42 RAMBAZAMBA ACH DU HEILIGE SLAVA! KOPF HOCH, ALEX. NUR MEHR ZEHN KILO KARTOFFEL ZU SCHÄLEN.
RAMBAZAMBA 43 „SLAVA“ IST DAS WICHTIGSTE FEST SERBISCH-ORTHODOXER FAMILIEN. EINMAL IM JAHR FEIERN SIE IHREN HAUSHEILIGEN. FÜR JEDE MUTTER HEISST DAS: PUTZEN, KOCHEN, BACKEN BIS ZUM MORGENGRAUEN. BIBER-REDAKTEURIN ALEXANDRA STANIC BEKAM EINEN SCHRECK, WAS EINMAL ALLES AUF SIE ZUKOMMT. Von Alexandra Stanic und Marko Mestrovic (Fotos) A uf Deutsch heißt „Slava“ Feier. Für me<strong>in</strong>e Mutter bedeutet dieser Tag h<strong>in</strong>gegen Stress, viel Schweiß und wenig Schlaf. Es ist jedes Jahr dasselbe. Sie nimmt sich <strong>in</strong> der Woche vorher Urlaub und fängt mit den Vorbereitungen an. Die ersten Tage wird geputzt. Nichts bleibt verschont. Jede e<strong>in</strong>zelne Steckdose wird entstaubt, der Boden so stark gebohnert, dass ich darauf ausrutsche und das gute Porzellan blitzeblank poliert. Schon Wochen zuvor hat Mama neue Kuchenrezepte auf Google gesucht. Dieses Mal war sie sparsam – sie belässt es bei „nur“ sechs verschiedenen Desserts. Auch das typische Essen jeder Slava hat me<strong>in</strong>e Mutter vorbereitet: Suppe, Sarma, Fleisch und Kuchen. Je näher der Tag X kommt, desto angespannter ist sie. Unser Hund wird <strong>in</strong> den Garten verbannt, damit ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Haar im Haus zu f<strong>in</strong>den ist. Am Tag der Slava ist Mama ab sechs Uhr morgens auf den Be<strong>in</strong>en. Das selbstgebackene Brot duftet im Ofen, der Tisch ist gedeckt und die Sitzordnung der 20 Gäste geklärt. Mich verbannt sie, wie jedes Jahr, an den K<strong>in</strong>dertisch - zusammen mit me<strong>in</strong>er 33-jährigen Schwester und me<strong>in</strong>en zwei sechsjährigen Cous<strong>in</strong>en. Kurz bevor die ersten Besucher e<strong>in</strong>trudeln, will ich me<strong>in</strong>e Mutter wegen der K<strong>in</strong>dertisch-Aktion ärgern: „Ach Mama, zieh nicht so e<strong>in</strong> Gesicht. Sooo viel Arbeit war das doch gar nicht“. Totenstille. Me<strong>in</strong>e Mutter legt die Teller, die sie nun zum dritten Mal poliert, zur Seite und starrt mich an. „Nicht viel Arbeit?“, fragt sie mit verdächtig ruhiger Stimme. „Na wenn das so ist, wirst du unsere Slava nächstes Jahr organisieren.“ Me<strong>in</strong> Vater verdreht die Augen und schüttelt den Kopf. „Halb so schlimm“, erwidere ich naiv. Unter dem Tisch zücke ich me<strong>in</strong> Handy, google „Slava“. Schnell merke ich, mir fehlt es nicht nur an Mamas Kochkünsten, sondern auch am Wissen zu unserem Feiertag. So ist das serbische Familienpatronfest im neunten Jahrhundert entstanden. Die Slava ist demnach e<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung an jene Stammesvorfahren, die als erste den christlichen Glauben angenommen haben. Jede Familie hat e<strong>in</strong>en eigenen Schutzpatron und die Slava wird von Vater zu Sohn weitergegeben. Von den Ehefrauen, die das Ganze auf die Be<strong>in</strong>e stellen, ist nirgends e<strong>in</strong>e Rede. HABEN SERBISCHE PFARRER EINE WEBSITE? Ich weiß jetzt also, dass das selbst gebackene Brot me<strong>in</strong>er Mutter nicht irgende<strong>in</strong> Brot ist. Es ist heilig. Und es ist e<strong>in</strong>s von vier wichtigen Teilen der Slava. Die anderen drei s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Kerze, We<strong>in</strong> und gekochter Weizen. Außerdem gehören zum Slava-Repertoire e<strong>in</strong>e Ikone des Hausheiligen (meistens e<strong>in</strong> Gemälde oder e<strong>in</strong> Holzschnitt), e<strong>in</strong> Öllicht und e<strong>in</strong> Weihrauchgefäß. Zusätzlich sollte e<strong>in</strong> serbischorthodoxer Pfarrer e<strong>in</strong> paar Tage vor der Slava das Haus e<strong>in</strong>weihen. Das erste große Fragezeichen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Kopf: Wie komme ich an e<strong>in</strong>en serbischen Pfarrer? Haben die e<strong>in</strong>e eigene Website? TIPPS DER PROFIS Nach der Internet-Recherche weiß ich, wie ich me<strong>in</strong>e Sarma am besten rolle. Aber wirklich Durchblick, wie ich e<strong>in</strong>e anständige Slava auf die Be<strong>in</strong>e stelle, habe ich noch immer nicht. Also entscheide ich mich für den direkten Weg. Ne<strong>in</strong>, ich frage nicht me<strong>in</strong>e Mutter um Rat, dafür b<strong>in</strong> ich zu stolz. Ich bitte die wahren Profis und Slava-Genoss<strong>in</strong>nen um Hilfe – die serbischen Hausfrauen. Als erstes statte ich der Mutter me<strong>in</strong>er besten Freund<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Besuch ab. Die Serb<strong>in</strong> feiert jedes Jahr am 21. November. „Wenn du glaubst, du wirst Zeit haben selbst zu essen, dann irrst du dich gewaltig“, startet Dijana das Gespräch. „Ich komme erst abends beim Wegräumen zum Essen“. Jedes Jahr empfängt die 41-Jährige zu ihrer Slava 25-30 Personen. Darunter s<strong>in</strong>d Freunde, Verwandte, Nachbarn und die Taufpaten ihrer K<strong>in</strong>der. Manchmal kommen auch entfernte Bekannte dazu, denn wenn sie kurz vor der Feier jemanden beim E<strong>in</strong>kaufen trifft, lädt sie auch diese Zur Vorbereitung e<strong>in</strong>er "Slava" braucht es händisches Geschick… FÜR EINE UNVERGESSLICHE SLAVA BRAUCHST DU: ➢ 20–30 Gäste ➢ E<strong>in</strong> Kilo Fleisch pro Person bzw. e<strong>in</strong> Spanferkel ➢ das Slava-Kit: heiliges Brot, We<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Kerze und Weizen ➢ Sechs verschiedene Kuchensorten, die sonst ke<strong>in</strong>er hat ➢ E<strong>in</strong>en guten Kartoffelschäler ➢ Drei Tage Urlaub, davor und danach …und Kraft zum Teig kneten.