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CD REVIEWS Jazz & World <strong>Music</strong><br />
DIRTMUSIC<br />
LION CITY<br />
Im Sommer 2013 veröffentlichten Dirtmusic,<br />
das World-Projekt von Chris Eckman<br />
(<strong>The</strong> Walkabouts) und Hugo Race (<strong>The</strong><br />
Bad Seeds), das eher mittelmäßige Album<br />
TROUBLES. So ließ die Ankündigung<br />
eines Nachfolgers mit Aufnahmen, die<br />
während derselben Studiosessions in Bamako,<br />
Mali, entstanden, wenig aufhorchen.<br />
Aber siehe da: LION CITY entpuppt sich<br />
– was bei nachträglich her ausgebrachten<br />
Outtakes selten der Fall ist – als das sehr<br />
viel bessere Album! Lieferte TROUBLES<br />
meist mono<strong>to</strong>nen Riffrock mit westafrikanischer<br />
Einfärbung, knüpft der Nachfolger<br />
an frühere Qualitäten an. Was in<br />
erster Linie daran liegt, dass die malischen<br />
Gastmusiker (Ben Zabo, Samba Touré<br />
u.a.) diesmal viel besser integriert und die<br />
Stücke offener für neue aufregende Sounds<br />
und experimentelle Elektronik sind.<br />
(Glitterbeat/Indigo, 2014, 11/44:23) frs<br />
FRANK SINATRA<br />
POINT OF NO RETURN<br />
1962 war kein günstiges<br />
Jahr, um ein<br />
Album mit einem<br />
Orchester aufzunehmen.<br />
Rock’n’Roll<br />
und der beginnende<br />
Beat<br />
dominierten<br />
den Musikmarkt, kt und ein Sänger mittleren<br />
Alters war sicherlich kein Verkaufsargument<br />
– außer, er hieß Frank Sinatra.<br />
Von Alex S<strong>to</strong>rdahls Arrangements optimal<br />
unterstützt, singt „Frankie-Boy”<br />
romantische und ruhige, langsame Titel<br />
wie “I’ll Remember April”, den “September<br />
Song” (von Kurt Weill), “<strong>The</strong>se<br />
Foolish Things (Remind Me Of You)”<br />
oder “As Time Goes By”. POINT OF NO<br />
RETURN ist ein perfektes Album für die<br />
Rotwein-Stunden, entrückt, sanft und<br />
wunderschön altbacken. Das Remastering<br />
von Mobile Fidelity klingt herrlich<br />
warm und sehr räumlich, so dass der Hörer<br />
den Eindruck erhält, er säße in einem<br />
Konzertsaal.<br />
(MFSL/Sieveking Sound,<br />
1962, 12/39:27) at<br />
THE GLOAMING<br />
THE GLOAMING<br />
Wer meint, dass Irish Folk immer gleich<br />
klingt, sollte sich mal die noch junge<br />
irisch-amerikanische Band <strong>The</strong> Gloaming<br />
anhören. Das Quintett um den Fiddlespieler<br />
Martin Hayes und den Sänger Iarla Ó<br />
Lionaird (der schon in der Formation Afro<br />
Celt Sound System mitwirkte) führt die<br />
Musik Irlands in völlig neue Richtungen.<br />
Auch Peter Gabriel fand Gefallen an der<br />
Combo und nahm sie für sein Label Real<br />
World unter Vertrag. Die Musik auf dem<br />
unbetitelten Debütalbum basiert zwar<br />
meist auf traditionellen Songs, Jigs und<br />
Reels. Doch diese werden mit Elementen<br />
der Klassik, Avantgarde und Kammermusik<br />
angereichert, entschleunigt und<br />
in andere Sphären überführt. Das klingt<br />
ä<strong>the</strong>risch, mystisch und geheimnisvoll.<br />
Besonders deutlich wird das bei dem<br />
enigmatischen Opener “Song 44”, der<br />
auf einem rund 800 Jahre alten gälischen<br />
Gedicht beruht, sowie dem 16-minütigen<br />
“Opening Set”, das sich von einem meditativen<br />
Adagio bis hin zu einem treibenden<br />
Furioso entwickelt.<br />
(Real World/Indigo, 2014,<br />
10/59:56) frs<br />
NICK WOODLAND<br />
THE BEACON<br />
Als Studiomusiker<br />
für so unterschiedliche<br />
Acts wie <strong>The</strong><br />
Clash, Boney M.<br />
und Donna Summer,<br />
auf Tour mit<br />
Musikern wie Marius<br />
Müller-Westernhagen, Georg Ringsgwandl<br />
und Herbie Mann: Nick Woodland<br />
muss niemand mehr etwas beweisen. Aus<br />
dieser komfortablen Position heraus veröffentlicht<br />
der in München lebende britische<br />
Gitarrist und Sänger ziemlich regelmäßig<br />
eigene Alben voller feiner Musik im Grenzgebiet<br />
zwischen Rock, Jazz und Blues. Für<br />
das Mitte Februar veröffentlichte THE BEA-<br />
CON griff er auf die bewährten Musiker<br />
zurück, mit denen er seit einiger Zeit auch<br />
live unterwegs ist. Sowohl auf der Bühne<br />
als auch im Studio zeigen sich Klaus Reichardt<br />
(keys, pedalsteel, voc), Tom Peschel<br />
(b, voc) und Manfred Mildenberger (dr) als<br />
klasse Begleitband, die ihrem Chef bei seinen<br />
allesamt selbst geschriebenen Songs ein<br />
ums andere Mal den idealen instrumentalen<br />
Background für seine virtuose Slidegitarre<br />
und seinen lässigen Gesang liefern.<br />
(Downhill Records/Galileo <strong>Music</strong><br />
Communication, 2014, 12/52:57) us<br />
HANDS ON STRINGS<br />
PROMETHEUS<br />
Das deutsche Duo Hands On Strings hat sich<br />
in der internationalen Akustikgitarrenszene<br />
längst einen guten Namen gemacht. Mit<br />
PROMETHEUS legen Thomas Fellow und<br />
Stephan Bormann ihr mittlerweile viertes<br />
Album vor. Die beiden Gitarristen lassen<br />
u.a. Jazz, Klassik, Bossa und Flamenco in<br />
ihre Stücke einfließen. Ihr (klang-)farbenreiches<br />
Spiel zielt weniger auf Schnelligkeit<br />
à la Al Di Meola ab denn auf emotionale<br />
Tiefe – wenngleich die beiden auch äußerst<br />
flinke Virtuosen sind. Bei Hands On Strings<br />
weiß man nie, wohin die Reise auf Nylonund<br />
Stahlsaiten geht, so fantasievoll ist die<br />
Klanghexerei. Es kann mal ein groovender<br />
Rembetiko-Blues (“Prome<strong>the</strong>us”) werden,<br />
ein hüpfender Bossa (“It Rains In 7/4”),<br />
ein cooler Bar-Jazz (“Joshua”) oder humorvoll,<br />
wenn etwa das Duo die Latin-Dance-<br />
Popnummer “Conga” von Miami Sound<br />
Machine (feat. Gloria Estefan) stilistisch<br />
uminterpretiert.<br />
(Heart/inakustik, 2014,<br />
10/48:45) frs<br />
THE GIORA FEIDMAN JAZZ<br />
EXPERIENCE<br />
KLEZMER MEETS JAZZ<br />
Mit dem Cellisten Stephan Braun, dem<br />
Bassisten Guido Jäger und dem Gitarristen<br />
Reentko Dirks hat Giora Feidmann,<br />
Klarinettist und einer der populärsten<br />
Vertreter jiddischer Volksmusik, adäquate<br />
Mitstreiter gefunden, die ihn bei seinen<br />
Experimenten unterstützen. Auf dem<br />
aktuellen Album kreiert er eine Fusion<br />
aus seinem individuellen, manchmal ein<br />
wenig schwermütigen Stil und jazzigen,<br />
swingenden Rhythmen und Harmonien.<br />
Ob es nun Eigenkompositionen sind (“In<br />
This Life”) oder neu arrangierte Klassiker<br />
(zum Beispiel George Gershwins “Somebody<br />
Loves Me”) – Feidman spielt seine<br />
Solos mit einer unerwarteten Leichtigkeit,<br />
die verblüfft und anregt. Ein innovatives<br />
Album kompetenter Musiker. Und wer die<br />
Band live erleben möchte, hat im August<br />
noch einige Gelegenheiten, denn dann<br />
wird ihre Winter<strong>to</strong>urnee fortgesetzt.<br />
(Pianissimo Musik/edel,<br />
2014, 17/50:14) at<br />
TONY BENNETT<br />
THE CLASSICS<br />
Tony Bennett selbst<br />
war für die Auswahl<br />
der 20 Songs verantwortlich,<br />
die jetzt<br />
zusammen als THE<br />
CLASSICS<br />
veröffentlicht<br />
werden.<br />
Auf zwei Dinge hat er bei diesem Album<br />
besonderen Wert gelegt: Erstens mussten<br />
die Vorlagen wirklich so zeitlos gut sein,<br />
um in seinen Augen zu Recht das Prädikat<br />
„klassisch” zu tragen, zweitens hat er<br />
darauf geachtet, dass die Aufnahmen mit<br />
möglichst viel „Live-Atmosphäre” daherkommen.<br />
Auffallend dabei, dass knapp<br />
über die Hälfte der ausgewählten Stücke<br />
Duette sind, dass neben seinen Solohits<br />
wie “Because Of You”, “<strong>The</strong> Good<br />
Life” und “I Left My Heart In San Francisco”<br />
auch Kollegen wie Ray Charles<br />
(“Evenin’”), Frank Sinatra (“New York,<br />
New York”), Amy Winehouse (“Body<br />
And Soul”), Lady Gaga (“This Lady Is A<br />
Tramp”) oder Barbra Streisand (“Smile”)<br />
zum Zuge kommen.<br />
(Columbia/Sony <strong>Music</strong>, 2014,<br />
20/65:24) us<br />
NDIDI<br />
DARK SWING<br />
Ndidi Onukwulu ist kein Neuling in der<br />
Jazz-Popszene. Bereits Anfang 2006 veröffentlichte<br />
die Kanadierin mit nigerianischem<br />
Vater und deutscher Mutter ihr<br />
erstes Album NO I NEVER. Mit DARK<br />
SWING präsentiert sie nun ihre vierte CD<br />
und beweist, dass sie auch nach acht Jahren<br />
im Business immer noch gewillt und<br />
befähigt ist, Musik auf hohem Niveau zu<br />
liefern. Die elf Songs bieten durchweg<br />
gleichwertige Qualität ohne Ausfall. Wer<br />
Norah Jones mag und Ndidi noch nicht<br />
kennt, kann mit ihr einen weiteren Stern<br />
am Pop-Jazzhimmel entdecken. Doch<br />
ist die Kategorisierung ihrer Musik nicht<br />
ganz so einfach, denn auch Blueselemente,<br />
Country und Gospel sind darin enthalten.<br />
Bei den meisten Songs hat Ndidi als Au<strong>to</strong>rin<br />
mitgewirkt. Sie beweist darüber hinaus<br />
Geschmack und Geschick mit ihrer<br />
Cover-Version von “Sugar Man” von Six<strong>to</strong><br />
Rodriguez, der durch den Dokumentarfilm<br />
„Searching For Sugar Man” späte Berühm<strong>the</strong>it<br />
erlangte. Auch mit ihrer erdigwarmen<br />
Stimme überzeugt die Künstlerin<br />
auf ganzer Linie. Schön, dass im Zeitalter<br />
der schnellen Massenproduktionen noch<br />
ein so liebevolles Kleinod erfreuen kann.<br />
(Emarcy/Universal, 2014,<br />
11/44:39) p<br />
Seite 56 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2014 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
DOMINIC MILLER<br />
AD HOC<br />
Der amerikanische Gitarrist Dominic<br />
Miller kann auf eine lange Liste von Engagements<br />
zurückblicken. Neben Tina<br />
Turner, Manu Dibango und <strong>The</strong> Chieftains<br />
hat er sich besonders bei Sting<br />
einen erstklassigen Ruf erarbeitet. Sein<br />
aktuelles Album wurde – wie der Titel<br />
schon sagt – aus der Situation heraus<br />
in Köln aufgenommen, womit ein lebendiger<br />
Klang gewährleistet ist. Auf<br />
AD HOC bewegt sich Miller mühelos<br />
zwischen den verschiedensten Genres,<br />
bringt stimmungsvollen und verträumten<br />
Ethno-Jazz (“Scirocco”), an die 80er<br />
Jahre erinnernden Jazz (“Shavasana”),<br />
gefühlvolle Gitarrensongs (“Tisane”)<br />
und rhythmisch ausgefeilten Ethno-Rock<br />
(“Moroccan Rolls”). Obwohl er beeindruckende<br />
Gitarrenarrangements liefert,<br />
setzt Miller sein Instrument im Kontext<br />
ein, was zu einem runden Klangbild<br />
führt. Ein sehr reifes Album.<br />
(Q-rious/edel, 2013, 10/37:59) at<br />
ANDY SUMMERS<br />
SYNAESTHESIA<br />
Andy<br />
Summers,<br />
bekannt<br />
geworden<br />
als innovativer Gitarrist<br />
von <strong>The</strong> Police,<br />
<strong>to</strong>bte sich spätestens<br />
nach dem<br />
Ende der Supergruppe<br />
Mitte der 80er Jahre als Solist aus.<br />
SYNAESTHESIA erschien 1995 auf dem<br />
deutschen Jazzlabel CMP Records, das<br />
kurz darauf verkauft wurde. Deswegen<br />
war dem Instrumentalalbum damals nur<br />
wenig Aufmerksamkeit beschieden. Eine<br />
neue und verdiente Würdigung erhält es<br />
durch das jetzige, um einen Bonus-Track<br />
und neue Liner-Notes erweiterte Reissue.<br />
Wer allerdings erwartet, auf dem Album<br />
Anleihen an Police zu finden, wird enttäuscht<br />
werden. Einzig bei den Kompositionen<br />
mit Klavier (“Invisible Cities”<br />
und das Titelstück) klingen ganz vage<br />
Ähnlichkeiten durch. Ansonsten dominiert<br />
zeitgemäßer Fusion-Jazz, gestützt<br />
vom singenden Klang einer Gibson-Gitarre,<br />
wie ihn heute noch das New Yorker<br />
MoonJune Records fördert.<br />
(Esoteric/Rough Trade,<br />
1995, 10/41:19) an<br />
FLORIAN POSER’S<br />
BRAZILIAN EXPERIENCE<br />
SURFING THE CLOUDS<br />
Viertes Album der international besetzten<br />
Gruppe Brazilian Experience um den<br />
deutschen Spitzen-Vibrafonisten Florian<br />
Poser, der hier sehr deutlich zeigt, dass<br />
man nicht am Zuckerhut geboren sein<br />
muss, um brasilianisch zu fühlen. Mit<br />
Gus tavo Bergalli (tr), Klaus Mueller (p),<br />
Itaiguara (b) und Portinho (dr) gelingt es<br />
Poser, dem Plattentitel SURFING THE<br />
CLOUDS recht souverän gerecht zu<br />
werden. Basis ist dabei ein großes handwerkliches<br />
Können, das sich Poser beim<br />
deutschen Altmeister Wolfgang Schlüter<br />
und Koryphäen wie Gary Bur<strong>to</strong>n und David<br />
Friedman angeeignet hat. Heute steht<br />
er auf Augenhöhe mit dem vielgelobten<br />
Stefon Harris und erweist sich vor allem