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CHRIS THOMPSON<br />
Über zehn Jahre hat Chris Thompson seine Fans warten lassen,<br />
bis er wieder ein Rockalbum mit neuen Songs im Studio aufgenommen<br />
hat. TOYS & DISHES heißt der Nachfolger von DO<br />
NOTHING TILL YOU HEAR FROM ME, der Swing-CD, die er 2013<br />
veröffentlicht hatte. Doch diverse Projekte wie "<br />
War Of <strong>The</strong><br />
Worlds", Leslie Mandokis Soulmates oder Konzertaktivitäten mit<br />
seiner norwegischen Band hatten den 67-jährigen Vater zweier<br />
kleiner Töchter stets auf Trab gehalten, wie er im <strong>GoodTimes</strong>-<br />
Interview erzählte.<br />
Holland-Belgien-<br />
Connection<br />
Von Philipp Roser<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
Der Albumtitel, SPIELZEUG & ABWASCH, verlangt<br />
eine Nachfrage ...<br />
Naja, das sind die Pole, zwischen denen sich mein<br />
Leben heute neben der Musik bewegt (lacht).<br />
Deine beiden Töchter haben dich offenbar<br />
stark inspiriert – sind sie am Ende von "Eddie<br />
Wants To Rock" zu hören?<br />
Stimmt! Es ist ein sehr persönlicher Song über meinen<br />
besten Freund, der vor drei Jahren ges<strong>to</strong>rben ist.<br />
Er war Amerikaner, eine Koryphäe als Arzt – er hat<br />
mehrere orthopädische Operationsmethoden erfunden.<br />
Aber er liebte auch den Rock'n'Roll, war oft auf<br />
meinen Tourneen dabei Und ich wollte ihm einen<br />
Rock'n'Roll-Song hinterherrufen.<br />
Das ist ein satter Partyrocker, es gibt aber<br />
auch bedächtige Nummern.<br />
Ich wollte unbedingt ein Wiegenlied für meine Kinder<br />
machen, und ich denke, mit der Ballade "Dream<br />
Away Little Girl" ist mir das auch ganz gut gelungen.<br />
Das Lied gefällt ihnen, beide mögen das Album,<br />
auch wenn sie unterschiedliche Favoriten haben. Und<br />
sie kennen die Texte<br />
besser als ich! Gestern<br />
waren sie im Studio<br />
dabei, als wir die neuen<br />
Songs für unser<br />
Liveset geprobt haben.<br />
Am Ende meinte<br />
die Ältere: Daddy,<br />
du hast Zug statt<br />
Flugzeug gesungen<br />
(lacht)!<br />
Viele Songs auf<br />
TOYS & DISHES<br />
klingen sehr persönlich<br />
...<br />
Natürlich sind nicht alle Songs au<strong>to</strong>biografisch, aber<br />
mir fällt das Texten am leichtesten, wenn ich über etwas<br />
schreibe, das ich kenne oder erlebt habe. Manchmal<br />
erfinde ich auch Geschichten, beschreibe Bilder,<br />
die ich im Kopf habe. Aber<br />
ich würde sagen, 60 Prozent<br />
der Songs sind in der Tat<br />
sehr persönlich. Dazu hat<br />
auch meine Frau Inge beigetragen:<br />
Sie hat mich auf<br />
<strong>The</strong>men ges<strong>to</strong>ßen und beim Texten unterstützt.<br />
Komponiert hast du mit deinem Co-Produzenten<br />
Arno Krabman?<br />
Ja, ich war nach Abschluss der Arbeit noch nie so<br />
glücklich! Ich habe noch nie mit jemandem so gut<br />
zusammengearbeitet wie mit Arno.<br />
Außerdem ist er ein exzellenter Gitarrist,<br />
hat trotz seiner jungen Jahre<br />
alle möglichen Stile schon glänzend<br />
drauf. Von ihm stammen alle Gitarren-<br />
und Bassparts. Ich habe nur gesungen<br />
und einmal Mundharmonika<br />
gespielt.<br />
Wie lief die Kooperation ab?<br />
Ich war einmal im Monat für drei, vier<br />
Tage bei ihm in Holland. Wir haben Songideen bearbeitet<br />
und die Songs entwickelt. Anschließend bin<br />
ich wieder nach Belgien gefahren, wo ich mit meiner<br />
Familie lebe und ein Studio im Haus besitze. Da<br />
habe ich dann den Rest des Monats an den Melodien<br />
und Gesangsparts gebastelt. Das Ganze hat sich zwar<br />
über eineinhalb Jahre hingezogen, aber ich bin wirklich<br />
richtig zufrieden damit.<br />
Du hast mal gesagt, dass du deine Solo-Alben<br />
nicht magst ...<br />
Das ist diesmal komplett anders! Ich hatte früher nie<br />
genug Zeit oder Geld oder die richtigen Partner, um<br />
sicherzustellen, dass ich wirklich zufrieden war, als<br />
ich sie bei der Plattenfirma abliefern musste. Diesmal<br />
passt alles! Bei Manfred Mann's Earth Band hatten<br />
wir diesen Luxus auch nie – es war sogar meistens<br />
ein Desaster, weil wir die Songs nicht so entwickeln<br />
konnten, wie es mir diesmal möglich war.<br />
"Dark Side" handelt von den finsteren Seiten<br />
und Dämonen des Chris Thompson. Vorher<br />
gibt es ein "Interlude" – was soll das?<br />
Davor kommt mit "Eddie" ja ein schnelles Stück,<br />
und meine Frau meinte, ich müsse vorher ein wenig<br />
herunterfahren. erfa<br />
Arno und ich haben die Songfolge<br />
schon früh festgelegt, um die Stimmung<br />
des Albums zu strukturieren. Wir legten<br />
alles so an wie früher, als man die LP<br />
nach der Hälfte der Zeit umdrehen musste.<br />
Darum kommt "Hey You” als rockigste<br />
Nummer am Ende der imaginären ersten<br />
LP-Seite. Zu Beginn der zweiten Hälfte<br />
muss man die Aufmerksamkeit des Hörers<br />
ja<br />
erst wieder einfangen, und das will ich<br />
mit der Ballade "Dream Away" erreichen.<br />
"Woe Is Me" beschließt das Album – eine<br />
nachdenkliche Komposition mit reichlich<br />
Gospeleinschlag, in der du singst: "<br />
If I could<br />
find god" ...<br />
Also ich bin kein wiedergeborener Christ, auch wenn<br />
ich sicher eine religiöse oder spirituelle Ader habe. Ich<br />
schaue in dem Song sehr sarkastisch auf mein Leben<br />
zurück – zum Beispiel wie lange ich gebraucht habe,<br />
bis ich die Liebe fand, die ich mein Leben lang gesucht<br />
habe. Ursprünglich war die Nummer in D-Dur<br />
geschrieben, aber das passte irgendwie nicht, war zu<br />
fröhlich. Als ich Johnny Cash im Radio hörte, kam mir<br />
die Idee, es mal mit D-Moll zu versuchen – und damit<br />
hat es geklappt. Musikalisch hatte ich eine Gruppe alter<br />
Schwarzer vor Augen, die auf einer Veranda sitzen,<br />
miteinander Musik machen und dabei ihr Leben beklagen.<br />
Wozu ich aber keinen Grund habe! Ich habe<br />
eine <strong>to</strong>lle Familie und ein Album, auf das ich richtig<br />
s<strong>to</strong>lz bin und jetzt auch live präsentieren will.<br />
Fo<strong>to</strong>: © Alex Vanhee<br />
Seite 74 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2014 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>