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TIPP<br />
JESS ROBERTS (& THE SILVER RAYS)<br />
Vielfalt aus Sunderland<br />
Nach Bryan Ferry, Don Airey und Dave<br />
Stewart krabbelt mal wieder jemand<br />
aus dem UK-Nordosten auf der Leiter<br />
nach oben. Für Jess Roberts scheint der<br />
Marsch in die Oberliga denkbar, wenngleich<br />
stilistisch anders gelagert als die<br />
Genannten. Allerdings muss sie erst mal<br />
Jess Roberts<br />
zusehen, nicht permanent mit der gleichnamigen<br />
Folkkollegin aus Lancashire verwechselt<br />
zu werden. Noch gibt es keinen<br />
Longplayer; trotzdem hat sich genug<br />
Material angesammelt, um schon mal<br />
nachdrücklich auf die robuste Sängerin<br />
aufmerksam zu machen. Akustische<br />
Überprüfungen sind über erhältliche<br />
Vinyl-Singles, Download-Angebote, V.A.-<br />
Compilations und CD-Singles möglich.<br />
Schon von 2005 datiert Roberts'<br />
Mitwirken im Angebot von Smoove (=<br />
DJ Steven Moove aus Newcastle) mit<br />
den Aurora Strings; "Coming Back", treibender<br />
Club-R&B, signalisierte bereits<br />
die stimmliche Potenz der<br />
damals noch Blonden. Es<br />
folgten Lehr- bzw. Leerjahre<br />
ohne Tondokumente. Dafür<br />
wurde es dann gleich mehrgleisig:<br />
Die Silver Rays formierten<br />
sich, ein Sextett,<br />
mit Roberts live unterwegs<br />
auf der üblichen Ochsen<strong>to</strong>ur<br />
durch die Clubs: George<br />
Frakes (g), Nathan Del Gardo (b), Joseph<br />
Lowe (dr), Alex Tower (org, p) nebst den<br />
Co-Sängerinnen Mary Awere & Maeve<br />
Leahy – die glorreichen<br />
Sieben arbeiten seitdem<br />
auf einem souligen<br />
Rockfundament, das<br />
auch mal härter ausfällt.<br />
Ein atypisches Intermezzo<br />
legte Roberts<br />
2010 mit dem Ein-Song-<br />
Gastspiel "Changes" hin<br />
– Nutznießer: Trafik,<br />
das Progressive-House-<br />
Duo Andrew Archer<br />
& John Elliott; selbst<br />
diesem stilistischen<br />
Ausfallschritt drückte<br />
die Variable deutlich<br />
ihren stimmlichen<br />
Stempel auf. Weitere physische Ware präsentierte<br />
Roberts dann ab 2011 gleich<br />
mehrfach im Verbund mit<br />
einem Spitzenmann, Andy<br />
Lewis. Der Produzent – und<br />
Bassist der Paul Weller Band –<br />
kanalisierte die Möglichkeiten<br />
des Gesangtalents; drei Tracks<br />
belegen dies: "<strong>The</strong> Words Otis<br />
Sang"/"A Good Soul In <strong>The</strong><br />
Good Times" (2011) und der<br />
Nachzügler "Turn Your Head<br />
Around", die<br />
Wortwahl bei den Single-<br />
Titeln spricht für sich selbst. Zwei weitere<br />
Male ging Roberts 2011 blendend fremd:<br />
ENTDECKT – EMPFOHLEN<br />
"A New Skin" (Folk mit <strong>The</strong> Memory<br />
Band) und "Waitin' So Long" (funky R&B-<br />
Jazz mit Nick Pride & <strong>The</strong> Pimp<strong>to</strong>nes)<br />
stehen für die enorme, unangestrengte<br />
Bandbreite der Engländerin.<br />
Roberts war schließlich 2012 in der Spur<br />
angekommen. Zunächst mit "Voodoo<br />
Woman" (grooviger Rock-Soul)/"Blue<br />
Afternoon" (ein himmlischer Schleicher)<br />
– einer Prädikats-45er, bedenkenlos als<br />
hochkarätiger „Double-A-Sider" einsortierbar.<br />
Im Jahr darauf gaben das<br />
deftige "Money (I Love You Better)"<br />
und die Neufassung von "Coming Back"<br />
den bislang letzten Spitzenhinweis darauf,<br />
was das anstehende<br />
LP-Debüt BLACK<br />
MORNING, BLUE<br />
AFTERNOON zu einem<br />
Voll-Bringer machen<br />
könnte. Und wenn dem<br />
erst mal so ist, möge<br />
kein Leser sagen, er<br />
habe nichts von all den<br />
Leckerlis – die dann vielleicht<br />
schon vergriffen<br />
sind – auf dem langen<br />
Anmarschweg von<br />
Jess Roberts gewusst.<br />
Schublade für die Gute:<br />
irgendwo zwischen Inga<br />
Rumpf und Elkie Brooks<br />
zur Vinegar-Joe-Zeit. bm<br />
DEBORAH BONHAM<br />
Jobs mit Plant und Rodgers<br />
Ein bewegtes Jahr 2013 hat die<br />
Engländerin Deborah Bonham hinter<br />
sich. Aber das ist ja nichts Neues<br />
für die 52-Jährige, die nicht nur im<br />
Musikgeschäft alle Höhen und Tiefen hinter<br />
sich hat. Schließlich ist sie die jüngere<br />
Schwester einer Legende: Ihr vers<strong>to</strong>rbener<br />
Bruder John trommelte einst bei Led<br />
Zeppelin.<br />
Ein Name kann Fluch<br />
und Segen zugleich sein,<br />
diese <strong>The</strong>se stellt Deborah<br />
Bonham selbst in den Raum.<br />
Auslöser für einen längeren<br />
Exkurs zum <strong>The</strong>ma ist<br />
der Song "Spirit In Me” auf<br />
ihrem neuen Album SPIRIT.<br />
„Ich habe meinen Weg<br />
gefunden", singt Bonham<br />
da. „Mit diesem Lied nicke<br />
ich gewissermaßen meinem<br />
Bruder John zu – es ist<br />
gar nicht so einfach, seine<br />
Schwester zu sein, weil alle<br />
möglichen Leute sofort<br />
mit Led Zeppelin ankommen<br />
und meinen, ich müsse<br />
die gleiche Musik machen.<br />
Andere unterstellen mir, ich<br />
würde als Trittbrettfahrerin<br />
den Erfolg meines Bruders<br />
nutzen", erzählt sie.<br />
Unterschwellige Vorwürfe,<br />
mit denen sich die Sängerin<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
und Songschreiberin schwertat. „Ich<br />
habe lange überlegt, ob ich mich ins<br />
Musikgeschäft wage. Irgendwann fasste<br />
ich dann den Entschluss: Ich probiere es,<br />
und wenn ich meinem Bruder und dem<br />
Namen Bonham keine Schande bereite,<br />
mache ich's!"<br />
Sie veröffentlichte 1985 ihr Debüt FOR<br />
YOU AND THE MOON, hatte dafür aber<br />
bei Carrere einen Knebelvertrag unterzeichnet;<br />
aus dem kann sie auch nicht<br />
heraus, als das Label pleite ging und<br />
den Besitzer wechselte. „Selbst Anwälte<br />
konnten mir nicht weiterhelfen", erinnert<br />
sich Bonham. Sie zog sich von der Bühne<br />
zurück, arbeitete für diverse e Labels, zuletzt<br />
in der Rechtsabteilung<br />
von Warner. Dort fand<br />
sie schließlich doch noch<br />
Mittel und Wege, um den<br />
blockierenden Deal zu<br />
beenden. THE OLD HYDE<br />
hieß 2004 ihr zweites<br />
Album, das gediegenen<br />
Hard Rock präsentierte.<br />
Vier Jahre später folgte<br />
das bluesigere DUCHESS.<br />
Und jetzt SPIRIT, in das<br />
sich auch Cajun-Anklänge eingeschlichen<br />
haben. „Ich gehe nicht mit irgendwelchen<br />
vorgefassten Vorstellungen an eine neue<br />
Platte heran, sondern lasse die Songs<br />
kommen, wie sie aus mir heraus wollen.<br />
Ich habe immer irgendwelche Grundideen,<br />
die ich dann mit meiner Band ausarbeite<br />
– ich verstehe uns als Band, ich bin keine<br />
Solokünstlerin, auch wenn wir unter meinem<br />
Namen arbeiten." Zur Band gehören<br />
ihr Ehemann und Gitarrist Peter Bullick,<br />
Gerard Louis (keys), Ian Rowley (b) und<br />
Schlagzeuger Andy Newman.<br />
Eine Truppe, die unter anderem auch<br />
Paul Rodgers sehr schätzt. „Wir haben ihn<br />
bei diversen Benefizkonzerten in England<br />
begleitet und mit ihm Free-Songs gespielt,<br />
die er vorher nie live im Reper<strong>to</strong>ire hatte.<br />
Paul und mich verbindet nicht nur die<br />
Musik, wir engagieren uns beide für<br />
Gnadenhöfe für Tiere." Rodgers war neben<br />
Robert Plant, Dan McCafferty und Sammy<br />
Hagar maßgeblich für<br />
Bonhams Entscheidung,<br />
wieder Musik zu machen.<br />
„Ich habe mit ihnen live<br />
Duette gesungen und<br />
fand: Wenn solche Leute<br />
mich mit sich singen lassen,<br />
kann ich wohl nicht<br />
so schlecht sein." Live hat<br />
sich für Bonham bereits<br />
den Traum erfüllt, mit<br />
dem früheren Partner ihres<br />
Bruders aufzutreten. „Ich hoffe, dass es<br />
irgendwann auch noch im Studio klappt.<br />
Aber immerhin habe ich Robert auf SPIRIT<br />
dabei – er hat Mundharmonika gespielt!"<br />
Bereits 2013 kursierte eine Version der<br />
CD, doch offiziell erscheint sie erst<br />
jetzt. „Wir standen kurz davor, bei<br />
Universal zu unterschreiben, doch das<br />
platzte in letzter Minute. Wir hatten<br />
schon eine UK-Tour gebucht und wollten<br />
den Konzertbesuchern etwas bieten.<br />
Also haben wir eine Limited Edition'<br />
gepresst, auf der einige '<br />
andere Songs<br />
sind. Aber jetzt kommt SPIRIT mit einiger<br />
Verspätung doch endlich noch raus." pro<br />
Seite 68 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2014 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>