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Trödler Erotikmagazine (Vorschau)

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PUPPEN<br />

103<br />

Entwicklung<br />

Prof. Max Kruse entwickelte ein Verfahren<br />

für die Herstellung der Puppengesichter:<br />

Drei mit Leim und Gips getränkte Gazestreifen<br />

wurden übereinander in eine negative<br />

Bronzeform gepresst, nach dem Erstarren<br />

vernäht, anschließend über eine<br />

positive Form gezogen und beschnitten.<br />

Danach wurde eine Nesselmaske übergezogen<br />

und das Ganze noch einmal gepresst.<br />

Anschließend klebte Käthe Kruse<br />

den aus Nessellappen zusammengenähten<br />

Hinterkopf an und stopfte den Kopf mit<br />

Reh- oder Rentierhaaren aus. Mit dieser<br />

Füllung fühlten sich die Köpfe und Körper<br />

der Puppen warm und weich an und hielten<br />

manchen derben Knuff aus.<br />

Weil Käthe Kruse wusste, dass Kinder mit<br />

ihren „Kindern" nicht immer sanft umgehen,<br />

sollten die Köpfe auch waschbar<br />

sein. Deshalb wurden sie zwei Mal grundiert<br />

und glattgeschliffen. Danach wurden<br />

die Bäckchen und Haare mit Ölfarbe nass<br />

in Nass aufgetragen. Das Malen der wimperlosen<br />

Augen und leicht angedeuteten<br />

Brauen überließ die „Puppenmutter" einem<br />

Kunstmaler. Zeichnen sich die Augen<br />

früher Puppen durch „Strahleniris" aus, so<br />

wurden später „Lichtpunkte" gesetzt. Die<br />

Oberlippen wurden in einem Bogen ohne<br />

Vertiefung in der Mitte durchgemalt.<br />

Mit Ausnahme des „Schlenkerchen", das<br />

1922 auf den Markt kam, haben alle Käthe-Kruse-Puppen<br />

einen geschlossenen<br />

Mund.<br />

Auch der Rumpf und die Gliedmaßen wurden<br />

aus Nessel zugeschnitten, zusammengenäht<br />

und mit Reh- oder Rentierhaaren<br />

gefüllt. Großen Wert legte Käthe Kruse<br />

auf eine realistische Darstellung der Hände.<br />

Bei den frühen Typen wurden die Daumen<br />

separat angenäht. Später wurden die<br />

Hände im Ganzen zugeschnitten, jedoch<br />

die Finger wie auch die Zehen sorgfältig<br />

abgesteppt und die inneren Handflächen<br />

mit einer Naht versehen. Dieser erste für<br />

den Handel bestimmte Puppentyp war 43<br />

Zentimeter groß, zeichnete sich durch<br />

sehr breite Hüften aus und wurde bis 1952<br />

in Serie mit Stoffkopf produziert. Natürlich<br />

entwarf und nähte die Unternehmerin auch<br />

kindgerechte Kleidung und ab den späten<br />

1920er-Jahren wurde das gemalte Haar<br />

durch Echthaarperücken ersetzt.<br />

Biegsames „Schlenkerchen”<br />

Um der zunehmenden Nachfrage gerecht<br />

zu werden, bezog die mittlerweile dreifache<br />

Mutter einen Spielzeugfabrikanten als<br />

Subunternehmer ein. Doch dessen Puppen<br />

hätten wie „aufgepumpte Flundern"<br />

ausgesehen, schrieb sie später in ihren<br />

Erinnerungen. Der Vertrag wurde ausgerechnet<br />

einen Tag, bevor ein US-amerikanischer<br />

Kaufhausbesitzer per Telegramm<br />

150 Puppen orderte, aufgehoben. Käthe<br />

Kruse ließ sich jedoch nicht entmutigen,<br />

funktionierte kurzerhand die Berliner Wohnung<br />

zur Werkstatt um und beauftragte<br />

Heimarbeiterinnen mit den Zuschnitt- und<br />

Näharbeiten. Obwohl sie zwischenzeitlich<br />

ihr viertes Kind zur Welt brachte und<br />

auf internationalen Puppenausstellungen<br />

Preise gewann, wurde der Auftrag termingerecht<br />

erfüllt.<br />

Wider Erwarten hielten die Puppenköpfe<br />

allerdings nicht, was die Werbung versprach:<br />

Sobald die amerikanischen Puppenmütter<br />

ihren „Kindern" das Gesicht<br />

wuschen, verlor es seine Bemalung. Für<br />

Käthe Kruse Grund genug, um den exzellenten<br />

Ruf ihres Unternehmens zu bangen.<br />

Doch der Kunde in Übersee hatte Verständnis,<br />

bestellte 500 weitere Puppen<br />

Puppe Typ I „Pitt", Anfang 1920er-Jahre<br />

Puppe Typ I, 1936/37<br />

Puppe Typ I „Fritzi", 1920<br />

und ergänzte den Auftrag augenzwinkernd<br />

mit der Bemerkung: „Dieses Mal<br />

aber mit abwaschbaren Köpfen." Damit<br />

war die Existenz der Werkstatt gesichert<br />

und der Unternehmerin gelang es, trotz<br />

extrem beengter Platzverhältnisse und der<br />

vielfältigen Anforderungen, die an sie als<br />

Mutter und Ehefrau gestellt wurden, die<br />

Puppenschar pünktlich und in einwandfreiem<br />

Zustand auszuliefern.<br />

Nach einem Kuraufenthalt in Bad Kösen im<br />

Süden des heutigen Sachsen-Anhalt entschied<br />

sich Käthe Kruse, ihren Berliner<br />

Wohnsitz aufzugeben und sich mit ihrer<br />

Familie in dem romantischen Kur- und<br />

Weinstädtchen an der Saale niederzulassen.<br />

Dort eröffnete sie 1912 eine Werkstatt<br />

und beschäftigte bis zu 120 Heimarbeiterinnen.<br />

Hier kreierte sie 1922 auch ihr zweites<br />

Puppenkind, das „Schlenkerchen". Es<br />

war zehn Zentimeter kleiner als die bisher<br />

produzierten Puppen und hatte als einziges<br />

Mitglied der Kruse’schen Puppenfamilie<br />

einen lächelnden Mund. Der Nesselkopf<br />

wurde extra locker angenäht und<br />

auch der Körper war besonders weich und<br />

biegsam. Diese insbesondere für kleine<br />

Kinder interessanten Eigenschaften verdankte<br />

die Puppe einem Drahtskelett, das<br />

die Unternehmerin eigens für diesen Typ<br />

entwickelt hatte. Der Rumpf und die Gliedmaßen<br />

wurden aus Watte und Mullbinden<br />

modelliert und mit Trikot überzogen. Das<br />

„Schlenkerchen" wurde nur bis in die frühen<br />

1930er-Jahre in Serie hergestellt und<br />

ist daher heute ein begehrtes Sammelobjekt.

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