />
tapfer den unbekleideten Transport<br />
in einer Aktentasche übersteht und darüber<br />
hinaus einigermaßen sinnvolle<br />
Nahrungs<strong>zu</strong>fuhr leistet. Bei 3. aber<br />
wird es ideologisch: Die Lebensmittelindustrie<br />
will ihr Snackszeugs loswerden<br />
und arbeitet deswegen mit allen Tricks darauf<br />
hin, uns <strong>zu</strong> 10-Minuten-Intervallsnackern <strong>zu</strong><br />
trimmen. Die Ernährungsberater predigen Äpfel und<br />
Bananen. Ich plädiere dafür, Essen & Trinken nicht als Überlebensprogrammatik<br />
<strong>zu</strong> defi nieren, sondern auch als angenehmen<br />
Teil des Soziallebens. So betrachtet sieht der Snack ganz<br />
schön doof aus.<br />
02 | 2014 lebensart 49