Physik A Teil 1: Mechanik - Physik-Institut - Universität Zürich
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Roland Engfer<br />
<strong>Physik</strong> A<br />
für Naturwissenschaftler<br />
<strong>Teil</strong> 1: <strong>Mechanik</strong><br />
UNIVERSITAS<br />
TURICENSIS<br />
MDCCC<br />
XXXIII<br />
Skriptum zur Vorlesung von Andreas Schilling<br />
WS 2004/5<br />
<strong>Physik</strong>-<strong>Institut</strong> der Universität Zürich<br />
September 2004
Vorwort<br />
Das vorliegende Skript umfasst den Stoff der Vorlesung <strong>Physik</strong> A für <strong>Physik</strong>er, Chemiker<br />
und Biochemiker, sowie für Studierende mit Nebenfach <strong>Physik</strong>. Es basiert auf dem<br />
Skript von Prof. Roland Engfer, das später von Prof. Ulrich Straumann übernommen wurde.<br />
Das Skript wurde nun der Übersichtlichkeit und Handlichkeit halber neu unterteilt<br />
(<strong>Mechanik</strong>, Wärmelehre, Elektrizität und Magnetismus, Wellenlehre und Optik, Relativitätstheorie,<br />
mathematische Hilfsmittel) und inhaltlich leicht angepasst.<br />
Aufgabe dieses Skriptes ist es, den Stoff der Vorlesung <strong>Physik</strong> A zusammenzufassen,<br />
sei es zum Aufarbeiten der Vorlesung zwischendurch oder zur Prüfungsvorbereitung. Dieses<br />
Skript ist kein Lehrbuch und soll auch gar keines sein! Ich empfehle Ihnen sogar,<br />
zunächst überhaupt kein eigentliches <strong>Physik</strong>lehrbuch zu kaufen! Ein Lehrbuch eignet sich<br />
vielleicht zum Selbststudium, ist aber in der Regel als Begleittext zu einer Vorlesung viel<br />
zu ausführlich. Auch ist bei Unklarheiten ein Nachfragen nicht möglich.<br />
Die Vorlesung mit ihren Experimenten und den Diskussionen mit dem Dozenten und<br />
den Übungsassistenten sollen das eigentliche Lehrbuch für Sie darstellen!<br />
Erst dort erfahren Sie, welche Themen, Gedankengänge, Herleitungen und Lehrsätze<br />
wirklich von Wichtigkeit sind, und welche vielleicht geringere Bedeutung haben. Dies<br />
alleine aufgrund der Lektüre eines Buches und ohne Besuch der Vorlesung entscheiden zu<br />
wollen, ist für einen Studenten im ersten Jahr fast unmöglich.<br />
Falls Sie dennoch ein begleitendes Buch kaufen möchten, empfehle ich besonders den<br />
<strong>Physik</strong>ern, eine Art Nachschlagewerk zu erwerben. Das Buch von D. Meschede, Gerthsen<br />
<strong>Physik</strong>, Springer Verlag, ist sicher eine Anschaffung fürs Leben. Auch fortgeschrittene<br />
<strong>Physik</strong>er finden darin fast alles, was man braucht, von der <strong>Mechanik</strong> bis zur Kernphysik.<br />
Als preiswerte, kompakte Formelsammlung für <strong>Physik</strong>er und andere Naturwissenschaftler<br />
hat sich auch das Repetitorium der <strong>Physik</strong> von F. Kneubühl, Teubner Verlag, bewährt.<br />
Als Lehrbuch (falls Sie wirklich eines erwerben möchten) eignen sich für <strong>Physik</strong>er die<br />
Bücher von Wolfgang Demtröder, Springer-Verlag (<strong>Mechanik</strong> und Wärme, Elektrizität<br />
und Optik). Für Naturwissenschaftler kann ich das Buch von Paul A. Tipler, <strong>Physik</strong>,<br />
Spektrum Verlag, empfehlen - es gibt auch einen Band mit Übungsaufgaben dazu.<br />
Im Zuge der Umstellung der Studiengänge auf das Bachelor/Masters System ist der<br />
Umfang des <strong>Physik</strong>kurses für <strong>Physik</strong>er auf 6 Stunden Vorlesung pro Woche festgelegt worden,<br />
für Chemiker und Biochemiker und für Studierende mit Nebenfach <strong>Physik</strong> hingegen<br />
auf 4 Stunden pro Woche. Dies bedeutet, dass <strong>Physik</strong>studenten parallel zur eigentlichen<br />
Vorlesung eine Menge von Zusatzinformationen, Ergänzungen und mathematischen Anleitungen<br />
erhalten, welche für das spätere <strong>Physik</strong>studium von grossem Nutzen sein werden.<br />
Trotzdem wird auch der vierstündige Kurs für Chemiker und Biochemiker das ganze Spektrum<br />
einer einführenden <strong>Physik</strong>vorlesung abdecken. Allerdings macht diese Zweiteilung<br />
der Vorlesung die Gestaltung eines Skriptes nicht einfacher. Im vorliegenden Skript sind<br />
deshalb Kapitel, welche nur für <strong>Physik</strong>er von Bedeutung sind, speziell mit † gekennzeichnet.<br />
Es kann vorkommen, dass der Inhalt der Vorlesung vom Inhalt dieses Skriptes leicht<br />
abweicht, indem einzelne Kapitel weggelassen oder hinzugefügt werden, Themen nur summarisch<br />
besprochen werden oder die Notation geändert wird - massgebend für die Prüfung<br />
ist alleine der Inhalt der Vorlesung!<br />
Zürich, September 2004<br />
Andreas Schilling
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Kinematik des Massenpunktes 3<br />
1.1 Ort und Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
1.2 Die Geschwindigkeit eines Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
1.3 Die Beschleunigung eines Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
1.4 Komponentendarstellung von Geschwindigkeit und Beschleunigung . . . . 6<br />
1.4.1 Raumfestes kartesisches xyz-Koordinatensystem . . . . . . . . . . . 6<br />
1.4.2 Normal- und Tangentialkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
1.4.3 Ebene Kreisbewegung ⃗v, ⃗a in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . 7<br />
1.5 Die Winkelgeschwindigkeit als ein Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
1.6 Berechnung von ⃗v und ⃗r aus ⃗a, ⃗r 0 und ⃗v 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2 Die Grundgesetze der <strong>Mechanik</strong> 11<br />
2.1 Masse und Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
2.2 Die Newtonschen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
2.2.1 Trägheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
2.2.2 Bewegungs- oder Aktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
2.2.3 Superpositionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2.2.4 Reaktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
2.3 Der Schwerpunkts- oder Impulssatz für Systeme von Massenpunkten . . . . 15<br />
2.4 Die vier fundamentalen Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
2.4.1 Die Gravitationskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
2.4.2 Die Coulombkraft (elektromagnetische Wechselwirkung) . . . . . . 21<br />
2.4.3 Die schwache Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
2.4.4 Die starke Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
2.5 Reibungskräfte, Oberflächenkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
2.5.1 Trockene Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
2.5.2 Nasse Oberflächen und viskose Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
3 Anwendungsbeispiele der Newtonschen Prinzipien 27<br />
3.1 Freier, vertikaler Fall im Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
3.2 Die Atwoodsche Fallmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3.3 Der schiefe Wurf im Vakuum ohne Luftwiderstand . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
3.4 Beispiele mit Haft- und Gleitreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.4.1 Klotz auf schiefer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.4.2 Kind mit Schlitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.5 Vertikaler Fall in viskosem Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
3.6 Kreisbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
3.6.1 Erdsatellit auf Kreisbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
3.6.2 Ebenes mathematisches Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
3.6.3 Kreispendel (konisches Pendel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3.7 Prinzip des Raketenantriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
4 Arbeit, Energie und Leistung; Energie- und Impulserhaltung 39<br />
4.1 Definition von Arbeit, Leistung und kinetischer Energie . . . . . . . . . . . 39<br />
4.2 Der Energiesatz der <strong>Mechanik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
4.3 Konservative Kraftfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
i
4.4 Das Potential und das Feld einer homogenen Kugel . . . . . . . . . . . . . 46<br />
4.5 Der Fluss des Gravitationsfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
4.6 Der Energieerhaltungssatz der <strong>Mechanik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
4.7 Beispiele zum Energieerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
4.7.1 Freier Fall eines Massenpunktes im Vakuum . . . . . . . . . . . . . 50<br />
4.7.2 Weltraumflüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />
4.7.3 Die Todesschleife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
4.8 Der Impulserhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
4.8.1 Elastische Stösse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
4.8.2 Inelastischer Stoss: Das ballistische Pendel . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
5 Der Drehimpulssatz für ein System von Massenpunkten 56<br />
6 Bewegungen im Zentralfeld 58<br />
6.1 Reduktion des Zwei-Körper- auf ein Ein-Körper-Problem . . . . . . . . . . 58<br />
6.2 Konstanz des Drehimpulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
6.3 Planetenbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
7 Der lineare harmonische Oszillator 64<br />
7.1 Der ungedämpfte Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
7.2 Der gedämpfte Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
7.2.1 1. Fall: schwache Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />
7.2.2 2. Fall: starke Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
7.2.3 3. Fall: kritische Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
7.3 Energie des schwach gedämpften Oszillators . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
7.4 Erzwungene Schwingungen und Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />
7.4.1 Vollständige Lösung der erzwungenen Schwingung † . . . . . . . . . 73<br />
7.4.2 Energiebilanz bei erzwungener Schwingung und Resonanz † . . . . . 74<br />
8 Relativbewegungen 77<br />
8.1 Relativitätsprinzip der <strong>Mechanik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />
8.2 Die Kinematik in einem bewegten Bezugssystem . . . . . . . . . . . . . . 78<br />
8.3 Die Dynamik in einem bewegten Bezugssystem . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
8.4 Beispiele und Spezialfälle für bewegte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />
8.4.1 Gleichförmig bewegtes System S r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />
8.4.2 Rein translatorisch beschleunigtes System S r . . . . . . . . . . . . . 81<br />
8.4.3 Ein reibungsloser Massenpunkt auf einer beschleunigten Unterlage . 81<br />
8.4.4 Mathematisches Pendel auf einer vertikal beschleunigten Plattform 81<br />
8.4.5 Gleichförmig rotierendes System S r . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
8.5 Trägheitseffekte auf der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />
8.5.1 Nachweis der Erdrotation mit dem Foucaultpendel . . . . . . . . . 84<br />
8.5.2 Eine Lotabweichung infolge der Erdrotation . . . . . . . . . . . . . 84<br />
8.5.3 Ostabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
8.5.4 Ebbe und Flut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
8.6 Das Streuproblem zweier Massen † . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
8.6.1 Die reine elastische Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
8.6.2 Winkelverteilung bei statistischem Zielen in der Ebene . . . . . . . 88<br />
8.6.3 Winkel- und Energieverteilung bei statistischem Zielen im Raum . 91<br />
8.6.4 Die Streuung eines Neutrons an einem Atomkern . . . . . . . . . . 92<br />
ii
8.6.5 Coulombpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
9 Dynamik des starren Körpers 94<br />
9.1 Bedeutung von Schwerpunkts- und Drehimpulssatz starrer Körper . . . . . 94<br />
9.2 Gleichgewichte starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />
9.3 Drehimpuls- und Schwerpunktssatz für die ebene Bewegung starrer Körper 98<br />
9.4 Rotation um eine raum- und körperfeste Achse (Satz von Steiner) . . . . . 99<br />
9.5 Berechnung einiger Trägheitsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
9.6 Beispiele zur ebenen Bewegung starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
9.6.1 Würfel auf horizontaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
9.6.2 Das physische Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />
9.6.3 Die widerspenstige Fadenspule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />
9.6.4 Rollen und Gleiten eines Zylinders auf schiefer Ebene . . . . . . . . 104<br />
9.6.5 Aufsetzen eines rotierenden Zylinders auf eine schiefe Ebene . . . . 106<br />
9.7 Die kinetische Energie bei ebener Translation und Rotation . . . . . . . . . 107<br />
9.8 Eigenschaften des Kreisels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />
9.8.1 Trägheitstensor und Eulersche Kreisel-Gleichungen † . . . . . . . . 109<br />
9.8.2 Der kräftefreie rotationssymmetrische Kreisel . . . . . . . . . . . . 112<br />
9.8.3 Stabilität der Drehachse für Körper ohne Rotationssymmetrie . . . 114<br />
9.8.4 Symmetrischer Kreisel im Schwerefeld (Präzession) . . . . . . . . . 115<br />
9.8.5 Rotationsenergie und Energiesatz für die allgemeine Drehung † . . 116<br />
9.9 Beispiele zur Kreiselbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />
9.9.1 Stabilität des Fahrrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />
9.9.2 Aufrichten der Kreiselachse infolge Reibungsmoment . . . . . . . . 117<br />
9.9.3 Kollergang der Mühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
9.9.4 Kreiselkompass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
9.9.5 Deviationsmomente eines nicht ausgewuchteten Rades . . . . . . . . 119<br />
9.9.6 Der Präzessionszyklus des Mondes (Saros-Zyklus) . . . . . . . . . . 119<br />
9.9.7 Die Präzession der Erdachse beim Umlauf um die Sonne . . . . . . 120<br />
10 Raum-Zeit-Symmetrie und die klassischen Erhaltungssätze † 122<br />
11 Elastizität der festen Körper † 124<br />
11.1 Interatomare Kräfte, Elastizität und Plastizität . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />
11.2 Spannungen und ebene Spannungszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
11.2.1 Beispiele ebener Spannungszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
11.3 Deformation isotroper Körper, elastische Konstanten. . . . . . . . . . . . . 128<br />
11.3.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
11.4 Zwei Beispiele zur Biegung und Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
11.4.1 Biegung eines Balkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
11.4.2 Torsion eines zylindrischen Stabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />
12 <strong>Mechanik</strong> der Gase und Flüssigkeiten 137<br />
12.1 Statik der Gase und Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />
12.1.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />
12.2 Der Auftrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />
12.2.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />
12.3 Dynamik idealer Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143<br />
12.3.1 Die Kontinuitätsgleichung für stationäre Strömungen . . . . . . . . 144<br />
iii
12.3.2 Die Bewegungsgleichung von Euler und Bernoulli † . . . . . . . . . 144<br />
12.3.3 Spezialfall der Bernoulli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />
12.3.4 Potentialströmungen † . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />
12.3.5 Beispiele † . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />
12.3.6 Die Berechnung einer Potentialströmung aus der Potentialgleichung † 148<br />
12.3.7 Anwendungen der Bernoulli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />
12.4 Innere Reibung der Gase und Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />
12.5 Viskose Widerstände und Reynoldsche Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
12.6 Der dynamische Auftrieb und Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />
12.7 Kohäsions- und Adhäsionseffekte bei Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 159<br />
12.7.1 Die Differentialgleichung einer Oberfläche (Seifenblase) † . . . . . . 164<br />
A <strong>Physik</strong>alische Konstanten Stand 1986 166<br />
B Grössen und Einheiten der <strong>Physik</strong> 167<br />
B.1 Grössenart, Dimension, Einheitensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />
B.1.1 Grösse und Zahlenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />
B.1.2 Grössenart und Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />
B.1.3 Grössengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />
B.1.4 Winkel und Raumwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />
B.1.5 Wahl der Basisgrössen in Einheitensystemen . . . . . . . . . . . . . 168<br />
B.2 SI-Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />
B.2.1 Von den SI-Einheiten abgeleitete Einheiten z.T. mit speziellen Namen171<br />
B.2.2 Verschiedene Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />
B.2.3 Vorsilben der Dezimalteilung von Einheiten . . . . . . . . . . . . . 173<br />
B.3 Astronomische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />
C Mathematische Hilfsmittel 174<br />
C.1 Mathematische Formelsammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />
C.1.1 Trigonometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />
C.1.2 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />
C.1.3 Hyperbolische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />
C.1.4 Inverse Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />
C.1.5 Ableitungen und unbestimmte elementare Integrale . . . . . . . . . 175<br />
C.1.6 Einige bestimmte Integrale, . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176<br />
C.1.7 Reihenentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176<br />
C.2 Zusammenstellung von Differentialgleichungen in <strong>Physik</strong> A . . . . . . . . . 177<br />
C.3 Vektorgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />
C.4 Theoreme aus der Vektorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />
C.5 Explizite Formen von Vektoroperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />
iv
<strong>Mechanik</strong><br />
Die <strong>Mechanik</strong> ist die Lehre von den Bewegungen materieller Körper. Sie umfasst also<br />
sowohl die Bewegungen von Atomen und Molekülen in Gasen und Flüssigkeiten und<br />
Festkörpern als auch die Bewegungen von Fahrzeugen, Satelliten und Galaxien. Die Statik<br />
ist die Lehre des Gleichgewichtes und die Kinematik die Lehre der Bewegung unter<br />
dem Einfluss von Kräften. Die <strong>Physik</strong> sucht nach den Fundamentalgesetzen und prüft<br />
sie anhand der Erfahrung d.h. durch das Experiment. Die Materialgesetze z.B. in der<br />
Festigkeitslehre oder in der Festkörperphysik sind dabei nur beschränkt gültig 1 .<br />
Der Begriff des Massenpunktes wird benutzt, um der Vielfalt der Bewegungen<br />
beizukommen, d.h. für einen Körper wird die räumliche Ausdehnung klein gegenüber<br />
allen Abmessungen, die bei der Bewegung eine Rolle spielen, angenommen. So kann in<br />
vielen Problemen die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne als Massenpunkt angesehen<br />
werden. Zur Erklärung der Gezeiten dagegen müssen jedoch die räumliche Ausdehnung<br />
und ihre Eigenrotation berücksichtigt werden. Wie gezeigt wird, greift die Schwerkraft am<br />
Schwerpunkt eines ausgedehnten Körpers an; dieser Schwerpunkt als Massenmittelpunkt<br />
wird somit als Massenpunkt genommen.<br />
Als mathematischer Punkt kann der Massenpunkt im Raume durch drei Koordinaten<br />
festgelegt werden, er führt also nur translatorische Bewegungen aus; Rotationen und<br />
Vibrationen sind nicht im Spiel. Diese Vereinfachung erleichtert wesentlich die grundsätzliche<br />
physikalische Beschreibung. Auf Grund unserer heutigen Erkenntnisse sind Elektronen<br />
und Positronen sowie auch die schwereren Leptonen (Myon und Tau, siehe Anhang) O<br />
bjekte ohne eine Ausdehnung 2 . Hadronen, wie das Proton, Neutron oder Mesonen, haben<br />
dagegen einen Radius von ca 0.6 fm=0.6·10 −15 m.<br />
Die Behandlung der <strong>Mechanik</strong> wird wesentlich einfacher, wenn wir mit der geometrischen<br />
Beschreibung der Bewegung eines Massenpunktes beginnen (Kinematik), wenn<br />
wir also die Ursachen dieser Bewegung (Dynamik) ausser acht lassen und später den<br />
ausgedehnten Körper als eine Vielzahl (System) von Massenpunkten ansehen.<br />
Begriffssysteme<br />
Fundamentale Begriffe, auf die sämtliche Betrachtungen zurückgeführt werden können,<br />
sind der Raum einschliesslich der Geometrie des Raumes, die Zeit und die Masse mit<br />
den mechanischen Eigenschaften der Materie. Wichtig ist nicht allein die Definierbarkeit<br />
sondern die Messbarkeit dieser Grössen. Alle weiteren Grössen lassen sich durch<br />
Fundamentalbegriffe und Definitionsgleichungen oder physikalische Gesetze ableiten, z.B.<br />
Druck=Kraft/Fläche, Kraft=Masse·Beschleunigung. In der <strong>Mechanik</strong> sind nur diese drei<br />
fundamentalen Grössen notwendig, zusätzlich müssen die Temperatur und Grössen der<br />
Elektrizitätslehre definiert werden.<br />
Die Länge wurde früher aus subjektiven Abmessungen festgelegt: Fuss 3 , Elle, Zoll<br />
usw. Vom Wohlfahrtsausschuss in Paris wurde am 9. Primaire VIII (Revolutionszeitrechnung)<br />
geographisch das mètre vrai et définitif als 1m=1/40 000 000 des Meridianumfanges<br />
1 Es werden dann häufig angenäherte Gesetzmässigkeiten oder Modelle mit freien Parametern an experimentelle<br />
Daten angepasst, um somit bestimmte Eigenschaften beschreiben zu können.<br />
2 In der Quantenelektrodynamik (siehe später Vorlesungen der theoretischen <strong>Physik</strong>) erhält das Elektron<br />
durch die Vakuumpolarisation und die Massenrenormierung, d.h. durch die virtuelle Erzeugung und<br />
Vernichtung von Elektron-Positron Paaren und Photonen in der elektromagnetischen Wechselwirkung,<br />
eine dynamische Ausdehnung. Experimentell ist die Ausdehnung kleiner als 10 −18 m.<br />
3 Die Länge der Schuhe von 16 Männern nach dem Kirchgang dividiert durch 16.<br />
1
der Erde festgelegt 4 . Da eine genauere Definition notwendig wurde, diente ein in Paris aufbewahrter<br />
Platin-Iridium Stab als Urmeter. Dieser ist jedoch Umwelteinflüssen ausgesetzt<br />
und eine Eichung ist nur in Paris möglich. 1960 wurde 1m=1 650 763.73 Wellenlängen des<br />
roten, ungestörten 86 Kr 5d 5 − 2p 10 Überganges definiert. Diese Definition ist auf 10 −9<br />
genau mit Laserinterferometrie überall reproduzierbar.<br />
Seit Oktober 1983 wird, nachdem die Lichtgeschwindigkeit als eine exakte Naturkonstante<br />
mit c=299 792 458 m/s festgelegt wurde, definiert:<br />
“Le mètre est la longueur du trajet parcouru dans la vide par la lumière pendant une<br />
dureé de 1/299 792 458 de seconde.”<br />
“Ein Meter ist die Weglänge, die Licht im Vakuum innerhalb einer 1/299 792 458 Sekunde<br />
zurücklegt.”<br />
Die Länge ist damit auf eine sehr genau durchführbare Frequenzmessung λ = c/ν<br />
zurückgeführt und basiert auf einer festgelegten Naturkonstanten. Dennoch gibt es bei<br />
der Realisierung noch eine Reihe von Problemen, wenn die Genauigkeit erhöht werden<br />
muss 5 .<br />
Die Zeit mit dem Herzschlag subjektiv, mit einer Sanduhr oder mit dem Pendel<br />
festzulegen, ist zu ungenau für heutige Anforderungen. Geophysikalisch wurde ein mittlerer<br />
Sonnentag aus dem siderischen Jahr 6 mit 1a sid = 365.25636 definiert. Infolge der<br />
Gezeitenreibung wächst jedoch die Tageslänge um 5 · 10 −8 s/Tag und Zeiten können nur<br />
nachträglich festgelegt werden.<br />
Atomphysikalisch gilt seit 1967 als Standard: 1 Sekunde (s) ist die Zeitdauer von<br />
9 192 631 770 Schwingungen des Hyperfeinüberganges des 2 s 1/2 Grundzustandes des 133 Cs<br />
Atoms. Die Stabilität ist 3·10 −13 , die relative erreichbare Genauigkeit 7 jedoch nur 1·10 −11 .<br />
Die Masse bestimmt den quantitativen Zusammenhang zwischen Kraft und Beschleunigung<br />
⃗ F = m ·⃗b = d dt (m⃗v). Es kann entweder hiermit die Kraft ⃗ F aus der Masse m als<br />
Basis (in dieser Vorlesung benutzte SI-Einheiten) oder die Masse m aus der Kraft ⃗ F als<br />
Basis (technische Einheiten) abgeleitet werden. Die Grundeinheit Masse ist bis heute an<br />
einen künstlichen materiellen Körper gebunden 8 :<br />
1 Kilogramm (kg) ist die Masse des aus 90% Pt und 10% Ir bestehenden Urkilogramms<br />
(Zylinder von 39mm ⊘ × 39mm ), das im Bureau International des Poids et Mesure in<br />
4 Dies ist eine gute Merkzahl der Grösse der Erde. Heute ist 1m=1/40009100 des Meridianumfanges<br />
der Erde, bei geforderter höherer Genauigkeit gibt es Probleme mit der Erdgestalt.<br />
5 (siehe P.W. Petley Nature Vol.303 (1983) 373) Licht ist eine sichtbare elektromagnetische Welle im<br />
Wellenlängenbereich 400-700 nm, dies ist restriktiv; theoretisch ist jedoch die Masse des Photons null<br />
und damit ist die Definition für alle Wellenlängen gültig. In Materie muss jedoch auf die unterschiedliche<br />
Dispersion geachtet werden.<br />
Vakuum ist nur begrenzt ohne Materie herstellbar, es enthält jedoch auch Felder, Strahlung und Gravitationsfelder,<br />
sie beeinflussen Raum und Zeit und damit muss eine Trajektorie nicht gerade sein.<br />
Zeitintervalle sind nur in einem nicht beschleunigten Inertialsystem definierbar, während die Erde ein<br />
rotierendes und damit beschleunigtes System ist.<br />
Bei der Ausbreitung einer Welle ist die Gruppengeschwindigkeit und nicht die Phasengeschwindigkeit<br />
massgebend (siehe später <strong>Physik</strong> A II).<br />
Eine neue Meterdefinition ist möglich auf der Basis atomistischer Grössen, die z.B. die Feinstrukturkonstante<br />
α mit dem klassischen Elektronenradius festlegen.<br />
6 Die Zeit nach der die Erde bezüglich der Fixsterne nach einem Sonnenumlauf die gleiche Position hat.<br />
Infolge der 25000 Jahre Präzession der Erdachse (Kap. 9.9.7) ist 1a sid ≠ 1a tropisch . Die relativistische<br />
Zeitdilatation zwischen Pol und Äquator ist ≈ 100ns/Tag.<br />
7 Wayne M. Itano, Norman F. Ramsey, “Ultragenaue Zeitmessung”, Spektr.d.Wiss. Sept.1993,S32.<br />
8 Das Kilogramm wird in Zukunft auf der Basis der Naturkonstanten (z.B. ¯h) neu definiert werden<br />
[E.Braun, “Hat das Ur-Kilogramm bald ausgedient?”, Phys.Blätter 54(1998)11,998]; E.O.Göbel ibid<br />
57(2001)35.<br />
2
Sèvres (Paris) aufbewahrt wird. Es entspricht ungefähr der Masse von 1 l Wasser bei<br />
3.98 0 C. Die Konstanz dieser Masse z.B. durch Staub und Abrieb beeinflusst ist ca 2.5·10 −8 .<br />
Die Basisgrössen in Einheiten-Systemen können verschieden gewählt werden 9 .<br />
Hierbei sollten folgende Randbedingungen beachtet werden:<br />
(i) Die Anzahl Einheiten sind auf ein Minimum beschränkt.<br />
(ii)Die Bildung neuer Grössen (nicht Dimensionen) soll nur durch Multiplikationen und<br />
Divisionen bestehender Grössen bestimmt werden, nicht aber durch gebrochene Exponenten.<br />
An der 11. Generalkonferenz für Masse und Gewichte wurde 1960 ein kohärentes Einheitssystem,<br />
das Systeme International d’Unitès (SI), für den allgemeinen Gebrauch empfohlen.<br />
Die der Konvention angehörenden Staaten sind gehalten, das SI (siehe Anhang B)<br />
durch Gesetz einzuführen, es ersetzt alle früheren Masssysteme, wie das cgs, das MKS<br />
oder das technische System.<br />
In der Atomphysik, der Astrophysik und in der theoretischen <strong>Physik</strong> ist es jedoch oft<br />
zweckmässig, eigene Systeme einzuführen 10 .<br />
1 Kinematik des Massenpunktes<br />
1.1 Ort und Bahn<br />
Der Ort eines Massenpunktes m wird relativ zu einem Bezugspunkt ○ (Origio = Ursprung)<br />
angegeben, und zwar durch den sog. Ortsvektor ⃗r, der von ○ zum Ort des<br />
Massenpunktes zeigt. Die Spitze dieses Ortsvektors, d.h. die Funktion ⃗r = ⃗r(t), folgt der<br />
Bahn und beschreibt so die Bewegung im Laufe der Zeit.<br />
Wir haben hier die geometrische Interpretation des Vektors als gerichteter Geradenabschnitt<br />
benutzt. Der Vektor ist also durch seine Länge (Betrag) und seine Richtung<br />
festgelegt. Da man Vektoren addieren kann (Vektorparallelogramm), kann man umgekehrt<br />
den Ortsvektor auch in Komponenten zerlegen.<br />
z<br />
✻<br />
⃗r ✟✯ m<br />
⃗ k ✻<br />
✟❢<br />
✲<br />
✟✟✟✟ ⃗i ✠ ⃗j <br />
<br />
✠<br />
x<br />
✲ y<br />
Häufig wird dazu ein kartesisches Koordinatensystem benutzt,<br />
das durch drei aufeinander senkrecht stehende Einheitsvektoren<br />
⃗i, ⃗j, ⃗ k aufgespannt wird. Es gilt dann<br />
⃗r(t) = x(t)⃗i + y(t)⃗j + z(t) ⃗ k oder ⃗r(t) =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
x(t)<br />
y(t)<br />
z(t)<br />
Allgemein kann also ein räumlicher Vektor durch drei skalare Grössen x, y, z ersetzt<br />
werden. Der Betrag ist r = |⃗r| = √ x 2 + y 2 + z 2 . Man beachte: In einem Experiment<br />
können nur skalare Grössen gemessen werden.<br />
Der Endpunkt von ⃗r(t) beschreibt die Bahn von m. Sind die Ortskoordinaten als<br />
Funktion der Zeit t vorgegeben, so lässt sich daraus durch Elimination von t die Bahnkurve<br />
(Parameterdarstellung einer Kurve) berechnen. Wie z.B. x = a · t, y = b · t 2 und damit<br />
die Parabelbahn y = b · x 2 /a 2 .<br />
9 Fleischmann Zeitschrift für <strong>Physik</strong> 129(1951)377; Kamke, Krämer <strong>Physik</strong>alische Grundlagen der<br />
Masseinheiten 1977 S19, vgl. Zusammenfassung Anhang B.1.5.<br />
10 z.B. c = ¯h = m e c 2 = 1 in der theoretischen <strong>Physik</strong>.<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
3
Statt kartesischer sind oft andere Koordinaten zweckmässiger. Für Zylinderkoordinaten<br />
ρ, ϕ, z sind die Einheitsvektoren<br />
x<br />
ϕ=0<br />
z<br />
ϕ<br />
r → ρ<br />
Für Polarkoordinaten r, ϑ, ϕ ist<br />
x<br />
z<br />
ϕ<br />
ϑ<br />
y<br />
m<br />
y<br />
⃗e ρ =⃗i cos ϕ +⃗j sin ϕ, ⃗e z = ⃗ k,<br />
⃗e ϕ = −⃗i sin ϕ +⃗j cos ϕ, ρ = √ x 2 + y 2<br />
⃗r = ρ⃗e ρ + z ⃗ k =⃗iρ cosϕ +⃗jρ sin ϕ + ⃗ kz<br />
⃗r =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
x<br />
y<br />
z<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
ρ cos ϕ<br />
ρ sin ϕ<br />
z<br />
oder<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
⃗e r =⃗i sin ϑ cos ϕ +⃗j sin ϑ sin ϕ + ⃗ k cosϑ,<br />
⃗e ϑ =⃗i cos ϑ cos ϕ +⃗j cos ϑ sin ϕ − ⃗ k sin ϑ,<br />
⃗e<br />
m ϕ = −⃗i sin ϕ +⃗j cos ϕ<br />
r → ⃗r =⃗ir sin ϑ cos ϕ +⃗jr sin ϑ sin ϕ + ⃗ kr cos ϑ<br />
⃗r =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
x<br />
y<br />
z<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
r sin ϑ cosϕ<br />
r sin ϑ sin ϕ<br />
r cos ϑ<br />
Die Anzahl der unabhängigen Koordinaten, die den Ort eines Massenpunktes eindeutig<br />
festlegen, nennt man die Zahl seiner Freiheitsgrade f. Aus obigen Betrachtungen ist<br />
f = 3 für eine allgemeine räumliche Bewegung.<br />
y<br />
Ist die Bewegung an eine Fläche E gebunden, so ist f = 2. Es<br />
m genügen zwei Koordinaten zur Beschreibung einer ebenen Bewegung,<br />
entweder die kartesischen Koordinaten x, y oder die<br />
r →<br />
E ϕ<br />
Polarkoordinaten r, ϕ. Bewegt sich der Massenpunkt längs einer<br />
x<br />
vorgegebenen Kurve, so ist f = 1, und der Ort ist durch die<br />
Bogenlänge s eindeutig bestimmt.<br />
1.2 Die Geschwindigkeit eines Massenpunktes<br />
Die Geschwindigkeit ⃗v gibt an, wie schnell und in welcher Richtung<br />
sich der Ortsvektor mit der Zeit verändert. Die sogenann-<br />
→<br />
∆ r<br />
∆ t te Momentangeschwindigkeit ⃗v(t), d.h. die Geschwindigkeit in<br />
→<br />
∆r einem bestimmten Zeitpunkt t, wird durch folgende Operation<br />
→<br />
r(t)<br />
→<br />
r(t+∆t)<br />
erhalten. Man bestimmt die Ortsänderung ∆⃗r während des Zeitintervalles<br />
∆t. Dann stellt ∆⃗r/∆t die mittlere Geschwindigkeit<br />
im Zeitintervall ∆t dar.<br />
Wenn dieser Quotient für immer kleiner gewählte ∆t einem endlichen Grenzwert (Limes)<br />
zustrebt, definieren wir diesen Wert als momentane Geschwindigkeit ⃗v(t) in [m/s]:<br />
∆⃗r<br />
⃗v(t) = lim<br />
∆t→0 ∆t = lim ⃗r(t + ∆t) − ⃗r(t)<br />
∆t→0 ∆t<br />
→<br />
r(t)<br />
dr<br />
→<br />
→<br />
r(t+∆t)<br />
→<br />
v<br />
⎛<br />
= d⃗r<br />
dt = ⎜<br />
⎝<br />
⎞<br />
v x<br />
⎟<br />
v y<br />
v z<br />
⎠ =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
dx<br />
dt<br />
dy<br />
dt<br />
dz<br />
dt<br />
⎞<br />
oder<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
⎟<br />
⎠ = v x<br />
⃗i + v y<br />
⃗j + v z<br />
⃗ k<br />
Im Differentialquotienten d⃗r/dt sind d⃗r und dt infinitesimal kleine<br />
Grössen und einzeln nicht definiert. Dennoch wird in der <strong>Physik</strong><br />
häufig das sog. Differential d⃗r benützt und als sehr kleiner<br />
Vektor aufgefasst und sogar gezeichnet. Wir werden dies im folgenden<br />
auch tun und dabei immer bedenken, dass geometrische<br />
4
Beziehungen, die wir aus solchen Skizzen ablesen, nur gelten, wenn das Differential gegen<br />
Null strebt. So ergibt sich, dass z.B. d⃗r = ⃗r(t + dt) − ⃗r(t) tangential zur Bahnkurve<br />
steht. Daher ist auch die Geschwindigkeit ⃗v tangential zur Bahnkurve. Der Betrag<br />
der Geschwindigkeit ist dann mit den Komponenten in kartesischen Koordinaten<br />
v = √ v 2 x + v 2 y + v 2 z.<br />
Wenn wir aus der Ortsfunktion ⃗r(t) durch Differenzieren die Geschwindigkeit ⃗v erhalten,<br />
so muss sich durch die Umkehroperation, das Integrieren, aus ⃗v wiederum ⃗r berechnen<br />
lassen. Mit 3 Integrationskonstanten ⃗r(t ◦ ) = x(t ◦ )⃗i + y(t ◦ )⃗j + z(t ◦ ) ⃗ k gilt<br />
∫ t<br />
⃗r(t) = ⃗v(t ′ )dt ′ +⃗r(t ◦ ) =⃗i [ ∫ t<br />
v x (t ′ )dt ′ +x(t ◦ ) ] +⃗j [ ∫ t<br />
v y (t ′ )dt ′ +y(t ◦ ) ] + ⃗ k [ ∫ t<br />
v z (t ′ )dt ′ +z(t ◦ ) ]<br />
t ◦ t ◦ t ◦ t ◦<br />
→<br />
r(t o )<br />
s = ∫ √ dx 2 +dy 2 +dz 2<br />
= ∫√ v2 x +v2<br />
y +v2<br />
z dt<br />
→<br />
r(t)<br />
Weg s<br />
→<br />
→<br />
r(t)-r(t o )<br />
wenn zu einer bestimmten Zeit t ◦ der Ort (Anfangsort) ⃗r(t ◦ )<br />
vorgegeben ist. Die Skizze zeigt, dass die Differenz<br />
⃗r(t) − ⃗r(t ◦ ) =<br />
∫t<br />
t ◦<br />
⃗v(t ′ )dt ′<br />
nur im ganz speziellen Fall der geradlinigen Bewegung gleich<br />
dem zurückgelegten Weg (Bogenlänge 11 ) s ist!<br />
1.3 Die Beschleunigung eines Massenpunktes<br />
Die Geschwindigkeit ⃗v eines Massenpunktes ist im allgemeinen eine Funktion der Zeit;<br />
⃗v(t) kann sowohl den Betrag wie auch die Richtung ändern.<br />
Während ⃗v(t) als Tangente an die Bahnkurve im Ortsraum<br />
→<br />
definiert ist, kann man analog die Beschleunigung ⃗a(t) als<br />
die Tangente an die Bahnkurve im Geschwindigkeitsraum darstellen.<br />
Wir definieren also:<br />
v(t) ∆v → →<br />
∆v =<br />
→<br />
→<br />
a<br />
∆t<br />
v(t+∆t)<br />
→<br />
r(t)<br />
→<br />
a(t)<br />
→<br />
v(t)<br />
→<br />
v(t+dt)<br />
∆⃗v<br />
⃗a(t) = lim<br />
∆t→0 ∆t = lim ⃗v(t + ∆t) − ⃗v(t)<br />
∆t→0 ∆t<br />
= d⃗v<br />
dt .<br />
Setzen wir die Definition für ⃗v ein, so erhalten wir nach den<br />
Regeln der Differentialrechnung<br />
⃗a(t) = d⃗v<br />
dt = d dt<br />
( ) [ ]<br />
d⃗r<br />
= d2 ⃗r m<br />
,<br />
dt dt 2 s 2<br />
also einen direkten Zusammenhang zwischen der Ortsfunktion und der Beschleunigung.<br />
Genau wie vorher können wir bei gegebener Beschleunigung die Geschwindigkeit durch<br />
Integration erhalten.<br />
⃗v(t) = ⃗v(t ◦ ) +<br />
∫t<br />
t ◦<br />
⃗a(t ′ )dt ′ .<br />
Auf Grund der Definition von ⃗a liegt ⃗a parallel zu d⃗v. Folgende Spezialfälle sind wichtig:<br />
11 R.Rothe “Höhere Mathematik” Bd I, S.136, Teubner 1955<br />
5
⃗v(t) ✲ ✲ d⃗v a) ⃗v ändert sich nur im Betrag und nicht in der Richtung. Dann<br />
ist d⃗v‖⃗v, also ⃗a‖⃗v, d.h. die Beschleunigung ist auch tangential zur<br />
⃗v(t + dt) ✲ Bahn.<br />
b) ⃗v ändert sich nur in der Richtung und nicht im Betrag. Durch<br />
⃗v(t) ✲ Differenzieren des Skalarproduktes ⃗v · ⃗v erhalten wir:<br />
❳ ❳❳❳<br />
❳ ❳ d⃗v<br />
❳3❄<br />
⃗v(t + dt)<br />
d d⃗v<br />
(⃗v · ⃗v) = ⃗v ·<br />
dt dt + d⃗v d⃗v<br />
· ⃗v = 2⃗v ·<br />
dt dt = 0.<br />
Da aber ⃗v ·⃗v = v 2 = konst, so folgt 2⃗v · d⃗v = 0, d.h. d⃗v ⊥ ⃗v. Die Beschleunigung steht<br />
dt<br />
also senkrecht zur Bahn. Obwohl hier der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist, tritt<br />
wegen der Richtungsänderung eine Beschleunigung auf. |d⃗v| ist nicht gleich d|⃗v|!<br />
c) Im allgemeinen Fall steht ⃗a weder parallel noch senkrecht zu ⃗v und ⃗a besitzt also<br />
eine Komponente a tang parallel zu ⃗v (tangential zur Bahn) und eine Komponente a norm<br />
senkrecht zur Bahn.<br />
d) Jede krummlinie Bewegung ist eine beschleunigte Bewegung.<br />
1.4 Komponentendarstellung von Geschwindigkeit und Beschleunigung<br />
Die Vektorschreibweise von physikalischen Beziehungen gestattet eine einfache und kompakte<br />
Darstellung, die ferner, wie wir noch sehen werden, auch Symmetriebeziehungen und<br />
Transformationseigenschaften besser erkennen lässt 12 . Für numerische Zwecke müssen wir<br />
jedoch Vektoren in ihre Komponenten in einem geeigneten Koordinatensystem zerlegen.<br />
Wir behandeln 3 Beispiele.<br />
1.4.1 Raumfestes kartesisches xyz-Koordinatensystem<br />
mit zeitunabhängigen Einheitsvektoren ⃗i, ⃗j, ⃗ k. Aus dem Ortsvektor<br />
⃗r(t) = x(t)⃗i + y(t)⃗j + z(t) ⃗ k<br />
erhält man durch Differentiation die Geschwindigkeit<br />
⃗v(t) = d⃗r<br />
dt = dx<br />
dt ⃗ i + dy<br />
dt ⃗ j + dz<br />
dt ⃗ k = v x (t)⃗i + v y (t)⃗j + v z (t) ⃗ k<br />
und die Beschleunigung<br />
⃗a(t) = d⃗v<br />
dt = dv x<br />
dt ⃗ i + dv y<br />
dt ⃗ j + dv z<br />
dt ⃗ k = d2 x<br />
dt 2⃗ i + d2 y<br />
dt 2⃗ j + d2 z<br />
dt 2⃗ k = a x (t)⃗i + a y (t)⃗j + a z (t) ⃗ k (1)<br />
z<br />
✻<br />
⃗r ✟✯<br />
❢ ✟ ✟✟✟✟<br />
<br />
<br />
✠<br />
x<br />
✲ y<br />
Die Beträge dieser Vektoren sind dann<br />
√<br />
|⃗r| = r = x 2 + y 2 + z 2 (2)<br />
)<br />
√ 2 ( ) 2 ( ) 2<br />
√( dx dy dz<br />
|⃗v| = v = + + (3)<br />
dt dt dt<br />
)<br />
√ 2 ( ) 2 ( ) 2<br />
√(<br />
d2 x d2 y d2 z<br />
|⃗a| = a = + + (4)<br />
dt 2 dt 2 dt 2<br />
12 Vektoranalysis = Differentialrechnung im 3-dimensionalen oder n-dimensionalen Raum.<br />
6
1.4.2 Normal- und Tangentialkomponenten<br />
Wir führen einen Einheitsvektor ⃗u ein, der in jedem Punkt tangential zur Bahn liegt: ⃗v =<br />
v⃗u. ⃗u ist also zeitabhängig und läuft auf der Bahn mit. Dann ergibt sich als Beschleunigung<br />
→<br />
r<br />
→<br />
u<br />
→<br />
v<br />
⃗u(t)<br />
❳ ✲ ❳❳<br />
❳ ❳❳ dϕ d⃗u<br />
❳3❄<br />
⃗u(t + dt)<br />
⃗a = d⃗v<br />
dt = d dv<br />
(v⃗u) = ⃗u + vd⃗u<br />
dt dt dt . (5)<br />
Da ⃗u‖⃗v steht, stellt der erste Term die Tangentialbeschleunigung<br />
⃗a tang = dv ⃗u dar. Da ⃗u ein Einheitsvektor ist, gilt ⃗u · ⃗u = 1<br />
dt<br />
und<br />
d d⃗u<br />
⃗u · ⃗u = 2⃗u ·<br />
dt dt = 0,<br />
d⃗u<br />
also für<br />
dt<br />
≠ 0 ist d⃗u ⊥ ⃗u.<br />
Als Einheitsvektor kann ⃗u nur seine Richtung, aber nicht seinen<br />
Betrag ändern. Die durch d⃗u definierte Richtung nennen wir die<br />
Hauptnormale der Kurve und legen sie durch den Einheitsvektor<br />
⃗n fest: ⃗n‖d⃗u.<br />
Wenn die Zeit um dt fortschreitet, hat sich ⃗u um den Winkel dϕ<br />
→<br />
u(t)<br />
→<br />
dr<br />
→<br />
u(t+dt) gedreht. Es ist also ϕ|⃗u| = |d⃗u| oder d⃗u = dϕ⃗n<br />
→<br />
n(t)<br />
→<br />
n(t+dt)<br />
→<br />
r(t)<br />
im Grenzfall infinitesimal kleiner Winkel dϕ. Somit identifizieren<br />
dϕ ρ wir vd⃗u/dt (den zweiten Term in Gl.(5) für⃗a) als die Normalbeschleunigung<br />
⃗a<br />
→<br />
r(t+dt) M<br />
norm = v dϕ ⃗n. Die durch ⃗u und ⃗n aufgespannte<br />
dt<br />
Ebene heisst Schmiegungsebene.<br />
In ihr liegt der Krümmungskreis , den man zu jedem Punkt einer Bahnkurve angeben kann<br />
und der durch drei sehr nahe benachbarte Punkte bestimmt ist, deren Abstand gegen 0<br />
strebt. Mittels des Krümmungsradius ρ wird dr = ρdϕ und dϕ = |d⃗u| und somit<br />
P 1<br />
P 2 P 3<br />
ρ<br />
M<br />
a norm = v |d⃗u|<br />
dt<br />
= v dϕ<br />
dt = v1 |d⃗r|<br />
ρ dt<br />
= v2<br />
ρ .<br />
Zusammenfassung: ⃗v = v⃗u, ⃗a = dv v2<br />
⃗u +<br />
dt ρ ⃗n = a tang⃗u + a norm ⃗n<br />
Hierbei wurde kein Koordinatensystem spezifiziert. Auf einer gekrümmten Bahn erfährt<br />
ein Massenpunkt eine Normalbeschleunigung in Richtung der konkaven Seite. Die Richtung<br />
von ⃗a norm zeigt gegen M (Zentripetalbeschleunigung).<br />
1.4.3 Ebene Kreisbewegung ⃗v, ⃗a in Polarkoordinaten<br />
⃗e ϕ(t)<br />
⃗e ϕ(t+dt) ⃗e r(t+dt) ❆❑<br />
❆✟ ✟✯⃗er(t)<br />
❅■ ✒ dϕ<br />
⃗r(t+dt) ⃗r(t)<br />
ϕ(t+dt) ✒<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟✯ ϕ(t)<br />
ϕ=0<br />
0<br />
Analog zu den bisherigen Betrachtungen folgt also<br />
Der Massenpunkt wird durch die Koordinaten r und<br />
ϕ festgelegt. Wir führen zwei zeitabhängige Einheitsvektoren<br />
ein: ⃗e r ‖⃗r in Richtung wachsender ⃗r und<br />
⃗e ϕ ⊥ ⃗r in Richtung wachsender ϕ. Dann ist zunächst<br />
⃗r = r⃗e r . Als Einheitsvektoren können ⃗e ϕ und ⃗e r nur<br />
ihre Richtungen ändern.<br />
d⃗e r<br />
dt ⊥ ⃗e r,<br />
d⃗e ϕ<br />
dt ⊥ ⃗e ϕ<br />
oder<br />
d⃗e r<br />
dt = dϕ<br />
dt ⃗e ϕ und d⃗e ϕ<br />
dt = −dϕ dt ⃗e r.<br />
7
Das Minuszeichen tritt auf, weil d⃗e ϕ antiparallel zu ⃗r gerichtet ist.<br />
⃗v und ⃗a erhält man durch einfaches Differenzieren von ⃗r = r⃗e r .<br />
⃗e r(t+dt)<br />
✘ ✘✘ ✘ ✘✘✘✿ dϕ ✻ d⃗e r<br />
✲<br />
⃗e r(t)<br />
|d⃗e r|=|⃗e r|dϕ<br />
⃗v = d⃗r<br />
dt = dr<br />
dt ⃗e r + r d⃗e r<br />
dt = dr (<br />
dt ⃗e r + r dϕ )<br />
⃗e ϕ = v r ⃗e r + v ϕ ⃗e ϕ .<br />
dt<br />
oder in Komponenten<br />
v r = dr<br />
dt ,<br />
Für die Beschleunigung gilt ⃗a = d⃗v<br />
dt = dr<br />
(<br />
d⃗e r<br />
dt dt + d2 r<br />
dt 2⃗e r + r d2 ϕ<br />
dt + dr<br />
2 dt<br />
=<br />
⎡<br />
(<br />
⎣ d2 r dϕ<br />
dt − r 2 dt<br />
Beschleunigung<br />
in Polarkoordinaten<br />
) ⎤ 2 [<br />
⎦⃗e r + r d2 ϕ<br />
dt + 2dr 2 dt<br />
a r =<br />
v ϕ = r dϕ<br />
dt . (6)<br />
)<br />
dϕ<br />
dt<br />
]<br />
dϕ<br />
⃗e ϕ = a r ⃗e r + a ϕ ⃗e ϕ .<br />
dt<br />
⎡ ( ) ⎤ 2<br />
⎣ d2 r dϕ<br />
dt − r ⎦ a 2 ϕ =<br />
dt<br />
[<br />
r d2 ϕ<br />
dt + 2dr 2 dt<br />
⃗e ϕ + r dϕ d⃗e ϕ<br />
dt dt<br />
]<br />
dϕ<br />
dt<br />
Die zur Zwischenrechnung eingeführten Einheitvektoren ⃗e r und ⃗e ϕ gehen natürlich in das<br />
Endergebnis nicht ein sondern nur die Polarkoordinaten r und ϕ sowie t.<br />
Speziell für eine Kreisbahn (r = konst = R) erhält man v r = 0, v ϕ = R dϕ<br />
dt = v<br />
(7)<br />
★✥<br />
❍❨ ⃗v ϕ<br />
❍❨❍ ✉<br />
⃗a r ✁<br />
✁☛<br />
R<br />
❇<br />
✧✦ ❇<br />
und a r = −R<br />
⃗a ϕ<br />
ω = dϕ<br />
dt<br />
( ) 2 ( ) dϕ vϕ 2<br />
v 2<br />
= −R = −<br />
dt R R ,<br />
a ϕ = R d2 ϕ<br />
dt 2 .<br />
ist die Winkelgeschwindigkeit und<br />
dω<br />
dt = d2 ϕ<br />
dt 2 die Winkelbeschleunigung.<br />
a r = − v2<br />
R = −ω2 R ist die Bedingung für eine Kreisbewegung. (8)<br />
Sie wird oft Zentripetalbeschleunigung genannt. Sie kann z.B. erzeugt werden durch eine<br />
Fadenkraft einer rotierenden Masse, durch die Lorentzkraft eines geladenen <strong>Teil</strong>chens in<br />
einem Magnetfeld oder die Gravitationskraft bei der Bewegung der Erde um die Sonne 13 .<br />
1.5 Die Winkelgeschwindigkeit als ein Vektor<br />
˙ϕ = dϕ<br />
[ ] 1<br />
dt = ω ist die Winkelgeschwindigkeit s<br />
¨ϕ = d2 ϕ<br />
dt = dω<br />
[ ] 1 2 dt = ˙ω = β die Winkelbeschleunigung .<br />
s 2<br />
T = 2π<br />
ω 0<br />
ist die Umlaufzeit nur für ω = ω 0 =konst und ν = 1 = ω 0<br />
die Frequenz<br />
T 2π<br />
(Umlaufzahl).<br />
13 Die entsprechend bezeichnete Zentripetalkraft m⃗a r = −mω 2 R ist daher keine Kraft<br />
sondern die geometrische Bedingung für eine Kreisbahn mit r =konst. Sie kann z.B. gebildet<br />
werden durch eine Fadenkraft, die Gravitationskraft [Kap. 3.6.1], die Lorentz-Kraft [Phys.AII].<br />
8
→<br />
ω<br />
ϕ<br />
ϑ<br />
→<br />
R<br />
→<br />
r<br />
→<br />
v<br />
In dieser Definition ist ω zunächst nur als ein Skalar gegeben.<br />
Mit v = R · dϕ = Rω kann aber aus der Winkelgeschwindigkeit<br />
die Geschwindigkeit berechnet werden. Damit muss<br />
dt<br />
ω ebenfalls Vektorcharakter besitzen abhängig von ⃗v und<br />
⃗r. Für eine Kreisbahn mit R =konst ist ⃗v ⊥ R, ⃗ ⃗ω ⊥ R ⃗ und<br />
⃗ω ⊥ ⃗v.<br />
Bei einer allgemeinen ebenen Bewegung steht R ⃗ nicht senkrecht zu ⃗ω, ⃗ω ist<br />
dann nicht konstant im Betrag. Mit dem Einheitsvektor in der Drehachse ⃗e ist<br />
⃗ω(t) = ω(t) · ⃗e = dϕ ⃗e. dt<br />
⃗ω ist ein axialer Vektor oder Pseudovektor , der durch seinen Drehsinn und nicht<br />
durch eine Richtung ausgezeichnet ist während ⃗r und ⃗v als polare Vektoren eine Richtung<br />
angeben. Für die Beträge gilt<br />
R = r · sin ϑ und |⃗v| = r · sin ϑ · ω = |⃗ω × ⃗r|, ⇒ ⃗v = ⃗ω × ⃗r<br />
wobei das Vektorprodukt zunächst hier formal benutzt wurde. Obwohl ⃗ω einen Drehsinn<br />
kennzeichnet, kann in der Konvention einer rechtsdrehenden Korkenzieherregel auch eine<br />
Richtung festgelegt werden 14<br />
Mit dem Zusammenhang ⃗v = ⃗ω × ⃗r gilt für die Beschleunigung<br />
ω →<br />
Def: Rechtsschraube<br />
⃗a = ˙⃗v = ˙⃗ω × ⃗r<br />
} {{ }<br />
tangential<br />
und für die Normalkomponente der Beschleunigung:<br />
+ ⃗ω × ˙⃗r = ⃗a<br />
} {{ } tang +⃗a norm<br />
normal<br />
⃗a normal = −a normal · ⃗e R = ⃗ω × ˙⃗r = ⃗ω × ⃗v = ⃗ω × (⃗ω × ⃗r)<br />
1.6 Berechnung von ⃗v und ⃗r aus ⃗a, ⃗r 0 und ⃗v 0<br />
Ist der Ort ⃗r(t) eines Massenpunktes als Funktion der Zeit vorgegeben, so lassen sich<br />
Geschwindigkeit und Beschleunigung daraus durch Differentiation berechnen:<br />
⃗v(t) = d⃗r<br />
dt ; d⃗v<br />
⃗a(t) =<br />
dt = d2 ⃗r<br />
dt . 2<br />
Umgekehrt können bei gegebener Beschleunigung Geschwindigkeit und Ort zu jeder<br />
Zeit durch Integration erhalten werden:<br />
⃗v(t) =<br />
∫ t<br />
t ◦<br />
⃗a(t ′ )dt ′ + ⃗v(t ◦ ); ⃗r(t) =<br />
∫ t<br />
t ◦<br />
⃗v(t ′ )dt ′ + ⃗r(t ◦ ).<br />
14 Wir unterscheiden polare Vektoren, die eine Richtung beinhalten und axiale Vektoren (Pseudovektoren),<br />
die durch einen Drehsinn gekennzeichnet sind. Man beachte: Es gilt in den mathematischen<br />
Produkten von polaren Vektoren P ⃗ und axialen Vektoren A: ⃗<br />
⃗P × P ⃗ = A, ⃗ A ⃗ × P ⃗ = P, ⃗ A ⃗ × A ⃗ = A ⃗<br />
z<br />
Führt man für die beiden Vektortypen eine Paritätsoperation P d.h. eine Spiegelung<br />
am Ursprung durch, dann gilt:<br />
✻<br />
PP ⃗ = −P ⃗ und PA ⃗ = + A, ⃗ z.B. für den Ortsvektor P⃗r = −⃗r.<br />
✲<br />
✏ ✏ ✟ ✟✟ ⃗r ✟✯<br />
✏✮ x<br />
✟<br />
✟<br />
y<br />
Die beiden Vektortypen unterscheiden sich also in ihrer Symmetrie gegenüber ✟✟✙ −⃗r=P⃗r<br />
dem Paritätsoperator.<br />
9
Natürlich muss diese Vektorgleichung bei einer expliziten Berechnung als drei skalare<br />
Gleichungen für die drei räumlichen Koordinaten (z.B. x, y, z kartesische Koordinaten)<br />
ausgeschrieben werden. Die beiden Integrationskonstanten müssen aus den Anfangsbedingungen<br />
berechnet werden. Anschaulich bedeutet dies: Die Endlage eines Massenpunktes<br />
bei bekannter Beschleunigung ist nur eindeutig, wenn z.B. der Anfangspunkt ⃗r ◦ = ⃗r(t ◦ )<br />
und die Anfangsgeschwindigkeit ⃗v ◦ = ⃗v(t ◦ ) gegeben sind.<br />
Als Beispiel betrachten wir die Bewegung eines Massenpunktes längs der x-Achse. Die<br />
Beschleunigung a x sei konstant, wie bei der Erdbeschleunigung g mit der x-Richtung als<br />
Fallrichtung. Aus<br />
a x ✻<br />
✲ t<br />
a x = dv x<br />
dt = konst<br />
folgt durch einmalige Integration<br />
v x ✻<br />
vx(t◦) ✏✏✏✏✏<br />
✲ t<br />
v x (t) =<br />
∫t<br />
t ◦<br />
a x dt ′ + v x (t ◦ ) = a x · (t − t ◦ ) + v x (t ◦ ).<br />
Für t ◦ wählen wir den Zeitnullpunkt, d.h. t ◦ = 0. Mit der Anfangsbedingung<br />
v x (t ◦ ) = v x (0) = 0 wird dann v x (t) = a x t = dx<br />
x<br />
t<br />
dt .<br />
Nochmalige Integration liefert<br />
x(t) =<br />
∫t<br />
◦<br />
v x (t ′ )dt ′ + x(0) = a x<br />
t 2 2 + x(0).<br />
Mit der zweiten Anfangsbedingung x(0) = 0 wird dann schliesslich x(t) = 1 2 a xt 2 .<br />
Die Kenntnis von Ort und Geschwindigkeit nur zu einem Zeitpunkt t ◦ legt bei bekannter<br />
Beschleunigung ⃗a den gesamten Bewegungsablauf fest.<br />
10
2 Die Grundgesetze der <strong>Mechanik</strong><br />
Wir suchen jetzt nach den Ursachen der Bewegung, insbesondere wollen wir quantitative<br />
Beziehungen aufstellen. Wir werden von Beobachtungen des Alltags ausgehen, Begriffe<br />
wie Masse und Kraft einführen, und dann zur Formulierung der Newtonschen Prinzipien<br />
gelangen, welche eine quantitative Erfassung aller mechanischen Vorgänge der klassischen<br />
<strong>Physik</strong> gestatten.<br />
2.1 Masse und Kraft<br />
Was wir gemeinhin als Kraft bezeichnen, ist unseren alltäglichen Erfahrung entnommen:<br />
wir müssen Muskelkräfte aufwenden, um z.B. einen Körper zu deformieren oder ihn in<br />
Bewegung zu versetzen. Wir fragen also nach den Wirkungen einer Kraft; die Frage nach<br />
dem Wesen der Kraft bleibt hier zunächst unbeantwortet.<br />
1. Eine subjektive Schmerzempfindung aufgrund einer<br />
Kraft ist eine ungenügende Definition einer Kraft.<br />
2. Mit unserer Muskelkraft können wir einen elastischen<br />
Körper deformieren. So wird z.B. eine ideale Feder<br />
verlängert oder verkürzt, wobei die Deformation offenbar<br />
umso grösser ist, je stärker die Kraft ist. Ferner<br />
ist<br />
die Deformation reversibel und reproduzierbar, d.h. unabhängig von der Vorgeschichte.<br />
Insbesondere wird die Deformation bei Wegnahme der Kräfte immer wieder verschwinden.<br />
Diese Eigenschaft können wir daher benützen, um Kräfte mit einer Standardfeder<br />
durch Deformation zu messen (Dynamometer).<br />
3. Kraft ist auch die Ursache einer Bewegungs-, also Geschwindigkeitsänderung einer<br />
Masse. Insbesondere muss auf einen Körper eine Kraft wirken, um ihn aus dem Zustand<br />
der Ruhe in denjenigen der Bewegung zu bringen. Hierbei sehen wir aus dem Experiment<br />
schon unmittelbar, dass die Geschwindigkeitsänderung umso grösser wird, je grösser die<br />
wirkende Kraft ist. Ferner ergibt sich ebenso unmittelbar, dass die Kraft eine vektorielle<br />
Grösse ist, da die Richtung der eintretenden Geschwindigkeitsänderung mit der Richtung<br />
Pre luft<br />
Reiter<br />
Rolle<br />
Luftaustritt<br />
Schiene<br />
Gewicht<br />
m<br />
der Kraft variiert.<br />
Quantitative Versuche zu einer eindimensionalen<br />
Bewegung können wir mit der Luftkissenbahn<br />
ausführen. Kleine Reiter gleiten fast<br />
ungehindert d.h. reibungsfrei auf einem Luftpolster.<br />
Mittels eines kleinen Gewichtsstückes<br />
können wir einen Reiter mit konstanter Kraft<br />
beschleunigen. Wir stellen fest, dass die Geschwindigkeit<br />
linear mit der Zeit wächst.<br />
Also ist die Beschleunigung a konstant, die wir in Abhängigkeit von der Zeit t messen,<br />
die der Reiter zum Zurücklegen einer festen Strecke x gebraucht hat, also a = 2x/t 2 . Für<br />
zwei verschiedene Beschleunigungen a 1 und a 2 gilt dann a 1 /a 2 = (t 2 /t 1 ) 2 .<br />
Mit dieser Standardkraft können wir verschieden grossen Reitern unterschiedliche Beschleunigungen<br />
a i erteilen. Offenbar hängt a i von einer Grösse ab, die wir die träge<br />
Masse m i des Körpers nennen. Eine Masse zeigt einen Widerstand gegen eine Geschwindigkeitsänderung<br />
- die Trägheit. Gleiche Kraft ergibt bei gleichen trägen Massen<br />
dieselbe Geschwindigkeitsänderung. Wir können daher das Verhältnis der Massen m 1 und<br />
11
m 2 zweier Reiter durch das Verhältnis der zugehörigen Beschleunigungen a 1 und a 2 bei<br />
konstanter Standardkraft definieren:<br />
m 2<br />
m 1<br />
= a 1<br />
a 2<br />
Es stellt sich heraus, dass das Massenverhältnis unabhängig davon ist, wie die gleichmässige<br />
Beschleunigung erzeugt wird, vorausgesetzt, beide Körper werden gleich behandelt.<br />
Wir können schliesslich die gleiche Masse mit einer doppelt so grossen Kraft beschleunigen,<br />
indem wir zwei Gewichtsstücke verwenden. Wir beobachten dann eine doppelt so<br />
grosse Beschleunigung. Somit können wir eine Kraft-Einheit definieren; es ist diejenige<br />
Kraft, welche der Masse m 1 die Beschleunigung a 1 erteilt. Auf Grund unserer Experimente<br />
erzeugt dann eine Kraft von F Einheiten, die auf eine Masse von m Einheiten wirkt,<br />
eine Beschleunigung a = F/m. Wir haben also für die eindimensionale Bewegung das<br />
Erfahrungsgesetz F = ma gefunden, das für den dreidimensionalen Raum erweitert<br />
werden kann zu ⃗ F = m ·⃗a Kraft=Masse·Beschleunigung (9)<br />
2.2 Die Newtonschen Prinzipien<br />
Aus dem in Kap.2.1 skizzierten Tatsachenmaterial lassen sich Schlüsse ziehen, die in den<br />
von Isaac Newton 1687 aufgestellten Prinzipien formuliert sind 15 . Diese Prinzipien, die<br />
für Massenpunkte gelten, stellen eine Kombination von Beobachtung, Definition, Intuition<br />
und Annahme über die Eigenschaften von Raum und Zeit dar.<br />
2.2.1 Trägheitsprinzip<br />
Das Trägheitsprinzip ist schon von Galilei 16 formuliert worden.<br />
15 Im dritten <strong>Teil</strong> seiner Prinzipia antizipierte Isaac Newton (1643-1727) die Idee eines künstlichen<br />
Satelliten als ein Wurfgeschoss, das um die Erde herumfällt, wenn nur die Anfangsgeschwindigkeit gross<br />
genug ist. Seine mathematische Theorie der Gravitation bewies die Identität der Fallbeschleunigung auf<br />
der Erde und der Anziehung zwischen Mond und Erde, erklärte damit auch die Gezeiten und postulierte<br />
identische Gesetze auf der Erde und im Weltraum. Dies war die erste vereinheitlichende Theorie in der<br />
<strong>Physik</strong>. Leibnitz kritisierte seine Begriffe des absoluten Raumes und der absoluten Zeit. Er wurde durch die<br />
Relativitätstheorie bestätigt. Der Huygens’schen Wellenhypothese des Lichtes stand Newton ablehnend<br />
gegenüber, dieser Konflikt wurde erst in der Quantenmechanik durch den Dualismus von Welle und<br />
<strong>Teil</strong>chen gelöst.<br />
16 Galileo Galilei (1564-1642) aus einer angesehenen Florentiner Kaufmannsfamilie, studierte in Pisa<br />
Medizin, war für die Malerei begabt, las mit 20 Euklid und Archimedes, wurde mit 25 1589 Prof. für<br />
Mathematik in Pisa: Fall-Versuche, Trägheitsgesetz, entwickelte das Fernrohr (Phasen der Venus, Jupitermonde),<br />
1592 Padua “Discorsi”, 1610 Hofmathematiker der Medici in Florenz (Fürst Cosimo II), 1616<br />
1.Prozess in Rom (Konflikt zwischen dem Aristotelismus und dem Kopernikanischen Weltsystem), 1633<br />
2.Prozess (lebenslängliche Haft im Landhaus Arcetri, Arbeiten: Gesetz des freien Falls, Wurfbewegung,<br />
schiefe Ebene, Pendelgesetz, verbotener Druck anonym in Holland), 1637 erblindet.<br />
1992 Rehabilitation durch Papst Johannes Paul II ohne die Haltung des Vatikans gegenüber den Naturwissenschaften<br />
zu tangieren [Phys. Blätter (1968)S.358-363, 49(1993)877-882, 1076-1077].<br />
12
z ✻<br />
Es ist immer möglich, ein spezielles Koordinatensystem, das<br />
m sogenannte Inertialsystem, zu finden, in dem sich ein isolierter<br />
Massenpunkt mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Wenn<br />
3✟ ✟✟✟✟✯ ⃗v = konst.<br />
auf einen Körper von aussen keine Kräfte wirken, beharrt er in<br />
seinem Zustand der Bewegung, er bleibt in Ruhe, wenn er von<br />
Anfang an in Ruhe war.<br />
Inertialsystem ✲<br />
x<br />
✠<br />
<br />
y<br />
Dies Prinzip stellt eine Mischung von Definition und experimenteller Tatsache dar: Auf<br />
Grund der Definition des Inertialsystems bewegen sich Massenpunkte mit konstantem ⃗v,<br />
falls es uns gelingt, alle auf sie wirkenden Kräfte auszuschalten.<br />
Weil das in der Praxis nur beschränkt möglich ist, ist also die Aussage, solche Inertialsysteme<br />
würden existieren, eine geniale Extrapolation der Beobachtungen. Das Trägheitsprinzip<br />
ist nicht einfach ein Sonderfall des gleich zu besprechenden 2. Prinzips, es definiert<br />
vielmehr den Raum (Metrik des Raumes ), in dem die Newtonsche <strong>Mechanik</strong> gilt.<br />
In unseren obigen Versuchen mit der Luftkissenbahn stellt ein Koordinatensystem, das<br />
fest mit dem Profil verbunden ist, das Inertialsystem dar. Wirken längs der Bahn keine<br />
Kräfte, so ändert sich der Bewegungszustand des Reiters nicht.<br />
2.2.2 Bewegungs- oder Aktionsprinzip<br />
z ✻<br />
m 3✟ ✟✟✟✟✯ F ⃗<br />
✟ ✟✟✯<br />
⃗a<br />
Wirkt auf einen Massenpunkt der Masse m eine<br />
Kraft ⃗ F, so erfährt der Massenpunkt eine Beschleunigung<br />
gemäss der Gleichung ⃗ F = m⃗a.<br />
✲<br />
x<br />
✠<br />
<br />
y<br />
Dieses Prinzip ist mehr als nur eine Definitionsgleichung der Kraft! Es genügt nicht<br />
zu sagen, dass eine Kraft F ⃗ = m⃗a existiere, wenn eine Beschleunigung ⃗a gemessen wird.<br />
Kräfte rühren her von Wechselwirkungen zwischen Systemen (hier also zwischen Reiter<br />
und Gewichtsstück ), und es sind diese Wechselwirkungen, welche physikalisch bedeutsam<br />
sind und die in jedem Falle angegeben werden müssen. Andererseits wird durch das<br />
Aktionsprinzip die Kraft definiert durch: Man nehme m, messe ⃗a und bestimme F ⃗ aus<br />
Gl. (9).<br />
Das Aktionsprinzip liefert auch die Masseinheit der Kraft. Im Internationalen System<br />
ist die Einheit der Kraft 1 Newton = 1 N =<br />
[ kg m<br />
s<br />
2<br />
]<br />
. Das ist die Kraft, die der Masse 1<br />
kg die Beschleunigung 1 m/s 2 erteilt 17 .<br />
Aus der Vektorschreibweise des Aktionsprinzips folgt, dass ⃗ F immer in Richtung von<br />
⃗a zeigt. Man kann also die Kraft durch einen Vektor repräsentieren, dessen Angriffspunkt<br />
im Massenpunkt liegt. Wenn mehrere Kräfte auf einen Massenpunkt wirken und somit<br />
auch mehrere Wechselwirkungen vorhanden sind, so zeigt die Erfahrung, dass diese Kräfte<br />
sich zu einer resultierenden Kraft überlagern. Es gilt das<br />
17 Im cgs-System ist die Einheit 1 dyn diejenige Kraft, die 1 g mit 1 cm/s 2 beschleunigt. Es ist<br />
1 N = 10 5 dyn.<br />
13
2.2.3 Superpositionsprinzip<br />
F ⃗<br />
⃗F ✂ ✂✍<br />
✂<br />
2<br />
✂<br />
✂<br />
✂<br />
✂<br />
✂<br />
⃗a ✂ ✂✍ 2 ⃗a<br />
✂<br />
✂<br />
✂<br />
✚✂<br />
3<br />
✚✚✚✚✚✚✚✚✚✚✚❃<br />
✚✚✚✚✚❃ ✲ ✲✂<br />
m ⃗a 1 F1 ⃗<br />
Die Beschleunigung ⃗a, die mehrere an einem<br />
Massenpunkt angreifende Kräfte ⃗ F i bewirken,<br />
ist gleich der Vektorsumme ⃗a = ∑ ⃗a i der<br />
Einzelbeschleunigungen, welche die Kräfte<br />
verursachen würden, falls sie einzeln wirken<br />
würden.<br />
⃗F = ∑ ⃗ Fi = ∑ m⃗a i = m⃗a<br />
Das Aktionsprinzip kann in einer etwas allgemeineren Form geschrieben werden, wie sie<br />
Newton selbst benutzte, die überdies auch in der Relativitätstheorie gültig ist. Dazu<br />
brauchen wir den Begriff des Impulses. Der Impuls ⃗p eines Massenpunktes m ist definiert<br />
als ⃗p = . m⃗v. Dann lautet das Aktionsprinzip: F ⃗ =<br />
d⃗p<br />
dt<br />
= d(m⃗v)<br />
dt<br />
= m⃗a (10)<br />
Die auf einen Massenpunkt wirkende Kraft ⃗ F ist gleich der Impulsänderung pro Zeiteinheit.<br />
Die Proportionalitätskonstante ist in Gl.(10) als 1 definiert. Gl.(10) ist eine Vektorgleichung,<br />
die ausgeschrieben in drei räumlichen Koordinaten z.B. in kartesischen<br />
Koordinaten lautet: F x = m d2 x<br />
dt 2 ,<br />
Polarkoordinaten Gl. (7)<br />
F r = m<br />
F y = m d2 y<br />
dt , 2<br />
⎡ (<br />
⎣ d2 r dϕ<br />
dt − r 2 dt<br />
F z = m d2 z<br />
dt 2<br />
oder in ebenen<br />
) ⎤ 2 [<br />
⎦, F ϕ = m r d2 ϕ<br />
dt + 2dr 2 dt<br />
In der klassischen <strong>Physik</strong> (v ≪ Lichtgeschwindigkeit c) ist m unabhängig vom<br />
Bewegungszustand, so dass gilt F ⃗<br />
d⃗p =<br />
dt = d (m⃗v) = md⃗v<br />
dt dt .<br />
Für Geschwindigkeiten, die nicht mehr klein gegen die Lichtgeschwindigkeit c sind, ist<br />
m jedoch eine Funktion von v. Dabei gilt auf Grund der Einsteinschen Relativitätstheorie<br />
]<br />
dϕ<br />
dt<br />
m =<br />
m ◦<br />
√<br />
1 − v 2 /c 2<br />
wobei m ◦ die Ruhemasse ist. Trotzdem ist das Aktionsgesetz in der Form<br />
noch gültig. Explizit erhält man<br />
⃗F = d dt (m⃗v) =<br />
⃗F = d⃗p<br />
dt = d dt (m⃗v)<br />
m ◦ d⃗v<br />
√<br />
1 − v 2 /c 2<br />
dt + m ◦ v dv<br />
√<br />
(1 − v 2 /c 2 ) 3 c 2 dt ⃗v.<br />
14
2.2.4 Reaktionsprinzip<br />
Dass eine Kraft das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen zwei Systemem ist, wird im<br />
3. Prinzip ausdrücklich formuliert:<br />
Übt irgend ein Körper 1 auf einen Körper 2 eine Kraft<br />
7<br />
✏✮✏ ✏✏ ⃗F 12 aus, so übt der Körper 2 auf den Körper 1 auch<br />
✏7<br />
✏✏ ✏✶ F12 ⃗ 2 eine Kraft F ⃗ 21 aus, so dass gilt<br />
⃗F 21<br />
1<br />
⃗F 12 = −F ⃗ 21 actio=reactio<br />
Kräfte treten immer in Paaren auf, greifen jedoch an verschiedenen Körpern an. Sie<br />
können sich also in ihrer Wirkung nicht aufheben. Für die Gültigkeit des 3. Prinzips<br />
spielt es keine Rolle, ob die beiden Körper sich berühren oder beliebig weit voneinander<br />
entfernt sind, ob sie gleiche oder verschiedene Masse und Form besitzen, oder von welcher<br />
Art die Wechselwirkung ist (z.B. Gravitations- oder elektromagnetische Kraft) [Kap.10].<br />
Was ist der Gültigkeitsbereich der Newtonschen <strong>Mechanik</strong>, also der <strong>Mechanik</strong>, welche<br />
sich auf die Newtonschen Prinzipien stützt? Wie schon erwähnt, wird die Newtonsche<br />
<strong>Mechanik</strong> ungültig, wenn sich die Massenpunkte mit Geschwindigkeiten bewegen, die vergleichbar<br />
mit der Lichtgeschwindigkeit sind (c ≃ 3 × 10 8 m/s). Die Newtonsche <strong>Mechanik</strong><br />
versagt ebenfalls für Systeme von atomaren oder noch kleineren Dimensionen (≃ 10 −8 cm),<br />
wo sogenannte Quanteneffekte bedeutsam werden. Der Grund für die beschränkte Gültigkeit<br />
der Newtonschen <strong>Mechanik</strong> sind die nichtrelativistischen, klassischen Konzepte von<br />
Raum, Zeit und die Beschränkung auf makroskopische Systeme, bei denen Effekte der<br />
Quantenmechanik vernachlässigt werden können.<br />
2.3 Der Schwerpunkts- oder Impulssatz für Systeme von Massenpunkten<br />
Die Newtonschen Prinzipien beschreiben das Verhalten von Massenpunkten. Obwohl ausgedehnte<br />
Körper zuweilen durch Massenpunkte angenähert werden können (z.B. bei der<br />
Planetenbewegung, da die Grösse der Planeten von geringer Bedeutung bei den riesigen<br />
Dimensionen des Sonnensystems ist), so gibt es doch genügend Fälle, in denen die endliche<br />
Ausdehnung der Körper berücksichtigt werden muss. Deshalb wollen wir jetzt die<br />
Newtonschen Prinzipien für ein System von vielen Massenpunkten verallgemeinern.<br />
z ✻ ⃗F i ✐<br />
m ✉i<br />
Es seien N Massenpunkte m <br />
i gegeben, z.B. die Sonne mit ihren<br />
Planeten oder die Atome einer Billiardkugel. Diese N Mas-<br />
✒ ✁<br />
✁☛ ⃗ G ki senpunkte definieren jeweils das System, dessen Bewegung wir<br />
⃗r i<br />
<br />
untersuchen sollen. Dann sind zwei Typen von Kräften zu unterscheiden,<br />
die auf die Massenpunkte wirken: die innere Kraft<br />
m<br />
✉ 1 ✁✕ Gik ⃗<br />
✉✁<br />
m<br />
❢<br />
✲<br />
x ✉N<br />
m k<br />
G ik , die der Massenpunkt m i auf den Massenpunkt m k ausübt,<br />
y<br />
✠<br />
und die äussere Kraft F i , die auf m i wirkt.<br />
Im Falle der Billiardkugel ist G ik eine intermolekulare elektrische Kraft und F i umfasst<br />
die Gravitationskraft der Erde und eventuell die von der Berührungsfläche herrührende<br />
Kraft.<br />
Für jeden einzelnen Massenpunkt gilt das Aktionsprinzip<br />
⃗F 1 + G ⃗ 21 + G ⃗ 31 + ... + G ⃗ N1 = d⃗p 1<br />
dt , F2 ⃗ + G ⃗ 12 + G ⃗ 32 + ... + G ⃗ N2 = d⃗p 2<br />
dt<br />
15
...<br />
⃗F N + ⃗ G 1N + ⃗ G 2N + ... + ⃗ G N−1N = d⃗p N<br />
dt<br />
Addieren wir diese Gleichungen und beachten dabei, dass nach dem 3. Newtonschen<br />
Prinzip gilt ⃗ G ik = − ⃗ G ki , so folgt<br />
N∑<br />
⃗F i = d N∑<br />
⃗p i ,<br />
i=1<br />
dt<br />
i=1<br />
die inneren Kräfte fallen heraus.<br />
Wir nennen ⃗p = ∑ i ⃗p i den totalen Impuls des Systems, ⃗ F = ∑ i ⃗ F i die resultierende<br />
äussere Kraft, und erhalten dann<br />
den Impulssatz<br />
⃗ F =<br />
d⃗p<br />
dt . (11)<br />
Die auf ein System von Massenpunkten wirkende resultierende äussere<br />
Kraft ist gleich der Änderung des Gesamtimpulses pro Zeiteinheit.<br />
Formal ist der Impulssatz identisch mit dem Reaktionsprinzip für einen Massenpunkt,<br />
weil die inneren Kräfte nicht mehr auftreten. Diese formale Gleichheit lässt sich noch<br />
stärker betonen, wenn wir den Begriff des Schwerpunktes einführen.<br />
✉<br />
z ✻<br />
Der Schwerpunkt S (besser Massenmittelpunkt ) von N Massenpunkten<br />
wird durch das gewichtete Mittel der Ortsvektoren<br />
✉ M<br />
m i ✉ ❡S<br />
✂ ✂✍ ⃗r i ✒ ✉ der Massenpunkte definiert. Der Ortsvektor des Schwerpunktes<br />
ist also<br />
∑ ∑<br />
✂ <br />
✉<br />
✲<br />
x ✂ ⃗r<br />
.<br />
S<br />
⃗r s =<br />
i m i ⃗r i i m i ⃗r i<br />
=<br />
✠<br />
<br />
y<br />
∑i m i M ,<br />
wobei M = ∑ i m i die Gesamtmasse darstellt. Dann ergibt sich für den Gesamtimpuls<br />
⃗p = ∑ i<br />
⃗p i = ∑ i<br />
m i ⃗v i = ∑ i<br />
m i<br />
d⃗r i<br />
dt = d dt<br />
∑<br />
i<br />
m i ⃗r i = d dt M⃗r s = M d⃗r s<br />
dt = M⃗v s.<br />
⃗v s heisst die Schwerpunktsgeschwindigkeit. Aus dem Impulssatz folgt dann:<br />
der Schwerpunktsatz<br />
⃗a s ist die Schwerpunktsbeschleunigung. In Worten:<br />
∑i ⃗ F i = ⃗ F = M d2 ⃗r<br />
dt 2 = M d⃗v s<br />
dt = M⃗a s (12)<br />
Der Schwerpunkt S eines Systems von Massenpunkten bewegt<br />
sich so, als ob in ihm die gesamte Masse konzentriert wäre und<br />
sämtliche äusseren Kräfte an ihm angreifen würden.<br />
Für allgemeine Punktsysteme gibt der Schwerpunktssatz keine Auskunft über die detaillierte<br />
Bewegung einzelner <strong>Teil</strong>chen. Er macht nur Aussagen über die Bewegung eines<br />
Punktes, des Schwerpunktes S, der übrigens nicht einmal mit einem Massenpunkt des<br />
Systems zusammenfallen muss (Fig. oben).<br />
Der Schwerpunktssatz rechtfertigt das Konzept des Massenpunktes. Für einen starren<br />
Körper, dessen Moleküle infolge starker interner Kräfte feste Abstände untereinander<br />
16
haben, beschreibt der Schwerpunktssatz die Translation des Körpers. Solange wir nur<br />
an dieser interessiert sind, können wir den Körper durch einen Massenpunkt ersetzen.<br />
Um jedoch über Drehbewegungen etwas aussagen zu können, brauchen wir eine weitere<br />
Bewegungsgleichung, den Drehimpulssatz (Kapitel 5).<br />
Wir nennen ein System abgeschlossen, wenn die Summe der äusseren Kräfte<br />
∑ ⃗ Fi = ∑ d⃗p i<br />
dt<br />
= 0 verschwindet. Dann bleiben auf Grund des Impulssatzes der Gesamtimpuls<br />
und nach dem Schwerpunktssatz die Schwerpunktsgeschwindigkeit erhalten:<br />
In einem abgeschlossenen System<br />
ist ∑ i ⃗p i = ⃗p = konst, ⃗v s = konst.<br />
Impulserhaltungssatz (13)<br />
Wenn ⃗v s = konst., so sind nur relative Lageänderungen innerhalb des Systems oder<br />
Drehungen des Gesamtsystems möglich (vgl. Kap.3.7 und 8.6).<br />
Unsere Herleitung des Impulserhaltungssatzes basiert auf der Gültigkeit der Newtonschen<br />
<strong>Mechanik</strong>. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass dieser Satz auch in solchen<br />
Gebieten der <strong>Physik</strong> gilt, wo die Newtonsche <strong>Mechanik</strong> unzulänglich ist, z.B. in der Quantenmechanik<br />
und in der Relativitätstheorie. Deshalb wird dem Impulserhaltungssatz eine<br />
fundamentalere Bedeutung als der Newtonschen <strong>Mechanik</strong> beigemessen. In Kap. 10 wird<br />
die Impulserhaltung aus der Symmetrie des Raumes abgeleitet. Der Raketenantrieb ist<br />
eine Anwendung der Impulserhaltung (Kap.3.7).<br />
2.4 Die vier fundamentalen Kräfte<br />
Es sind bisher nur vier fundamentale Kräfte bekannt (vgl. Anhang ??):<br />
1. Die Gravitation,<br />
}<br />
2. die elektromagnetische Wechselwirkung,<br />
elektroschwache Wechselwirkung<br />
3. die schwache Wechselwirkung und<br />
4. die starke Wechselwirkung der Quarks.<br />
Andere Kräfte 18 wie van der Waals-Kräfte in der Chemie, die Kernkraft oder Reibungskräfte,<br />
lassen sich im Prinzip alle auf die vier fundamentalen Kräfte zurückführen.<br />
Die ersten beiden Wechselwirkungen haben eine unendliche Reichweite, da sie mit dem<br />
inversen Quadrat des Abstandes abnehmen, die letzten beiden sind nur wirksam innerhalb<br />
nuklearer Dimensionen (≃ 10 −15 m). Die Restwechselwirkung der starken Wechselwirkung<br />
der Quarks (ähnlich den van der Waals-Kräften der elektomagnetischen Wechselwirkung)<br />
verursacht die Kernkräfte zwischen den Bausteinen (Nukleonen: Protonen und Neutronen)<br />
des Atomkerns und ist für dessen Zusammenhalt verantwortlich. Die schwache Wechselwirkung<br />
tritt beim β-Zerfall des Atomkerns auf (z.B. Umwandlung eines Neutrons in ein<br />
Proton unter Emission eines Elektrons und eines Neutrinos). Gegenwärtig wird sehr intensiv<br />
untersucht, ob sich diese verschiedenen Kräfte auf eine einzige Ursache zurückführen<br />
lassen (Vereinheitlichung der Kräfte), was bereits für die 2. und 3. der Wechselwirkungen<br />
gelungen ist.<br />
Wechselwirkungen werden nach dem heutigen Bild der Quantenfeldtheorie durch Austauschteilchen<br />
vermittelt, die virtuell zwischen Materieteilchen ausgetauscht werden. Masselose<br />
Austauschteilchen wie das Photon der elektromagnetischen Wechselwirkung und<br />
18 Eine superschwache Wechselwirkung als Ursache der beobachteten Verletzung der Zeitumkehrinvarianz<br />
und damit eventuell der extremen Asymmetrie von Materie und Antimaterie im Universum oder<br />
eine fünfte Kraft in der Gravitation, wurden bisher nicht gefunden.<br />
17
das Graviton 19 der Gravitationskraft haben eine unendliche Reichweite und damit ein<br />
Kraftgesetz proportional zum inversen Quadrat des Abstandes, 20 während die kurzreichweitige<br />
schwache und starke Wechselwirkung durch massive Austauschteilchen vermittelt<br />
werden 21 .<br />
Da die schwache und starke Wechselwirkung ausserhalb der Atome (Dimension ≃ 10 −10<br />
m) keine merkliche Rolle spielen, sind in der alltäglichen <strong>Mechanik</strong> nur die Gravitation<br />
und die elektromagnetischen Kräfte von Bedeutung. Mit ihnen werden wir uns etwas<br />
näher beschäftigen, bevor wir Anwendungen der Newtonschen Prinzipien diskutieren.<br />
2.4.1 Die Gravitationskraft<br />
Newton entdeckte 1684 das nach ihm benannte Gravitations-Gesetz.<br />
✎☞<br />
m s2<br />
✒ ✍✌<br />
<br />
✠ G ⃗ 12<br />
⃗r 12 <br />
★✥<br />
✒ G21 ⃗ m s1<br />
✧✦<br />
m 1<br />
Spiegel<br />
m 2<br />
m 2<br />
m 1<br />
Zwei Körper mit sphärisch-symmetrischer Massenverteilung<br />
ziehen sich gegenseitig mit einer Kraft an,<br />
die proportional dem Produkt der schweren Massen<br />
und umgekehrt proportional dem Quadrat ihres Abstandes<br />
ist.<br />
In vektorieller Form gilt:<br />
Schirm<br />
⃗ G12 = −Γ m s1m s2<br />
r 2 12<br />
· ⃗r 12<br />
r 12<br />
(14)<br />
Γ ist eine Proportionalitätskonstante, die experimentell bestimmt werden muss, indem<br />
man die Kraft zwischen Massen in einer bekannten geometrischen Anordnung misst.<br />
Die erste Messung wurde 1771 von Henry Cavendish<br />
mit einer Torsionswaage ausgeführt. Der heutige<br />
Lichtquelle<br />
Wert der Konstanten ist<br />
−11 Nm2<br />
Γ = 6.67259(85) · 10<br />
kg 2 = m3<br />
s 2 kg .<br />
Die Gravitationskonstante Γ ist eine der fundamentalen<br />
Naturkonstanten. Da sie für alle Materialien<br />
gleich ist, nennt man das Gravitationsgesetz Gl.(14)<br />
universell.<br />
Messung der Gravitationskonstanten im Cavendish-Experiment †<br />
Da die Massen der Himmelskörper zuächst nicht genau bekannt sind, kann die Gravitationskonstante<br />
Γ nicht z.B. aus der Bewegung des Mondes um die Erde mit<br />
F = Γ m Em M<br />
= m<br />
rEM<br />
2 M · r EM ωM 2 bestimmt werden. Cavendish benutzte daher bekannte<br />
Massen in einem Laborexperiment mit der von Coulomb 1784 zur Messung der elektrostatischen<br />
Kraft entwickelten Torsionswaage (vgl. Kap. 11.4.2 S. 136). In der gezeichneten<br />
Anordnung herrsche ein Gleichgewicht zwischen den Momenten der Gravitationskraft und<br />
19 Das Graviton wurde bisher nur indirekt aus der Gravitationswellenabstrahlung eines Doppelpulsarsystems<br />
nachgewiesen. Joseph H. Taylor und Russell A. Hulse der Princeton University erhielten für<br />
diese schon 20 Jahre laufenden Präzisionsmessungen 1993 den Nobelpreis. [Scient.Amerik. Oct.1981 p.61;<br />
Spektrum d.Wiss. Dez.1981 S.53; Ap.J. 253(1982)908]<br />
20 Der Kraftfluss durch eine Kugelfläche ist konstant.<br />
21 Vergleiche Anhang ??. Ein massives Austauschteilchen mit der Masse m hat ein Potential<br />
V ∝ 1 r e−r·mc2 /¯hc<br />
18
dem rückstellenden Torsionsmoment:<br />
m 2 F<br />
x<br />
x<br />
S<br />
m 1<br />
m 1<br />
d<br />
Skala<br />
L<br />
Spiegel<br />
Torsionsdraht<br />
Lichtquelle<br />
Masse die Kraft<br />
F<br />
m<br />
x<br />
1 m 1<br />
m 2<br />
r<br />
d · Γ m 1m 2<br />
r 2 · 2 = −k · ϕ ,<br />
der Faktor 2 berücksichtigt beide Massen, k ist die<br />
Torsionskonstante. Werden die beiden Massen m 1 in<br />
die zweite Position verlagert, dann wirkt auf jede<br />
Γ m 1m 2<br />
r 2 + 1<br />
2d k · ϕ = 2 · Γm 1m 2<br />
r 2 = F ,<br />
die sie um a = F/m 2 = 2Γm 1 /r 2 beschleunigen.<br />
Bei einer Messung von a aus der Auslenkung x(t) des Spiegels mit der Zeit t gehen<br />
die Masse m 2 und auch die Torsionskonstante k des Drahtes für die Bestimmung der<br />
Gravitationkonstanten Γ nicht ein.<br />
[cm]<br />
20<br />
x S<br />
m 1 = 1.499 kg<br />
r = 0.0466 m<br />
L = 13.48 m<br />
d = 0.05 m<br />
nicht linear<br />
infolge Drehung<br />
Die Auslenkung x = at 2 /2 nach der Zeit<br />
t wird über den Spiegel vergrössert auf der<br />
Skala gemessen zu x S = 2xL/d. Damit ist<br />
die Gravitationskonstante<br />
10<br />
Γ = x S<br />
t · d<br />
2 L · 2m 1<br />
Steigung= x S /t 2<br />
die Masse m geht nicht in das Ergebnis ein,<br />
t 2 [s 2 ]<br />
0<br />
und der Faktor x S<br />
t 2 kann aus der Steigung der<br />
15 30 45 60 75 90 105 s<br />
Auslenkung bei kleinen t als Funktion von t 2<br />
bestimmt werden. Aus den Daten<br />
der Graphik erhielt man in einem VP-Versuch Γ = 6.86 ± 0.010 · 10 −11 m 3 kg −1 s −2 .<br />
Die träge und schwere Masse †<br />
Prinzipiell ist zwischen der ins Gravitationsgesetz Gl.(14) eingehenden schweren Masse<br />
m s eines Körpers und der trägen Masse m t im Aktionsprinzip Gl.(10) zu unterscheiden:<br />
m t ·⃗a = m s · Γ Ms ⃗r<br />
und auf der Erde m r 2 r t ·⃗a = m s · ⃗g.<br />
Aus Symmetriegründen müssen im Gravitationsgesetz die schweren Massen beider<br />
Körper auftreten 22 . Ob die trägen Massen und die schweren Massen ein für alle Körper<br />
gleiches Verhältnis α = m s /m t haben, ist eine Frage, welche die <strong>Physik</strong> lange beschäftigt<br />
hat. Nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie sollte für alle Körper nach dem Äquivalenzprinzip<br />
α = m s /m t = 1 gleich sein 23 .<br />
Versuche, diese Gleichheit experimentell nachzuweisen, wurden 1908 von Baron R. von<br />
Eötvös (Genauigkeit 10 −9 ) und später von R.H. Dicke und Mitarbeitern 24 (Genauigkeit<br />
22 Newton und auch seine Kritiker Huygens und Leibnitz hatten grosse Schwierigkeiten die Fernwirkung<br />
der Gravitation zu erklären. Newton sagte: Hypotheses non fingo - Ich mache keine Hypothesen. Er stellte<br />
nur die Frage nach der Gesetzmässigkeit der Gravitation und nicht warum sie existiert. Heute wissen wir,<br />
dass Kräfte durch Austauschteilchen (hier masselose Gravitonen mit einem Spin=2) vermittelt werden,<br />
die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten; die Wechselwirkung ist also nicht momentan, sondern sie<br />
hat eine endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit.<br />
23 α ≠ 1 könnte z.B. möglich sein, wenn die Gravitation nicht nur an der schweren Masse angreift,<br />
sondern auch eine Gravitationskomponente existiert, die an der Zahl der Neutronen, Protonen oder<br />
Elektronen in einem Atom angreift; die Masse eines Atoms ist wegen der Kernbindungsenergie nicht<br />
exakt proportional zur Zahl der Nukleonen im Kern (Massenzahl A).<br />
24 R.v. Eötvös, D. Pekár und E. Fekete, Annalen der <strong>Physik</strong> 68(1922)11-66<br />
r 2<br />
19
10 −11 ) mittels einer Drehwaage ausgeführt. Das Prinzip der Messung ist: Zwei Massen<br />
verschiedenen Materials werden an einem Torsionsfaden aufgehängt. Die Schwingungsamplitude<br />
(vgl. Kapitel 7.4) infolge der mit 24 Stunden harmonischen Anregung der<br />
umlaufenden Sonne ist vom Verhältnis der schweren und der trägen Masse der beiden<br />
Materialien abhängig. Aus der Schwingungsamplitude wird eine obere Grenze für die Abweichung<br />
m t /m s − 1 bestimmt.<br />
Sonne<br />
m s<br />
→<br />
a(Al)<br />
m s (Al)<br />
→<br />
a(Au)<br />
m s (Au)<br />
Die Sonne (Masse M s , Abstand r s ) übt auf die<br />
beiden schweren Massen m s (Au) und m s (Al),<br />
die aus verschiedenen Materialien bestehen (z.B.<br />
Au=Gold und Al=Aluminium) Gravitationskräfte<br />
aus, die zu Beschleunigungen a(Au) und a(Al)<br />
führen. Es gilt<br />
a(Au) = ΓMs<br />
r 2 s<br />
m s(Au)<br />
m t(Au) ,<br />
ΓMs m<br />
a(Al) = s(Al)<br />
. rs<br />
2 m t(Al)<br />
Zur Zeit ist ein Satellitenexperiment (STEP: Satellite Test of Equivalence Principle 25 )<br />
geplant, mit dem in einem um die Erde umlaufenden Satelliten in einer mehrere Monate<br />
dauernden Messung das Äquivalenzprinzip auf 10 −17 getestet werden soll. Ist m s /m t ≠ 1<br />
und nicht für alle Körper gleich, dann ist auch die Schwerkraft für verschiedene Körper<br />
verschieden<br />
⃗G 12 (Au) = −m s (Au) Γm s(Erde)⃗r 12<br />
= m<br />
r12<br />
3 t (Au) ·⃗a(Au) ≠<br />
⃗G 12 (Al) = −m s (Al) Γm s(Erde)⃗r 12<br />
= m<br />
r12<br />
3 t (Al) ·⃗a(Al)<br />
und die beiden Körper werden verschieden schnell um die Erde fallen.<br />
Da nach dem Äquivalenzprinzip m s /m t = 1 für alle Körper gleich ist, muss a(Au) =<br />
a(Al) sein, was Dicke mit einer Unsicherheit von 10 −11 auch beobachtete. Wir werden also<br />
im Gravitationsgesetz und im Aktionsprinzip in Zukunft die schwere und träge Masse als<br />
gleich verwenden.<br />
Kraftfeld und Feldstärke der Gravitationskraft<br />
Wir haben die Gravitation durch ein Fernwirkungsgesetz beschrieben, d.h. die von m 1 auf<br />
m 2 wirkende Kraft ist momentan vorhanden, die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Kraftwirkung<br />
wäre also unendlich gross. Dies führt zu Komplikationen, wenn zeitlich veränderliche<br />
Wechselwirkungen auftreten (z.B. Gravitationswellen). Wir beschränken uns daher auf<br />
Geschwindigkeiten der Körper, die klein sind gegenüber der Lichtgeschwindigkeit v ≪ c<br />
und führen den Begriff des Kraftfeldes ein.<br />
Dazu denken wir uns einen einzelnen Körper gegeben. Durch seine Anwesenheit werden<br />
die Eigenschaften des ihn umgebenden Raums verändert. Jedem Raumpunkt ⃗r wird eine<br />
gewisse lokale Grösse, die Feldstärke, zugeordnet, aus der die Gravitationskraft G ⃗<br />
Körper<br />
G ⃗ ❳❳2 ❳ ❳<br />
m<br />
✉<br />
⃗r ✒<br />
<br />
❡<br />
auf eine kleine, kugelförmige Probemasse (= Massenpunkt) an der<br />
Stelle ⃗r bestimmt werden kann. Wir definieren als Feldstärke ⃗g(⃗r)<br />
die Gravitationskraft pro Masseneinheit<br />
⃗g(⃗r) = ⃗ G ⃗ (r)<br />
m .<br />
P.G. Roll, R. Krokov and R.H. Dicke, Ann. Phys. 26(1964)442, siehe auch<br />
V.B. Braginskii and V.I.Panov, Sov. Phys. JETP 34(1972)463.<br />
25 Phys.Blätter, April 1993,310; 1996 als “top rated” bei NASA und ESA<br />
eingestuft[Phys.Bl.54(1998)11,997].<br />
20
Ist der felderzeugende Körper kugelförmig mit der Masse M, so ist nach dem<br />
m <br />
❅ <br />
✉<br />
✠⃗g(⃗r)<br />
❅<br />
Gravitationsgesetz ⃗g(r) = −Γ M M<br />
r · ⃗r ❅<br />
2 r = −ΓM⃗r r , 3<br />
❅<br />
❅<br />
wenn ⃗r vom Mittelpunkt von M aus gerechnet wird. Das<br />
⃗g-Feld ist ein Zentralfeld, d.h. kugelsymmetrisch.<br />
Nach dem Aktionsprinzip ist die auf die Masseneinheit bezogene Stärke des Gravitationsfeldes<br />
gleich der Beschleunigung eines Massenpunktes m an der Stelle ⃗r des Raumes.<br />
Wählen wir speziell für M die Masse m E der Erde und für r den Erdradius r E , so ist<br />
⃗G = m · ⃗g(r E ) = −Γ M⃗r E<br />
m<br />
rE<br />
3<br />
das Gewicht des Körpers und g die Fallbeschleunigung.<br />
In Übereinstimmung mit der Beobachtung erfahren also alle Körper (unabhängig von<br />
Form und Masse) im Vakuum an der gleichen Stelle der Erdoberfläche beim freien Fall<br />
die gleiche Beschleunigung g ≃ 9.81ms −2 . Nach dem Reaktionsprinzip muss eine Kraft<br />
⃗G ′ = −G ⃗ existieren, mit welcher der Körper m die Erde anzieht. Der Angriffspunkt von<br />
⃗G ′ ist der Schwerpunkt der Erde.<br />
Das Gewicht eines Körpers ist eine Volumenkraft. Sie wirkt<br />
dM<br />
auf jeden Massenpunkt m i oder jedes Massenelement dM eines<br />
❄d G ⃗ ❡ ❄ Körpers, Gi ⃗ = m i ⃗g bzw. dG ⃗ = ⃗gdM.<br />
S Das totale Gewicht ist demnach<br />
❄<br />
❄<br />
⃗G = ∑ i<br />
m i ⃗g = ⃗g ∑ i<br />
m i = M⃗g<br />
für einzelne Massen, bzw.<br />
❄ ⃗ G<br />
∫<br />
⃗G =<br />
∫<br />
⃗gdM = ⃗g<br />
dM = M⃗g<br />
für eine Massenverteilung<br />
mit dem Schwerpunkt S als effektivem Angriffspunkt.<br />
2.4.2 Die Coulombkraft (elektromagnetische Wechselwirkung)<br />
Gewisse Körper können in einen Zustand gebracht werden, in dem sie Kräfte aufeinander<br />
ausüben, die viele Grössenordnungen stärker sind als die Gravitationskraft, wenn sie<br />
geladen sind. Ladung ist eine fundamentale Eigenschaft der Materie.<br />
Reiben wir einen Glasstab an Hirschleder, so wird der Stab geladen. Seine Ladung kann<br />
auf einen beliebigen Körper übertragen werden. Zwei vom gleichen Stab geladene Körper<br />
stossen sich ab. Stammt die Ladung aus zwei verschiedenen Quellen, so kann eventuell<br />
auch eine Anziehung beobachtet werden. Es existieren offenbar zwei Ladungssorten, eine<br />
positive und eine negative 26 .<br />
26 Zwei verschiedene Ladungen wurden von Benjamin Franklin beobachtet. Die Kennzeichnung von<br />
positiven und negativen Ladungen wurde von Georg Christoph Lichtenberg aus den Beobachtungen der<br />
nach ihm benannten Entladungsfiguren eingeführt.<br />
21
Das quantitative Kraftgesetz wurde von Coulomb (1736-1806)<br />
⃗F ✒ 12 = ⃗ formuliert und sagt aus, dass zwei sphärisch-symmetrische Ladungsverteilungen<br />
q und Q sich anziehen oder abstossen, je nach-<br />
F C<br />
✎☞<br />
<br />
★✥ ⃗r 12 ✒ ✍✌ q dem ob sie ungleichnamig oder gleichnamig geladen sind. Die<br />
Kraft ist dabei proportional zum Produkt der beiden Ladungen<br />
<br />
und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstands. In<br />
Q<br />
<br />
vektorieller Schreibweise ist [Details siehe Phys.AII]<br />
✧✦<br />
✠<br />
F ⃗ 21<br />
⃗F C = 1 · Qq · ⃗r 12<br />
(15)<br />
4πε ◦ r12<br />
2 r 12<br />
Wir haben wiederum ein Zentralfeld. Für eine positive Punktladung Q zeigen die Feldvektoren<br />
radial nach aussen. Die Feldlinien laufen von der Quelle weg. Für eine negative<br />
Ladung Q weisen die Feldvektoren nach innen.<br />
Vergleichen wir die beiden beschriebenen fundamentalen Kräfte, so finden wir gewisse<br />
Analogien, aber auch wesentliche Unterschiede. Das Kraftgesetz ist formal gleich, da beide<br />
Kräfte durch masselose Austauschteilchen (Photon und Graviton) dargestellt werden,<br />
die damit eine unendliche Reichweite haben. Hingegen kann die Coulombkraft sowohl<br />
anziehend wie abstossend sein (Elektron hat negative Ladung und sein Antiteilchen das<br />
Positron hat positive Ladung), während die Gravitationskraft immer anziehend ist sowohl<br />
für Massen, Antimassen (Antiteilchen) als auch Kombinationen von <strong>Teil</strong>chen und Antiteilchen.<br />
Diese Eigenschaften werden in der Quantenfeldtheorie begründet durch den Vektorcharakter<br />
(Spin=1) des Photons und den Tensorcharakter (Spin=2) des Gravitons 27 .<br />
Ladung ist immer an Masse gekoppelt; es gibt keine masselosen Elementarteilchen, die eine<br />
Ladung besitzen, Gründe sind bisher nicht bekannt. Massive, neutrale <strong>Teil</strong>chen (Neutron,<br />
π 0 ) haben jedoch eine Ladungsverteilung, die sie im Unendlichen als neutral erscheinen<br />
lässt und die sich im Falle des z.B. Neutrons (Spin=1/2) auch durch ein magnetisches<br />
Moment äussert. Ferner ist die Ladung mit der Elementarladung e diskret d.h. quantisiert,<br />
während die schwere Masse in der Gravitationskraft kontinuierlich jeden beliebigen<br />
Wert annehmen kann. Die Quantisierung der Gravitation und der Ursprung der Massen<br />
der <strong>Teil</strong>chen ist eines der noch ungelösten Probleme der theoretischen <strong>Physik</strong>.<br />
Im Bereich der Elementarteilchen und Atome überwiegt die Coulombkraft bei weitem.<br />
Betrachten wir z.B. zwei Protonen und vergleichen die anziehende Gravitationskraft<br />
zwischen ihnen mit der abstossenden Coulombkraft, so finden wir für das<br />
Verhältnis der Beträge<br />
F C<br />
F G<br />
= Q2 p<br />
4πε ◦<br />
1<br />
Γm 2 p<br />
≃ 10 36 .<br />
In Anbetracht dieser enorm grossen Zahl ist es nicht verwunderlich, dass die Wirkung der<br />
Gravitationskraft auf geladene Elementarteilchen experimentell bisher nicht nachweisbar<br />
ist. Die Wirkung der Gravitationskraft auf ein neutrales Neutron ist dagegen beobachtbar.<br />
Dass zwischen Erde und Sonne nur die Gravitationskraft wirkt, beruht offenbar darauf,<br />
dass jeder der beiden Körper genau gleich viel positive und negative Ladung enthält. Es<br />
muss demnach die negative Ladung des Elektrons dem Betrag nach identisch sein zur<br />
positiven Ladung des Protons, der Grund dieses tieferen Zusammenhanges zwischen dem<br />
27 Die Aussage, dass Masse=Antimasse sein muss und dass die Gravitationskraft für Materie und Antimaterie<br />
identisch ist, wird z.B. am CERN mit Neutronen und Antineutronen versucht, experimentell zu<br />
bestätigen.<br />
22
Elektron und dem Proton und damit den Quarks ist in der <strong>Teil</strong>chenphysik noch nicht<br />
bekannt.<br />
2.4.3 Die schwache Wechselwirkung<br />
Die schwache Wechselwirkung, wie sie z.B. im β-Zerfall radioaktiver Kerne oder im Zerfall<br />
des Myons (schweres Elektron) oder Pions beobachtet wird, hat eine sehr kurze Reichweite<br />
von nur ca. 2 · 10 −17 m bedingt durch die schweren Austauschteilchen, den W ± und<br />
Z 0 Bosonen mit m(W)c 2 = 80.22 GeV und m(Z)c 2 = 91.17 GeV. Die schwache und<br />
elektromagnetische Wechselwirkung sind in der elektroschwachen Wechselwirkung zu einer<br />
gemeinsamen Theorie der <strong>Teil</strong>chenphysik vereinigt 28 .<br />
2.4.4 Die starke Wechselwirkung<br />
Die starke Wechselwirkung wird durch den Austausch von 8 Gluonen zwischen den Quarks<br />
vermittelt. Die nur so zu Hadronen (Proton, Neutron oder Mesonen) gebunden auftretenden<br />
Quarks zeigen eine kurze Reichweite von ca 10 −15 m, da sich die Quarkkräfte<br />
gegenseitig absättigen (Confinement). Die Kernkraft zwischen den Nukleonen im Kern<br />
(Neutronen und Protonen) ist dann nur eine kurzreichweitige Restwechselwirkung der<br />
fundamentalen starken Wechselwirkung.<br />
2.5 Reibungskräfte, Oberflächenkräfte<br />
Heuristische Kraftarten wie Reibungskräfte, Normalkräfte, Fadenkräfte, elastische Kräfte,<br />
Federkraft, Schubkraft, van der Waals Kraft, Oberflächenspannung etc. sowie auch chemische<br />
Bindungen können prinzipiell durch die fundamentalen Kräfte erklärt werden. Die<br />
Gesetze sind oft empirisch, materialabhängig und in engen Grenzen gültig. Die Kräfte<br />
treten z.T. auf, wenn Körper sich sehr nahe kommen, d.h. sich berühren. Zwei elektrisch<br />
neutrale Atome üben abstossende Kräfte aufeinander aus, wenn sich die Atome so stark<br />
nähern, dass sich die Elektronenhüllen überlappen. Bei grösserem Abstand ziehen sich<br />
die Atome leicht an mit der sogenannten van der Waals-Kraft, welche wie r −7 mit dem<br />
Abstand stark abnimmt. Es handelt es sich hier um Coulombkräfte, also nicht um eine<br />
weitere Fundamentalkraft. Bei der Wechselwirkung zwischen makroskopischen Körperoberflächen<br />
sind jedoch wegen der riesigen Zahl der beteiligten Atome die Zusammenhänge<br />
so kompliziert, dass wir diese Kräfte nicht aus dem Coulombschen Fundamentalgesetz herleiten,<br />
sondern uns auf eine Beschreibung ihrer empirischen Eigenschaften beschränken 29 .<br />
An der Berührungsstelle zweier Körper 1 und 2 treten somit zwei Kräfte auf, nämlich ⃗ F 12<br />
an der Oberfläche des Körpers 2 und ⃗ F 21 an der Oberfläche des Körpers 1, wobei nach<br />
dem Reaktionsprinzip gilt ⃗ F 12 = − ⃗ F 21 .<br />
28 Mit den Maxwell-Gleichungen (siehe Pysik AII) wurde schon die Optik, die Elektrizitätslehre und<br />
der Magnetismus zu einer vereinigten elektromagnetischen Wechselwirkung zusammengeführt. Eine Vereinigung<br />
aller vier Wechselwirkung zu einer Weltformel steht noch aus.<br />
29 Achtung: Die Zentripetalkraft ist keine Kraftart sondern eine kinematische Bedingung für eine<br />
kreisförmige Bewegung; sie kann gebildet werden durch die Gravitation, Lorentz-Kraft, Auftrieb (Flugzeug),<br />
Reibungskraft usw.<br />
Trägheitskräfte (Zentrifugalkraft, Führungskraft, Corioliskraft) treten nur in beschleunigten Systemen<br />
auf, für sie gilt das 3. Newtonsche Prinzip nicht (siehe Kap. 8), da für die Newtonschen Bewegungsgleichungen<br />
ein Inertialsystem als Bezugssystem verlangt wird. Im beschleunigten System müssen sie mit<br />
den Trägheits- oder Scheinkräften korrigierend ergänzt werden.<br />
23
⃗F 12<br />
✁<br />
❍ ⃗<br />
✻ ❍❍N12<br />
✁<br />
✁ ✁ ✁✕<br />
✁ ✁<br />
✁ ✁<br />
✁<br />
❍❨<br />
❍<br />
❍✁ ✁ 2<br />
⃗R 12<br />
✁<br />
❍ ❍❍❥ R21 ⃗<br />
1 ✁<br />
✁ ✁ ✁<br />
✁ ✁<br />
✁ ✁<br />
⃗N 21<br />
✁☛<br />
❍<br />
❍<br />
❍❄✁ ✁ F21 ⃗<br />
Es ist zweckmässig, diese Kräfte in Komponenten normal<br />
und tangential zur Berührungsebene zu zerlegen. Wir nennen<br />
diese Komponenten Normalkraft ⃗ N und Reibung<br />
⃗R. Es ist also<br />
⃗F = ⃗ N + ⃗ R und nach dem Reaktionsprinzip<br />
⃗N 12 = − ⃗ N 21 sowie ⃗ R12 = − ⃗ R 21 .<br />
Meistens berühren sich zwei Körper nicht nur in einem<br />
Punkt, sondern in einer Fläche. Die Kräfte sind über diese<br />
Fläche verteilt. An jedem differentiellen Flächenelement<br />
dA greift dann die Oberflächenkraft d ⃗ F an.<br />
Dabei ist wieder d ⃗ F = d ⃗ N + d ⃗ R.<br />
Die Kraft pro Flächeneinheit dF/dA heisst die Spannung in<br />
❏❪ dF ✻<br />
❏dA<br />
σ dA.<br />
❏<br />
Insbesondere ist<br />
❏<br />
dN<br />
dR<br />
= σ die Normalspannung und = τ die Schubspannung.<br />
✛τ ❏<br />
❏<br />
<br />
dA<br />
dA dA<br />
Schub- und Normalspannungen spielen u.a. in der Festigkeitsund<br />
Elastizitätslehre (Kap.11), sowie in der Dynamik der Gase<br />
<br />
und Flüssigkeiten (Kap.12) eine bedeutsame Rolle .<br />
Unter Umständen können die über eine Fläche verteilten<br />
Oberflächenkräfte zu einer Resultierenden zusammengefasst<br />
werden, indem man sie über die Berührungsfläche B<br />
✟<br />
❆❑ ⃗<br />
❆<br />
❆<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟ ❆ N<br />
F<br />
❆ ❆<br />
✟ integriert.<br />
❆<br />
❆ dN<br />
⃗ ❆<br />
⃗N ❆ ✟✯<br />
❆<br />
✯ ⃗<br />
❆ ✟✯ R<br />
❆ ❆❑<br />
❆✟✟✟✯ ✟✟✟✟✟✟ ❆❆<br />
❆❑ ❆ ❆❑ ❆❑ ❑ = ∫ dN ⃗ ist die totale Normalkraft,<br />
B F<br />
✟✯ ✟ ✟✟✟✟✟✯ ⃗R = ∫ dR ⃗ ist die totale Reibungskraft.<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟✟✟✟✟✟✟ dR<br />
⃗ B F<br />
Der effektive Angriffspunkt muss dabei von Fall zu Fall aus<br />
zusätzlichen Bedingungen bestimmt werden. Für Translationen<br />
spielt seine Lage keine Rolle.<br />
Im Beispiel des ruhenden Würfels auf schiefer Ebene wird der<br />
✟ ✟✟✟✟ ❆ Angriffspunkt von R ⃗ und N ⃗ aus der Drehmomentenbedin-<br />
❆ gung (Seite 96) bestimmt. Damit der Würfel nicht umkippt,<br />
❆<br />
⃗N ❆ ✟<br />
müssen G, ⃗ R ⃗ und N ⃗ sich in einem Punkt schneiden. Die Summe<br />
der Drehwirkungen der Kräfte ist dann Null, wie wir später<br />
❆ ❆<br />
❆❆❑<br />
❆<br />
❆ ✟✟✯<br />
❆<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟✟✟✟✟ ⃗G<br />
❄ ⃗R einsehen werden. Wir werden jetzt N und R für die beiden Fälle<br />
der trockenen und viskosen Reibung ausführlicher diskutieren.<br />
2.5.1 Trockene Oberflächen<br />
Die Anziehungskraft an den Berührungsflächen zweier trockener Körper ist im allgemeinen<br />
so schwach, dass sie vernachlässigt werden kann.<br />
Dies beruht darauf, dass die Oberflächen sich infolge ihrer<br />
Rauhigkeit nur an wenigen mikroskopisch kleinen Stellen<br />
wirklich nahe kommen (mikroskopische Kontaktfläche).<br />
Nur in höchstpolierten, hochreinen Berührungsflächen befindet sich ein grosser <strong>Teil</strong> der<br />
24
Oberflächenatome gleichzeitig im Bereich der gegenseitigen Anziehung. Nur in diesem<br />
speziellen Fall können die Anziehungskräfte sich stark auswirken (Kaltverschweissung).<br />
Im allgemeinen werden wir sie vernachlässigen und annehmen, dass die Normalkraft immer<br />
abstossend ist, d.h. N ≥ 0.<br />
Eine weitere empirische Beziehung besteht zwischen den Komponenten ⃗ N und ⃗ R. Die<br />
Erfahrung zeigt, dass ⃗ R mit zunehmender Normalkraft N wächst, weil durch den erhöhten<br />
Druck (= Kraft pro Flächeneinheit) auf die Berührungsfläche die Grösse der mikroskopischen<br />
Kontaktfläche und damit die Verhakung der beiden Oberflächen zunimmt.<br />
Für die weitere Diskussion sind zwei Fälle zu unterscheiden, nämlich<br />
a) Haftreibung bei relativ zueinander ruhenden Oberflächen,<br />
b) Gleitreibung bei bewegten Oberflächen.<br />
z ✻<br />
a) Haftreibung<br />
✲<br />
x<br />
⃗ N<br />
✛ ⃗ R H<br />
✻<br />
⃗F<br />
✲ a<br />
Wir betrachten einen ruhenden, haftenden Klotz auf einer<br />
horizontalen Unterlage, an welchem die veränderliche horizontale<br />
Kraft ⃗ F a angreift. Aus dem Trägheitsprinzip folgt:<br />
⃗F tot = ⃗ G + ⃗ F a + ⃗ N + ⃗ R H = 0.<br />
⃗G und F ⃗ a seien gegeben, wie gross sind N ⃗ und R ⃗ H ?<br />
❄G<br />
⃗ Wir führen ein rechtwinkliges Koordinatensystem ein und<br />
zerlegen die obige Vektorgleichung in Komponenten<br />
F tot,z = N + G = 0 ⇒ N = −G, F tot,x = F a + R H = 0 ⇒ −R H = F a .<br />
Während N hier wie das Gewicht konstant ist, ändert sich R H , wenn wir F a ändern.<br />
Allerdings existiert für R H eine obere Grenze, welche von der Normalkraft abhängt. Empirisch<br />
findet man:<br />
0 ≤ R H ≤ µ H N.<br />
Die obere Grenze der Haftreibung ist proportional zur Normalkraft. Für R H selber haben<br />
wir nur eine Ungleichung. Der Proportionalitätsfaktor µ H heisst Haftreibungskoeffizient,<br />
er gibt an, bis zu welchem Anteil von N R H gültig ist.<br />
b) Gleitreibung<br />
Überschreitet die äussere Kraft F a im obigen Beispiel den maximalen Wert von R H , so<br />
resultiert eine Kraft in x-Richtung, der Klotz setzt sich in Bewegung, er gleitet. Wieder aus<br />
der Erfahrung wissen wir, dass in diesem Fall die Reibungskraft R G direkt proportional<br />
zur Normalkraft ist. Es gilt<br />
R G = µ G N.<br />
Der Gleitreibungskoeffizient µ G ist meistens etwas kleiner als µ H für die gleichen Oberflächen.<br />
Zusammengefasst ergibt sich folgender Sachverhalt:<br />
Sowohl µ H wie auch µ G hängen sehr kritisch von Form<br />
R<br />
R G<br />
= µ G<br />
N und Beschaffenheit der beiden sich berührenden Oberflächen<br />
ab, sie sind also nur als Mittelwerte zu betrach-<br />
R H<br />
= F a<br />
ten. Die Coulombschen Reibungsgesetze<br />
0 ≤ R H ≤ µ H N und R G = µ G N<br />
µ H N F a<br />
sind Material-Gesetze, die nicht die strenge Gültigkeit wie andere physikalische Gesetze<br />
(z.B. das Gravitationsgesetz) beanspruchen. Eine atomare mikroskopische Theorie der<br />
Reibung wäre als ein Problem unendlich vieler Körper unlösbar.<br />
25
Die Reibungskräfte R H und R G sind annähernd unabhängig von der Grösse der<br />
Berührungsfläche. Wird nämlich bei gleichbleibender Normalkraft die Berührungsfläche<br />
z.B. vergrössert, so bleibt die mikroskopische Kontaktfläche wegen des verkleinerten<br />
Drucks jedoch praktisch konstant und somit auch die Reibungskraft. Dieser Sachverhalt<br />
gilt natürlich nicht mehr, wenn die Oberflächen deformiert werden (wie z.B. bei einem<br />
Autoreifen). In guter Näherung ist die gleitende Reibung R G unabhängig von der relativen<br />
Geschwindigkeit der Körper.<br />
2.5.2 Nasse Oberflächen und viskose Reibung<br />
Ganz anders als im vorigen Fall verhalten sich die Kräfte zwischen zwei Berührungsflächen,<br />
wenn die Zwischenräume ganz mit Flüssigkeit ausgefüllt sind.<br />
a) Normalkraft<br />
Die Anziehungskräfte zwischen den Atomen oder Molekülen kommen voll zur Wirkung,<br />
d.h. die Normalkraft kann jetzt auch anziehend sein. Sorgen wir dafür, dass<br />
die Flüssigkeit sehr zäh ist oder sich verfestigt und somit nicht wegfliessen kann, so<br />
kleben die Körper aneinander: Die Flüssigkeit wirkt als Klebstoff.<br />
b) Reibung<br />
Bewegt sich ein Körper in einer Flüssigkeit, so gelten die folgenden Beziehungen für<br />
die sog. viskose Reibung:<br />
1. Haftreibung existiert nicht.<br />
2. Bei genügend kleinen Geschwindigkeiten gilt für die viskose Reibung<br />
⃗R vis = −β⃗v.<br />
Die Proportionalitätskonstante β [kg/s] hängt von der Form und Grösse der<br />
Oberfläche und der Zähigkeit (Viskosität<br />
η) der Flüssigkeit ab. Speziell für eine Kugel mit dem Radius r in einer laminaren<br />
(=wirbelfreien) Strömung gilt das Reibungsgesetz von Stokes Gl. (163)<br />
R vis ≃ 6π · η · r · v.<br />
3. Bei grösseren Geschwindigkeiten nimmt die Reibung infolge einer Wirbelbildung<br />
mit der Geschwindigkeit quadratisch zu und es gilt genähert für den<br />
dynamischen Reibungswiderstand<br />
R vis ∼ v 2 .<br />
4. Bei sehr grossen Geschwindigkeiten (vergleichbar mit der Schallgeschwindigkeit)<br />
bei Gasen hängt die dynamische, viskose Reibung von einer höheren Potenz<br />
von v ab R vis ∼ v n mit n > 2.<br />
Füllen wir den Zwischenraum zwischen zwei Körpern so mit einer Flüssigkeit aus,<br />
dass sie sich nicht mehr direkt berühren, so gelten ebenfalls die obigen Beziehungen.<br />
Insbesondere verschwindet die Haftreibung. Für kleine Geschwindigkeiten ist die viskose<br />
Gleitreibung gegenüber der trockenen Reibung stark reduziert: Die Flüssigkeit ist ein<br />
Schmiermittel.<br />
26
3 Anwendungsbeispiele der Newtonschen Prinzipien<br />
Wir werden jetzt anhand einiger quantitativer Beispiele zeigen, wie bei vorgegebenen<br />
Kräften der zeitliche Verlauf des Ortsvektors ⃗r(t) eines Massenpunktes (bzw. des Schwerpunktes<br />
eines Systems von Massenpunkten) berechnet werden kann. Auf Grund des Aktionsprinzips<br />
Gl.(10) (oder des Impulssatzes Gl.(11)) ist die Beschleunigung ⃗a(t) in geeigneten<br />
Koordinaten gegeben, und durch zweimalige Integration gewinnt man ⃗r(t).<br />
Bei der Lösung dieses mechanischen Problems ist es empfehlenswert, sich an folgendes<br />
Rezept zu halten:<br />
1. Bestimmung der Zahl f der Freiheitsgrade der unabhängigen skalaren Gleichungen,<br />
die das System beschreiben.<br />
2. Wahl eines geeigneten Koordinatensystems mit f Koordinaten. Eine falsche Wahl<br />
führt zu mathematischen Schwierigkeiten jedoch zum richtigen Ergebnis.<br />
3. Auffinden und zeichnen aller auf das System wirkenden Kräfte.<br />
4. Aufstellen des Aktionsprinzips für diese Kräfte und Zerlegung der Vektorgleichung<br />
in die f skalaren Komponentengleichungen, d.h. in f Bewegungsgleichungen (Differentialgleichungen<br />
2. Ordnung).<br />
5. Zweimalige Integration jeder Differentialgleichung, wobei insgesamt 2f frei wählbare<br />
Integrationskonstanten auftreten müssen, liefert die sogenannte allgemeine Lösung.<br />
6. Festlegung dieser Integrationskonstanten durch die physikalischen Anfangsbedingungen,<br />
d.h. durch vorgegebene Werte von Ort und Geschwindigkeit zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt t ◦ .<br />
Das mechanische Problem ist nach diesen sechs Schritten gelöst und der Ort ⃗r(t) des<br />
Massenpunktes zu einer beliebigen Zeit t kann vorhergesagt werden.<br />
3.1 Freier, vertikaler Fall im Vakuum<br />
0<br />
x ◦<br />
x(t)<br />
Mit unserem Rezept ist:<br />
1. Zahl der Freiheitsgrade f = 1.<br />
2. eindimensionales Problem: x-Achse in vertikale Richtung legen.<br />
3. Es wirkt nur das Gewicht ⃗ G = m s ⃗g, bzw. G x = m s g<br />
✗✔ m d<br />
4. m 2 x<br />
t = m<br />
dt 2 s g, mit m s = m t ⇒ ẍ = d2 x<br />
= g = konst.<br />
dt 2<br />
x = x(t) ist zeitabhängig 30 . Mit m s = m t fällt die Masse heraus.<br />
✖✕ 5. Integration: v = dx = ∫ d<br />
dt dt (dx)dt<br />
+ C dt 1 = ∫ g dt = gt + C 1 ,<br />
❄G<br />
⃗ x = ∫ v dt + C 2 = ∫ gt dt + ∫ C 1 dt + C 2 = g 2 t2 + C 1 t + C 2<br />
6. Anfangsbedingungen: Zur Zeit t = 0 wird im Punkte x = x<br />
❄x<br />
◦ die<br />
Masse mit der Geschwindigkeit v ◦ senkrecht nach unten geworfen.<br />
Das Fallgesetz ist eine Differentialgleichung, die hier einfach integriert werden kann.<br />
Damit gilt: x(t = 0) = x ◦ = C 2 , v(t = 0) = v ◦ = C 1<br />
x o t<br />
Resultat: x(t) = g 2 t2 + v ◦ t + x ◦<br />
x<br />
Spezialfall: x ◦ = 0, v ◦ = 0, x(t) = g 2 t2 , v(t) = gt.<br />
( )<br />
30 Definition der Schreibweise: d2 x(t)<br />
dt<br />
= d dx(t)<br />
2 dt dt<br />
= ẍ ,deshalb steht 2 an verschiedenen Stellen.<br />
27
v<br />
v o<br />
t<br />
Ist die Fallhöhe h, so beträgt die Fallzeit T = √ 2h<br />
g .<br />
T ist unabhängig vom Material und der Masse des frei fallenden<br />
Körpers. Dies ist die Folge der Gleichheit von schwerer und träger<br />
Masse.<br />
3.2 Die Atwoodsche Fallmaschine<br />
Im Vergleich zum freien Fall kann mit dieser Maschine der Bewegungsablauf<br />
verlangsamt werden, die Resultate lassen sich deshalb<br />
leichter quantitativ beobachten und prüfen.<br />
Annahmen: Das die beiden Massen m 1 und m 2 verbindende Seil<br />
sei völlig flexibel, habe eine konstante Länge und eine gegenüber<br />
|m 1 − m 2 | vernachlässigbare Fadenmasse m F . Es wird über die<br />
sich reibungsfrei drehende Rolle gelegt, deren Masse ebenfalls vernachlässigt<br />
wird. Nach unserem Rezept zerlegen wir das gesamte<br />
System in die drei <strong>Teil</strong>systeme mit den Massen m 1 , m 2 und m F .<br />
1. Da die Fadenlänge konstant ist, ist f = 1.<br />
✛✘<br />
<br />
⃗F 1<br />
′ ⃗F<br />
✚✙2<br />
′<br />
❄ ❄<br />
✻ F2 ⃗ ⃗F ✻ 1 <br />
<br />
z ❄<br />
❄<br />
❄ m 2⃗g<br />
m 1 ⃗g<br />
h<br />
❄ ❄x 1 ❄x 2<br />
2. Wir legen die x-Achse in vertikale Richtung. Sind x 1 und x 2 die Koordinaten der<br />
beiden Massen, so gilt offenbar dx 1 = −dx 2 und folglich d2 x 1<br />
dt 2 = − d2 x 2<br />
dt 2 .<br />
3. Auf m 1 und m 2 wirken die Gewichte ⃗ G 1 und ⃗ G 2 und die vom Faden ausgeübten<br />
Oberflächenkräfte ⃗ F 1 und ⃗ F 2 .<br />
Nach dem Reaktionsprinzip wirken dann auf den Faden die Kräfte ⃗ F ′ 1 = − ⃗ F 1 und<br />
⃗F ′ 2 = − ⃗ F 2 . Diese Kräfte wirken beschleunigend in der x-Richtung, im Gegensatz zu<br />
den von der Rolle ausgeübten Normalkräften.<br />
4. Bewegungsgleichung für den Faden: m F a x = F ′ 1 − F ′ 2.<br />
Weil wir m F = 0 annehmen, muss F ′ 1 = F ′ 2 und somit F 1 = F 2 = F sein.<br />
Folglich lauten die Bewegungsgleichungen für die beiden Massen in den beiden<br />
Koordinatensystemen: m 1<br />
d 2 x 1<br />
dt 2 = m 1 g − F und m 2<br />
d 2 x 2<br />
dt 2 = m 2 g − F. (16)<br />
Hieraus folgt durch Subtraktion, wenn wir noch d2 x 1<br />
= − d2 x 2<br />
dt 2 dt 2<br />
beachten:<br />
d 2 x 1<br />
dt 2 = m 1 − m 2<br />
m 1 + m 2<br />
g. (17)<br />
Die effektiv beschleunigende Kraft ist die Differenz der beiden Gewichte, welche die<br />
totale Masse m 1 + m 2 in Bewegung versetzt.<br />
5. Integration: x 1 (t) = g 2 m 1 − m 2<br />
m 1 + m t 2 + C 1 t + C 2 , Dies ist das Fallgesetz mit der<br />
2<br />
reduzierten Beschleunigung g eff = g · m1−m 2<br />
m 1 +m 2<br />
6. Anfangsbedingungen: x 1 (t = 0) = x 10 = C 2 , v 1 (t = 0) = v 10 = C 1<br />
Endresultat: x 1 (t) = g 2 m 1 − m 2<br />
m 1 + m 2<br />
t 2 + v 10 t + x 10<br />
28
Wir bestimmen die Erdbeschleunigung g für den Spezialfall x 10 = 0,v 10 = 0.<br />
Dann gilt x 1 (t) = g m 1 − m 2<br />
t 2 .<br />
2 m 1 + m 2<br />
Durchfällt m 1 die Höhe h, so ist die Fallzeit (aus technischen Gründen könnte auch v(h+<br />
z) = 0, v(h) ≠ 0 mit Zeitmessung bei h gewählt werden)<br />
T = √ 2h(m 1 + m 2 )<br />
und somit für eine g-Messung g = 2h(m 1 + m 2 )<br />
g(m 1 − m 2 )<br />
T 2 (m 1 − m 2 ) .<br />
Aus Gleichung (16) bestimmen wir die resultierende Kraft 2F des Fadens auf die Rolle:<br />
(<br />
2F = 2m 1 (g − d2 x 1<br />
dt ) = 2m 1g 1 − m )<br />
1 − m 2<br />
= 4m 1m 2<br />
g = (m 2 1 +m 2 )g − (m 1 − m 2 ) 2<br />
g.<br />
m 1 + m 2 m 1 + m 2 m 1 + m 2<br />
2F ist also kleiner als das gesamte Gewicht der beiden Massen! Dies ist im Einklang<br />
mit dem Schwerpunktssatz, den wir auf das System der beiden Massen und des Fadens<br />
anwenden wollen. Jetzt sind das Gewicht (m 1 +m 2 )g und die von der Rolle auf den Faden<br />
ausgeübte Kraft 2F die äusseren Kräfte, und der Schwerpunktssatz besagt:<br />
(m 1 + m 2 ) a s = (m 1 + m 2 ) g − 2F = (m 1 − m 2 ) 2<br />
m 1 + m 2<br />
g Andererseits ist die<br />
Schwerpunktsbeschleunigung definiert als a s = m 1 d2 x 1 d<br />
+ m 2 x 2<br />
( )<br />
dt 2 2 dt 2 m1 − m 2 2<br />
= g,<br />
m 1 + m 2 m 1 + m 2<br />
wenn wir das Resultat der Gleichung (17) benutzen. Beide Ergebnisse stimmen überein.<br />
3.3 Der schiefe Wurf im Vakuum ohne Luftwiderstand<br />
Ein Massenpunkt m wird mit einer beliebigen Anfangsgeschwindigkeit ⃗v ◦ weggeschossen.<br />
Falls nur das Gewicht wirkt, liegt die Bahnkurve in einer Ebene. Nach dem Rezept ist:<br />
1. Es gibt immer eine Ebene gebildet aus den zwei Vektoren ⃗v ◦ und m⃗g. f = 2.<br />
y<br />
2. x-Achse horizontal, y-Achse vertikal nach oben.<br />
→<br />
v o 3. F x = 0,F y = −mg.<br />
4. m<br />
→<br />
Gm<br />
d2 x<br />
= 0, m d2 y<br />
= −mg ⇒ d2 x d<br />
= 0,<br />
2 y<br />
= −g.<br />
dt 2 dt 2 dt 2 dt 2<br />
5. Integration: x(t) = C 1 t + C 2 , y(t) = − g<br />
α<br />
x<br />
2 t2 + C 3 t + C 4 .<br />
6. Anfangsbedingungen: x(0) = y(0) = 0 ⇒ C 2 = C 4 = 0,<br />
v x (0) = v ◦ cosα ⇒ C 1 = v ◦ cos α und v y (0) = v ◦ sin α ⇒ C 3 = v ◦ sin α.<br />
Endresultat: x(t) = (v ◦ cos α) t, y(t) = − g 2 t2 + (v ◦ sin α) t<br />
Eliminieren wir noch die Zeit t aus diesen Gleichungen, so erhalten wir eine Parabel<br />
als Bahnkurve (vgl. Figur) y = x tan α − g ( )<br />
x 2<br />
.<br />
2 v ◦ cos α<br />
Zur Bestimmung der absoluten Erdbeschleunigung werden von den Geologen Geräte<br />
auf der Basis des freien Falles angewendet. Für Relativmessungen wird oft das LaCoste-<br />
Romberg Gravimeter auf der Basis einer Federauslenkung einer Masse an einem Hebelarm<br />
eingesetzt. Eine genaue Vermessung von g auf der Erdoberfläche liefert Informationen über<br />
die Struktur und Zusammensetzung der Erdkruste.<br />
Analog sind die Bewegung und die Bahnkurve einer Ladung q im homogenen elektrischen<br />
Feld.<br />
29
3.4 Beispiele mit Haft- und Gleitreibung<br />
3.4.1 Klotz auf schiefer Ebene<br />
Auf den Klotz mit Masse m wirken die Kräfte ⃗ G, ⃗ N und ⃗ R.<br />
(i) Falls ⃗ G + ⃗ N + ⃗ R = 0 gilt, befindet sich der Klotz in Ruhe, und R ist eine Haftreibung.<br />
Wählen wir die x-Achse parallel und die y-Achse senkrecht zur schiefen Ebene, so gilt für<br />
die Kraftkomponenten:<br />
F x = G sin α − R H = 0 ⇒ R H = G sin α,<br />
F y = N − G cos α = 0 ⇒ N = G cos α<br />
oder R H /N = tanα.<br />
Da für R H die Ungleichung 0 ≤ R H ≤ µ H N existiert, haftet der<br />
Klotz, so lange gilt tanα ≤ µ H .<br />
❍❍<br />
❍<br />
✁ ❍<br />
⃗N<br />
✁✕<br />
❍ y<br />
❍<br />
❍<br />
✁<br />
❍❨<br />
✁ ✁ ✁✕<br />
❍<br />
✁ ✁ ❍✁<br />
✁<br />
R ⃗<br />
❍<br />
❄G<br />
⃗<br />
❍<br />
❍ ❍❍❥<br />
❍ x<br />
α ❍<br />
❍<br />
(ii) Wird die Ebene stärker geneigt, beginnt der Klotz zu gleiten und es ist R = R G =<br />
µ G N.<br />
Die Bewegungsgleichungen heissen jetzt<br />
m d2 x<br />
dt = G sin α − R 2 G = G sin α − µ G N und m d2 y<br />
= N − G cos α = 0 ⇒ N = G cos α<br />
dt2 also wird m d2 x<br />
dt = G sin α − µ GG cos α = G(sin α − µ 2 G cos α) einfach integrierbar.<br />
Der Körper gleitet gleichförmig beschleunigt. Wenn tanα = µ G wird, so verschwindet<br />
die Beschleunigung und der Klotz rutscht mit konstanter Geschwindigkeit. Auf diese Weise<br />
kann µ G gemessen werden.<br />
3.4.2 Kind mit Schlitten<br />
✛<br />
⃗RG<br />
⃗N S<br />
✻<br />
❄ ⃗ G S<br />
⃗F ′<br />
✛✤ ✲<br />
✢✙<br />
⃗N ❥ K ✻<br />
✡<br />
✛F<br />
⃗ ✡ ❇<br />
✄❅ ✄ ❅ ✁❇<br />
✲ ✁<br />
⃗G ⃗RH<br />
K<br />
❄<br />
Mit welcher Beschleunigung kann das Kind den<br />
Schlitten anziehen ohne auszurutschen? Damit das<br />
Kind sich überhaupt bewegen kann, muss nach dem<br />
Aktionsprinzip an ihm eine äusere Kraft angreifen,<br />
in diesem Fall kann es nur die nach vorn gerichtete<br />
Haftreibung R H zwischen Schuh und Erdboden sein.<br />
R H ist die Reaktionskraft zu der Kraft, mit der das<br />
Kind auf die Unterlage wirkt.<br />
Nach diesem Prinzip bewegen sich auch Automobil, Lokomotive etc. Ohne Haftreibung ist<br />
eine Fortbewegung nicht möglich (wenn wir vom Raketenantrieb absehen). Wir nehmen<br />
also an, die Schuhe des Kindes würden haften und der Schlitten würde gleiten. Die Schwerpunkte<br />
von Kind und Schlitten sollen sich mit der gleichen, horizontalen Beschleunigung<br />
a x bewegen, es ist also f = 1. Somit gilt:<br />
m K a x = R H − F, m S a x = F ′ − R G .<br />
Wir nehmen wieder das Seil als masselos an, so dass F = F ′ ist. Addition beider<br />
Gleichungen ergibt dann:<br />
a x = R H − R G<br />
m K + m S<br />
≤ a x (max) = µ H m K − µ G m S<br />
m K + m S<br />
g.<br />
Je grösser die Masse des Kindes relativ zum Schlitten ist, umso mehr kann es ihn beschleunigen<br />
ohne auszugleiten.<br />
30
3.5 Vertikaler Fall in viskosem Medium<br />
0<br />
x ◦<br />
x(t)<br />
Diese Betrachtung stellt eine Erweiterung des Beispiels Kap.3.1 dar,<br />
indem wir noch eine der Geschwindigkeit proportionale viskose Reibung<br />
R ⃗ v = −β⃗v berücksichtigen, die vom umgebenden Medium (Luft,<br />
Wasser, Öl etc.) herrührt. Vom Auftrieb werden wir absehen.<br />
⃗R vis<br />
✻<br />
✗✔ m Also lautet die erweiterte Bewegungsgleichung m⃗a = G ⃗ + R ⃗ vis oder<br />
<br />
✖✕ m d2 x<br />
dv x<br />
= mg − βdx bzw.<br />
❄⃗v x<br />
dt2 dt dt = g − β m v x. (18)<br />
❄G<br />
❄x<br />
⃗ Diese lineare, inhomogene Differentialgleichung kann zur Berechnung<br />
von v x nicht einfach integriert werden 31 .<br />
Die Mathematik lehrt, dass wegen der Linearität der Differentialgleichung die allgemeine<br />
Lösung v als Summe v = v h + v p angesetzt werden kann, hierbei ist v h die Lösung der<br />
homogenen Gleichung<br />
dv h<br />
dt = − β m v h (19)<br />
dv p<br />
und v p eine partikuläre Lösung der inhomogenen Gleichung<br />
dt = g − β m v p. (20)<br />
Durch Addition von Gl. (19) und (20) erhält man wieder die ursprüngliche Gleichung (18).<br />
Die partikuläre Lösung, welche keine Integrationskonstante enthält, kann meist auf Grund<br />
physikalischer Argumente erraten werden 32 .<br />
In unserem Fall wird sich für t → ∞ eine konstante Geschwindigkeit v p einstellen<br />
(stationärer Fall v p = v ∞ =konst), wenn die Reibungskraft βv p gleich dem Gewicht mg<br />
geworden ist, also: v p = mg/β.<br />
Zur Lösung von Gleichung (19) trennen wir die Variablen:<br />
und integrieren:<br />
∫ dvh<br />
v h<br />
= − β m<br />
∫<br />
dv h<br />
v h<br />
= − β m dt<br />
dt oder lnv h = − β m t + ln v ho, wobei<br />
v<br />
v p<br />
ln v ho eine Integrationskonstante ist. Also ln v h<br />
v ho<br />
= − β m t oder<br />
v p<br />
e<br />
t=m/β<br />
t<br />
v h = v ho e − β m t<br />
und das Ergebnis lautet v = v ho e − β m t + mg<br />
β .<br />
Mit der speziellen Anfangsbedingung v(0) = 0 wird<br />
v ho = −mg/β und folglich (Probe: Einsetzen Gl. 18)<br />
31 Es gibt verschiedene Lösungswege: 1. Suche einen Lösungsweg in der Mathematik, 2. Finde einen<br />
gangbaren Ansatz durch Nachdenken, 3. siehe im Anhang nach.<br />
32 Man kann auch für die Differentialgleichung (18) den Ansatz v x = v = c 2 e −c1t + c 0 versuchen. Eine<br />
Exponentialfunktion ergibt durch Differenzieren wieder eine Exponentialfunktion (die Differentialgleichung<br />
enthält v- und ˙v-Terme) und c 0 soll den konstanten Term darstellen. Durch Einsetzen ist<br />
−c 1 c 2 e −c1t + β m c 2 e −c1t + c 0<br />
β<br />
m<br />
= g. Diese Gleichung muss für alle t gelten, dies ist erfüllt für<br />
. Die Lösung ist dann<br />
g = c 0<br />
β<br />
m und −c 1c 2 + β m c 2 = 0 und damit c 0 = g m β und c 1 = β m<br />
v = c 2 e − β m t + g m β , wobei die Konstante c 2 aus den Anfangsbedingungen bestimmmt wird in Übereinstimmung<br />
mit der ersten obigen Lösungsmethode.<br />
31
v(t) = mg (<br />
β 1 − e<br />
− β t) m . ≈ gt − 1 2 g β m t2 + · · · für 33 β<br />
m t ≪ 1<br />
Für Kugeln mit dem Radius r und der Dichte ρ gilt nach dem Stokesschen Reibungsgesetz<br />
Gl. (163) für laminare Strömungen β = 6πηr, wobei η die Zähigkeit (Viskosität) 34<br />
der Flüssigkeit ist. Die stationäre Geschwindigkeit ist dann<br />
v p = 2 ρ g<br />
9 η r2 ; die Fallzeit ist proportional zu 1/r 2 .<br />
Mit der allgemeineren Anfangsbedingung v(t = 0) = v ◦ ≠ 0 ist die Lösung<br />
v(t) = (v ◦ − v ∞ ) e − β m t + v ∞<br />
und es wird für v ◦ > v ∞ der Körper bis auf v ∞ abgebremst, mit v ◦ = v ∞ bleibt die<br />
Geschwindigkeit konstant erhalten und für v ◦ < 0 steigt der Körper erst an, bis er auf<br />
v = 0 abgebremst ist und fällt dann wie im ersten Beispiel.<br />
Die Lösung x(t) kann durch einfache Integration gewonnen werden<br />
≈ mg<br />
β<br />
[<br />
t + m β<br />
x(t) − x(t = 0) =<br />
∫ t<br />
0<br />
v(t)dt = mg<br />
β<br />
[<br />
t − m β<br />
(<br />
e − β m t − 1) ] ≈<br />
(<br />
1 − β m t + 1 ( ) 2 β<br />
2 m t − 1 ( ) 3 β<br />
6 m t + − · · · − 1)]<br />
= 1 2 gt2 − g β<br />
6 m t3 + O(t 4 )<br />
Auch hier ist durch die Näherung für β mt ≪ 1 der Übergang zum Ergebnis des freien Falls ohne Reibung<br />
gezeigt, und es heben sich die Terme bis zur Ordnung t auf.<br />
3.6 Kreisbewegungen<br />
Aus Kapitel 1.4 wissen wir, dass bei einer Kreisbewegung zwei Beschleunigungen auftreten:<br />
die zum Zentrum des Kreises gerichtete Radialbeschleunigung a r = v2<br />
R<br />
und die Azimutal- (oder Tangential-)Beschleunigung a ϕ = R d2 ϕ<br />
dt 2 .<br />
33 Für x ≪ 1 kann entwickelt werden (Anhang C.1.7) e x = 1 + x + x 2 /2! + x 3 /3! + · · ·, es gilt dann<br />
v(t) ≈ mg<br />
β<br />
(1 − 1 + β )<br />
m t − β2<br />
2m 2 t2 + β3<br />
6m 3 t3 − + · · · = gt − 1 2 g β m t2 + · · ·<br />
Der erste Term ist in Übereinstimmung mit dem freien Fall ohne viskose Reibung, der zweite Term ist<br />
die erste Korrektur für Reibung. Man beachte, die ersten beiden 1-Terme heben sich in der Näherung<br />
heraus, bei numerischen Rechnungen mit der exakten Formel ist also erst der dritte Term dominant für<br />
x ≪ 1, was zu Rundungsfehlern führen kann. Dieser Übergang eines neuen Ergebnisses in ein bekanntes<br />
Ergebnis, das in einem Grenzbereich gültig ist, kann als Kontrolle der Rechnung dienen, und es fördert<br />
auch das physikalische Verständnis.<br />
34 z.B.: η(Luft) = 1.8·10 −5 kg/m s, β/m(Feder) ≈ 30 s −1 , β/m(Kugel) ≈ 10 −5 s −1 , η(Wasser) = 1·10 −3<br />
kg/m s<br />
32
F t<br />
F n<br />
m<br />
Also müssen auf Grund des Aktionsprinzips auch zwei Kraftkomponenten<br />
vorhanden sein:<br />
F n = m a r = m R( dϕ<br />
dt )2 = mRω 2 = m v2 = R<br />
Normal- oder Zentripetalkraft,<br />
F t = m a ϕ = m R d2 ϕ<br />
= mR dω = Tangentialkraft, die von den früher<br />
dt 2 dt<br />
diskutierten Kräften (Gravitation, Coulombkraft, Oberflächenkräfte)<br />
herrühren. Wir diskutieren 3 Beispiele.<br />
3.6.1 Erdsatellit auf Kreisbahn<br />
Die Ebene der Bewegung wird durch den Vektor F ⃗ G und die Anfangsgeschwindigkeit ⃗v ◦<br />
aufgespannt. Die Zentripetalkraft [vgl. Kap. 1.4.3] wird durch die Gravitationskraft der<br />
Erde dargestellt:<br />
r<br />
R E<br />
M<br />
→<br />
F G<br />
m<br />
h<br />
→<br />
v o<br />
F t = m a ϕ = 0, F n = F G = Γ mM<br />
r 2<br />
Damit ist<br />
Nach der Figur ist r = h + R E , ferner gilt ΓM<br />
R 2 E<br />
Γ mM<br />
r 2<br />
= m · v2<br />
r<br />
= g (Kapitel 2.4.1)<br />
(M = Erdmasse).<br />
(Kreisbedingung).<br />
√ √<br />
gR<br />
2 √√√<br />
Damit erhält man v und die Umlaufszeit T: v = E<br />
R E + h , T = 2π (R E + h) 3<br />
.<br />
g RE<br />
2<br />
So steht ein geostationärer Satellit über dem Äquator (warum dort?) mit T = 24 Std in<br />
einer Höhe von 35800 km.<br />
√<br />
√ RE<br />
Speziell für erdnahe Satelliten, d.h. h ≪ R E : v ≃ gR E ,T ≃ 2π vgl. Gl. (23).<br />
g<br />
Alle diese Beziehungen sind infolge der Gleichheit von träger und schwerer Masse unabhängig<br />
von m.<br />
3.6.2 Ebenes mathematisches Pendel<br />
Darunter versteht man einen Massenpunkt, der an einem masselos gedachten Faden hängt<br />
und in einer vorgegebenen Ebene Schwingungen ausführt, d.h. der Bewegungsvorgang<br />
wiederholt sich in regelmässigen Zeitabschnitten. Nach dem Rezept<br />
ist:<br />
ϕ<br />
l<br />
m<br />
G →<br />
F →<br />
1. Es ist f = 1, weil die Pendellänge l = konstant und die Schwingungsebene<br />
vorgegeben ist. Als Koordinate wird der Winkel ϕ<br />
zwischen der Vertikalen und dem Faden gewählt, und zwar wird<br />
ϕ positiv im Gegenuhrzeigersinn gerechnet.<br />
2. Es wirken ⃗ G = m⃗g und die Fadenkraft ⃗ F.<br />
3. Zwei Bewegungsgleichungen mit zwei Unbekannten ϕ und F:<br />
m v2<br />
l<br />
= F N = F − mg cos ϕ und<br />
ml d2 ϕ<br />
dt 2 = F T = −mg sin ϕ<br />
33
4. Lösen der Bewegungsgleichung für kleine Winkel (ϕ ≪ 1) der tangentialen Bewegung:<br />
d 2 ϕ<br />
dt = −g sin ϕ. Dann ist sin ϕ ≃ ϕ und die Differentialgleichung wird<br />
2 l<br />
d 2 ϕ<br />
dt = −g ϕ. (21)<br />
2 l<br />
Diese Gleichung kann nicht direkt integriert werden, da sie die unbekannte Funktion ϕ(t)<br />
und deren 2. Ableitung enthält. Die Lösung muss so beschaffen sein, dass ihre zweite<br />
Ableitung proportional zur Funktion selber ist. Als mögliche Lösung kommen sin-, cosoder<br />
eine Exponential-Funktion in Frage. Man muss deshalb einen Ansatz 35 machen und<br />
zeigen, dass mit ihm die Differentialgleichung erfüllt werden kann 36 . Wir setzen an:<br />
ϕ<br />
T<br />
ϕ(t) = ϕ ◦ cos(ωt − δ) (22)<br />
ϕο<br />
in Gl. (21): −ϕ ◦ ω 2 cos(ωt−δ) = − g l ϕ ◦ cos(ωt−δ)<br />
δ<br />
ω<br />
t<br />
√ g<br />
und damit ω =<br />
l<br />
(23)<br />
Der Ansatz (22) erfüllt dann und nur dann die Gleichung (21), falls ω, welches die Bedeutung<br />
einer Kreisfrequenz hat, die Bedingung (23) erfüllt. Wir nennen ω die Eigenfrequenz<br />
des Pendels und die Bewegung harmonisch, weil sie durch eine cos-Funktion (oder<br />
sin-Funktion) beschrieben werden kann. ϕ ◦ ist die Amplitude und δ die Phasenkonstante<br />
der Schwingung; beide sind Integrationskonstanten und werden durch die Anfangsbedingungen<br />
festgelegt. Die Schwingungsdauer T ist durch die Bedingung ϕ(t + T) = ϕ(t)<br />
bestimmt. Es muss ωT = 2π gelten und damit ist<br />
T = 2π ω = 1 ν = 2π √<br />
l<br />
g , ν nennt man die Frequenz [ 1<br />
s<br />
5. Mit den Anfangsbedingungen:<br />
( ) dϕ<br />
ϕ(t = 0) = α ◦ ,<br />
dt<br />
t=0<br />
= v ◦<br />
l<br />
wird α ◦ = ϕ ◦ cos δ,<br />
]<br />
.<br />
v ◦<br />
l = ωϕ ◦ sin δ.<br />
35 Jeder Ansatz ist mit genügend Freiheitsgraden richtig, jedoch nur Ansätze, die die Lösung wenigstens<br />
teilweise erraten, führen zu einem gangbaren Lösungsweg. Vgl. auch die Fussnote S.31.<br />
36 Man kann auch mit einem Trick (analog zum Energietrick) die Differentialgleichung (21) lösen, indem<br />
man sie mit 2 · dϕ<br />
dt multipliziert:<br />
˙ϕ 2 + g l ϕ2 = konst 2 ⇒ dϕ<br />
dt = √<br />
c 2 − g l ϕ2<br />
mit<br />
√ (√ )<br />
l g/l<br />
t =<br />
g arcsin ϕ<br />
c<br />
2¨ϕ ˙ϕ + 2g l ˙ϕϕ = 0 ⇒ d dt ( ˙ϕ)2 + g d<br />
l dt (ϕ)2 = 0<br />
∫<br />
Variable separieren ⇒<br />
∫<br />
dx<br />
√<br />
a2 − b 2 x 2 = 1 b arcsin b a x + c<br />
wird<br />
[√ ] √ g g<br />
+ t ◦ ⇒ sin<br />
l (t − t ϕ<br />
◦) =<br />
l c<br />
ϕ(t) = ϕ ◦ sin(ωt − δ), mit ω =<br />
√ g<br />
l , δ = t ◦√ g<br />
l , ϕ ◦ =<br />
sie ist nun integrierbar<br />
∫<br />
dϕ<br />
√<br />
c2 − g = l ϕ2<br />
und damit<br />
√<br />
l<br />
g c<br />
dt = t<br />
und mit den Anfangsbedingungen ϕ(t = 0) = ϕ ◦ , ˙ϕ(t = 0) = 0 ist ˙ϕ(t = 0) = ϕ ◦ ω cos(ωt − δ) = 0<br />
⇒ δ = +π/2 ⇒ ϕ(t) = ϕ ◦ cos ωt in Übereinstimmung mit dem Ergebnis aus dem Ansatz.<br />
34
( )<br />
Aus diesen beiden Gleichungen folgt: ϕ 2 ◦ = α◦ 2 v◦ 2<br />
v ◦<br />
+ , tanδ = .<br />
lω lωα ◦<br />
Damit sind die Integrationskonstanten ϕ ◦ und δ und folglich auch ϕ(t) bestimmt.<br />
Also können wir nun die zweite Unbekannte, die Fadenkraft F, berechnen. Aus der<br />
Bewegungsgleichung für die radiale Bewegung mv 2 /l = F − mg cos ϕ folgt mit der Näherung<br />
cosϕ ≃ 1 (äquivalent der Näherung sin ϕ ≃ ϕ) ⇒ F = mg + mlω 2 ϕ 2 ◦ sin 2 (ωt − δ).<br />
Die Fadenkraft wird also für ϕ = 0, d.h. sin(ωt − δ) = 1, grösser als mg, weil ja F − mg<br />
die notwendige Zentripetalkraft [vgl. Kap. 1.4.3] liefern muss.<br />
Vergleichen wir die Periode des mathematischen Pendels mit der Schwingungsdauer<br />
√<br />
T ≃ 2π R E /g<br />
für einen erdnahen Satelliten, so sehen wir, dass die Satellitenbewegung als eine Pendelschwingung<br />
mit dem Erdradius als Fadenlänge aufgefasst werden kann.<br />
Die harmonische Lösung Gl. (22) der Bewegungsgleichung gilt nur für genügend kleine<br />
Amplituden ϕ ◦ . Für beliebige Amplituden mit einer masselosen Stange statt eines Fadens<br />
müssen wir einen anderen Lösungsweg einschlagen. Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung<br />
für die tangentiale Bewegung mit 2dϕ/dt und erhalten (suche einen Ausdruck, der<br />
auf beiden Seiten d dt (...) enthält, um zu integrieren, vgl. Fussnote 36 )<br />
2 dϕ d 2 ϕ<br />
dt dt = −g 2 l 2dϕ dt<br />
sin ϕ oder<br />
d<br />
( ) 2<br />
dϕ<br />
= 2g dt dt l<br />
d<br />
(cos ϕ).<br />
dt<br />
Die Integration nach der Zeit liefert<br />
( ) 2<br />
dϕ<br />
= 2g dt l cos ϕ+C 1 (C 1 = − 2g l cos ϕ ◦ Integrationskonstante aus dϕ<br />
dt (ϕ = ϕ ◦) = 0)<br />
⇒ dϕ<br />
dt = √<br />
2g<br />
l cos ϕ + C 1 bzw.<br />
∫<br />
∫<br />
dt =<br />
dϕ<br />
√ 2g<br />
l cosϕ + C 1<br />
∫<br />
= t = t ◦ +<br />
dϕ<br />
√ 2g cos ϕ + C .<br />
l 1<br />
T<br />
√<br />
2π lg<br />
Die Schwingungsdauer T für die Amplitude ϕ ◦ (ϕ ◦ ≤ π) ist T = 4<br />
o<br />
o<br />
o<br />
ϕ ο<br />
0 90 180<br />
∫ϕ ◦<br />
dϕ<br />
◦<br />
√C 1 + 2g l<br />
cos ϕ,<br />
wobei C 1 selbst noch von ϕ ◦ abhängt. Das Integral ist<br />
ein elliptisches Integral 1. Art, dessen Werte tabelliert<br />
sind oder das mit einer Reihenentwicklung 37 oder auch<br />
numerisch, wie im Bild, gelöst werden kann. Die Schwingungsdauer<br />
hängt von der Amplitude ab. Die Bewegung<br />
ist periodisch, aber nicht mehr harmonisch.<br />
√<br />
37<br />
T = 2π<br />
l<br />
g<br />
[<br />
1 +<br />
(<br />
∑∞<br />
n=1<br />
( 2n−1<br />
2n<br />
)<br />
sin<br />
n ϕ ◦<br />
2<br />
) 2<br />
]<br />
mit schlechter Konvergenz bei ϕ ◦ → 180 ◦ .<br />
35
Phasenraumdarstellung der Pendelbewegung †<br />
Der Phasenraum 38 ist ein fiktiver Raum der Bewegung eines Systems mit den Basisvektoren<br />
z.B. Ort ⃗r und Geschwindigkeit ⃗v oder Winkel ϕ und Winkelgeschwindigkeit ˙ϕ. Im<br />
Allgemeinen sind dies 6 Dimensionen; das ebene Pendel kann mit nur zwei Variablen ϕ(t)<br />
und ˙ϕ(t) beschrieben werden, die in Abhängigkeit von der Zeit eine Bahn im Phasenraum<br />
beschreiben.<br />
Für das Pendel gilt allgemein auch für grosse Winkel [S.35]<br />
˙ϕ 2 = 2 g l cosϕ + C 1 mit C 1 = −2 g l cos ϕ ◦ aus ˙ϕ[ϕ(t = 0) = ϕ ◦ ] = 0 . (24)<br />
Der Phasenraum ist damit mit Gl. (24) beschrieben<br />
√<br />
˙ϕ(ϕ) = 2c(cos ϕ − cosϕ ◦ ) mit c = g l = ω2 .<br />
Für kleine Winkel 1 ≫ ϕ ◦ ≥ ϕ gilt mit einer Reihenentwicklung von cosϕ<br />
˙ϕ = √ 2c √ cos ϕ − cos ϕ ◦ ≈ √ √<br />
2c 1 − ϕ2<br />
2 ... − 1 + ϕ2 ◦<br />
2 ... = √ √<br />
c ϕ 2 ◦ − ϕ 2 .<br />
Dies ist im Phasenraum ˙ϕ, ϕ eine Kreisgleichung mit dem Radius ϕ ◦<br />
˙ϕ/ √ c<br />
2<br />
π<br />
4<br />
π<br />
2<br />
Rotation<br />
Pendelbewegung<br />
π<br />
ϕ<br />
˙ϕ 2<br />
c + ϕ2 = ϕ 2 ◦ .<br />
In der Figur ist der Phasenraum<br />
für kleine Winkel<br />
mit den Anfangsbedingungen<br />
ϕ ◦ = π/4, π/8 dargestellt<br />
(Kreise). Für grössere<br />
Winkel ϕ ◦ = π, π/2 ist<br />
Gl. (24) benutzt worden; im<br />
Extrempunkt ϕ = ϕ ◦ = π,<br />
˙ϕ = 0 steht das Pendel still.<br />
Die Pendelbewegung wird<br />
im Phasenraum als eine Rotation<br />
dargestellt.<br />
Für eine Anfangsbedingung ˙ϕ(ϕ ◦ = 0)/ √ c > 2 geht die Pendelbewegung in eine Rotation<br />
über, die im Phasenraum durch eine Oszillation mit fortschreitendem ϕ dargestellt<br />
ist.<br />
Der Phasenraum eines Systems ist eine Konstante, hier die durch ˙ϕ und ϕ aufgespannte<br />
Fläche, so kann ϕ nur auf Kosten von ˙ϕ verändert werden. In der Optik von Licht oder<br />
der Optik von <strong>Teil</strong>chenstrahlen wird dieser Sachverhalt durch den Liouvilleschen Satz<br />
formuliert: In einem optischen System ist der Phasenraum konstant. So kann z.B. ein<br />
Brennfleck nur auf Kosten einer vergrösserten Divergenz verkleinert werden.<br />
3.6.3 Kreispendel (konisches Pendel)<br />
Der Pendelfaden beschreibt den Mantel eines Kreiskegels, die Masse m soll sich auf einer<br />
Kreisbahn um die z-Achse mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω bewegen.<br />
38 S.Brandt, H.D.Dahmen, <strong>Physik</strong> Bd.1 <strong>Mechanik</strong>, Springer 1977 S.83<br />
36
m<br />
→<br />
mg<br />
F →<br />
l<br />
α<br />
ρ<br />
z<br />
→<br />
ω<br />
Für welche Winkel α ist eine solche Bewegung möglich?<br />
Wiederum wirken nur die Kräfte ⃗ G und ⃗ F, welche folgende Bedingungen<br />
erfüllen müssen:<br />
Tangentialkraft: F T = 0 weil ω = konst,<br />
Zentripetalkraft (Bedingung mρω 2 für die Kreisbahn):<br />
F N = F sin α = mρω 2 = mlω 2 sin α,<br />
Kraft parallel zur z-Achse: F z = F cos α − mg = 0.<br />
α erfüllt also die Bedingung tanα = l g ω2 sin α.<br />
Die Lösungen sind 39 α = 0 (25) und cos α = g<br />
lω 2 für α ≠ 0. (26)<br />
π/2<br />
α<br />
Da cosα ≤ 1, gilt die Lösung (26) nur dann, wenn<br />
stabil<br />
√<br />
g<br />
g<br />
lω ≤ 1 bzw. ω ≥ ω 2 kritisch = ω k =<br />
l .<br />
stabil labil Es gibt also für ω ≤ ω k nur eine Lösung: α = 0.<br />
0<br />
Für ω ≥ ω k sind 2 Lösungen möglich, von denen<br />
0 1 2 3 ω<br />
ω jedoch α = 0 instabil ist.<br />
k<br />
Falls sich das Pendel im Zustand α = 0 mit ω > ω k befindet, wird es durch eine kleine<br />
Störung in den stabilen Zustand α > 0 gebracht.<br />
Der unstetige Übergang von der 1. stabilen Lösung zur 2. stabilen Lösung bei der<br />
kritischen Winkelgeschwindigkeit ω k ist ein mechanisches Beispiel für einen Phasenübergang<br />
1. Ordnung (vgl. S. 83). Andere Beispiele für Phasenübergänge 1. Ordnung sind:<br />
Aggregatzustände Wasser-Eis, Metallstrukturen, Ordnung-Unordnungübergänge im Magnetismus,<br />
Supraleitung, Flüssigkristalle (LCD) u.a. Bei Phasenübergängen 2. Ordnung<br />
beobachtet man stetige Übergänge bei Änderung eines Parameters (z.B. Temperatur).<br />
3.7 Prinzip des Raketenantriebs<br />
Wir betrachten eine Rakete, die sich durch Ausstossen von Masse beschleunigen kann.<br />
Um die Bewegung der Rakete, speziell die Zeitabhängigkeit ihrer Geschwindigkeit ⃗v(t) zu<br />
untersuchen, gehen wir nicht vom Aktionsprinzip, sondern vom Impulssatz für ein System<br />
von Massenpunkten aus: F ⃗<br />
d⃗p =<br />
dt .<br />
⃗F ist eine äussere Kraft (z.B. Gravitationskraft) auf das System, das aus der Rakete<br />
und den ausgestossenen Gasen besteht, und ⃗p(t) ist der Gesamtimpuls dieses Systems.<br />
Wir betrachten das System zu zwei aufeinander folgenden<br />
✲ ⃗v<br />
Zeitpunkten t und t + dt. Im Zeitintervall dt wurde die<br />
◗<br />
t dm M<br />
✑ Gasmenge dm mit einer Relativgeschwindigkeit ⃗u bezüglich<br />
der Rakete ausgestossen, in der Rakete bleibt die Masse<br />
M. Die Geschwindigkeit der Rakete selbst wird von ⃗v auf<br />
◗<br />
t+dt dm M<br />
✑ ⃗v + d⃗v erhöht, gemessen in einem Inertialsystem. Somit ist<br />
der Impuls zur Zeit t : ⃗p(t) = (M + dm)⃗v,<br />
⃗v + d⃗v + ⃗u ⃗v + d⃗v und t + dt : ⃗p(t + dt) = M(⃗v + d⃗v) + dm(⃗v + d⃗v + ⃗u).<br />
39 Vorsicht: Wenn man in sinα/cos α = l g ω2 sinα den Term sin α “kürzt”, verliert man diese Lösung<br />
α = 0.<br />
37
Die Impulsänderung ist also<br />
d⃗p = ⃗p(t + dt) − ⃗p(t) = Md⃗v + dm ⃗u + dm } {{ d⃗v }.<br />
≈0<br />
dm d⃗v ist, da von höherer Ordnung, vernachlässigbar. Mit der äusseren Kraft ⃗ F ist<br />
⃗F = d⃗p<br />
dt = M d⃗v dm<br />
+ ⃗u<br />
dt dt = M d⃗v<br />
dt − ⃗u dM dt , denn es ist dm<br />
dt = −dM dt , (27)<br />
da die ausgestossene Masse von der Rakete kommt.<br />
Wir diskutieren Gleichung (27) an zwei Beispielen. Falls sich die Rakete weit weg von<br />
irgendwelchen Gravitationszentren befindet, können wir ⃗ F = 0 setzen und erhalten<br />
M d⃗v<br />
dt = ⃗u dM dt<br />
oder<br />
d⃗v<br />
dt = ⃗u M<br />
dM<br />
. Wenn ⃗u ‖ ⃗v unabhängig von der Zeit ist,<br />
dt<br />
lässt sich die Integration leicht ausführen:<br />
∫ ⃗v<br />
⃗v ◦<br />
d⃗v = ⃗u<br />
∫ M<br />
M ◦<br />
dM<br />
M oder ⃗v = ⃗v ◦ + ⃗u ln M M ◦<br />
.<br />
⃗v ◦ ist die Anfangsgeschwindigkeit, wenn die Rakete die Masse M ◦ hat. Die Endgeschwindigkeit<br />
ist also unabhängig davon, wie schnell der Brennstoff verbraucht wird 40 .<br />
Das wird anders, wenn wir die Rakete in einem Gravitationsfeld betrachten, z.B. beim<br />
Start, wo wir ⃗ F = M⃗g annehmen wollen. Es gilt also mit Gl. (27)<br />
M ⃗g = M d⃗v<br />
dt − ⃗u dM dt<br />
oder<br />
d⃗v<br />
dt = ⃗u M<br />
∫⃗v<br />
dM<br />
dt + ⃗g ⇒<br />
M∫<br />
dM<br />
d⃗v = ⃗u<br />
⃗v ◦ M ◦<br />
∫t<br />
M + ⃗g<br />
t ◦<br />
dt.<br />
Die Integration ergibt: ⃗v = ⃗v ◦ + ⃗u ln M M ◦<br />
+ ⃗g(t − t ◦ ).<br />
Mit den Anfangsbedingungen t ◦ = 0, ⃗v ◦ = 0 und ⃗v positiv<br />
nach oben sowie ⃗u und ⃗g negativ nach unten gerichtet gilt:<br />
v(t) = +u ln M ◦<br />
M − gt.<br />
Jetzt ist v(t) umso grösser, je kleiner die Zeitspanne von 0 bis t ist, in welcher der<br />
Brennstoff verbrannt wird.<br />
Anschaulich kann eine Rakete nicht von der Erde abgeschossen werden, wenn der sonst<br />
ausreichende Brennstoff zu langsam abgebrannt wird und extrem noch nicht einmal die<br />
Schwerkraft der Rakete überwunden werden kann.<br />
40 ⃗u ↑↑ ⃗v Abbremsen, ⃗u ↓↑ ⃗v Beschleunigen der Rakete M.<br />
38
4 Arbeit, Energie und Leistung; Energie- und Impulserhaltung<br />
Im Kapitel 3 haben wir mit Hilfe der Newtonschen Prinzipien mechanische Probleme<br />
gelöst, d.h. es war der zeitliche Verlauf des Ortsvektors ⃗r(t) eines Massenpunktes gesucht,<br />
wenn die wirkende resultierende Kraft ⃗ F bekannt ist. Der Lösungsablauf lässt sich durch<br />
die Sequenz ⃗ F → ⃗a → ⃗v → ⃗r beschreiben.<br />
Um die Integrationen nach der Zeit ausführen zu können, müssen wir ⃗ F(t) kennen; oft<br />
ist jedoch nur ⃗ F(⃗r) (z.B. beim Gravitationsgesetz) gegeben. Das Problem ist also, ⃗v(t)<br />
bzw. ⃗r(t) aus m · d⃗v/dt = ⃗ F(⃗r) zu bestimmen. ⃗ F(t) erhält man dann aus der berechneten<br />
Bahn ⃗ F(t) = ⃗ F(⃗r(t)). Die Lösung dieser Aufgabe führt zum Energiesatz der <strong>Mechanik</strong>,<br />
der eine Folgerung darstellt, die aus den Newtonschen Prinzipien gezogen werden kann<br />
und mit dem in vielen Fällen eine elegantere Lösung von Problemen gefunden werden<br />
kann. Zunächst müssen wir jedoch einige neue Begriffe einführen.<br />
Newtons<br />
Prinzipien<br />
❳ ❳ ❳ ❳❳❳<br />
❳ ❳❳3<br />
prinzipiell<br />
Lösungen möglich<br />
allgemeingültige<br />
Folgerungen<br />
✲ mechanische<br />
Probleme<br />
✘ ✘✘ ✘ ✘✘✘ ✘ ✘✿<br />
eventuell<br />
elegante Lösung<br />
4.1 Definition von Arbeit, Leistung und kinetischer Energie<br />
Die Arbeit<br />
Wir betrachten einen Massenpunkt m, der sich unter der Wirkung einer beliebigen<br />
Kraft ⃗ F von einem Ort 1 zu einem Ort 2 bewegt. Wir denken uns die Bahnkurve in<br />
kleine, vektorielle Bahnelemente d⃗r (= Linienelemente) zerlegt.<br />
→<br />
F<br />
dr →<br />
ϕ 2<br />
1<br />
→<br />
m<br />
→<br />
r 2<br />
r 1<br />
Innerhalb einer Zeit dt wird m unter dem Einfluss von ⃗ F um d⃗r verschoben.<br />
Dann definieren wir<br />
dW . = ⃗ F · d⃗r = | ⃗ F | · |d⃗r| cos ϕ = F dr cos ϕ<br />
als die Arbeit, welche die Kraft verrichtet, um die Masse längs eines<br />
Weges zu verschieben. Bei einem ausgedehnten Körper ist unter d⃗r die<br />
Verschiebung des Schwerpunktes zu verstehen.<br />
dW ist also als Skalarprodukt von ⃗ F und d⃗r definiert und kann somit auch als Produkt<br />
aus der Verschiebung und der Kraftkomponente längs der Verschiebung definiert werden.<br />
Die total geleistete Arbeit erhalten wir durch Integration von dW längs der Bahn<br />
W 1→2 = 2 ∫<br />
1<br />
⃗F · d⃗r<br />
Wir nennen dieses bestimmte Integral das Linienintegral der Kraft F. ⃗ Die Einheit der<br />
Arbeit in SI-Einheiten ist 41 1 Joule = 1 Nm = 1 Watt · Sekunde = 1 Ws.<br />
41 James Prescott Joule (1818-1889), englischer <strong>Physik</strong>er, er schrieb 1843 ein Werk über das mechanische<br />
Wärmeäquivalent, begründete den Energiesatz und entwickelte die (Reibungs-) Wärmemenge proportional<br />
zur aufgewendeten Kraft (längs des Weges).<br />
39
Leistung nennen wir die pro Zeiteinheit geleistete Arbeit<br />
P . = dW dt<br />
= ⃗ F · d⃗r<br />
dt = ⃗ F · ⃗v.<br />
Die Einheit ist 1 Watt = 1 Joule ·s −1 [alt: 1 PS = 735.5 W,<br />
1 hp (horse power) = 550 ft lb/s = 745.69987 W].<br />
Aus der Definition geht hervor, dass keine Arbeit geleistet wird von einer Kraft, die an<br />
einem ruhenden Körper angreift (d⃗r = 0) oder die senkrecht auf seiner Verschiebung d⃗r<br />
steht. Normalkräfte, die immer während des Bewegungsablaufes senkrecht<br />
auf der Bewegungsrichtung stehen, leisten also keine Arbeit.<br />
N ✲v<br />
✻<br />
Wenn ein Klotz reibungsfrei mit R G = 0 auf einer horizontalen Unterlage<br />
gleitet, stehen Gewicht und Normalkraft senkrecht auf ⃗v und damit auf<br />
❄mg d⃗r; es ist also dW = 0.<br />
Auf einen Massenpunkt m, der sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit<br />
auf einem Kreise bewegt, wirkt die Zentripetalkraft F n = m v 2 /r,<br />
★✥ ⃗v<br />
❅■ m<br />
✠ die senkrecht zu d⃗r steht. Die Zentripetalkraft leistet also keine Arbeit,<br />
F ⃗ n<br />
✧✦ z.B. bei der Bewegung der Erde um die Sonne mit F n = Γ m Sm E<br />
.<br />
rSE<br />
2<br />
4.2 Der Energiesatz der <strong>Mechanik</strong><br />
Wir betrachten wiederum einen Massenpunkt, der sich unter der Wirkung einer beliebigen<br />
Kraft ⃗ F bewegt. Nach dem Aktionsprinzip ist<br />
d⃗p<br />
dt = F ⃗ bzw. m d⃗v<br />
dt = F. ⃗<br />
Als mathematischen Trick (Energietrick, vgl. S.34 Fussnote), um eine skalare Grösse zu<br />
erhalten, multiplizieren wir diese Gleichung skalar mit ⃗v:<br />
m⃗v · d⃗v<br />
dt = ⃗ F · ⃗v = P = dW dt<br />
also die linke Seite der obigen Gleichung<br />
. Nun ist aber<br />
d<br />
m⃗v · d⃗v<br />
dt = m 2<br />
dt (⃗v2 ) = 2⃗v · d⃗v<br />
dt ,<br />
d(v 2 )<br />
dt<br />
= d dt<br />
( ) mv<br />
2<br />
2<br />
= dT<br />
dt .<br />
Die kinetische Energie T eines Massenpunktes, der sich mit der Geschwindigkeit v<br />
bewegt, definieren wir als die Grösse<br />
T . = m 2 v2<br />
Wir sehen, dass T und W die gleiche Dimension haben und somit auch in gleichen Einheiten<br />
angegeben werden können. Damit gilt<br />
dT<br />
dt = dW dt<br />
bzw. dT = dW und integriert<br />
T 2 − T 1 = W 1→2 =<br />
∫2<br />
1<br />
⃗F · d⃗r der Energiesatz der <strong>Mechanik</strong>. (28)<br />
40
Wenn eine Kraft ⃗ F einen Massenpunkt längs eines Weges vom Ort<br />
1 zum Ort 2 verschiebt, so ist die von der Kraft geleistete Arbeit<br />
längs dieses Weges gleich der Zunahme der kinetischen Energie.<br />
Dieser Satz, der eine direkte Folgerung aus dem Aktionsprinzip darstellt und somit<br />
keine neue physikalische Idee enthält, verknüpft also zwei Arten von Grössen: die kinetische<br />
Energie, welche nur vom Anfangs- und Endpunkt der Bahn abhängt, und die Arbeit,<br />
welche durch den eigentlichen Weg bestimmt ist. Dieser Energiesatz gilt für jede Art von<br />
Kraft, er ist nicht mit dem Energie-Erhaltungs-Satz Gl. (33) zu verwechseln!<br />
Welche Vorteile bringt uns der Energiesatz? Um ihn anwenden zu können, müssen<br />
W 1→2 und damit der Weg 1 → 2 bekannt sein. Müssen wir also doch mittels der Newtonschen<br />
Prinzipien den Weg berechnen? Es gibt 2 Fälle von beträchtlichem praktischen<br />
Wert, für die das nicht nötig ist und der Energiesatz seine grosse Nützlichkeit beweist:<br />
a) wenn die Arbeit nicht vom eingeschlagenen Wege abhängt, sondern nur durch<br />
Anfangs- und Endpunkt bestimmt ist, so dass also der Weg keine Rolle spielt,<br />
b) wenn der Weg im voraus bekannt ist, weil die Bewegung durch Nebenbedingungen<br />
beschränkt ist (z.B. bei Bewegungen auf einer Schiene).<br />
Wir wollen zunächst vier Beispiele zum Fall b) besprechen.<br />
1. Freier Fall im Vakuum:<br />
⃗F = m⃗g = G ⃗ =konst. Durchfällt der Massenpunkt die Höhe h, so ist<br />
✻<br />
h<br />
1m<br />
❄mg<br />
1<br />
T 2 − T 1 = W 1→2 =<br />
∫ 2<br />
1<br />
⃗F · d⃗r =<br />
Lässt man den Körper mit v 1 = 0 fallen, so wird<br />
∫ 2<br />
1<br />
mg dr = mg h.<br />
❄<br />
2<br />
T 2 = 1 2 m (v 2) 2 = mg h, also v 2 =<br />
√<br />
2gh.<br />
⃗N<br />
✻<br />
❄⃗ G<br />
✲⃗v<br />
❍❨ N ⃗<br />
❍❍ l<br />
❍<br />
❍<br />
❍<br />
✁ ✁ ❍<br />
✻<br />
❍<br />
✁ ✁✕ ❍<br />
❍<br />
✁<br />
❍✁ ✁ ❍<br />
h<br />
❍❍❍❍ ❍<br />
❍ ❍❥<br />
❍ ⃗r<br />
❄G<br />
⃗ ❍ ❍❥<br />
α ❍<br />
❄<br />
❍<br />
In Übereinstimmung mit dem Ergebnis aus der Bewegungsgleichung.<br />
2. Reibungsloses Gleiten auf horizontaler Ebene:<br />
⃗F = ⃗ G + ⃗ N = ⃗0, dW = ⃗ F · d⃗r = dT = 0<br />
T = konst.,<br />
v = konst.<br />
3. Reibungsloses Gleiten auf schiefer Ebene:<br />
⃗F = G+ ⃗ N ⃗ = G d⃗r<br />
dr sin α − G cos α N ⃗ N + N ⃗ = G<br />
dr d⃗r sin α ≠ 0<br />
} {{ }<br />
in Komponenten zerlegt<br />
und dW = F ⃗ · d⃗r = G ⃗ d⃗r = G sin α dr = dT,<br />
T 2 − T 1 = Gl sin α = mg h = 1 2 mv2 − 0.<br />
41
⃗v ✲ ◦ ⃗N ✲⃗v<br />
✻<br />
✛ v = 0✲ ⃗r<br />
0 R ⃗ G ❄G<br />
⃗ l<br />
4. Länge des Bremsweges l auf horizontaler Ebene:<br />
T 2 −T 1 = − m 2 v2 ◦ =<br />
∫l<br />
0<br />
∫l<br />
⃗R G·d⃗r = −<br />
m<br />
2 v2 ◦ = mg lµ G , l = v2 ◦<br />
2g µ G<br />
.<br />
0<br />
∫l<br />
µ G N dr = −mg µ G<br />
D.h. der Bremsweg mit blockierten Rädern ist unabhängig von der Masse des Fahrzeuges.<br />
Da i.a. µ H > µ G gilt, ist bei nicht blockierten Rädern der Bremsweg kürzer jedoch<br />
schwerer zu dosieren (ABS-System vermindert das Ausbrechen des Autos).<br />
4.3 Konservative Kraftfelder<br />
Im Abschnitt 2.4.1 wurde der Begriff des Kraftfeldes und der<br />
→<br />
F Feldstärke eingeführt. Jedem Raumpunkt ⃗r wird eine Kraft F(r) ⃗ bzw.<br />
→<br />
r eine Feldstärke F/m ⃗ zugeordnet. Die Gesamtheit aller F ⃗ nennen wir<br />
das Kraftfeld, das im Gegensatz zu skalaren Feldern ein Vektorfeld ist.<br />
Zur Veranschaulichung des Kraftfeldes zeichnet man Feldlinien , die nach Definition Kurven<br />
sind, die durch die Tangenten der Kraftvektoren gegeben werden (vgl. Figur S. 44).<br />
Die Kräfte, die auf Massenpunkte wirken, lassen sich in drei Gruppen einteilen:<br />
(i) Hängt F(⃗r,t) ⃗ = F(⃗r) ⃗ nicht von der Zeit ab, so sprechen wir von einem stationären<br />
Kraftfeld (Federkraft, Gewicht);<br />
(ii) ändert sich F ⃗ an jedem Raumpunkt auch im Laufe der Zeit, so stellt F(⃗r,t) ⃗ ein<br />
nicht-stationäres Feld dar.<br />
(iii) Wenn dagegen die Kräfte F(⃗r,t,⃗v) ⃗ auch von der Geschwindigkeit der betreffenden<br />
Masse abhängen, wie es bei Reibungs- und Normalkräften möglich sein kann, kann kein<br />
Kraftfeld definiert werden.<br />
Unter den stationären Kraftfeldern sind die sogenannten konservativen Kraftfelder<br />
von besonderem Interesse. Sie sind wie folgt definiert:<br />
Falls ∫ 2<br />
1 F ⃗ ·d⃗r nur von den Endpunkten 1 und 2, nicht aber<br />
C 2<br />
2<br />
vom Weg zwischen den Endpunkten abhängt, nennt man<br />
C<br />
⃗F eine konservative Kraft. die Arbeit W 1→2 ist also für die<br />
n<br />
C 1<br />
verschiedenen Wege C 1 ,C 2 · · ·C n die gleiche:<br />
∫ ∫<br />
∫<br />
F ⃗ · d⃗r = F ⃗ · d⃗r = · · · = F ⃗ · d⃗r.<br />
1<br />
C 1 C 2<br />
Aus dieser Eigenschaft folgt sofort, dass das Linienintegral der Kraft über einen geschlossenen<br />
Weg verschwinden muss. Ein solches Integral kennzeichnen wir durch das Symbol<br />
∮ · · ·. Das Integral soll z.B. von 1 nach 2 über den Weg Ca und dann zurück von 2 nach<br />
1 über den Weg C b integriert werden:<br />
C<br />
∮ ∫2<br />
∫1<br />
∫2<br />
∫2<br />
a<br />
2 ⃗F ·d⃗r = F ⃗ ·d⃗r+ F ⃗ ·d⃗r = F ⃗ ·d⃗r− F ⃗ ·d⃗r = 0.<br />
C 1,C b a 2,C b 1,C a 1,C b<br />
1<br />
Im letzten Integral wurden die Grenzen vertauscht, beide Integrale sind dann gleich,<br />
und das Linienintegral über den geschlossenen Weg verschwindet.<br />
C n<br />
0<br />
dr.<br />
42
Ein bekanntes Beispiel für eine konservative Kraft ist das Gewicht ⃗ G = m⃗g, allgemein<br />
also eine konstante Kraft. Da die Komponenten von g nicht vom Wege abhängen, ist also<br />
→<br />
m<br />
r 2<br />
r 12<br />
r 1<br />
→<br />
→<br />
→<br />
G=mg →<br />
∫ ⃗r 2 ∫<br />
W 1→2 = m⃗g · d⃗r = m (g x dx + g y dy + g z dz)<br />
⃗r 1<br />
[<br />
]<br />
x∫<br />
2 ∫y 2 ∫z 2<br />
= m g x dx + g y dy + g z dz<br />
x 1 y 1 z 1<br />
= m [g x (x 2 − x 1 ) + g y (y 2 − y 1 ) + g z (z 2 − z 1 )] = m⃗g · (⃗r 2 − ⃗r 1 ) = m⃗g · ⃗r 12<br />
Die Arbeit hängt nur von der Nettoverschiebung ⃗r 12 der Masse ab d.h. nur von den<br />
Endpunkten und nicht vom Weg.<br />
Wie dieses Beispiel zeigt, kann das Linienintegral einer konservativen Kraft als Differenz<br />
zweier skalarer Grössen V (⃗r 2 ) −V (⃗r 1 ) geschrieben werden, die selber Funktionen des<br />
Ortes ⃗r sind. Wir definieren deshalb allgemein:<br />
Ist ⃗ F eine konservative Kraft, so wird definiert durch<br />
∫<br />
W 1→2 = ⃗r 2<br />
⃗r 1<br />
⃗ F · d⃗r<br />
. = − [V (⃗r2 ) − V (⃗r 1 )]<br />
die potentielle Energie V (⃗r).<br />
In differentieller Schreibweise lautet die Definitionsgleichung für die potentielle Energie<br />
−dV = ⃗ F · d⃗r. (29)<br />
Bei gegebenem Kraftfeld ist die potentielle Energie nur bis auf eine willkürliche Konstante<br />
bestimmt, da in der Definitionsgleichung (29) von V (⃗r) nur eine Differenz auftritt. Sobald<br />
irgendeinem Punkt ⃗r ◦ ein bestimmter Wert V (⃗r ◦ ) zugeordnet ist, ist die<br />
potentielle Energie für jedes ⃗r eindeutig durch<br />
V (⃗r) = V (⃗r ◦ ) −<br />
∫⃗r<br />
⃗r ◦<br />
⃗ F · d⃗r<br />
festgelegt. Jedem Raumpunkt ist also sowohl eine vektorielle Grösse, die konservative<br />
Kraft, als auch eine skalare Grösse, die potentielle Energie, zugeordnet.<br />
Wie erhält man aus einem gegebenen skalaren Feld V (⃗r) das vektorielle Feld ⃗ F(⃗r)?<br />
Wenn wir im Raum um d⃗r =⃗idx +⃗jdy + ⃗ kdz fortschreiten, so ändert sich V (⃗r) um<br />
dV = − ⃗ F · d⃗r = −(F x dx + F y dy + F z dz).<br />
Andererseits ist dV das vollständige (oder totale) Differential der Ortsfunktion V (x,y,z)<br />
(anschaulich die maximale Änderung von V im 3-dimensionalen Raum):<br />
dV =<br />
∂V (x,y,z)<br />
dx +<br />
∂x<br />
∂V (x,y,z)<br />
dy +<br />
∂y<br />
∂V (x,y,z)<br />
dz.<br />
∂z<br />
Vergleich der beiden Ausdrücke für dV in kartesischen Koordinaten liefert 42<br />
42 ∂<br />
∂x (bzw. ∂<br />
∂y und ∂ ∂z<br />
) ist die partielle Ableitung nach der Variablen x (bzw. y ,z), alle anderen Variablen<br />
werden konstant gehalten. Die Einführung der partiellen Ableitung ist nötig für die Differentiation<br />
von Funktionen mit mehreren Variablen, hier V (x,y,z).<br />
43
F x = − ∂V<br />
∂x ;<br />
F y = − ∂V<br />
∂y ;<br />
F z = − ∂V<br />
∂z ,<br />
die Komponenten der Kraft.<br />
Hierfür schreibt man<br />
(<br />
F ⃗ = −gradV = −∇V ⃗ ∂V = −<br />
∂x ⃗ i + ∂V<br />
∂y ⃗ j + ∂V )<br />
∂z ⃗ k<br />
und nennt ⃗ ∇V = ∇V = gradV den Gradienten 43 . Er ist ein Vektor, dessen Komponenten<br />
aus den Ableitungen der skalaren Funktion V gebildet werden. Mit dem Gradienten<br />
V3<br />
V2<br />
V1<br />
.<br />
. .<br />
−∇ . V<br />
.<br />
.<br />
Potentialflache "<br />
.<br />
Feldlinie<br />
F →<br />
lässt sich dV auch als skalares Produkt dV = ⃗ ∇V · d⃗r =<br />
gradV · d⃗r interpretieren. Diese Beziehung liefert eine anschauliche<br />
Bedeutung des Gradienten ⃗ ∇V . Wir denken uns<br />
diejenigen Punkte des Raumes, in denen die potentielle<br />
Energie den gleichen Wert hat, zu einer Äquipotentialfläche<br />
zusammengefasst. Schreitet man auf einer solchen Fläche<br />
V = konst um d⃗r vorwärts, so ist nach Definition dV = 0.<br />
Da aber dV = ⃗ ∇V ·d⃗r, so muss ⃗ ∇V senkrecht auf der Äquipotentialfläche<br />
stehen. Dann erhalten wir aber die grösste<br />
Änderung dV , wenn d⃗r || ⃗ ∇V steht.<br />
Der Gradient gibt also die Richtung der grössten Änderung einer skalaren Ortsfunktion<br />
an; mit andern Worten: die Feldlinien der Kraft schneiden die Äquipotentialflächen unter<br />
einem rechten Winkel.<br />
Schliesslich wollen wir noch eine weitere äquivalente Formulierung für die Bedingung<br />
aufstellen, dass ein Kraftfeld konservativ ist. In der Vektoranalysis wird die Vektoroperation<br />
Rotation durch folgende Gleichung definiert:<br />
rotF ⃗ = ∇ ⃗ × F ⃗ =<br />
∣<br />
⃗i ⃗j ⃗ k<br />
∣ ∣∣∣∣∣∣<br />
∂ ∂ ∂<br />
=⃗i<br />
∂x ∂y ∂z<br />
F x F y F z<br />
( ∂Fz<br />
∂y − ∂F ) (<br />
y ∂Fx<br />
+⃗j<br />
∂z ∂z − ∂F ) (<br />
z<br />
+<br />
∂x<br />
⃗ ∂Fy<br />
k<br />
∂x − ∂F )<br />
x<br />
.<br />
∂y<br />
Da jedoch für ein konservative Kraft ⃗ F = − ⃗ ∇ V ist, so folgt für die x-Komponente<br />
von ⃗ ∇ × ⃗ F:<br />
∂F z<br />
∂y − ∂F y<br />
∂z = ∂ (<br />
− ∂V )<br />
− ∂ (<br />
− ∂V )<br />
= − ∂2 V<br />
∂y ∂z ∂z ∂y ∂y∂z + ∂2 V<br />
∂z∂y = 0 (30)<br />
und entsprechend für die anderen Komponenten. Für die skalare Funktion V können die<br />
partiellen Differentiationen ∂ und ∂ vertauscht werden. Es gilt damit ∇ ⃗ × F ⃗ = 0. Ein<br />
∂x ∂y<br />
Kraftfeld, das diese Bedingung erfüllt, nennt man wirbelfrei. Die Rotation ∇ ⃗ × F ⃗ ist ein<br />
axialer oder Pseudo-Vektor.<br />
43 Der Gradient wird oft und auch in dieser Vorlesung durch den Nabla Operator ∇ dargestellt.<br />
Er hat also Vektorcharakter und kann zum Angewöhnen in der Schreibweise<br />
⃗ ∇ benutzt werden, später wird das Vektorzeichen weggelassen.<br />
∇ . = ∂<br />
∂x ⃗ i + ∂ ∂y ⃗ j + ∂ ∂z ⃗ k<br />
Für den Nabla-Operator gelten damit die bekannten Regeln für das Produkt mit einem Skalar (Gradient<br />
eines skalaren Feldes ⃗ ∇V = ⃗ F ergibt ein Vektorfeld), das Skalarprodukt mit einem Vektor (Divergenz<br />
eines Vektorfeldes ⃗ ∇ · ⃗F ergibt ein skalares Feld) und das Vektorprodukt mit einem Vektor (Rotation<br />
eines Vektorfeldes ⃗ ∇ × ⃗ F ergibt ein Wirbelfeld). Die Schreibweise mit dem Nablaoperator ⃗ ∇ ist koordinatenunabhängig.<br />
Darstellungen in verschiedenen Koordinatensystemen siehe Anhang C.5.<br />
44
Zusammenfassung: Eine Kraft ⃗ F ist konservativ, wenn eine der folgenden gleichwertigen<br />
Bedingungen erfüllt ist:<br />
∫ 2<br />
1<br />
⃗F · d⃗r = W 1→2<br />
ist unabhängig vom Weg<br />
∮<br />
⃗F · d⃗r = 0,<br />
⃗ F = −gradV = − ⃗ ∇V<br />
(31)<br />
∫r<br />
V (⃗r) − V ◦ = −<br />
0<br />
⃗F · d⃗r = W 0→r , rot ⃗ F = ⃗ ∇ × ⃗ F = 0<br />
Wir haben schon bemerkt, dass eine konstante Kraft immer konservativ<br />
ist. Wir beweisen jetzt, dass jedes Zentralfeld konservativ ist. Das<br />
y ✻ ⃗F(⃗r)<br />
✻<br />
✁✕<br />
V ✬✩ (r)<br />
✁ ✒<br />
✓✏ <br />
✟ ✟✯ sind radial-symmetrische Felder, die in der Form<br />
✲<br />
✒✑ x<br />
⃗F(⃗r) = f(r)⃗r = f(r) · (x⃗i + y⃗j + z ⃗ k)<br />
✫✪<br />
geschrieben werden können, hierbei ist f(r) eine Funktion des Betrages von ⃗r unabhängig<br />
von ϑ und ϕ. Die Feldlinien sind offen. Die Äquipotentialflächen V (⃗r) = V (r) für r =konst.<br />
sind Kugelflächen.<br />
Man überzeugt sich sofort, dass ∇ ⃗ × F ⃗ = 0 ist, weil mit r = √ x 2 + y 2 + z 2 gilt<br />
∂r<br />
∂x = x r ,<br />
∂r<br />
∂y = y r<br />
und<br />
∂F x<br />
∂y = x df<br />
dr<br />
∂r<br />
∂y = x df<br />
dr<br />
y<br />
r ,<br />
∂F y<br />
∂x = y df<br />
dr<br />
∂r<br />
∂x = y df<br />
dr<br />
x<br />
r = ∂F x<br />
∂y<br />
und analog für die anderen Ableitungen. Das Feld ist also wirbelfrei und besitzt eine<br />
potentielle Energie<br />
∫⃗r<br />
⃗r<br />
❝✟ ✟ ✟✯ d⃗s V (⃗r) = V (⃗r ◦ ) −<br />
⃗r ◦<br />
f(r)⃗r · d⃗r = V (⃗r ◦ ) −<br />
∫⃗r<br />
⃗r ◦<br />
f(r)r dr.<br />
Wir haben hier in Radialrichtung integriert, d.h. d⃗r || ⃗r. Das Ergebnis ist jedoch, wie<br />
es sein muss, unabhängig vom gewählten Weg. Denn für ein beliebiges Linienelement<br />
d⃗s ist ⃗r · d⃗s proportional zur Komponente in Radialrichtung, Elemente senkrecht zur<br />
Radialrichtung liefern keinen Beitrag zum Linienintegral. Es ist also V (⃗r) = V (r), die<br />
potentielle Energie ist kugel-symmetrisch, die Äquipotentialflächen sind Kugelflächen.<br />
Die Gravitations- und Coulomb-Kraft stellen Zentralfelder dar, in denen f(r) ∼ r −3<br />
ist. Zur Berechnung der potentiellen Energie wählt man als Bezugspunkt ⃗r ◦ = ∞ und<br />
setzt V (⃗r ◦ → ∞) = 0. Für das Newtonsche Gravitationskraftfeld<br />
⃗G = −Γ Mm ⃗r ist f(r) = −ΓMmr−3<br />
r3 und wir erhalten für die potentielle Energie<br />
∫r<br />
V (r) = +ΓMm<br />
∞<br />
dr<br />
r = −ΓMm .<br />
2 r<br />
45
Die potentielle Energie pro Masseneinheit (bzw. pro Ladungseinheit im elektrischen<br />
Falle vgl. Phys.AII) ist unabhängig von der Probemasse, man nennt sie das<br />
Potential<br />
Φ(⃗r) = V (⃗r)<br />
m<br />
unabhängig von der Probemasse.<br />
Das Gravitationspotential ist<br />
Φ(r) = −Γ M r<br />
[ m<br />
2<br />
s 2 ]<br />
unabhängig von m.<br />
Φ(r) beschreibt eine skalare Eigenschaft des eine Masse M umgebenden Raumes.<br />
Die Gravitationskraft ist damit durch das Potential ausgedrückt<br />
V(r)Coul. od.V(r)Gravit.<br />
F G = −m∇Φ(r) ⃗ = m⃗g. Die potentielle Energie ist mit<br />
r<br />
V (⃗r ◦ → ∞) = 0 immer negativ. Dagegen kann die potentielle Energie<br />
des Coulombfeldes sowohl positiv wie auch negativ sein, da elek-<br />
∝ - 1/r<br />
trische Kräfte sowohl abstossend wie auch anziehend sein können.<br />
Ein Sonderfall des Gravitationsfeldes ist das Schwerefeld der Erdoberfläche.<br />
x ✻<br />
⃗ V 3 Da die von der Schwerkraft m⃗g geleistete Arbeit<br />
F = m⃗g<br />
❄ W 1→2 = m⃗g · (⃗r 2 − ⃗r 1 ) ist, so wird die potentielle Energie<br />
V 2<br />
V (⃗r) = −m⃗g·⃗r = +mg x = V (x), wenn wir die x-Achse in Richtung<br />
V 1 =0 der Vertikalen nach oben und V (x = 0) = 0 wählen.<br />
Abschliessend ein Beispiel für eine nicht-konservative Kraft (vgl. die<br />
✻y<br />
✬✩ ✲ Strömungslehre): F ⃗ = ⃗iay −⃗jax mit | ⃗ √<br />
F | = a 2 (y 2 + x 2 ) = ar.<br />
✒<br />
✻✓✏ ✲<br />
✻ ❅❘ ✲ x<br />
❅■ ✒✑ ✛ ❄<br />
∂F x<br />
Da = +a und<br />
∂F y<br />
✫✪<br />
✛ ❄ ∂y ∂x = −a gilt, ist (⃗ ∇ × F) ⃗ z = −2a ≠ 0.<br />
✠<br />
Das Kraftfeld ⃗ F ist ein Wirbelfeld, es hat kein Potential und die<br />
Feldlinien sind geschlossen. Man überzeuge sich, dass das Feld ⃗ F =⃗iay +⃗jax ein wirbelfreies,<br />
konservatives Kraftfeld mit einem Potential und mit offenen Feldlinien (Hyperbeln)<br />
ist.<br />
4.4 Das Potential und das Feld einer homogenen Kugel<br />
In vielen Problemen z.B. in der Atom- oder Kernphysik ist es notwendig das Feld und das<br />
Potential einer homogenen Kugel zu kennen (z.B. Coulombpotential eines ausgedehnten<br />
Atomkernes). Diese Aufgabe kann mit dem Gaussschen Satz einfach gelöst werden. Es ist<br />
jedoch zum physikalischen Verständnis nützlich, sich diese Rechnung mit einer einfachen,<br />
geometrischen Überlegung für das Gravitationspotential Φ(r) einer homogen mit Masse<br />
verteilten Kugel, wie es näherungsweise für die Erde gültig ist, zu überlegen.<br />
46
2<br />
m 2<br />
→<br />
F 2<br />
m<br />
→<br />
F 1<br />
R s<br />
m<br />
sinϑ dϑ dϕ<br />
1<br />
r 1<br />
Im Innern einer homogen mit Masse belegten Kugelschale<br />
mit dem Radius R s ist die Gravitationskraft auf eine Probemasse<br />
m in jedem Punkt innerhalb der Kugelschale null.<br />
Um dies zu zeigen, genügt es, wie in der Figur angedeutet,<br />
zwei Massenelemente unter entgegengesetzten gleichen<br />
Raumwinkeln Ω 1 = Ω 2 = sinϑdϑ dϕ zu berücksichtigen<br />
sowie die Kräfte F ⃗ 1 und F ⃗ 2 zu berechnen. Für die Flächendichte<br />
der Kugelschale gilt ρ F = M<br />
4πRs<br />
2<br />
und für die Massenelemente m 1 und m 2 unter den zwei entgegengesetzten Raumwinkeln<br />
Ω 1 und Ω 2 gilt m 1 = ρ F Ω 1<br />
r 2 1<br />
cos α , m 2 = ρ F Ω 1<br />
r 2 2<br />
cos α .<br />
Die beiden Massenelemente haben den gleichen Neigungungswinkel α gegenüber dem<br />
infinitesimalen Raumwinkelelement. Die Kugeloberflächenelemente sind Ω 1 r 2 1 und Ω 2 r 2 2.<br />
Damit ist die Kraft auf die Probemasse m<br />
F 1 = Γ m m 1<br />
r 2 1<br />
= Γmρ F Ω 1 r1<br />
2 1<br />
r1 2 cosα = Γmρ 1<br />
FΩ 1<br />
cos α = −F 2<br />
unabhängig von r 1 und r 2 , d.h.überall innerhalb der Hohlkugel ist die Summe aller Kräfte<br />
der Flächenelemente über 2π summiert ∑ F i = 0 (Gaussscher Satz).<br />
★✥<br />
Eine homogen mit Masse verteilte Kugel kann für einen Punkt im Innern<br />
M i<br />
✲r m bei dem Radius r in eine innere Kugel mit der Masse M i mit Radius r<br />
❆<br />
M ✧✦<br />
a<br />
❆ und in eine äussere Kugelschale mit der Masse M a und den Radien r und<br />
R R aufgeteilt werden mit M = M i + M a . M a trägt nach obiger Rechnung<br />
❆❆ ❆❯ nicht zur Kraft im Innern ≤ r bei. Die Masse M i kann nach dem Schwerpunktsatz<br />
Gl. (12) im Schwerpunkt konzentriert angenommen werden 44 ,<br />
1<br />
damit ist F(r) = ΓmM i<br />
r = Γm M 4<br />
2 4 · 3 πr3 = Γ Mmr für r ≤ R<br />
3 πR3 r 2 R 3<br />
F(r) = Γ Mm<br />
r 2 für r ≥ R<br />
Das Gravitationspotential ist dann mit der Wahl Φ(r → ∞) = 0 : Φ(r) = −<br />
Φ(r) = −Γ M R 3 ⎡<br />
∫R<br />
⎣<br />
r<br />
∫∞<br />
r dr + R 3<br />
Φ(r) = −ΓM<br />
R<br />
⎤<br />
dr<br />
⎦ = −Γ M [ 3<br />
r 2 R 2 − 1 ( ] r 2<br />
, für r ≤ R<br />
2 R)<br />
∫∞<br />
r<br />
dr<br />
r 2 = −ΓM r<br />
; für r ≥ R.<br />
∫∞<br />
r<br />
F<br />
m dr ⇒<br />
44 wobei nur für eine kugelsymmetrische Massenverteilung der Schwerpunkt für alle r bei r = 0 liegt<br />
47
Φ(r)<br />
−Γ R<br />
M<br />
R<br />
∝ r 2 - 1/r<br />
r<br />
F(r)<br />
r<br />
R<br />
1/r 2<br />
r<br />
Bei r = R sind beide<br />
Funktionen auch<br />
in den Ableitungen<br />
stetig. Die potentielle<br />
Energie einer Probemasse<br />
m ist<br />
V (r) = mΦ(r).<br />
4.5 Der Fluss des Gravitationsfeldes<br />
Das Newtonsche Gravitationsgesetz wie auch das Coulomb-Gesetz gelten eigentlich nur<br />
für punktförmige Massen bzw. Ladungen. Wie aber schon auf Seite 18 und 21 vermerkt<br />
wurde, lässt sich die Gültigkeit auch auf kugelsymmetrisch verteilte Massen (bzw. Ladungen)<br />
ausdehnen. Diesen Beweis wollen wir jetzt nachholen. Er beruht entscheidend auf<br />
der 1 -Abhängigkeit der Kräfte.<br />
r 2<br />
Wir bedienen uns eines neuen Begriffes und definieren 45 : den Fluss Φ der Gravitations-<br />
Feldstärke ⃗g(⃗r) = G(⃗r)/m ⃗ eines Massenpunktes m i durch eine zu m i konzentrische Kugel<br />
B mit dem Kugeloberflächenintegral<br />
B★✥<br />
m i ⃗g<br />
✛<br />
r✂<br />
dA<br />
✧✦ ✂<br />
dA →<br />
B<br />
→<br />
r<br />
→<br />
r o<br />
α<br />
g n<br />
g →<br />
m i<br />
A<br />
∮ ∮<br />
.<br />
Φ B = g n dA = ⃗g · dA<br />
⃗<br />
B<br />
B<br />
[ m<br />
3<br />
s 2 ]<br />
.<br />
g n ist die auf dem Flächenelement senkrecht stehende Komponente<br />
der Feldstärke.<br />
Aus Symmetriegründen (Kugel) folgt dann<br />
∮<br />
Φ B = g<br />
dA = −Γ m i<br />
r 2 4πr2 = −4π Γm i unabhängig von r.<br />
Nun berechnen wir den Fluss Φ A durch eine beliebige, aber geschlossene<br />
Fläche A, welche m i umschliesst. Es gilt:<br />
∮<br />
Φ A = ⃗g · dA ⃗ ∮ ∮<br />
= g n dA = g cos α dA.<br />
A<br />
A<br />
Es ist dA cos α = dA ′ , wobei der Ortsvektor r, der von m i zum Element<br />
dA führt, senkrecht auf dem Flächenelement dA ′ steht (bzw.<br />
der Flächenvektor d ⃗ A steht parallel zum Ortsvektor ⃗r).<br />
★✥<br />
m<br />
i✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘✘ ✘<br />
dA ′<br />
Da = r2<br />
,<br />
r ◦ ❳ ❳❳❳ dA ′<br />
dA ◦ r◦<br />
2<br />
✂<br />
✧✦ ✂<br />
❳<br />
dA ❳❳ wobei r<br />
◦ ❳ ◦ der Radius einer zu m i konzentrischen Kugel ist, so<br />
folgt<br />
∮ ∮<br />
Φ A = g dA ′ r 2 ∮<br />
= g dA ◦ = −Γm i<br />
r 2 ◦<br />
B<br />
r 2 dA ◦<br />
r 2 r 2 ◦<br />
= − Γm i<br />
r 2 ◦<br />
∮<br />
B<br />
A<br />
dA ◦ = −4π Γm i = Φ B .<br />
45 In diesem Kapitel ist der Fluss Φ [ m3<br />
s ] zur Unterscheidung vom mechanischen Potential Φ [ m2<br />
2 s ] kursiv 2<br />
geschrieben.<br />
48
m i<br />
negat. Fluss<br />
m<br />
A<br />
pos. Fluss<br />
Der Feldfluss ist also derselbe für eine zu m i konzentrische<br />
Kugel oder eine beliebige Fläche, er hängt nur von der eingeschlossenen<br />
Masse m i ab. Die gleiche Überlegung führt<br />
zum Schluss, dass der Fluss durch eine beliebige geschlossene<br />
Fläche, welche die Masse m i nicht enthält, verschwindet.<br />
Da der Fluss nur von allen eingeschlossenen Massen<br />
m = ∑ m i abhängt, erhalten wir die Beziehung:<br />
∮<br />
Φ A = ⃗g · dA ⃗ ∮<br />
= g n dA = −4π Γm (32)<br />
A<br />
A<br />
Der Fluss der Gravitationsfeldstärke durch eine<br />
geschlossene Fläche A hängt nur von der eingeschlossenen<br />
Masse m ab, die beliebig innerhalb<br />
der Fläche A angeordnet sein darf.<br />
★✥<br />
✎☞<br />
♣<br />
✍✌<br />
r<br />
✧✦<br />
m1<br />
A<br />
Jetzt wählen wir für m eine kugelsymmetrische Masse m 1 und für A<br />
eine zu m 1 konzentrische Kugel mit dem Radius r:<br />
∮<br />
Φ A = g n dA = −4π Γm 1 .<br />
A<br />
Also gilt:<br />
Aus Symmetriegründen muss g n auf der Kugeloberfläche konstant sein.<br />
Φ A = g n<br />
∫<br />
dA = g n 4π r 2 = −4π Γm 1 . Daraus folgt g n = −Γ m 1<br />
r 2<br />
und damit das Gravitationsgesetz für kugelsymmetrische Massen.<br />
Die Fluss-Regel Gl. (32) ist ein Sonderfall des für jeden Vektor gültigen Satzes von<br />
Gauss der Vektoranalysis. Sie gilt auch für das elektrische Feld (Phys.AII).<br />
4.6 Der Energieerhaltungssatz der <strong>Mechanik</strong><br />
Für konservative Kraftfelder ⃗ F gilt ein Energieerhaltungssatz, der direkt aus dem Energiesatz<br />
der <strong>Mechanik</strong> Gl. (28) folgt, indem wir die von der Kraft ⃗ F geleistete Arbeit der<br />
Änderung der potentiellen Energie gleichsetzen:<br />
T 2 − T 1 = W 1→2 =<br />
∫2<br />
1<br />
⃗F · d⃗r = V 1 − V 2 . Also gilt T 1 + V 1 = T 2 + V 2 .<br />
Da die Punkte 1 und 2 ganz beliebig gewählt werden können, gilt diese Gleichung für alle<br />
Punkte des Feldes. Man nennt deshalb E tot = T + V die totale mechanische Energie<br />
des Massenpunktes im konservativen Kraftfeld. Es gilt also<br />
E tot = T + V = konst der Energieerhaltungssatz 46 . (33)<br />
46 Die Bezeichnung konservativ für ein Kraftfeld bezieht sich auf den Energieerhaltungssatz.<br />
49
In einem konservativen Kraftfeld bleibt die gesamte mechanische Energie,<br />
d.h. die Summe von potentieller und kinetischer Energie erhalten.<br />
In differentieller Form lautet der Erhaltungssatz dE tot = dT + dV = 0<br />
Der Energieerhaltungssatz gilt auch dann noch, wenn bei einer Bewegung Führungskräfte<br />
vorkommen, die senkrecht zur Geschwindigkeit (also Normalkräfte) stehen und<br />
folglich keine Arbeit leisten. Treten dagegen Reibungskräfte auf, deren Arbeit ja vom<br />
Wege abhängt, so gilt der Erhaltungssatz in der obigen einfachen Form nicht mehr (z.B.<br />
wenn mechanische Energie irreversibel in Wärmeenergie umgewandelt wird).<br />
Ebenfalls kann der Energieerhaltungssatz in dieser einfachen Form nicht angewandt<br />
werden, wenn das Potential von der Zeit abhängt, wenn also V = V (x,y,z,t). Dann wird<br />
dV = ∂V ∂V ∂V ∂V<br />
dx + dy + dz +<br />
∂x ∂y ∂z ∂t dt = −⃗ F · d⃗r + ∂V ∂V<br />
dt = −dT +<br />
∂t ∂t dt<br />
oder dE = dV + dT = ∂V<br />
∂t dt ≠ 0 für eine nicht konservative Kraft.<br />
Der Erhaltungssatz stellt ein erstes Integral der Bewegungsgleichung dar, da er nicht<br />
mehr die Beschleunigung, sondern nur noch die Geschwindigkeiten enthält. Dagegen<br />
enthält er als skalare Gleichung keine Information über die Richtung einer Bewegung. In<br />
vielen Fällen lassen sich mechanische Probleme mit dem Energieerhaltungssatz einfacher<br />
als mit den Newtonschen Gleichungen lösen.<br />
Obgleich der Erhaltungssatz der mechanischen Energie aus den Newtonschen Prinzipien<br />
hergeleitet wurde, stellt er eine andere Betrachtungsweise physikalischer Prozesse<br />
dar, so dass er einem neuen Werkzeug gleichkommt. Insbesondere ist er ein Sonderfall des<br />
viel allgemeineren Erhaltungssatzes aller Energien, der unabhängig von den Newtonschen<br />
Prinzipien gilt (vgl. Kapitel 10).<br />
4.7 Beispiele zum Energieerhaltungssatz<br />
4.7.1 Freier Fall eines Massenpunktes im Vakuum<br />
✻x V (x)<br />
1m<br />
❄⃗v(x)<br />
0 V (0) = 0<br />
Setzt man V (x = 0) = 0, so ist die potentielle Energie V (x) = mg x<br />
und die Gesamtenergie<br />
E = T + V = m 2 v2 + mg x = m 2<br />
( ) 2<br />
dx<br />
+ mg x. (34)<br />
dt<br />
Da E konstant ist, wird es aus den Anfangsbedingungen x ◦ und v ◦ für<br />
den Zeitpunkt t = 0 bestimmt: E = m 2 v2 ◦ + mgx ◦ .<br />
√ dx<br />
2E<br />
∫<br />
Aus Gl. (34) folgt v =<br />
∣ dt ∣ = m − 2gx oder t =<br />
√ 2E<br />
m<br />
dx<br />
+ C.<br />
− 2gx.<br />
Mit der Substitution z = 2E/m − 2gx und dz = −2g dx erhält man für das Integral<br />
− 1 ∫ dz<br />
√ = − 1<br />
2g z 2g 2√ z = −<br />
g√ 1 √<br />
2E 2E<br />
m − 2gx. Also wird t = −1 g m<br />
− 2gx + C.<br />
50
Aus der Bedingung x(t = 0) = x ◦ ergibt sich für die Integrationskonstante C = ±v ◦ /g.<br />
Das Minuszeichen ist durch die Wahl von ⃗g zu ⃗v ◦ bestimmt.<br />
Somit lautet das Ergebnis x(t) = E mg − 1<br />
2g (gt ± v ◦) 2 oder E = mgx ◦ + 1 2 mv2 ◦<br />
mit + für den Wurf nach unten und − nach oben (vgl. Kap. 3.1).<br />
4.7.2 Weltraumflüge<br />
Die potentielle Energie einer Raumkapsel mit der Masse m im Gravitationsfeld der Erde<br />
(Masse M) ist nach Kapitel 4.3: V (r) = − ΓmM , wenn wir V (r = ∞) = 0 setzen.<br />
r<br />
Die konstante Gesamtenergie der Kapsel ist<br />
E = T ◦ +V ◦ = m 2 v2 ◦−Γ mM<br />
r ◦<br />
= T(r)+V (r),<br />
hierbei sind T ◦ = mv◦/2 2 die kinetische und V ◦ = −ΓmM/r E die potentielle Energie an<br />
der Erdoberfläche r ◦ = r E .<br />
Die Kapsel kann auf ihrem Raumfluge all diejenigen Punkte<br />
V(r)<br />
erreichen, die mit der Bedingung E = konst. verträglich<br />
r E r max<br />
sind. Ist E ≥ 0, so spricht man von ungebundener Bewegung,<br />
die Kapsel kann das Schwerefeld der Erde verlassen.<br />
r<br />
E<br />
Ist jedoch E < 0, so ist die Bewegung gebunden ; es ist<br />
T o<br />
1/r<br />
T ◦ < Γ mM<br />
r E<br />
.<br />
Wird die Kapsel radial nach aussen abgeschossen (eindimensionaler<br />
Fall), so kehrt sie am Punkt r max um, in dem<br />
T = 0 geworden ist, und fällt auf die Erde zurück.<br />
Damit (für E > 0) die Kapsel das Erdfeld verlassen kann, muss ihre Startgeschwindigkeit<br />
v ◦ grösser sein als die sogenannte Fluchtgeschwindigkeit v F , welche sich mit E = 0 und<br />
damit<br />
T ◦ = m v2 F<br />
2<br />
= Γ Mm<br />
√<br />
2ΓM √<br />
ergibt zu v F = = 2r E g = 11.2 km/s.<br />
r E r E<br />
V(r)<br />
r s<br />
m E =81⋅ m M<br />
Erde Mond<br />
r<br />
Um aus dem Sonnensystem entweichen zu können, muss<br />
statt der Masse der Erde die Masse der Sonne und der Planeten<br />
berücksichtigt werden. Für einen Flug zum Mond<br />
ist die minimale Startgeschwindigkeit etwas kleiner, da das<br />
Potentialmaximum durch das Gravitationsfeld des Mondes<br />
reduziert wird. Startet die Sonde allerdings exakt mit dieser<br />
minimalen kinetischen Energie, so kommt sie an der<br />
Stelle r s zum Stillstand. Da dort die Anziehung des Mondes<br />
gerade entgegengesetzt gleich zur Anziehung der Erde<br />
ist, ist die Sonde schwerelos und im labilen Gleichgewicht.<br />
Sie kann zum Mond, aber auch zurück zur Erde fallen.<br />
51
4.7.3 Die Todesschleife<br />
Ein Massenpunkt gleite, von einer schiefen Ebene kommend, längs der Innenseite eines<br />
vertikal gestellten Kreisringes. Wie hoch muss der Start gelegt werden, damit sicher kein<br />
Absprung erfolgt? Die Bewegung sei reibungsfrei. Die Bewegungsgleichung für die Normalund<br />
Tangentialbeschleunigung ist ma n = mρ ˙ϕ 2 = G n + N und<br />
❅ ❡ ✻<br />
❅<br />
h<br />
❄<br />
❅<br />
❅<br />
❅<br />
❅<br />
❅<br />
❅<br />
❅<br />
❅<br />
ma t = mρ¨ϕ = G t = −mg sin ϕ ⇒ ¨ϕ + g ρ sin ϕ = 0<br />
ein elliptisches Integral.<br />
Die Lösung ist einfacher mit dem Energieerhaltungssatz:<br />
Die Bedingung für die Kreisbahn am höchsten Punkt ist<br />
mv 2<br />
✛⃗v ✤✜ ✉❄ N<br />
ρ<br />
= N + mg<br />
❄ mg hierbei ist N > 0. Für N = 0 stürzt der Massenpunkt mit<br />
◗<br />
✣✢ ρ einer Wurfparabel ab bei der kritischen Geschwindigkeit<br />
v k = √ ρg (Vgl. Bild S.7 Parabel mit Schmiegekreis).<br />
Der Massenpunkt muss mindestens in einer solchen Höhe h k gestartet werden, dass v k<br />
erreicht wird. Wird aus der Ruhelage gestartet, so gilt nach dem Energieerhaltungssatz 47<br />
V (h k ) = T k + V (2ρ) = mgh k = m 2 v2 k + 2mgρ, v 2 k = 2gh k − 4ρg, h k = 5 2 ρ.<br />
4.8 Der Impulserhaltungssatz<br />
4.8.1 Elastische Stösse<br />
Unter Stössen verstehen wir in der <strong>Physik</strong> die Wechselwirkung zwischen zwei Körpern<br />
während einer kurzen Zeit, wobei Impuls und Energie ausgetauscht werden. Ein Grossteil<br />
unserer Kenntnisse über Atome, Kerne und Elementarteilchen stammt aus Stossexperimenten<br />
(Streuexperimenten). Auch eine mikroskopische Untersuchung ist ein Streuexperiment<br />
mit Licht. Während des Stosses wirken für eine sehr kurze Zeit innere Kräfte, die wir<br />
meist nicht genau kennen. Mit den Erhaltungssätzen von Impuls und Energie, die beide<br />
nicht eine Kenntnis der inneren Kräfte verlangen, können wir jedoch etliche Ergebnisse<br />
voraussagen. Dazu ist jeweils das System zweckmässig zu definieren.<br />
Wir betrachten z.B. zwei Massenpunkte m ⃗F 1 und m 2 , auf die keine<br />
21 ❅■ ✓✏<br />
❅ m1 äusseren Kräfte wirken. Die Impulse ⃗p 1 und ⃗p 2 sind konstant, sofern<br />
sich die Punkte unabhängig voneinander bewegen. Stossen sie<br />
❅✤✜<br />
✒✑ <br />
m<br />
❅ 2 ❅ zusammen, so wirken während des Stosses innere Kräfte F<br />
✣✢ ❅❘ F12 ⃗ ⃗ 12 und<br />
⃗F 21 , die die Einzelimpulse verändern.<br />
Der Gesamtimpuls aber bleibt erhalten. Dies ist der Impulserhaltungssatz [Gl. (13)]:<br />
In einem abgeschlossenen System, auf das keine äusseren Kräfte wirken,<br />
⃗Fäussere = d⃗p<br />
dt = 0,<br />
bleibt der Gesamtimpuls unabhängig von inneren Kräften erhalten<br />
⃗p = konstant.<br />
47 Die Rotationsenergie von Rädern eines Fahrzeuges oder die einer Kugel sind hier nicht berücksichtigt.<br />
52
Die Änderung eines Einzelimpulses, z.B. ∆⃗p 1 = ⃗p ′ 1 − ⃗p 1 (mit ⃗p vor und ⃗p ′ nach<br />
dem Stoss), hängt ab von der Stärke und der Richtung der inneren Kraft F ⃗ 21 sowie der<br />
Stossdauer τ. Ist z.B. die Richtung von F ⃗ 21 konstant und der Betrag aus nebenstehender<br />
Darstellung ersichtlich, so folgt aus dem Aktionsprinzip<br />
✻ F 21<br />
★ ✥<br />
¯F<br />
¯Fτ ✲ t<br />
t 1 t 1 + τ<br />
∆⃗p 1 = ⃗p ′ 1 − ⃗p 1 =<br />
t∫<br />
1 +τ<br />
t 1<br />
⃗ F21 dt, |∆⃗p 1 | = ¯Fτ.<br />
¯Fτ nennt man den Kraftstoss (Dimension: Kraft·Zeit). ¯F<br />
ist eine mittlere Kraft, die während der Stossdauer τ wirkt.<br />
Wir unterscheiden nun zwei Typen von Stössen. Beim elastischen Stoss bleibt die totale<br />
mechanische Energie erhalten, beim inelastischen Stoss (mit z.B. Deformation oder Anregung)<br />
ist das nicht der Fall. Die elastischen Stösse werden jetzt ausführlicher behandelt.<br />
Für den vollkommen elastischen Stoss zweier Kugeln, auf die keine äusseren Kräfte<br />
wirken (d.h. V = konst), gelten die Beziehungen:<br />
✗✔ a) Impulserhaltungssatz: ⃗p 1 + ⃗p 2 = ⃗p ′<br />
⃗p2<br />
✲✎☞ ✂ ✂✍ 1 + ⃗p ′ 2<br />
⃗p 1<br />
b) Energieerhaltungssatz: T 1 + T 2 = T ′ 1 + T ′ 2, dabei ist<br />
✖✕✂<br />
✍✌<br />
T i = m ivi<br />
2 = (m iv i ) 2<br />
= p2 i p 2 1<br />
, also + p2 2<br />
= p′ 2<br />
1<br />
2 2m i 2m i 2m 1 2m 2<br />
✎☞ ✏ ✏✶ ⃗p 1<br />
′<br />
✍✌<br />
✗✔<br />
⃗p 2<br />
′<br />
✒<br />
✖✕<br />
+ p′ 2<br />
2<br />
.<br />
2m 1 2m 2<br />
c) ⃗p 1 −⃗p ′ 1 = −⃗p 2 +⃗p ′ 2 = ∆⃗p 1 = −∆⃗p 2 , beide Impulsänderungen haben<br />
die Richtung der Stosszentralen, also der Wirkungslinie der Kraft F 12 .<br />
Bezüglich der gegenseitigen Orientierung von ⃗p 1 und ⃗p 2 lassen<br />
sich gerader und nicht-gerader Stoss unterscheiden. Wir werden<br />
von den geraden Stössen den eindimensionalen Sonder-<br />
nicht-gerade<br />
fall des geraden-zentralen Stosses weiterverfolgen (vgl. auch<br />
❅■ ⃗p<br />
★✥<br />
2<br />
Kap. 8.6). Impuls- und Energie-Erhaltungssatz vereinfachen<br />
⃗p 1 ❅<br />
✗✔<br />
✒ ❅ sich dann zu<br />
✧✦<br />
✖✕<br />
p 1 + p 2 = p ′ 1 + p ′ 2 → p 1 − p ′ 1 = p ′ 2 − p 2 (35)<br />
p 2 1 − p ′2<br />
1<br />
gerade, nicht-zentral<br />
= p′2 2 − p 2 2<br />
. (36)<br />
2m 1 2m 2<br />
★✥<br />
⃗p Dividiert man Gleichung (35) durch (36), so ergibt sich<br />
✗✔ ✛ 2<br />
✲<br />
✧✦ p 1 + p ′ 1<br />
✖✕⃗p 1 = p′ 2 + p 2<br />
, und mit Gl. (35) ist<br />
2m 1 2m 2<br />
p 1 + p ′ 1<br />
= p 1 − p ′ 1 + p 2 + p 2<br />
= p 1 − p ′ 1 + 2p 2<br />
, also<br />
gerade, zentral<br />
2m 1 2m 2 2m 2<br />
★✥<br />
✗✔<br />
✲ ✛<br />
✖✕⃗p 1 ⃗p 2 ✧✦p ′ 1 = p 1(m 1 − m 2 ) + 2m 1 p 2<br />
, p ′ 2 = p 2(m 2 − m 1 ) + 2m 2 p 1<br />
.<br />
m 1 + m 2 m 1 + m 2<br />
53
Die Formeln sind symmetrisch in den Indizes 1 und 2.<br />
✗✔ ✗✔<br />
Spezialfälle:<br />
✲<br />
✖✕⃗p 1 ⃗p 2 = 0 ✖✕(i) Ist speziell m 1 = m 2 , so folgt p ′ 1 = p 2 , p ′ 2 = p 1 ,<br />
die Impulse werden vertauscht. Für den Sonderfall 48 p 2 = 0<br />
erhalten wir p ′ ✗✔ ✗✔<br />
1 = 0, p ′ 2 = p 1 .<br />
✲ ✛ Die stossende Kugel bleibt stehen, die gestossene fliegt weg.<br />
✖✕⃗p 1 −⃗p 1 ✖✕Im Falle p 1 = −p 2 wird p ′ 1 = −p 1 und p ′ 2 = p 1 . Die Kugeln<br />
kehren um.<br />
(ii) Ist m 1 ≪ m 2 , so gilt näherungsweise<br />
★✥<br />
✎☞<br />
✲<br />
✍✌<br />
p ′ 1 ≈ −m 2p 1 + 2m 1 p 2<br />
= −p 1 + 2m 1<br />
p 2 , p ′ 2 ≈ p 2 + 2p 1 .<br />
⃗p 1<br />
m<br />
✧✦<br />
2 m 2<br />
★✥⃗p 2 = 0<br />
✎☞ Beispiel: p 1 = p; p 2 = 0; p ′ 1 = −p; p ′ 2 = 2p.<br />
✲<br />
Die stossende Kugel prallt ab. Wird z.B. eine Kugel an einer<br />
Wand (m 2 ≃ ∞) reflektiert, so nimmt die Wand keine<br />
✍✌<br />
✧✦⃗p 1 ⃗p 2 = 0<br />
kinetische Energie sondern nur Impuls mit v ≈ 0 auf.<br />
Ist m 1 ≫ m 2 , so gilt näherungsweise p ′ 1 ≈ p 1 + 2p 2<br />
p ′ 2 ≈ −p 2m 1 + 2m 2 p 1<br />
m 1<br />
= −p 2 + 2m 2<br />
m 1<br />
p 1 .<br />
Beispiel: p 1 = p; p 2 = 0; p ′ 1 = p; p ′ 2 = 2m 2<br />
m 1<br />
p.<br />
m<br />
❆1<br />
❆<br />
❆ ❆❯ p1<br />
❆<br />
❆<br />
α❆<br />
✁<br />
✁β<br />
❆✁<br />
p ′ ✁ 1<br />
✁1m<br />
✁✕<br />
✁<br />
Die stossende Kugel stösst durch.<br />
(iii) Für den nicht-garaden elastischen Stoss einer Kugel gegen<br />
eine Wand, bei der die stossende (kleine) Kugel reflektiert<br />
wird, gilt:<br />
Wenn der Stoss elastisch sein soll, dürfen keine tangentialen<br />
Reibungskräfte auftreten. Die Impulserhaltung parallel zur<br />
Wand verlangt also p 1 cos α = p ′ 1 cos β.<br />
Die Erhaltung der Energie bedeutet p2 1<br />
= p′2 1<br />
2m<br />
Damit gilt das Reflexionsgesetz: p 1 = p ′ 1, α = β. Treten beim Stoss Reibungskräfte<br />
auf, wird zusätzlich Drehimpuls übertragen (Tennis, Experimente mit dem Superball).<br />
2m .<br />
4.8.2 Inelastischer Stoss: Das ballistische Pendel<br />
Makroskopische Körper führen eigentlich immer inelastische Stösse aus. Stösse zwischen<br />
atomaren und subatomaren <strong>Teil</strong>chen sind die einzigen, die rein elastisch sein<br />
können. Nur hier können die Kräfte (z.B. Zentralkräfte) wirklich konservativ sein, so<br />
dass ein Potential definiert werden kann und der Energieerhaltungssatz der <strong>Mechanik</strong><br />
gilt. Wir besprechen nun inelastische Stösse am Beispiel des ballistischen Pendels: Eine<br />
Kugel mit der Masse m trifft auf ein ruhendes Pendel der Masse M und bleibt in<br />
ihm stecken. Gesucht ist die Geschwindigkeit v ◦ der Kugel bei bekannter Auslenkung<br />
des Pendels. Während des Stosses ist der Energieerhaltungssatz sicher ungültig, denn<br />
48 Dieser Sonderfall kann beim 2-Körper-Stossproblem als Trick angewendet werden: Man wählt ein<br />
Inertialsystem mit ⃗v 1 , dann ist m 1 in Ruhe und ⃗v ′ 2 = ⃗v 2 + ⃗v 1 . Die Streuebene ist gegeben durch ⃗v ′ 2 und<br />
die Wirkungslinie.<br />
54
1<br />
m<br />
1<br />
M+m<br />
v ◦ ✲<br />
✲<br />
p1<br />
M<br />
✲ v ′ 1 = v ′ 2 = v ′<br />
✲ p ′<br />
Kugel und Pendelmasse werden bleibend verformt. Diese plastischen<br />
Deformationen können nicht rückgängig gemacht<br />
werden. Dagegen gilt während des Stosses der Impulssatz, da<br />
in horizontaler Richtung keine äusseren Kräfte auf das System<br />
Kugel + Pendel wirken.<br />
Wir haben also m v ◦ = (m + M)v ′ . (37)<br />
Dies ist bereits das allgemeine Resultat für vollkommen inelastische Stösse zweier Körper.<br />
Zuück zur etwas komplizierteren Pendelaufgabe: Für die nach dem Stoss einsetzende Pendelbewegung<br />
gilt der Energieerhaltungssatz, da nur die konservative Schwerkraft Arbeit<br />
leistet. Jedoch bleibt jetzt der Impuls nicht mehr erhalten, die äussere Schwerkraft wirkt.<br />
❆<br />
❆<br />
Somit gilt:<br />
m + M<br />
v ′2 = (m+M)gh = (m+M)gl (1 −cosϕ ◦ )<br />
2<br />
ϕ ❆ ◦ ❆ ❆<br />
M+m<br />
✛<br />
x◦<br />
l<br />
❆<br />
❆<br />
❆<br />
❆<br />
❆<br />
✟ ✟ ❆ ❆<br />
✟ ✟<br />
✲<br />
✻❄h<br />
Aus Gl.(37) folgt<br />
= (m + M)gl 2 sin 2 ϕ ◦<br />
2 .<br />
v ◦ = m + M<br />
m<br />
= 2 sin ϕ ◦<br />
2 (1 + M m ) √<br />
gl.<br />
v′ = m + M √<br />
4gl sin 2 ϕ ◦<br />
m 2<br />
Statt des Winkels ϕ ◦ ist es zweckmässiger, den horizontalen Ausschlag x ◦ = l sin ϕ ◦<br />
zu messen. Beschränkt man sich auf ϕ ◦ ≪ 1, so ist<br />
x ◦ ≃ l 2 sin ϕ ◦<br />
2<br />
und somit v ◦ ≃ x ◦ (1 + M m ) √ g<br />
l .<br />
55
5 Der Drehimpulssatz für ein System von Massenpunkten<br />
Neben dem Schwerpunktssatz lässt sich noch ein weiteres fundamentales Gesetz der <strong>Mechanik</strong><br />
zur Beschreibung der Bewegung eines Systems von Massenpunkten herleiten, der<br />
Drehimpuls- oder Drallsatz. Er wird seine Nützlichkeit in solchen physikalischen Problemen<br />
erweisen, in denen ein Punkt des Raumes vor anderen ausgezeichnet ist.<br />
Wir müssen zunächst zwei neue Begriffe einführen. Wenn ein Massenpunkt m mit<br />
Impuls ⃗p durch den Ortsvektor ⃗r beschrieben wird und auf<br />
→<br />
p<br />
m eine Kraft F ⃗ wirkt, so definieren wir in einem Bezugssystem<br />
als<br />
α<br />
→<br />
m<br />
L<br />
→ o<br />
→ Drehimpuls: ⃗ . L◦ = ⃗r × ⃗p auch Drall genannt (38)<br />
p . . r<br />
Drehmoment: M◦ ⃗ . = ⃗r × F. ⃗ (39)<br />
⃗r, ⃗p und ⃗ L ◦ wie auch ⃗r, ⃗ F und ⃗ M ◦ bilden je ein Rechtssystem.<br />
Die Beträge von L ◦ und M ◦ werden durch<br />
m<br />
L<br />
→<br />
◦ = r · p · sin α, α = ̸ (⃗r, ⃗p)<br />
→ r<br />
M o<br />
. .<br />
→<br />
und M ◦ = r · F · sin β, β = ̸ (⃗r, F) ⃗<br />
β F<br />
festgelegt. Der Index ◦ soll andeuten, dass diese Grössen<br />
bezüglich eines gemeinsamen Bezugspunktes ◦ definiert<br />
werden. M◦ ⃗ und L ⃗ ◦ sind axiale Vektoren.<br />
Der Drehimpulssatz formuliert den Zusammenhang zwischen M ⃗ und der zeitlichen<br />
Änderung von L. ⃗ Zur Herleitung dieses Satzes gehen wir von den gleichen Voraussetzungen<br />
aus wie im Kapitel 2.3 Seite 15. Wir denken uns jede der dort aufgestellten N<br />
Bewegungsgleichungen der N Massenpunkte mit dem entsprechenden Ortsvektor ⃗r i des<br />
Massenpunktes vektoriell multipliziert. Wir erhalten:<br />
m i ✉<br />
✁ ✁✕ ❅ ⃗G ki ⃗r 1 × F<br />
❅❅■<br />
⃗ 1 + ⃗r 1 × G ⃗ 21 + ⃗r 1 × G ⃗ 31 + ... + ⃗r 1 × G ⃗ N 1 = ⃗r 1 × d⃗p 1<br />
❅ dt<br />
✁ ❅❘<br />
❅<br />
✁<br />
❅<br />
✁ ⃗r ❅■ G ⃗ ik ⃗r 2 × F ⃗ 2 + ⃗r 2 × G ⃗ 12 + ⃗r 2 × G ⃗ 32 + ... + ⃗r 2 × G ⃗ N 2 = ⃗r 2 × d⃗p 2<br />
ki<br />
⃗r ❅<br />
dt<br />
i ✁<br />
✘ ✘✘✘ ✘✘✿ ✉<br />
✁ ✁ ❅<br />
...<br />
m k<br />
❝✘ ✁ ✘✘✘✘ ⃗r k ⃗r N × F ⃗ N +⃗r N × G ⃗ 1 N +⃗r N × G ⃗ 2 N +...+⃗r N × G ⃗ N−1 N = ⃗r N × d⃗p N<br />
dt .<br />
Addieren wir diese Gleichungen, so treten paarweise Terme der folgenden Form auf<br />
⃗r k × ⃗ G ik und ⃗r i × ⃗ G ki . Da aber gilt ⃗r i = ⃗r k +⃗r ki und nach dem Reaktionsprinzip ⃗ G ik = − ⃗ G ki ,<br />
so folgt ⃗r i × ⃗ G ki = (⃗r k +⃗r ki )× ⃗ G ki = ⃗r k × ⃗ G ki +⃗r ki × ⃗ G ki = −⃗r k × ⃗ G ik mit ⃗r ki × ⃗ G ki = 0<br />
In der obigen Summe heben sich also sämtliche Terme mit den inneren Kräften auf.<br />
Wie beim Schwerpunktssatz beruht dieses Ergebnis auf der Gültigkeit des Reaktionsprinzips.<br />
Zur Behandlung der Terme der rechten Seite nehmen wir noch an, dass die ⃗ G ik<br />
Zentralkräfte sind (siehe Seite 18), also in Richtung des Vektors ⃗r ki zeigen.<br />
Bilden wir<br />
d<br />
dt (⃗r i × ⃗p i ) = d⃗r i<br />
dt × ⃗p i + ⃗r i × d⃗p i<br />
dt = ⃗r i × d⃗p i<br />
dt ,<br />
56
so verschwindet rechts der 1. Term, da ⃗v i ‖⃗p i und somit, ⃗v i × ⃗p i = 0, und wir erhalten aus<br />
der Summation des obigen Gleichungssystems auf der rechten Seite<br />
N∑<br />
i=1<br />
r i × d⃗p i<br />
dt = ∑ i<br />
d<br />
dt (⃗r i × ⃗p i ) = d dt<br />
∑<br />
⃗r i × ⃗p i = d ∑<br />
L ◦i<br />
i<br />
dt<br />
i<br />
und auf der linken Seite<br />
N∑<br />
i=1⃗r i × ⃗ F i = ∑ i<br />
⃗M ◦i . Setzt man<br />
∑<br />
⃗L ◦i = L ⃗ ◦ ,<br />
i<br />
∑<br />
i<br />
⃗M ◦i = ⃗ M ◦<br />
und nennt ⃗ L ◦ den totalen Drehimpuls des Systems der N Massenpunkte bezüglich ◦, und<br />
⃗M ◦ das totale Drehmoment der äusseren Kräfte bezüglich ◦, so gilt<br />
d ⃗ L ◦<br />
dt<br />
= ⃗ M ◦ der Drehimpulssatz (Drallsatz). (40)<br />
Das totale Drehmoment der äusseren Kräfte in bezug auf einen<br />
raumfesten Bezugspunkt ◦ ist gleich der zeitlichen Ableitung<br />
des totalen Drehimpulses bezüglich des gleichen Punktes.<br />
Natürlich gilt unsere Herleitung des Drehimpulssatzes auch für einen einzelnen Massenpunkt<br />
(N = 1), L ⃗ ◦ steht dann für den Drehimpuls dieses Massenpunktes und M ⃗ ◦ ist<br />
das auf ihn wirkende Drehmoment. Auch in diesem Falle müssen L ⃗ ◦ und M ⃗ ◦ auf den<br />
gleichen Punkt ◦ bezogen werden, da ja beide Grössen den Ortsvektor enthalten, der erst<br />
definiert ist, wenn ein Bezugspunkt ◦ festgelegt ist.<br />
Allgemein für ein System von Massenpunkten formulieren wir den<br />
Drehimpulserhaltungssatz<br />
⃗L ◦ = konst, wenn<br />
∑<br />
i<br />
⃗M ◦i = 0 oder ⃗ L<br />
Anfang<br />
◦ = ⃗ L Ende<br />
◦ (41)<br />
Der Drehimpuls eines Systems von Massenpunkten bleibt erhalten,<br />
wenn die Summe der äusseren Drehmomente verschwindet.<br />
Insbesondere bleibt der Drehimpuls eines isolierten Systems erhalten.<br />
Der Drehimpuls bleibt bei einer Reaktion erhalten.<br />
Es ist zu beachten, dass dieser Erhaltungssatz nicht allein aus den Newtonschen Prinzipien<br />
folgt, da wir ja annehmen mussten, dass die inneren Kräfte Zentralkräfte sind. Wenn<br />
diese Annahme auch naheliegend ist, so wird sie doch nicht explizit im Reaktionsprinzip<br />
verlangt.<br />
Der Drallsatz ist das Analogon zum Newtonschen Gesetz (aus F ⃗ = d⃗p abgeleitet)<br />
dt<br />
für Drehbewegungen. Der Drehimpuls steht für den Impuls und das Drehmoment für die<br />
Kraft. L ⃗ steht senkrecht zu ⃗r und ⃗p, M ⃗ senkrecht zu ⃗r und F. ⃗ L ⃗ und M ⃗ sind Axialvektoren<br />
(Pseudovektoren), sie beinhalten einen Drehsinn. Da L ⃗ und M ⃗ den Ortsvektor<br />
enthalten, muss für ihre Festlegung immer ein Bezugspunkt ◦ gewählt werden.<br />
57
6 Bewegungen im Zentralfeld<br />
Zentralfelder haben wir schon mehrfach kennengelernt, u.a. in Kapitel 4.3. Wir wollen<br />
jetzt einige allgemeine Eigenschaften der Bewegung eines Massenpunktes unter dem Einfluss<br />
einer Zentralkraft untersuchen. Danach soll der spezielle Fall der Planetenbewegung<br />
behandelt werden, der historisch eines der Hauptprobleme der <strong>Mechanik</strong> und speziell der<br />
Himmelsmechanik war. Zentralbewegungen spielen jedoch in vielen Zweigen der <strong>Physik</strong><br />
eine Rolle, so z.B. bei Streuprozessen atomarer oder subatomarer <strong>Teil</strong>chen.<br />
6.1 Reduktion des Zwei-Körper- auf ein Ein-Körper-Problem<br />
Zentralfelder (siehe Kapitel 4.3) und das Zentralkraftproblem mit zwei Körpern ist eines<br />
der wichtigen Probleme der <strong>Physik</strong>, wie z.B. in der Himmelsmechanik das Problem Erde -<br />
Sonne, in der Atomphysik das klassische Atommodell mit zwei endlichen Massen oder in<br />
der Quantenmechanik Streuprozesse atomarer <strong>Teil</strong>chen oder Elementarteilchen. Es wird<br />
angenommen, dass die zwei Massenpunkte in gegenseitiger Wechselwirkung aufeinander<br />
Zentralkräfte ausüben (z.B. Gravitations- oder Coulombkräfte), die nur von den Relativkoordinaten<br />
⃗r = ⃗r 2 −⃗r 1 oder auch von deren zeitlichen Ableitungen ˙⃗r 2 , ˙⃗r1 abhängen. Die<br />
kinetischen Energien und die Bewegungsgleichungen der beiden Massen sind<br />
E kin<br />
1 = 1 2 m 1˙⃗r 2 1 und ⃗ F21 = +f(r)⃗r = m 1¨⃗r1 (42)<br />
E kin<br />
2 = 1 2 m 2˙⃗r 2 2 und ⃗ F12 = −f(r)⃗r = m 2¨⃗r2 (43)<br />
Die Kraft ist anziehend, wenn f(r) > 0 ist und abstossend,<br />
wenn f(r) < 0 gilt. Die Kraft kann durch ein Potential,<br />
das nur von den Relativkoordinaten ⃗r = ⃗r 2 − ⃗r 1 abhängt<br />
dargestellt werden ( Gl. (31) ⃗ F = −∇V od. Kap. 10) mit:<br />
∂V (⃗r)<br />
∂⃗r 1<br />
=<br />
∂V (⃗r) ∂(⃗r 2 − ⃗r 1 )<br />
= −<br />
∂(⃗r 2 − ⃗r 1 ) ∂⃗r 1<br />
∂V (⃗r)<br />
∂(⃗r 2 − ⃗r 1 ) , ∂V (⃗r)<br />
=<br />
∂⃗r 2<br />
✻y<br />
❍<br />
m 1 ✇ ❍❍❍❍❍❍<br />
✁ ✁✕ ❍❍❨ ⃗r<br />
❍ ❣ S<br />
⃗r ′ 1<br />
✁ ✒ ❍ ❍❍❥ ❍❥<br />
⃗r ′ 2 ✇<br />
⃗r ✁ ✟✯ m 2<br />
1<br />
✁ ✁ ⃗R<br />
✁ ⃗r 2<br />
✁<br />
✁<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟✟✟✟✟ x ✲<br />
∂V (⃗r) ∂(⃗r 2 − ⃗r 1 )<br />
=<br />
∂(⃗r 2 − ⃗r 1 ) ∂⃗r 2<br />
∂V (⃗r)<br />
∂(⃗r 2 − ⃗r 1 )<br />
ist ⃗ F 12 = −<br />
∂V (⃗r)<br />
, ⃗<br />
∂V (⃗r)<br />
F21 = −<br />
∂⃗r 1 ∂⃗r 2<br />
und ⃗ F 12 = − ⃗ F 21 actio=reactio Kap.2.2.4<br />
✉ ⃗F 12<br />
m 1<br />
m 2<br />
F21 ⃗ ✐ ✉<br />
Das System hat f = 6 Freiheitsgrade, z.B. 3 Komponenten für die Koordinate<br />
⃗R = (m 1 ⃗r 1 + m 2 ⃗r 2 )/(m 1 + m 2 ) des Schwerpunktes S und 3 Komponenten für die Relativkoordinate<br />
⃗r = ⃗r 2 −⃗r 1 . Die kinetische Energie und die Kräfte können nun nur mit den<br />
Relativ- und Schwerpunktskoordinaten ⃗r und ⃗ R statt mit den Koordinaten ⃗r 1 , ⃗r 2<br />
ausgedrückt werden:<br />
m 2<br />
⃗r 1 = R−⃗r ⃗ ,<br />
m 1 + m 2<br />
(44)<br />
m 1<br />
⃗r 2 = R ⃗ + ⃗r (45)<br />
m 1 + m 2<br />
mit der Summe ⃗ F12 + ⃗ F 21 = 0 = m 1¨⃗r1 + m 2¨⃗r2 folgt 49 ⇒ M ¨⃗ R = ˙⃗p = 0 mit<br />
M = m 1 + m 2 Gesamtmasse und ⃗ R = m 1⃗r 1 + m 2 ⃗r 2<br />
M<br />
Schwerpunktskoordinate. Aus ˙⃗p = 0<br />
folgt für den Gesamtimpuls ⃗p = m 1˙⃗r1 + m 2˙⃗r2 = konst. Multiplikation der Gleichungen<br />
49 ⃗ R ist separiert, unabhängig von ⃗r.<br />
58
(42) und (43) mit m 2 bzw. m 1 sowie Subtraktion und ⃗ F 12 + ⃗ F 21 = 0 ergibt<br />
m 1 m 2 (¨⃗r 2 − ¨⃗r 1 )<br />
} {{ }<br />
¨⃗r<br />
= m 1F12 ⃗ − m 2F21 ⃗ = (m 1 + m 2 ) ⃗F 12 ⇒ m 1 · m 2<br />
} {{ } m 1 + m<br />
} {{ 2<br />
}<br />
M<br />
µ<br />
¨⃗r = ⃗ F(⃗r) = µ¨⃗r (46)<br />
Diese Gleichung hat die Form des Newtonschen Gesetzes mit der Relativkoordinate ⃗r der<br />
beiden Körper mit der reduzierten Masse µ = m 1 · m 2<br />
m 1 + m 2<br />
(47)<br />
des Systems. Die Lösung der Gleichung (46) beschreibt also das System in den Relativkoordinaten<br />
⃗r. Mit den Gleichungen (44) und (45) können sie in die ursprünglichen Koordinaten<br />
transformiert werden. Ist der Impuls des Schwerpunktes zeitlich konstant und<br />
bewegt sich gleichförmig, kann er für die weitere Behandlung weggelassen werden 50 und<br />
nur die von ⃗r abhängigen Terme der Bewegungsgleichung müssen gelöst werden. Natürlich<br />
muss dabei die spezielle Form von f(r) bekannt sein. Diese Separation der Schwerpunktsund<br />
Relativkoordinaten kann auch in der Quantenmechanik für die nichtrelativistische<br />
Schrödingergleichung exakt gelöst werden, nicht jedoch für die relativistische Dirac Gleichung.<br />
Mit der reduzierten Masse wird das Zweikörperproblem auf ein einfacheres Einkörperproblem<br />
zurückgeführt. Mehrkörperprobleme mit mehr als zwei Massen können nur noch<br />
iterativ näherungsweise mit z.B. S als Koordinatenursprung gelöst werden.<br />
6.2 Konstanz des Drehimpulses<br />
Mit der Gleichung (46) gilt<br />
µ d2 ⃗r<br />
dt 2 = ⃗ F(⃗r) = f(r) · ⃗r.<br />
Da die Zentralkraft ⃗ F = f(r)⃗r in Richtung des Ortsvektors weist ( ⃗ F ‖ ⃗r), übt sie kein<br />
Drehmoment auf den Massenpunkt aus:<br />
⃗ M◦ = d⃗ L ◦<br />
dt<br />
= ⃗r × ⃗ F = 0.<br />
Nach dem Drehimpulssatz folgt dann ohne äussere Kräfte ⃗ L ◦ = konst.<br />
Bei einer Zentralbewegung ist der Drehimpuls konstant.<br />
<br />
✡ ϕ ✉m ✲<br />
d<br />
✒ ⃗p =konst<br />
⃗r<br />
❝ <br />
Auch für eine gleichförmige Bewegung mit ⃗ F = 0 und ⃗ M ◦ = 0<br />
gilt<br />
d ⃗ L ◦<br />
dt<br />
= ⃗r × ⃗ F = 0 ⇒ ⃗ L ◦ = konst<br />
Impuls und Drehimpuls sind erhalten.<br />
Der Betrag ist | ⃗ L ◦ | = L ◦ = |⃗r × ⃗p| = r · mv · sin ϕ = d · m · v, er hängt von der Wahl des<br />
Bezugspunktes ◦ ab, liegt er auf der Bahn, ist d = 0 und damit ist ⃗ L ◦ = 0.<br />
⃗L ◦ ist also eine Konstante der Bewegung. Da ⃗ L ◦ nach Grösse und Richtung konstant<br />
sein muss, ergeben sich zwei Konsequenzen.<br />
50 Man wählt häufig als Anfangsbedingungen für die Schwerpunktskoordinate d ⃗ R/dt = 0 und ⃗ R = 0,<br />
d.h. ein Inertialsystem, in dem der Schwerpunkt ruht.<br />
59
⃗L ◦<br />
✻<br />
✏✶ ✉µ<br />
❝✏ ✏✏ ⃗r<br />
⃗r(t + dt)<br />
✄ ✄✗<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟✯ dA<br />
⃗ ✄ d⃗r<br />
✲✄<br />
⃗r(t)<br />
Da ⃗ L ◦ = µ(⃗r × ⃗v) = µ⃗r × d⃗r/dt und ⃗r ⊥ ⃗ L ◦ nach Definition des<br />
Vektorproduktes ist, kann sich ⃗r nur in einer Ebene senkrecht zu ⃗ L ◦<br />
bewegen. Da aber ⃗ L ◦ raumfest ist, hat auch die Bewegungsebene (mit<br />
2 Freiheitsgraden) eine feste Orientierung im Raum.<br />
Die von ⃗r in der Zeit dt überstrichene infinitesimal kleine Dreiecksfläche<br />
ist | dA ⃗ |= dA = 1 | ⃗r × d⃗r | da | ⃗r × d⃗r | die Fläche des<br />
2<br />
von ⃗r und d⃗r aufgespannten Parallelogramms darstellt.<br />
dA1<br />
Also folgt der Keplersche Flächensatz: | L ⃗ ◦ | = µ|⃗r × d⃗r dA<br />
| = 2µ<br />
dt dt<br />
dA2<br />
dA4<br />
dA3<br />
= konst. (48)<br />
Die pro Zeiteinheit überstrichene Fläche ist konstant.<br />
Bei der Zentralbewegung liegt der Ortsvektor<br />
des Massenpunktes in einer raumfesten<br />
Ebene und überstreicht in gleichen Zeiten<br />
gleiche Flächen.<br />
Bei der Herleitung des Flächensatzes ist allgemein eine Zentralkraft vorausgesetzt<br />
worden und nicht speziell die Gravitationskraft, er gilt also für alle Zentralkräfte.<br />
Obwohl wir die Bahnkurve des Massenpunktes auf Grund der Bewegungsgleichung aus<br />
Gl. (46) für die Relativkoordinaten berechnen könnten, ist es leichter, durch Kombination<br />
des Flächensatzes mit dem Energieerhaltungssatz (der ja für Zentralkräfte gültig ist) das<br />
Problem zu lösen.<br />
Der Energieerhaltungssatz lautet<br />
wobei die potentielle Energie V durch<br />
µ<br />
2 v2 + V = E ◦ = konst.<br />
∫r<br />
V (r) = −<br />
∞<br />
f(r)r dr<br />
gegeben ist, falls wir V (r → ∞) = 0 wählen. Da die Bahnkurve eben ist ( L ⃗ ◦ -Erhaltung),<br />
drücken wir die Geschwindigkeit v durch ebene Polarkoordinaten (Gl. (6), S. 8) aus:<br />
⎡<br />
y<br />
( ) 2 ( ) ⎤ 2<br />
µ<br />
✻<br />
⎣ dr dϕ<br />
+ r 2 ⎦ + V = E ◦ .<br />
✏✶<br />
2 dt dt<br />
♣✏✏✏ ϕ<br />
✉µ✲x<br />
√ √√√ ( ) 2<br />
dr<br />
Daraus folgt<br />
dt = 2<br />
dϕ<br />
µ (E ◦ − V ) − r 2 . Aus L ◦ = µ | ⃗r × ⃗v |= µr 2dϕ<br />
dt<br />
dt ,<br />
wobei für |⃗r × ⃗v| nur die Komponente von ⃗v ⊥ ⃗r genommen werden muss mit v ϕ = r dϕ<br />
dt<br />
in Polarkoordinaten,<br />
ergibt sich<br />
dϕ<br />
dt = L ◦<br />
µr 2, (49) und somit<br />
√ √√√<br />
dr<br />
dt = 2<br />
µ (E ◦ − V ) −<br />
( ) 2<br />
L◦<br />
. (50)<br />
µr<br />
Dividieren wir die Gleichungen (49) und (50), um t zu eliminieren, so erhalten wir<br />
einen Zusammenhang zwischen r und ϕ mit ( dϕ dt<br />
)( ) = dt dr (dϕ dt )/(dr)<br />
= dϕ : dt dr<br />
60
dϕ<br />
dr =<br />
L ◦<br />
√<br />
µr 2 2<br />
(E µ ◦ − V ) − ( ) die Differentialgleichung der Bahnkurve. (51)<br />
2<br />
L ◦<br />
µr<br />
Für eine Berechnung von r(ϕ) muss die Funktion V (r) bekannt sein, z.B. V (r) = −Γ Mm<br />
r<br />
.<br />
6.3 Planetenbewegungen<br />
Wir werden jetzt Gleichung (51) für den Fall einer idealisierten Planetenbewegung lösen:<br />
M und m seien die Massen der Sonne und eines Planeten.<br />
✎☞ Die Verteilung der Massen in beiden Körpern sei kugelsymmetrisch 51 .<br />
✍✌ m<br />
✻<br />
★✥ ⃗r<br />
Die reduzierte Masse ist µ = mM<br />
m + M .<br />
M Die Bewegung dieses speziellen Planeten soll nicht durch die Anwesenheit<br />
✧✦anderer Planeten gestört werden 52 .<br />
Mit dem Gravitationspotential V (r) = −Γ mM r<br />
Gleichung (51):<br />
dϕ<br />
dr =<br />
µr 2 √<br />
2<br />
µ<br />
L ◦<br />
(<br />
E◦ + ΓmM<br />
r<br />
für die potentielle Energie wird die<br />
) ( ) , Dgl. der Bahnkurve.<br />
2<br />
−<br />
L◦<br />
µr<br />
Wir führen 1/r = x als neue Variable ein, so dass dr = −dx/x 2 gilt und erhalten<br />
dϕ =<br />
−L ◦ /µ<br />
√<br />
dx =<br />
2E ◦<br />
+ 2ΓmM x − L2 ◦x µ µ µ 2 2<br />
−L ◦ /µ<br />
√<br />
− ( ) 2<br />
L ◦<br />
µ<br />
x − ΓmM<br />
L ◦<br />
+<br />
2E ◦<br />
+ ( ) dx<br />
2<br />
ΓmM<br />
µ L ◦<br />
=<br />
−L ◦ /µ<br />
√<br />
2E ◦<br />
+ ( ) 2 √<br />
ΓmM −(L◦x/µ−ΓmM/L ◦) 2<br />
µ L ◦<br />
+ 1<br />
2E◦<br />
µ +(ΓmM L◦ )2<br />
wenn wir nochmals eine neue Variable einführen: u =<br />
dx oder dϕ = −du √<br />
1 − u<br />
2 , (52)<br />
L ◦<br />
µ<br />
x − ΓmM<br />
L √ ◦<br />
2E ◦<br />
+ ( ) .<br />
2<br />
ΓmM<br />
µ L ◦<br />
Integration von Gl. (52) liefert ϕ − ϕ ◦ = arccosu oder wenn wir ϕ ◦ = 0 setzen<br />
cos(ϕ − ϕ ◦ ) = cosϕ = u. (53)<br />
Kehren wir in Gl. (53) wieder zur ursprünglichen Variablen r zurück, dann erhält man<br />
L ◦<br />
µr = cos ϕ √ √√√<br />
2E ◦<br />
µ + ( ΓmM<br />
L ◦<br />
) 2<br />
+ ΓmM<br />
L ◦<br />
. Daraus kann r berechnet werden,<br />
51 Abweichungen von einer exakten Kugelsymmetrie z.B. von der Sonne und Erde führen zu r, ϑ, ϕ<br />
abhängigen Korrekturen (Quadrupol-Terme).<br />
52 In vielen Fällen ist m ≪ M und man kann für die reduzierte Masse µ ≃ m setzen. Sind jedoch<br />
beide Massen gleich, wie in einigen Doppelsternsystemen oder beim Positronium dem e − e + -Atom, dann<br />
rotieren beide Massen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt; es ist dann µ = m/2.<br />
61
a<br />
F 2<br />
e<br />
r =<br />
r'<br />
L2 ◦<br />
ΓmMµ ·<br />
1<br />
√ , die Bahnkurve des Planeten. (54)<br />
1 + cosϕ 1 + 2E◦L2 ◦<br />
Γ 2 µm 2 M 2<br />
Mit den Abkürzungen p = L2 ◦<br />
ΓmMµ ,<br />
P<br />
b<br />
r<br />
F 1<br />
ϕ<br />
erhalten wir aus Gl. (54) r =<br />
√<br />
ε = 1 + 2E ◦L 2 ◦<br />
(55)<br />
Γ 2 µm 2 M 2<br />
p<br />
1 + ε cos ϕ . (56)<br />
Dies ist die Gleichung eines Kegelschnittes in Polarkoordinaten<br />
(Polargleichung), wenn der eine Brennpunkt<br />
der Pol ist, von dem aus r gemessen wird, und<br />
ϕ von dem Scheitel aus gerechnet wird, der dem Pol<br />
am nächsten liegt.<br />
Mit der Definitionsgleichung der Ellipse folgt aus Gl. (56) r + r ′ = konst. = 2a und<br />
aus dem Kosinussatz r ′2 = r 2 + 4e 2 + 4er cos ϕ. Indem man r ′ eliminiert, ergibt sich 53<br />
r =<br />
b 2 /a<br />
1 + e/a cos ϕ<br />
mit e 2 = a 2 − b 2<br />
b 2 /a = p nennt man den Parameter oder Scheitelkrümmungsradius und e/a = ε die<br />
numerische Exzentrizität der Ellipse und es gilt ε = √ a 2 − b 2 /a.<br />
Die einzelnen Kegelschnitte werden durch die Werte von ε unterschieden. Aus Gl. (55)<br />
folgt der zugehörige Wert der Gesamtenergie E ◦ . Wir erhalten folgenden Zusammenhang:<br />
53 Mit etwas mehr Aufwand kann die Bahnkurve auch direkt aus der Bewegungsgleichung durch Integration<br />
bestimmt werden.<br />
m 1¨⃗r = ˙⃗p = −Γ<br />
m 1 m 2<br />
r 3 ⃗r multipliziert mit × ⃗ L und berücksichtigt das dreifache Vektorprodukt<br />
und mit<br />
˙⃗p × ⃗ L<br />
} {{ }<br />
= d dt (⃗p × ⃗ L)<br />
= −Γ m 1m 2<br />
r 3<br />
⃗r × L<br />
} {{ ⃗ = −Γ m 1m 2<br />
} r 3 [⃗r · (⃗r · ⃗p) − ⃗p · r 2 ]<br />
} {{ }<br />
⃗r × (⃗r × ⃗p) ⃗r · (⃗r · m˙⃗r) − m˙⃗r · r 2<br />
( )<br />
d ⃗r<br />
= ˙⃗r<br />
dt r r + ⃗r d ( ) 1<br />
√ = ˙⃗r · ˙⃗r<br />
− ⃗r⃗r<br />
dt ⃗r<br />
2 r r 3 = 1 r 3 [˙⃗rr 2 − ⃗r · (⃗r · ˙⃗r)] für das Dreifachprodukt<br />
⇒<br />
d dt (⃗p × ⃗ L) = Γm 2 1m 2<br />
d<br />
dt<br />
( ⃗r<br />
r<br />
)<br />
⇒ ⃗p × ⃗ L = Γm 2 1m 2<br />
⃗r<br />
r + ⃗ C<br />
⃗C ist als Integrationskonstante der Lenzsche Vektor, der in der festen Bewegungsebene liegt. Multipliziert<br />
man die Gleichung mit ⃗r und setzt p = L 2 /Γm 2 1m 2 und ε = C/Γm 2 1m 2 , erhält man:<br />
⃗r · (⃗p × ⃗ L) = ⃗ L · (⃗r × ⃗p) = ⃗ L · ⃗L = L 2 = Γm 2 1m 2 r<br />
} {{ }<br />
⃗r · ⃗r<br />
r<br />
= r2<br />
r<br />
+ ⃗r · ⃗C }{{}<br />
rC cos ϕ<br />
⇒ r =<br />
p<br />
1 + ε cos ϕ .<br />
in Übereinstimmung die Fokaldarstellung der Kegelschnitte Gl. (56).<br />
62
ε = e/a E ◦<br />
( )<br />
Kreis 0 − µ ΓmM 2<br />
2 L ◦<br />
Ellipse < 1 < 0<br />
Parabel = 1 0<br />
Hyperbel > 1 > 0<br />
Wie auf Seite 51 entsprechen die Fälle<br />
E ◦ ≥ 0 der ungebundenen Bewegung:<br />
der Himmelskörper kann das Sonnensystem<br />
verlassen.<br />
Der Fall E ◦ < 0 entspricht der eigentlichen<br />
gebundenen Planetenbewegung.<br />
In der Atomphysik mit der Coulombkraft beschreibt klassisch und quantenmechanisch<br />
E ◦ < 0 ein im Coulombfeld gebundenes Elektron und mit E ◦ > 0 ein am Atomkern<br />
gestreutes freies Elektron.<br />
Wir haben somit aus dem Gravitationsgesetz hergeleitet:<br />
Das 1. Keplersche Gesetz<br />
Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in<br />
deren einem Brennpunkt die Sonne steht.<br />
Das 2. Keplersche Gesetz ist der schon mit Gl. (48) formulierte Flächensatz.<br />
Das 3. Keplersche Gesetz besagt:<br />
Die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten<br />
verhalten sich zueinander wie die Kuben<br />
der grossen Achsen ihrer Bahnellipsen.<br />
Zum Beweis führen wir im Flächensatz<br />
dA<br />
dt = L ◦<br />
2µ<br />
Ist T die Umlaufszeit, so gilt<br />
die Ellipsenfläche A = πab ein.<br />
πab<br />
T = L ◦<br />
2µ<br />
und deshalb T 2 =<br />
( ) 2<br />
2πabµ<br />
= 4π2 a 2 µ 2 aL 2 ◦<br />
L ◦ L 2 ◦ ΓmMµ = 4π2 µ<br />
ΓmM a3 ,<br />
wenn wir noch b auf Grund der Gl. (55) p = b2<br />
a =<br />
L2 ◦<br />
ΓmMµ<br />
eliminieren.<br />
Johannes Kepler (1571-1630) leitete seine empirischen Gesetze aus den Daten von<br />
Tycho Brahe (1546-1601) ab, bevor das Newtonsche Gravitationsgesetz bekannt war 54 .<br />
Eine empirische Beschreibung gefolgt von einer Parametrisierung der Daten und erst<br />
später eine Erklärung durch physikalische Gesetze ist eine gängige Methode in der <strong>Physik</strong>.<br />
54 Es wird empfohlen, die ausgezeichnete Geschichte der Astronomie “Die Nachtwandler” von Arthur<br />
Köstler, die eine Biographie von Kepler enthält, zu lesen.<br />
63
7 Der lineare harmonische Oszillator<br />
Auf Seite 33 haben wir das mathematische Pendel als Beispiel für ein schwingungsfähiges<br />
System kennengelernt. Der Auslenkwinkel ϕ des Pendels schwingt harmonisch um einen<br />
Gleichgewichtswert ϕ = 0. Schwingungen ähnlicher Art treten in vielen Bereichen der<br />
<strong>Physik</strong> auf und sind von grundlegender Bedeutung für das Verhalten der Materie. Zum<br />
Beispiel führen Atome und Moleküle im Festkörper um eine Gleichgewichtslage Schwingungen<br />
aus, die in erster Näherung als harmonisch angesehen werden können. Wir werden<br />
deshalb jetzt die Dynamik solcher harmonischer Oszillatoren genau untersuchen und als<br />
Modellsystem eine lineare Feder wählen.<br />
7.1 Der ungedämpfte Oszillator<br />
Ein Massenpunkt m wird an einer masselos gedachten Feder befestigt. Wir interessieren<br />
uns für die Bewegung längs der Federachse. In der Vertikalen sei stets mg = N. Wir legen<br />
also die x-Achse in Richtung der Federachse mit dem Freiheitsgrad f = 1 und wählen<br />
x = 0 als die Gleichgewichtslage. Wir wollen alle Reibungskräfte vernachlässigen und<br />
annehmen, in x-Richtung werde nur von der Feder die Federkraft F = F(x) ausgeübt.<br />
Diese Bewegung kann z.B. mit einem Luftkissenfahrzeug realisiert werden.<br />
Die Bewegungsgleichung ist m d2 x<br />
∼∼∼∼∼ k/2 ∼∼∼∼∼ k/2<br />
✛<br />
✻ ⃗N<br />
dt = F(x) 2<br />
Wie hängt die Federkraft F(x) reversibel von der Auslenkung<br />
ab? Da F(x → 0) = 0 gelten soll, entwickeln wir F(x)<br />
⃗F ❄⃗G<br />
✲x<br />
für kleine x in eine Taylor-Reihe um den Nullpunkt:<br />
( ) dF<br />
F(x) = F(0) + x + 1 ( d 2 )<br />
F<br />
x 2 + ... = F(0) +<br />
} {{ } dx 2 dx<br />
x=0 2 } {{ }<br />
x=0<br />
=0<br />
=0<br />
∞∑<br />
n=1<br />
( d n )<br />
F<br />
dx n<br />
Wir nennen die Feder linear, wenn der quadratische und alle höheren Terme genügend<br />
klein sind, so dass F(x) =<br />
x=0<br />
x n<br />
n! .<br />
( ) dF<br />
x = −kx mit (k > 0) geschrieben werden kann.<br />
dx<br />
x=0<br />
Zur Abkürzung haben wir die Federkonstante k = k/2 + k/2 eingeführt (siehe Figur).<br />
Wenn die Gleichgewichtslage stabil sein soll, muss bei einer Auslenkung die Kraft F in<br />
Richtung Gleichgewichtslage zeigen, also<br />
( ) dF<br />
< 0<br />
dx<br />
x=0<br />
gelten. Offenbar lässt sich dieser lineare Ansatz F(x) = −kx bei allen Kräften anwenden,<br />
die von einem Abstand abhängen, wenn man sich auf kleine Auslenkungen aus der<br />
Gleichgewichtslage beschränkt. Für eine mechanische Feder ist die Linearität mit x in<br />
guter Näherung erfüllt. Die Bewegungsgleichung für m lautet dann<br />
m d2 x<br />
d<br />
= −kx oder<br />
dt2 2 x<br />
dt 2 = − k m x (57)<br />
und ist somit formal identisch mit der Gleichung<br />
d 2 ϕ<br />
dt 2 = −g l ϕ<br />
64
für das mathematische Pendel bei kleinen Auslenkungen ϕ (Kap. 3.6.2). Gleichung (57)<br />
kann also für alle x durch den harmonischen Ansatz<br />
x(t) = A cos(ω ◦ t − δ) mit der Kreisfrequenz ω ◦ =<br />
√k/m = 2πν ◦ = 2π<br />
T<br />
(58)<br />
gelöst werden. ν ◦ ist die Frequenz und T die Schwingungsdauer der harmonischen Schwingung.<br />
Amplitude A und Phasenkonstante δ sind wie beim Pendel durch die<br />
x<br />
T<br />
Anfangsbedingungen z.B.<br />
( ) dx<br />
A<br />
x(t = 0) = x ◦ , = v ◦ festgelegt.<br />
dt<br />
t=0<br />
t<br />
√<br />
δ<br />
( ) v◦ 2, v<br />
ωο<br />
Man erhält A = x 2 ◦<br />
◦ + tanδ = .<br />
ω ◦ x ◦ ω ◦<br />
Im Hinblick auf eine mathematisch vereinfachende Behandlung [vgl. Kap.7.2 Gl.(62),<br />
Kap.7.4 Gl.(76) und Anhang C.1.2] wollen wir uns überzeugen, dass die Gleichung (57)<br />
auch mit einer Exponentialfunktion<br />
z = x + iy = C e iωt = C(cosωt + i sin ωt) (59)<br />
gelöst werden kann, in der z eine komplexe Grösse ist. Selbstverständlich ist die gemessene<br />
Auslenkung des Oszillators eine reelle Grösse nämlich der Realteil von z:<br />
R(z) = R(Ce iωt ) = x.<br />
Der Imaginärteil I(z) = y ist nur eine mathematische Hilfsgrösse, die hier ohne physikalische<br />
Bedeutung ist und nur der einfacheren komplexen Schreibweise von z dient. Wir<br />
setzen den Ansatz Gl. (59) in Gl. (57) ein und erhalten:<br />
−ω 2 Ce iωt = − k √<br />
m Ceiωt oder ω = ± k/m = ±ω ◦ .<br />
Es gibt also zwei Lösungen: z 1 = C 1 e iω◦t und z 2 = C 2 e −iω◦t .<br />
Da die Gleichung (57) linear ist, ist ihre allgemeine Lösung die Linearkombination<br />
z = z 1 + z 2 = C 1 e iω◦t + C 2 e −iω◦t (60)<br />
mit den beiden Integrationskonstanten C 1 und C 2 . Diese werden durch die<br />
Anfangsbedingungen festgelegt, für welche wir wieder x(t = 0) = x ◦ ,<br />
( ) dx<br />
= v ◦<br />
dt<br />
t=0<br />
wählen. Die Grössen C 1 und C 2 sind jetzt allerdings komplex! Einsetzen in Gl. (60) ergibt<br />
C 1 + C 2 = x ◦ und iω ◦ C 1 − iω ◦ C 2 = v ◦ . Daraus berechnet man 55<br />
C 1 = 1 2<br />
(<br />
x ◦ − i v ◦<br />
ω ◦<br />
)<br />
und als komplexe Lösung von Gl. (57) z = 1 2<br />
und C 2 = 1 2<br />
(<br />
x ◦ + i v ◦<br />
ω ◦<br />
)<br />
= C ∗ 1<br />
{(<br />
x ◦ − i v ◦<br />
ω ◦<br />
)<br />
e iω◦t +<br />
55 C ∗ 1 = a − ib ist das konjugiert komplexe von C 1 = a + ib [Anhang C.1.2].<br />
(<br />
x ◦ + i v ◦<br />
ω ◦<br />
)<br />
e −iω◦t }<br />
=<br />
65
= 1 {<br />
(<br />
x ◦ e<br />
iω ◦t + e −iω◦t) −i v }<br />
(<br />
◦ e<br />
iω ◦t − e −iω◦t) = x ◦ cosω ◦ t + v ◦<br />
sin ω ◦ t.<br />
2 } {{ } ω ◦ } {{ }<br />
ω ◦<br />
2 cos ω ◦t<br />
2i sin ω ◦t<br />
Dieser jetzt reelle Ausdruck stimmt mit dem Lösungsansatz<br />
x = A cos(ω ◦ t − δ) = A[cos δ cos ω ◦ t + sinδ sin ω ◦ t] überein,<br />
wenn man berücksichtigt, dass gilt x ◦ = A cos δ und<br />
Beide Lösungswege führen, wie es auch sein muss, zum gleichen Ergebnis.<br />
7.2 Der gedämpfte Oszillator<br />
v ◦<br />
ω ◦<br />
= A sin δ.<br />
Wir passen die Bewegungsgleichung unseres Oszillators etwas mehr der Wirklichkeit an,<br />
indem wir noch eine geschwindigkeitsabhängige, viskose Reibungskraft −βdx/dt berücksichtigen<br />
(siehe Seite 23 und Kapitel 3.5). Die Bewegungsgleichung heisst dann<br />
m d2 x<br />
= −kx − βdx<br />
dt2 dt<br />
∼∼∼∼∼ k/2 ⃗F<br />
∼∼∼∼∼ k/2<br />
✻ ⃗N<br />
. (61)<br />
✛<br />
Diese Gleichung kann nicht einfach integriert werden. Die<br />
⃗R ❄ Lösung muss die Eigenschaft haben, dass ihre zweite Ableitung<br />
sowohl der ersten Ableitung wie auch der Funktion<br />
⃗G<br />
✲x<br />
selbst proportional ist.<br />
Wir setzen deshalb eine komplexe Exponentialfunktion als Lösung an:<br />
z = C e rt , (62)<br />
wobei r jetzt einen Real- und einen Imaginärteil hat. Einsetzen von Gl. (62) in Gl. (61),<br />
die zu allen Zeiten erfüllt sein muss, ergibt<br />
mCr 2 e rt = −kC e rt − βCr e rt und mit ω 2 ◦ = k m folgt r2 + β m r + ω2 ◦ = 0, (63)<br />
die charakter. Gleichung (63) hat 2 Lösungen: r 1,2 = − β<br />
2m ± √<br />
β<br />
2<br />
4m 2 − ω2 ◦. (64)<br />
Mit den Abkürzungen<br />
β<br />
2m = 1 √<br />
τ ; und ω◦ 2 − β2<br />
4m = ω, wird r 2 1,2 = − 1 τ<br />
± iω. (65)<br />
Die Bewegungsgleichung hat die beiden Lösungen z 1 = C 1 e r 1t und z 2 = C 2 e r 2t , die beide<br />
für sich Gleichung (61) befriedigen. Da Gl. (61) linear ist, ist ihre allgemeine Lösung<br />
wieder eine Linearkombination von z 1 und z 2 :<br />
z = z 1 + z 2 = C 1 e r 1t + C 2 e r 2t . (66)<br />
Die Integrationskonstanten C 1 und C 2 werden mit Gl. (66) (wie im vorigen Abschnitt)<br />
durch die Anfangsbedingungen festgelegt:<br />
( ) dx<br />
x(t = 0) = x ◦ und = v ◦ ⇒ x ◦ = C 1 + C 2 und v ◦ = C 1 r 1 + C 2 r 2 ,<br />
dt<br />
t=0<br />
⇒ C 1 = v ◦ − x ◦ r 2<br />
r 1 − r 2<br />
und C 2 = − v ◦ − x ◦ r 1<br />
r 1 − r 2<br />
66
Damit ist als Lösung der Gl. (66): z = v ◦ − x ◦ r 2<br />
e (− 1 τ +iω)t − v ◦ − x ◦ r 1<br />
e (− 1 τ −iω)t oder<br />
r 1 − r 2 r 1 − r 2<br />
{<br />
mit Gl. (65) r 1 −r 2 = 2iω : z = e − t v◦ − x ◦ (− 1 − iω)<br />
τ<br />
τ<br />
e iωt − v ◦ − x ◦ (− 1 + iω) }<br />
τ<br />
e −iωt<br />
2iω<br />
2iω<br />
mit<br />
= 1 2 e− t τ<br />
{[<br />
und schliesslich<br />
B = x ◦ − i v ◦ + x◦<br />
τ<br />
ω<br />
x ◦ − i v ◦ + x◦<br />
τ<br />
ω<br />
]<br />
e iωt +<br />
[<br />
z(t) = 1 2 e− t τ<br />
und ω =<br />
√<br />
x ◦ + i v ◦ + x◦<br />
τ<br />
ω<br />
]<br />
e −iωt }<br />
{<br />
B e iωt + B ∗ e −iωt} (67)<br />
ω 2 ◦ − β2<br />
4m 2<br />
sowie<br />
1<br />
τ = β<br />
2m .<br />
Die Faktoren B und B ∗ sind zueinander konjugiert komplex (2 Integrationskonstanten).<br />
Bei der physikalischen Interpretation dieses Ergebnisses sind je nach Grösse der Reibungskonstanten<br />
β drei Fälle zu unterscheiden:<br />
1. Fall:<br />
2. Fall:<br />
3. Fall:<br />
β 2<br />
4m 2 < ω 2 ◦, d.h. ω ist reell, schwache Dämpfung,<br />
β 2<br />
> ω<br />
4m ◦, 2 d.h. ω ist imaginär, starke Dämpfung,<br />
2<br />
β 2<br />
= ω<br />
4m ◦, 2 ω = 0 kritische Dämpfung.<br />
2<br />
7.2.1 1. Fall: schwache Dämpfung<br />
Wir schreiben die komplexen Amplituden B und B ∗ in Gleichung (67) in der Form<br />
R: Realteil<br />
B = A e iδ und B ∗ = A e −iδ ,<br />
(<br />
I: Imaginärteil<br />
I ✻<br />
so dass A 2 = x 2 v◦ + x◦<br />
τ<br />
◦ +<br />
ω<br />
Dann erhalten wir als Lösung<br />
A<br />
✑ ✑✑✑✑✑✑♣ δ ✲ z(t) = A [ 2 e−t/τ e i(ωt+δ) + e −i(ωt+δ)] = A e −t/τ cos(ωt + δ)<br />
R<br />
⎛ √<br />
z(t) = A e −βt/2m cos ⎝t ·<br />
) 2<br />
und cos δ = x ◦<br />
A . (68)<br />
oder<br />
ω 2 ◦ − β2<br />
4m 2 + δ ⎞<br />
⎠ . (69)<br />
Diese Gleichung ähnelt der Schwingungsgleichung des ungedämpften Oszillators β → 0.<br />
x(t)<br />
Ae -t/τ<br />
-Ae -t/τ<br />
x(t=0)=xo<br />
v(t=0)=0<br />
t<br />
Mit β > 0 nimmt die Amplitude mit der Zeit exponentiell<br />
ab. Obwohl nur im Falle einer reinen sin- oder<br />
cos-Funktion von einer definierten Frequenz gesprochen<br />
werden kann, nennt man doch ω die Kreisfrequenz<br />
dieser gedämpften Schwingung. ω ist kleiner<br />
als die Frequenz ω ◦ des ungedämpften Oszillators.<br />
Die Nullstellen von x(t) haben gleiche Abstände<br />
T = 2π/ω, jedoch liegen die Extrema nicht mehr wie<br />
bei der ungedämpften Schwingung in der Mitte zwischen<br />
diesen Nullstellen.<br />
67
Man überzeuge sich, dass man aus Gl. (69) mit den Ausdrücken Gl. (68) für die<br />
Integrationskonstanten A und δ wieder die Anfangswerte<br />
7.2.2 2. Fall: starke Dämpfung<br />
x(t = 0) = x ◦ und v(t = 0) = v ◦ erhält.<br />
ω ist jetzt imaginär. Wir setzen deshalb ω = iω ′ mit ω ′ = reell<br />
√<br />
β<br />
ω ′ 2<br />
=<br />
4m − 2 ω2 ◦ und erhalten aus Gl. (67) die Lösung<br />
x(t) = 1 2 e−t/τ { B e −ω′t + B ∗ e ω′ t } , B = x ◦ − v ◦ + x ◦ /τ<br />
ω ′ ,B ∗ = x ◦ + v ◦ + x ◦ /τ<br />
ω ′ (70)<br />
Wie die Exponentialfunktionen sind auch die Amplituden B und B ∗ reell geworden. Die<br />
Bewegung ist nicht mehr periodisch. Sowohl<br />
x(t)<br />
~ e -r 1 t x(t=0)=0<br />
v(t=0)=vo<br />
t<br />
~ - e -r 2 t<br />
r2 > r1 , e -r 2 t stirbt schneller aus<br />
e −(ω′ +1/τ)t = e −r 2t<br />
wie auch<br />
e ( ω′ −1/τ)t = e −r 1t<br />
nehmen mit der Zeit ab, da ja 1/τ > ω ′ ist. Für den<br />
Spezialfall x(t = 0) = x ◦ = 0, v(t = 0) = v ◦ erhalten<br />
wir B = −v ◦ /ω ′ , B ∗ = v ◦ /ω ′ und folglich<br />
x(t) = v ◦<br />
2ω ′ {<br />
e<br />
(ω ′ −1/τ)t − e −(ω′ +1/τ)t } = v ◦<br />
2ω ′ {<br />
e<br />
−r 1 t − e −r 2t } .<br />
Mit r 2 > r 1 wird e −r 2t schneller gedämpft.<br />
7.2.3 3. Fall: kritische Dämpfung<br />
die allgemeine Lösung Gl. (67) kann für ω = ω◦ 2 − β2<br />
4m = 0 2<br />
nur einen Sinn haben, wenn wir zunächst in den Faktoren B und B ∗ den Grenzübergang<br />
ω → 0 ausführen. Wir fassen deswegen die ω enthaltenden Terme zweckmässiger<br />
zusammen:<br />
z = 1 (<br />
{x<br />
2 e−t/τ ◦ e iωt + e −iωt) (<br />
− i v ◦ + x )<br />
◦ e iωt − e −iωt }<br />
.<br />
τ ω<br />
Mit der Definition des Differentialquotienten gilt dann<br />
lim<br />
ω→0<br />
e iωt − e −iωt<br />
ω<br />
√<br />
[ e iωt − e ◦<br />
= lim + e◦ − e −iωt ]<br />
ω→0 ω ω<br />
[ e iωt − e ◦<br />
= lim + e−iωt − e ◦ ] [ ] d e<br />
iωt<br />
= 2 = 2 [ it e iωt]<br />
ω→0 ω −ω dω<br />
= 2it.<br />
ω=0<br />
ω=0<br />
Damit erhalten wir lim z(t) = 1 { (<br />
ω→0 2 e−t/τ 2x ◦ − i v ◦ + x ) }<br />
◦<br />
2it<br />
τ<br />
(<br />
nur reell und damit x(t) = e<br />
{x −t/τ ◦ + v ◦ + x ) }<br />
◦<br />
t .<br />
τ<br />
68
Auch hier ergeben sich zwei einander überlagerte Lösungen, wie es für eine lineare Differentialgleichung<br />
2. Ordnung der Fall sein muss 56 .<br />
Wie im Falle der starken Dämpfung ist auch diese Bewegung nicht periodisch; sie stellt<br />
den Übergang von der periodischen zur nicht-periodischen Bewegung dar. Deshalb nennt<br />
man den Fall der kritischen Dämpfung (ω◦ 2 = β 2 /4m 2 ) auch den aperiodischen Grenzfall.<br />
Dieser Fall spielt eine grosse Rolle beim Bau von Messinstrumenten, deren wesentliche<br />
<strong>Teil</strong>e in vielen Fällen (z.B. beim Galvanometer) gedämpfte, schwingungsfähige Systeme<br />
sind, deren Auslenkung aus der Ruhelage zur gewünschten Anzeige führt. Wie schnell<br />
kehrt der Oszillator in die Ruhelage zurück? Mit der Anfangsbedingung x ◦ ≠ 0 und<br />
v ◦ = 0 erhalten wir<br />
1.0<br />
x(t)<br />
x(t=0)=xo<br />
v(t=0)=0<br />
(<br />
x(t) = e −t/τ x ◦ + x )<br />
◦t<br />
= x ◦ e −t/τ (1 + t τ<br />
τ ).<br />
xoe -t/τ<br />
0.5<br />
(xot/τ) e -t/τ<br />
0.0<br />
0 2 4<br />
t<br />
Hier dominiert der zweite Term x ◦ e −t/τ t/τ für Zeiten<br />
t ≫ τ. Der Oszillator kehrt schneller in die Ruhelage<br />
x = 0 zurück als der stark gedämpfte und<br />
schwingt nicht über die Ruhelage hinaus wie der<br />
schwach gedämpfte.<br />
7.3 Energie des schwach gedämpften Oszillators<br />
Die totale mechanische Energie E = T + V des schwingungsfähigen Systems muss mit<br />
der Zeit abnehmen, da die Reibungskraft −βv ständig Wärme erzeugt. Wir werden die<br />
Zeitabhängigkeit E(t) für den schwach gedämpften Oszillator berechnen, also für<br />
x(t) = A e −t/τ cos(ωt − δ). Nach dem Energiesatz T 2 − T 1 = W 1→2 (71)<br />
führt die von der Federkraft und der Reibungskraft geleistete Arbeit W 1→2 zu einer Änderung<br />
T 2 −T 1 der kinetischen Energie des Oszillators. Wir berechnen zunächst diese beiden<br />
Arbeiten.<br />
56 Im aperiodischen Grenzfall ist in Gl. (64) der Term unter der Wurzel null, d.h. ω 2 ◦ = β2<br />
4m 2 und es geht<br />
formal eine Integrationskonstante verloren.<br />
Mit der Methode der Variation der Konstanten C = C(t) macht man den Ansatz x = C(t)e rt und<br />
erhält damit für die Differentialgleichung (61) mit r = −β/2m = −1/τ und ω 2 ◦ = r 2<br />
ẍ + β mẋ + ω2 ◦x = 0 = ẍ − 2rẋ + r 2 x und ẋ = Ċ ert + Cr e rt , ẍ = ¨C e rt + 2Ċr ert + Cr 2 e rt .<br />
einsetzen in die Dgl. ergibt<br />
¨C e rt + 2Ċr ert + Cr 2 e rt − 2rĊ ert − 2r 2 C e rt + r 2 C e rt = 0 = ¨C e rt<br />
und für die Funktion C(t) für alle t: ¨C = 0 ⇒ Ċ = C 1 und C = C 1 t + C 2 .<br />
Damit ist die vollständige Lösung<br />
x = (C 1 t + C 2 )e rt = (C 1 t + C 2 )e − β<br />
2m t<br />
in Übereinstimmung mit der obigen etwas komplizierteren Rechnung, wenn die Anfangsbedingungen die<br />
beiden Integrationskonstanten festlegen; z.B. sind mit x(t = 0) = x ◦ , ẋ(t = 0) = v ◦ die Integrationskonstanten<br />
C 2 = x ◦ und C 1 = v ◦ − x ◦ r und damit x(t) = [(v ◦ − x ◦ r)t + x ◦ ]e −rt .<br />
Die Methode der Variation der Konstanten führt zu einer neuen Differentialgleichung, die, wenn man<br />
Glück hat, eine bekannte Lösung besitzt oder die gelöst werden kann.<br />
69
Da die Federkraft eine Zentralkraft ist, kann ihr eine potentielle Energie zugeordnet<br />
werden:<br />
∫ ⃗r 2<br />
V (⃗r 2 ) − V (⃗r 1 ) = − (−k⃗r)d⃗r = +k<br />
⃗r 1<br />
∫x 2<br />
x 1<br />
xdx = k 2 (x2 2 − x 2 1).<br />
Wählen wir als x 1 die Ruhelage x = 0 und setzen V (x 1 ) = 0, so wird<br />
die potentielle Energie der linearen Feder V (x) = k 2 x2 .<br />
Für die geschwindigkeitsabhängige, nicht-konservative Reibungskraft kann keine potentielle<br />
Energie berechnet werden. Die von ihr geleistete Arbeit ist<br />
W R =<br />
∫2<br />
1<br />
∫<br />
(−βv)dx = −β v 2 dt.<br />
Gleichung (71) lässt sich jetzt in der Form<br />
T 2 + V 2 − (T 1 + V 1 ) = E 2 − E 1 = W R schreiben. (72)<br />
Die Geschwindigkeit des Massenpunktes ist mit x(t) = A e −t/τ cos(ωt − δ)<br />
v = dx<br />
dt = −1 τ A e−t/τ cos(ωt − δ) + A e −t/τ (−ω) sin(ωt − δ)<br />
= −A e −t/τ [<br />
ω sin(ωt − δ) + 1 τ cos(ωt − δ) ]<br />
.<br />
Ist die Dämpfung sehr schwach, also 1/τ ≪ ω, so kann der zweite Term in der eckigen<br />
Klammer vernachlässigt werden, und als kinetische Energie ergibt sich<br />
Für die totale Energie folgt dann<br />
T = m 2 v2 ≃ 1 2 mA2 · e −2t/τ (ω) 2 sin 2 (ωt − δ).<br />
E = T + V = 1 2 mv2 + 1 2 kx2 ≃ 1 2 mA2 e −2t/τ (ω) 2 sin 2 (ωt − δ) + 1 2 kA2 e −2t/τ cos 2 (ωt − δ).<br />
Da wir 1/τ ≪ ω angenommen haben, vereinfachen wir den letzen Ausdruck, indem wir<br />
den Faktor (ω) 2 durch ω 2 ◦ = k/m ersetzen.<br />
E ≃ 1 2 A2 e −2t/τ [ mω 2 ◦ sin 2 (ωt − δ) + k cos 2 (ωt − δ) ] = 1 2 kA2 e −2t/τ . (73)<br />
Die totale mechanische Energie nimmt also exponentiell mit der Zeit ab. Nach Gl. (72)<br />
ist diese Abnahme gleich der von der Reibung geleisteten Arbeit W R (vgl. ψ 2 in QM).<br />
Den Grad der Dämpfung eines Oszillators beschreibt man durch den Güte- oder Q-<br />
Faktor, der durch den folgenden Quotienten definiert ist:<br />
Im Oszillator gespeicherte Energie E<br />
Q = .<br />
Energieverlust ∆E pro Radiant<br />
Ist T die Schwingungsdauer des Oszillators, so wird für 1 Radiant die Zeit T/2π = 1/ω<br />
gebraucht. Nach Gl. (73) ist die zeitliche Änderung der Energie<br />
dE<br />
dt = −k τ A2 e −2t/τ = − 2 E. Pro Radiant wird die Energie<br />
τ ∆E<br />
abgegeben, also wird der Gütefaktor<br />
= +2 τ E 1 ω ≃ 2E<br />
τω ◦<br />
Q = E<br />
∆E = τω ◦<br />
2 = mω ◦<br />
β .<br />
Je kleiner die Reibungskonstante β, desto grösser der Gütefaktor (z.B. Pendel 10 2 , Quarz<br />
10 4 , Laser 10 9 ).<br />
70
7.4 Erzwungene Schwingungen und Resonanz<br />
Bei den bisherigen Betrachtungen wurden die Anfangsbedingungen x ◦ und v ◦ zur Zeit<br />
t = 0 gewählt und dann das System sich selbst überlassen. In vielen Fällen werden schwingungsfähige<br />
Systeme jedoch ständig von aussen beeinflusst. Welche Bewegung resultiert?<br />
Wir nehmen an, dass die äussere Kraft von der Form F = F ◦ cos ωt ist, wobei ω eine<br />
beliebige Kreisfrequenz ist. Eine beliebige, aber periodische<br />
Kraft kann nach dem Fourier-Theorem in sin- und<br />
⃗F = −kx ✻<br />
⃗N F◦ ⃗ cos ωt<br />
∼∼∼∼∼ ✛ ✲<br />
✛<br />
cos-Terme zerlegt werden, so dass wir mit dem Ansatz<br />
k ⃗R ❄⃗G<br />
F = F ◦ cosωt die Grundlage für den allgemeinen Fall erarbeiten.<br />
Die Bewegungsgleichung unseres Oszillators mit<br />
✲x<br />
R = −β · v lautet jetzt m d2 x<br />
= −kx − βdx<br />
dt2 dt + F ◦ cos ωt. (74)<br />
Dies ist eine lineare, inhomogene Differentialgleichung, deren Lösung auf Grund der Betrachtungen<br />
in Kapitel 3.5 von der Form x inh. = x hom. + x part. ist.<br />
Die homogene Lösung erhalten wir, wenn wir in Gl. (74) die äussere Kraft F ◦ cos ωt streichen.<br />
Es resultiert die in Kapitel 7.2 behandelte Differentialgleichung des freien Oszillators,<br />
dessen Bewegung für grosse Zeiten ausstirbt. Somit bleibt die partikuläre Lösung x part. ,<br />
die man beobachtet, wenn man nach Einschalten der Störung genügend lange wartet. Wir<br />
interessieren uns nun für diese stationäre Lösung.<br />
Um x part. zu erhalten, schreiben wir analog zu den Betrachtungen in Kapitel 7.1 die<br />
Bewegungsgleichung mit der komplexen Variablen z:<br />
m d2 z<br />
= −kz − βdz<br />
dt2 dt + F ◦ e iωt (75)<br />
und verstehen unter R(z) die gesuchte reelle Lösung x part. . Offenbar muss z(t) wie<br />
e iωt variieren, wir versuchen also den Lösungsansatz z(t) = C e iωt . (76)<br />
Einsetzen in Gl. (75) ergibt<br />
− ω 2 Cm e iωt = −kC e iωt − iβωC e iωt + F ◦ e iωt<br />
und für C die Beziehung C =<br />
F ◦<br />
m ( ω 2 ◦ − ω 2 + i βω m<br />
), (77)<br />
wenn wir wieder ω◦ 2 = k/m beachten. Die komplexe Lösung Gl. (76) lautet also<br />
( )<br />
F ◦ e iωt<br />
z(t) =<br />
m ( ) = F ◦ ω<br />
2<br />
ω◦ 2 − ω 2 + i βω m ·<br />
◦ − ω 2 − i βω m<br />
[<br />
m (ω◦ 2 − ω 2 ) 2 + ( ) ]<br />
βω 2<br />
(cos ωt + i sin ωt).<br />
m<br />
Daraus folgt als reelle Koordinate x(t) = R[z(t)] = F ◦ (ω◦ 2 − ω2 ) cos ωt + βω sin ωt<br />
[<br />
m<br />
m<br />
(ω◦ 2 − ω 2 ) 2 + ( ) ]<br />
βω 2<br />
.<br />
m<br />
Dies kann auch in der Form x(t) = A(ω) cos(ωt − δ) = A(ω)(cosωt cosδ + sin ωt sin δ)<br />
geschrieben werden. Aus dem Vergleich beider Ausdrücke erhält man dann A und δ und<br />
somit das folgende Ergebnis für die stationäre Lösung (vgl. Anhang C.1.1):<br />
x(t) = A cos(ωt − δ), A =<br />
F ◦<br />
√<br />
m (ω◦ 2 − ω 2 ) 2 + ( ) , tanδ =<br />
βω 2<br />
m<br />
βω<br />
m (ω 2 ◦ − ω 2 )<br />
(78)<br />
71
Sowohl die Amplitude wie auch die Phasenkonstante der stationären, erzwungenen<br />
Schwingung hängen von β, ω ◦ und ω ab. Wir werden zunächst A diskutieren.<br />
Für gegebene Werte von β und ω ◦ ist A eine Funktion von ω. A strebt gegen Null für<br />
ω → ∞, erreicht einen endlichen Wert F ◦ /mω◦ 2 bei ω = 0 und hat ein Maximum bei der<br />
Frequenz ω = ω R . Diese Erscheinung nennen wir Resonanz:<br />
unter dem Einfluss einer periodischen<br />
A(ω) 3<br />
Störung erreicht die Amplitude eines schwingungsfähigen<br />
Systems sehr hohe Werte.<br />
Fo<br />
ωo 2 m<br />
2<br />
1<br />
∆ω<br />
A max<br />
β klein<br />
1<br />
A<br />
2 max<br />
β groβ<br />
0 ωR ωο 2 4 ω<br />
Die Resonanzfrequenz ω R bestimmt man aus<br />
der Bedingung dA = 0, dass der Nenner von<br />
dω<br />
A minimal werden muss:<br />
ω R =<br />
√<br />
ω◦ 2 − β2<br />
2m2. (79)<br />
Ein sehr schwach gedämpftes System (β 2 /2m 2 ≪ ω◦) 2 schwingt bei Resonanz praktisch<br />
mit der Frequenz ω ◦ , also der Eigenfrequenz des ungedämpften Oszillators, es ist jedoch<br />
immer ω R < ω ◦ . Die Resonanzamplitude A max erhält man, indem Gl. (79) in Gl. (78)<br />
eingesetzt wird:<br />
A max =<br />
F ◦<br />
√ ≃ F ◦<br />
(80)<br />
β ω◦ 2 − β2 βω ◦<br />
4m 2<br />
Die maximale Amplitude hängt also von der Eigenfrequenz des gedämpften Oszillators ab.<br />
Der Resonanzeffekt ist umso schwächer, je stärker das System gedämpft ist (grosse Werte<br />
von β).<br />
Neben dem Maximalwert ist die Breite ∆ω (siehe Figur) eine charakteristische Grösse<br />
der Resonanzkurve A(ω). ∆ω wird als die volle Breite der Kurve bei halbem Maximalwert<br />
definiert. Setzen wir<br />
ω1<br />
2<br />
= ω R + ∆ω<br />
2 , es soll also ) = A max<br />
A(ω1<br />
2 2<br />
:<br />
Mit Gl. (80) und Gl. (78) erhalten wir als Bestimmungsgleichung für ω1<br />
2<br />
sein.<br />
oder<br />
2β<br />
F ◦<br />
√<br />
ω 2 ◦ − β2<br />
4m 2 =<br />
( 2β<br />
m<br />
) 2 (<br />
m<br />
√ (<br />
ω 2 ◦ − ω 2 1<br />
2<br />
ω 2 ◦ − β2<br />
4m 2 )<br />
F ◦<br />
) 2 ( βω12<br />
) 2<br />
+<br />
= ( ω 2 ◦ − ω 2 1<br />
2<br />
m<br />
) 2<br />
+<br />
( βω1<br />
2<br />
m<br />
) 2<br />
. (81)<br />
Wir wollen ∆ω explizit für schwache Dämpfung berechnen, so dass wir in Gl. (81) die<br />
Näherungen<br />
( βω1<br />
2<br />
m<br />
) 2<br />
≃<br />
( ) 2<br />
βω◦<br />
und ω◦ 2 − ω 2 1<br />
m<br />
2<br />
= ( ω ◦ + ω1<br />
2<br />
) (<br />
ω◦ − ω1<br />
2<br />
) ( ) −∆ω<br />
≃ 2ω◦ = −ω ◦ ∆ω<br />
2<br />
einführen dürfen. Dann folgt aus Gl. (81) ω 2 ◦ (∆ω) 2 = 3β2 ω 2 ◦<br />
m 2<br />
− β4<br />
m 4.<br />
72
Wenn wir den sehr kleinen Term β 4 /m 4 vernachlässigen, erhalten wir die Näherungsformel<br />
für die Resonanzbreite<br />
√<br />
3β<br />
∆ω ≃<br />
m = 2√ 3<br />
(82)<br />
τ<br />
Bei abnehmender Dämpfungskonstante β wird die Resonanzkurve schmaler und höher,<br />
es ist<br />
A max ∆ω ≃ √ 3 F ◦<br />
mω ◦<br />
≃ √ 3 F ◦<br />
√<br />
mk<br />
= konst.<br />
Bei kleinem β ist der Frequenzbereich, in welchem das System auf die äussere Störung<br />
nennenswert anspricht, sehr schmal.<br />
Diese Frequenz-Selektivität des Oszillators ist eng verknüpft mit dem in Kapitel 7.3<br />
eingeführten Q-Faktor. Für den schwach gedämpften Oszillator hatten wir das Ergebnis<br />
Q = mω ◦<br />
β<br />
erhalten. Mit der Beziehung Gl. (82) ergibt sich dann<br />
Q = √ 3 ω ◦<br />
∆ω .<br />
Grosse Q-Werte entsprechen also einer hohen Frequenzselektivität. Dieser Zusammenhang<br />
spielt eine Rolle bei der Stabilisierung schwingungsfähiger Systeme (Quarzuhr, Atomuhr).<br />
Abweichungen von der Sollfrequenz können umso besser korrigiert werden, je schmaler die<br />
Resonanzkurve, je höher der Q-Wert ist.<br />
Die Phasenverschiebung δ [Gl. (78)] zwischen der äusseren Kraft und der stationären<br />
Schwingung hängt wie A ebenfalls stark von β,<br />
δ<br />
ω<br />
π<br />
◦ und ω ab. Kraft und Erregung sind nahezu in<br />
β klein<br />
Phase (δ klein) für niedrige ω. Für ω → ∞ sind<br />
beide um π phasenverschoben, die äussere Kraft<br />
π<br />
wirkt bremsend. Für ω = ω ◦ , also in der Nähe<br />
β<br />
2<br />
groβ<br />
der Resonanzfrequenz, beträgt die Verschiebung<br />
π/2, die äussere Kraft schaukelt das System auf<br />
zu maximalen Schwingungsamplituden. Je kleiner<br />
β ist, umso abrupter erfolgt der Übergang<br />
0 ω ο 2 ω<br />
von kleiner zu grosser Phasenverschiebung.<br />
7.4.1 Vollständige Lösung der erzwungenen Schwingung †<br />
Wie zu Beginn des Kapitels 7.4 angegeben, ist die vollständige Lösung der inhomogenen<br />
Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung x inh. = x hom. + x part. .<br />
Die partikuläre, stationäre Lösung x part. Gl. (78) ist unabhängig von den Anfangsbedingungen,<br />
da die Eigenfrequenz ω ◦ nach langen Zeiten t ausgestorben ist. Die beiden<br />
Integrationskonstanten A h und δ h der homogenen Lösung [z.B. Gl. (69) für den schwach<br />
gedämpften Oszillator] müssen aus den Anfangsbedingungen der vollständigen Lösung<br />
bestimmt werden. Mit z.B. x(t = 0) = 0 und v(t = 0) = 0 gilt dann für die schwache<br />
Dämpfung<br />
mit τ = 2m β , ω2 ◦ = k m , A p =<br />
√<br />
x(t) = A h e −t/τ cos(t ω◦ 2 − (1/τ) 2 − δ h ) + A p cos(ωt − δ) (83)<br />
F ◦<br />
√<br />
m (ω◦ 2 − ω 2 ) 2 + (2ω/τ) 2, tan δ = 2ω<br />
τ(ω◦ 2 − ω 2 )<br />
73
und mit Gl. (83) ist<br />
0 = A h cos(δ h ) + A p cos δ, 0 = −A h<br />
1<br />
τ cosδ h + A h<br />
√<br />
ω 2 ◦ − (1/τ) 2 sin δ h + A p ω sin δ<br />
und damit A h = −A p<br />
cos δ<br />
cos δ h<br />
,<br />
tanδ h = β<br />
2m<br />
[ ]<br />
1 + 2ω2 √<br />
/ ω<br />
ω◦ 2 − ω 2 2 ◦ − (1/τ) 2<br />
Drei Beispiele mit ω ≪ ω ◦ , ω = ω ◦ und ω ≫ ω ◦ sind in den Figuren dargestellt.<br />
Mit starker Dämpfung sowie für die kritische Dämpfung müssen die Integrationskonstanten<br />
analog aus den Anfangsbedingungen festgelegt werden.<br />
2 x(t) ω = 0.15 ω ο ,<br />
1<br />
1/τ=0.1<br />
40 x(t)<br />
ω=ω ο<br />
1/τ=0.015<br />
0.2<br />
x(t)<br />
ω = 3 ω ο ,<br />
1/τ=0.1<br />
0<br />
0<br />
0.0<br />
-1<br />
-2<br />
0 50 100<br />
t<br />
-40<br />
0 100 200 300<br />
t<br />
-0.2<br />
0 50 100<br />
t<br />
7.4.2 Energiebilanz bei erzwungener Schwingung und Resonanz †<br />
[vgl. Brandt, Dahmen S.282] Die Bewegungsgleichung der erzwungenen Schwingung mit<br />
Reibung β⃗v sowie ω 2 ◦ = k/m und der potentiellen Energie der Feder V = 1 2 kx2 = ∫ x<br />
0 kxdx<br />
ist<br />
d 2 x<br />
dt + β dx<br />
2 m dt + ω2 ◦x − F(t)<br />
m = 0<br />
∣ ∣∣ · dx<br />
dt m<br />
⎛<br />
d<br />
⎝ m<br />
dt 2<br />
m dx d 2 x<br />
+β<br />
} dt {{ dt 2 }<br />
( ) ⎞ 2<br />
dx<br />
⎠ = d dt dt T<br />
( ) 2<br />
dx<br />
+ mω 2<br />
dt<br />
◦x dx<br />
} {{ dt}<br />
( mω<br />
2<br />
◦<br />
d<br />
dt<br />
− dx<br />
dt F(t) = 0<br />
)<br />
2 x2 = d dt V<br />
⇒ d ( ) 2<br />
dx<br />
dt (T + V ) = −β + F(t) dx<br />
dt dt = dE<br />
dt ; E = T + V Gesamtenergie<br />
Die zeitliche Änderung der Gesamtenergie ist bestimmt durch die negativen Reibungsverluste<br />
und die positive aufgenommene Energie.<br />
Die Änderung der Gesamtenergie über eine Periode ist:<br />
E(t + T) − E(t) =<br />
t+T ∫<br />
t<br />
dE<br />
dt ′ dt′ =<br />
t+T ∫<br />
t<br />
[<br />
−βẋ 2 + F(t ′ )ẋ ] dt ′<br />
Im stationären Gleichgewichtszustand des eingeschwungenen Systems ist<br />
E(t + T) = E(t)<br />
und damit<br />
t+T ∫<br />
βẋ 2 dt ′ =<br />
t+T ∫<br />
F(t ′ )ẋdt ′ = ¯P · T (84)<br />
t<br />
t<br />
hierbei ist ¯P die mittlere Verlustleistung, die von aussen zugeführte Energie wird<br />
vollständig in Reibungswärme umgewandelt. Es gilt mit dem komplexen Ansatz<br />
z(t) = C e −iωt = |C| e −i(ωt−δ) = |C|[cos(ωt − δ) − i sin(ωt − δ)] mit C = |C| e iδ komplex,<br />
74
R{z(t)} = x(t) = |C| · cos(ωt − δ), ẋ(t) = −|C|ω · sin(ωt − δ) und T = 2π und nach einer<br />
ω<br />
kurzen Rechnung für das erste Integral der Gl.(84) sowie der Substitution ωt ′ − δ = v ′ :<br />
¯P = 1 T<br />
t+T ∫<br />
t<br />
βẋ 2 dt ′ = βω<br />
2π<br />
t+T ∫<br />
t<br />
|C| 2 ω 2 sin 2 (ωt ′ − δ)dt ′ = βω2<br />
v+2π ∫<br />
2π |C|2<br />
sin 2 v ′ dv ′<br />
v<br />
} {{ }<br />
π<br />
= βω2<br />
2 |C|2 .<br />
Für das zweite Integral der Gl.(84) gilt mit F(t) = F ◦ cos ωt, cos 2 (ωt ′ )ωdt ′ = π<br />
und ∫ t+T<br />
t [cos ωt ′ sin ωt ′ ]ωdt ′ = 0 sowie ẋ(t) = R{ż(t)} = R{−iωC e −iωt } =<br />
= R{−iωC(cosωt − i sin ωt)} = −ωR{C} sin ωt + ωI{C} cos ωt ⇒<br />
∫ t+T<br />
t<br />
¯P = 1 T<br />
t+T ∫<br />
t<br />
F(t ′ )ẋdt ′ = − F ◦<br />
T<br />
t+T ∫<br />
t<br />
cos ωt ′[ − R(C) sin ωt ′ + I(C) cos ωt ′] ωdt ′ = ω 2 F ◦I(C)<br />
Mit beiden Integralen erhält man die Unitaritätsrelation für die komplexe Amplitude C<br />
ω<br />
2 F ◦I(C) = βω2<br />
2 |C|2 ⇒ I(C) = βω<br />
F ◦<br />
|C| 2<br />
d.h. eine Relation zwischen dem Imaginärteil und dem Betrag von |C|. Mit der neuen<br />
komplexen Funktion Z = βω<br />
F ◦<br />
C und der bekannten Lösung für die Amplitude C [Gl. (77)<br />
und (78)] erhält man für diese Unitaritätsrelation eine besonders einfache Form:<br />
C =<br />
F ◦<br />
m ( ω 2 ◦ − ω 2 + i βω m<br />
) = F ◦<br />
m<br />
ω 2 ◦ − ω 2<br />
(ω 2 ◦ − ω 2 ) 2 + ( βω<br />
m<br />
) 2<br />
− i F ◦<br />
m 2<br />
βω<br />
(ω 2 ◦ − ω 2 ) 2 + ( βω<br />
m<br />
) 2<br />
Z = βω m<br />
I(C) = − F ◦<br />
m 2<br />
ω 2 ◦ − ω 2<br />
(ω 2 ◦ − ω 2 ) 2 + ( βω<br />
m<br />
βω<br />
(ω 2 ◦ − ω 2 ) 2 + ( βω<br />
m<br />
( βω<br />
) 2<br />
− i<br />
m<br />
) 2<br />
1<br />
(ω◦ 2 − ω 2 ) 2 + ( )<br />
βω 2<br />
m<br />
) 2<br />
= βω<br />
F ◦<br />
|C| 2 multipliziert mit · βω<br />
F ◦<br />
ergibt:<br />
I(Z) = |Z| 2 = [R(Z)] 2 + [I(Z)] 2 ⇒ [R(Z)] 2 + [I(Z)] 2 − I(Z) + 1 4 = 1 4 .<br />
Dies ist eine Kreisgleichung [R(Z)] 2 + [ ] 2<br />
I(Z) − 1 2 =<br />
1<br />
mit dem Radius 1 und dem<br />
4 2<br />
Mittelpunkt bei (0, i ) in der komplexen Ebene. Diese Darstellung von Resonanzen wird in<br />
2<br />
der <strong>Teil</strong>chenphysik als Argand-Diagramm zur Analyse von angeregten <strong>Teil</strong>chenzuständen<br />
d.h. sehr kurzlebigen <strong>Teil</strong>chenresonanzen benutzt.<br />
Wegen der Unitaritätsrelation hat die komplexe Zahl Z und damit C nur ein unabhängiges<br />
Bestimmungsstück. ¯P =<br />
ω<br />
2 F ◦I(C) ist die abgegebene Leistung bestimmt<br />
durch den Imaginärteil (siehe Figuren S. 76).<br />
Aus dem Argand-Diagramm sieht man, dass vier äquivalente Bedingungen die Resonanz<br />
ω = ω ◦ bestimmen: δ = π/2; |Z| = max; I(Z) = max; R(Z) = 0.<br />
Das Maximum der Schwingungsamplitude liegt stets unterhalb der Resonanzfrequenz. Die<br />
Verlustleistung ¯P erreicht im Gegensatz zur Amplitude |C| bei ω = ω ◦ ihr Maximum.<br />
75
(Re Z) 2 +(Im Z-1/2) 2 =1/4<br />
Im Z<br />
Z<br />
ω 2 2δ ω 1<br />
δ<br />
Re Z<br />
1<br />
1<br />
2<br />
2<br />
Re Z<br />
ω 1<br />
π<br />
3<br />
ω ο<br />
4<br />
π<br />
1<br />
π<br />
2<br />
1<br />
π<br />
4<br />
ω 2<br />
Re Z=<br />
2γω(ω2<br />
ο −ω 2 )<br />
Im Z= |Z| 2<br />
(ω 2 −ω 2 ο ) 2 +4γ 2 ω 2<br />
Im Z=<br />
ω 1 ω ο ω 2<br />
δ=arc cotan ω ο 2 −ω 2<br />
2γω<br />
ω 1<br />
ω ο<br />
ω 2<br />
4γ 2 ω 2<br />
(ω 2 −ω 2 ο ) 2 +4γ 2 ω 2<br />
Groβe Dampfung " γ=1, ω ο =1<br />
ω<br />
ω<br />
Argand-Diagramm. Verlauf<br />
von I(Z), R(Z) und der<br />
Phase δ = η als Funktion<br />
der Erregerfrequenz ω.<br />
γ = 2β/m.<br />
Auf dem Kreis wird der<br />
stationäre Gleichgewichtszustand<br />
beschrieben.<br />
Innerhalb des Kreises wird<br />
zusätzlich zu den Reibungsverlusten<br />
Energie durch hier<br />
nicht berücksichtigte Prozesse<br />
verloren.<br />
Ausserhalb des Kreises erzeugt<br />
das System als ein<br />
perpetuum mobile Energie.<br />
ω<br />
1.00 IM (D13)<br />
N (1700)<br />
N (1520)<br />
N (2080)<br />
0.75<br />
0.50<br />
0.25<br />
-0.50 -0.25 0 0.25 -0.25 0 0.25 0.50<br />
1100<br />
N (1700)<br />
RE (D13)<br />
1100<br />
N (1520)<br />
N (2080)<br />
0.75<br />
0.50<br />
0.25<br />
1400 1700 2000 2300<br />
1100 1400 1700 2000 2300<br />
ENERGY (MeV)<br />
Argand-Diagramm der elastischen<br />
π-N Streuamlitude<br />
bei 1500 MeV [Particle<br />
Data Physcis Letters<br />
B204(1988)368].<br />
1400<br />
1400<br />
1700<br />
1700<br />
N ELASTIC D13 AMPLITUDE<br />
2000<br />
2000<br />
2300<br />
2300<br />
ENERGY (MeV)<br />
ENERGY (MeV)<br />
76
8 Relativbewegungen<br />
Bei der Diskussion der Newtonschen Prinzipien haben wir betont, dass sie nur in einem Inertialsystem<br />
gültig sind. Nach dem 1. Newtonschen Prinzip (Trägheitsprinzip Kap. 2.2.1)<br />
ist das ein solches Koordinatensystem, in dem ein isolierter, also keinen Kräften unterworfener<br />
Massenpunkt sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Als Inertialsystem haben<br />
wir meist ein auf der Erdoberfläche verankertes Koordinatensystem benutzt 57 , oder auch<br />
im Fall der Planetenbewegung ein im Schwerpunkt der Sonne ruhendes System. Die mit<br />
der Newtonschen <strong>Mechanik</strong> berechneten Bewegungen stimmten ausgezeichnet mit den<br />
Messungen überein.<br />
Es stellen sich dann die Fragen: wie kann man verschiedene Inertialsysteme unterscheiden?<br />
Wie lauten die Bewegungsgleichungen in Nicht-Inertialsystemen? Insbesondere<br />
die Beantwortung der zweiten Frage ist von grosser praktischer Bedeutung, da wir sehen<br />
werden, dass Rechnungen oft vereinfacht werden können, wenn man sie in einem<br />
beschleunigten Nicht-Inertialsystem ausführt.<br />
8.1 Relativitätsprinzip der <strong>Mechanik</strong><br />
Ein Koordinatensystem können wir uns immer durch Vektoren in einem starren Körper<br />
realisiert denken. In einem solchen Körper bleiben per definitionem die Abstände beliebiger<br />
Punktepaare konstant. Wir betrachten zwei Systeme dieser Art, das S-System (z.B.<br />
Laborsystem) mit den xyz-Achsen und das relative S r -System mit den x r y r z r -Achsen<br />
(Abb. Seite 78). Der Ort eines Massenpunktes m wird durch die Ortsvektoren ⃗r und ⃗r r<br />
festgelegt.<br />
Dann gilt ⃗r = ⃗r ◦ + ⃗r r . (85)<br />
Wir setzen voraus, dass in beiden Systemen die klassische, nicht-relativistische <strong>Mechanik</strong><br />
gilt, d.h. alle Geschwindigkeiten sind klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit (v ≪ c).<br />
Dann gelten bis zu einer hohen Genauigkeit die klassischen Vorstellungen von Raum, Zeit<br />
und Masse:<br />
a) In beiden Systemen werden die gleichen Massstäbe zur Längenmessung verwendet.<br />
Das impliziert, dass die Standard-Massstäbe von S und S r verglichen werden<br />
können.<br />
b) Beide Systeme benutzen die gleiche Zeit. Wenn in S eine Zeit ∆t zwischen zwei<br />
Ereignissen beobachtet wird, so wird in S r das gleiche Intevall ∆t r = ∆t gemesen.<br />
c) Der Massenpunkt hat in beiden Systemen die gleiche Masse.<br />
In der Relativitätstheorie sind diese drei Annahmen nicht mehr haltbar, sobald die<br />
Geschwindigkeiten vergleichbar mit c werden.<br />
Wir wollen nun annehmen, durch Versuche habe sich erwiesen, dass S ein Inertialsystem<br />
sei. Dann lässt sich sofort zeigen, dass auch S r ein Inertialsystem ist, falls es sich<br />
gleichförmig<br />
gradlinig gegenüber S bewegt, d.h. wenn gilt<br />
d⃗r ◦<br />
dt = ⃗v ◦ = konst. (86)<br />
57 dabei jedoch die Rotation der Erde als kleinen Effekt vernachlässigt. Ein Labor auf der Erde ist bei<br />
genauer Messung ein beschleunigtes Nicht-Inertialsystem mit den entsprechenden Schein- oder Trägheitskräften<br />
(Kapitel 8.5).<br />
77
Denn zweimalige Differentiation von Gl. (85) liefert<br />
d⃗r<br />
dt = ⃗v = d⃗r ◦<br />
dt + d⃗r r<br />
dt = ⃗v ◦ + ⃗v r<br />
und<br />
d 2 ⃗r<br />
dt 2 = ⃗a = d2 ⃗r r<br />
dt 2 = ⃗a r.<br />
Aus ⃗a = ⃗a r folgt aber, dass auch die Kräfte ⃗ F = m⃗a und ⃗ F r = m⃗a r in beiden Systemen die<br />
gleichen sind, also gilt auch in S r die Newtonsche <strong>Mechanik</strong>, S r ist auch ein Inertialsystem.<br />
Alle Koordinatensysteme, die sich gleichförmig geradlinig gegenüber einem Inertialsystem<br />
bewegen, sind also ebenfalls Inertialsysteme. Sie lassen sich nicht unterscheiden,<br />
und es ist deshalb unmöglich festzustellen, ob eines dieser Systeme “absolut in Ruhe” ist.<br />
Dies ist das Relativitätsprinzip der <strong>Mechanik</strong>.<br />
Wenn Gl. (86) gilt, so lässt sich Gl. (85) auch in der Form<br />
⃗r = ⃗r r + ⃗v ◦ t<br />
der Galilei-Transformation<br />
schreiben. Wenn diese Transformationsgleichung zwischen den Systemen S und S r gültig<br />
ist, gilt das Relativitätsprinzip der <strong>Mechanik</strong>, in anderen Worten formuliert:<br />
Es ist einem Beobachter unmöglich, mit Hilfe von mechanischen<br />
Experimenten herauszufinden, ob sein Bezugssystem<br />
in Ruhe oder in gleichförmiger Bewegung ist.<br />
Auch mit anderen Wechselwirkungen wie z.B. elektrodynamischen oder optischen Versuchen<br />
ist eine solche Unterscheidung nicht möglich.<br />
8.2 Die Kinematik in einem bewegten Bezugssystem<br />
Wir behandeln jetzt eine beliebige Bewegung (auch Rotationen und damit beschleunigte<br />
Systeme) des Systems S r gegenüber dem Inertialsystem S im folgenden Ruhesystem oder<br />
Laborsystem genannt. Ein ausgedehnter Körper mit einer allgemeinen Bewegung hat sechs<br />
Freiheitsgrade, 3 der Translation und 3 der Rotation. Es gelte wie in Kapitel 8.1 die<br />
klassische <strong>Mechanik</strong>.<br />
z r ✻<br />
Das bewegte Bezugssystem sei ein starrer Raum S r (x r ,y r ,z r ) z ✻ m ⃗ω<br />
✡ ✡✣<br />
S r<br />
✉<br />
(Fahrzeug), der vom ruhenden System S(x,y,z) aus beschrieben<br />
wird mit ⃗r ◦ , ⃗v ◦ (Ortsvektor und Geschwindigkeit des Ursprungs<br />
von S r ) und ⃗ω (Winkelgeschwindigkeit von S r um ✓ ✒ x r<br />
✡✏ ✏✏✏✏✶ y r<br />
✓✓ ✓✼ ✂✍<br />
⃗r r<br />
⃗r<br />
✂ ✲<br />
⃗r<br />
✓<br />
◦<br />
eine Achse durch den Ursprung von S r ). Im relativen System<br />
S ✓ y<br />
S r (x r ,y r ,z r ) wird eine Masse m mit ⃗r r , ⃗v r und ⃗a r gekennzeichnet.<br />
Im ruhenden System beschreiben ⃗r, ⃗v, ⃗a die Masse m.<br />
x<br />
✏ ✏✏✏✏✏✏✶ <br />
✓<br />
✲<br />
Für eine reine Translation von S r gilt: ⃗v = ⃗v ◦ . Für eine reine Rotation von S r gilt für einen<br />
Massenpunkt: ⃗v = ⃗ω × ⃗r r . Der Koordinatenursprung von S r liegt auf der Drehachse. Die<br />
Winkelgeschwindigkeit ist (im Gegensatz zu L ⃗ ◦ und M ⃗ ◦ ) unabhängig von der Wahl des<br />
Bezugspunktes 58 . Für eine allgemeine Bewegung des Fahrzeuges ist die Geschwindigkeit<br />
58 Beweis: P ◦ und P ′ ◦ seien zwei beliebige Bezugspunkte mit dem relativen<br />
Verbindungsvektor ⃗s. Die Führungsgeschwindigkeit des Fahrzeuges ist<br />
⃗v F = ⃗v ◦ +⃗ω ×⃗r r bzw. ⃗v F = ⃗v ′ ◦ + ⃗ω ′ × ⃗r ′ r weiter ist ⃗v ′ ◦ = ⃗v ◦ +⃗ω ×⃗s; ⃗r r = ⃗s+ ⃗r ′ r<br />
⇒<br />
⃗v F = ⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗r r = ⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗s + ⃗ω ′ × ⃗r r − ⃗ω ′ × ⃗s ⇒ (⃗ω − ⃗ω ′ ) × ⃗r r = (⃗ω − ⃗ω ′ ) × ⃗s.<br />
Diese Vektorgleichung kann für alle ⃗r r nur erfüllt werden, wenn ⃗ω = ⃗ω ′ gilt, qed.<br />
z r<br />
✻ m ⃗ω<br />
✡<br />
✡✣<br />
S r<br />
<br />
⃗r r ✡<br />
✡✂ ✂✍<br />
⃗r ′<br />
✘ ✘✿❅❅■ ♣ P ′ ◦<br />
⃗s ✲<br />
P ◦<br />
x r<br />
78
eines beliebigen Punktes beschrieben durch die Addition 59 der beiden obigen Terme:<br />
⃗v F = ⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗r r .<br />
Mit der absoluten Zeit 60 t = t r und unter Beachtung, dass infolge der Drehung<br />
d r ⃗r r<br />
dt<br />
≠ d⃗r r<br />
dt<br />
ist 61 , gilt in den beiden Systemen für den Ortsvektor, die Geschwindigkeit<br />
und den Beschleunigungsvektor eines Punktes:<br />
S(x,y,z) S r (x r ,y r ,z r )<br />
Ort: ⃗r(t) = ⃗r ◦ + ⃗r r ⃗r r (t r ) = ⃗r r (t)<br />
Relativbewegung<br />
Geschwindigkeit:<br />
Beschleuigung:<br />
⃗v = d⃗r<br />
dt<br />
⃗a = d⃗v<br />
dt = d2 ⃗r<br />
dt 2<br />
⃗v r = d r⃗r r<br />
dt r<br />
⃗a r = d r⃗v r<br />
dt<br />
= d r⃗r r<br />
dt<br />
= d2 r⃗r r<br />
dt 2<br />
Spezialfall: nur Führungsgeschwindigkeit m mit Fahrzeug verbunden<br />
⃗v F = ⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗r r<br />
⃗r r = konst<br />
⃗a F = d⃗v F<br />
∣<br />
dt<br />
⃗v r = ⃗a r = 0<br />
⃗vr=0<br />
Gefragt wird nach den Beziehungen zwischen den beiden Systemen. Für den allgemeinen<br />
Fall mit der Masse m und ⃗v r ≠ 0 gilt:<br />
⃗v = ⃗v F + ⃗v r = ⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗r r + ⃗v r = ⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗r r + d r⃗r r<br />
dt<br />
= d dt (⃗r ◦ + ⃗r r ) = ⃗v ◦ + d⃗r r<br />
dt<br />
(87)<br />
Mit diesen beiden Gleichungen kann die gesuchte Beziehungen d<br />
dt<br />
= d r<br />
dt + ⃗ω×<br />
als Transformation vom System S in das System S r z.B. für ⃗r r aufgestellt werden:<br />
d⃗r r<br />
dt = d r⃗r r<br />
dt<br />
+ ⃗ω × ⃗r r und mit allgemeinem Vektor ⃗ A :<br />
d ⃗ A<br />
dt = d r ⃗ A<br />
dt + ⃗ω × ⃗ A (88)<br />
Anschaulich fehlt in S r die Drehbewegung ⃗ω × ⃗r r . Für die Beschleunigungen gilt:<br />
Absolutbeschleunigung: ⃗a = d⃗v<br />
dt = d2 ⃗r<br />
dt ,<br />
Relativbeschleunigung: ⃗a r = d r⃗v r<br />
dt<br />
= d2 r⃗r r<br />
dt 2<br />
Führungsbeschleunigung: ⃗a F = d⃗v F<br />
∣<br />
dt<br />
dr⃗rr<br />
dt =⃗vr=0<br />
Mit den Gleichungen (87) kann ein Zusammenhang zwischen den Beschleunigungen gefunden<br />
werden.<br />
Es ist<br />
d⃗ω<br />
dt = d r⃗ω<br />
dt<br />
+ ⃗ω × ⃗ω = d r⃗ω<br />
} {{ } dt<br />
=0<br />
und ⃗a = d⃗v<br />
dt = d⃗v ◦<br />
dt + d dt (⃗ω × ⃗r r) + d dt<br />
( )<br />
dr ⃗r r<br />
.<br />
dt<br />
59 Beachte, dass ⃗v F , ⃗v ◦ und ⃗ω × ⃗r r alle drei normale polare Vektoren sind, die addiert werden können.<br />
Axiale Vektoren wie ⃗ω können nicht so einfach addiert werden.<br />
60 Dies gilt für v ≪ c der Lichtgeschwindigkeit; sonst muss die Relativitätstheorie bemüht werden.<br />
61 d⃗r r<br />
dt<br />
differenziert im ruhenden und dr⃗rr<br />
dt<br />
im bewegten System. Wegen der relativen Bewegung und der<br />
Drehung können diese beiden Ableitungen nicht identisch sein, und wir müssen eine Beziehung zwischen<br />
beiden suchen.<br />
79
Der Operator d dt von Gl.(88) auf d r⃗r r<br />
dt<br />
⃗a F =<br />
⇒<br />
angewandt:<br />
d<br />
dt<br />
( )<br />
dr ⃗r r<br />
= d r<br />
dt dt<br />
⃗a = d⃗v ◦<br />
dt + d⃗ω<br />
dt × ⃗r r + ⃗ω × d⃗r r<br />
dt + d2 r⃗r r<br />
dt + ⃗ω × d r⃗r r<br />
2 dt<br />
und mit Gl.(88) ⃗a = d⃗v ◦<br />
dt + d⃗ω<br />
dt × ⃗r r + ⃗ω × d r⃗r r<br />
dt<br />
⃗a = d⃗v ◦<br />
dt + d⃗ω<br />
dt × ⃗r r + ⃗ω × (⃗ω × ⃗r r )<br />
} {{ }<br />
⃗a F<br />
( )<br />
dr ⃗r r<br />
+ ⃗ω × d r⃗r r<br />
dt dt<br />
+ ⃗ω × (⃗ω × ⃗r r ) + d2 r⃗r r<br />
dt + ⃗ω × d r⃗r r<br />
2 dt<br />
+ 2 · ⃗ω × d r⃗r r<br />
+ d2 r⃗r r<br />
(89)<br />
} {{ dt } } dt {{ 2 }<br />
⃗a = ⃗a F<br />
+ ⃗a C<br />
+ ⃗a r<br />
kann identifiziert werden zu ⃗a F = d⃗v F<br />
∣<br />
dt<br />
= d ⃗vr= dr⃗rr<br />
dt =0 dt [⃗v ◦ + ⃗ω × ⃗r r ] ∣ ∣⃗vr=0 =<br />
]<br />
[ d⃗v◦<br />
dt + d⃗ω<br />
dt × ⃗r r + ⃗ω × d⃗r ] [<br />
r d⃗v◦<br />
=<br />
dt<br />
⃗v r=0<br />
dt + d⃗ω<br />
dt × ⃗r r + ⃗ω × d r⃗r r<br />
dt<br />
und damit wird mit ⃗v r = d r⃗r r<br />
dt<br />
+ ⃗ω × (⃗ω × ⃗r r )<br />
⃗v r=0<br />
= 0 ⃗a F = d⃗v ◦<br />
dt + d⃗ω<br />
dt × ⃗r r + ⃗ω × (⃗ω × ⃗r r ) (90)<br />
⃗a = ⃗a F +⃗a r + 2 · ⃗ω × ⃗v r = ⃗a F +⃗a r +⃗a C (91)<br />
⃗a C = 2 · ⃗ω × ⃗v r die Coriolisbeschleunigung (92)<br />
Eine Coriolisbeschleunigung⃗a C tritt nur dann auf, wenn das bewegte System eine Drehung<br />
⃗ω ausführt und der Massenpunkt eine Relativgeschwindigkeit ⃗v r ≠ 0 hat sowie ⃗v r nicht<br />
parallel zu ⃗ω liegt. ⃗a r ist die Relativbeschleunigung und ⃗a F die Führungsbeschleunigung.<br />
8.3 Die Dynamik in einem bewegten Bezugssystem<br />
Das Aktionsprinzip der Bewegung eines Körpers mit der Masse m im System S ist<br />
m⃗a =<br />
n∑<br />
⃗F i = F ⃗<br />
i=1<br />
mit ⃗ F den resultierenden äusseren Kräften.<br />
Dann gilt auch mit Gl.(91) m⃗a = m(⃗a r +⃗a F +⃗a C ) = ⃗ F.<br />
Ein in S r mitbewegter Beobachter registriert nur die Relativbeschleunigung ⃗a r und findet<br />
deshalb für das Aktionsprinzip m⃗a r = ⃗ F − m⃗a F − m⃗a C<br />
und mit − m⃗a F = ⃗ Z sowie − m⃗a C = −2 · m(⃗ω × ⃗v r ) = ⃗ C = 2 · m(⃗v r × ⃗ω)<br />
⇒ m⃗a r = ⃗ F + ⃗ Z + ⃗ C das Aktionsprinzip im bewegten System. (93)<br />
⃗Z die Führungskraft, in der die Zentrifugalkraft −m⃗ω×(⃗ω×⃗r r ) enthalten ist, und ⃗ C die<br />
Corioliskraft haben die Dimension einer Kraft; sie sind in S keine wahrhaft existierenden<br />
Kräfte sondern Schein- oder Trägheitskräfte, die ein bewegter Beobachter als Korrektur in<br />
die Newtonsche Bewegungsgleichung einführen muss, wenn er dort an Stelle der Beschleunigung<br />
⃗a die Relativbeschleunigung ⃗a r einsetzt. Sie haben keine Reaktionskräfte. Obwohl<br />
sie nur Schein- oder Trägheitskräfte sind, existieren sie als reale Kraft im bewegten System<br />
S r . Ein beschleunigtes Bezugssystem ist kein in sich abgeschlossenes Inertialsystem,<br />
es müssen von aussen Kräfte wirken, um das System mit Massen zu beschleunigen.<br />
80
8.4 Beispiele und Spezialfälle für bewegte Systeme<br />
8.4.1 Gleichförmig bewegtes System S r<br />
Es ist ⃗v F = ⃗v ◦ = konst, folglich ⃗a F = ⃗a C = 0 und somit ⃗a r = ⃗a.<br />
Auch S r ist dann ein Inertialsystem, wie wir schon in Kapitel 8.1 diskutiert haben.<br />
8.4.2 Rein translatorisch beschleunigtes System S r<br />
In einem rein translatorisch beschleunigten Bezugssystem ist ⃗ω = 0, ⃗ C = 0 und damit<br />
m⃗a r = ⃗ F + ⃗ Z. Mit ⃗ Z = −m⃗a F sowie mit ⃗v F = ⃗v ◦ (t) folgt ⃗a F = ˙⃗v ◦ = ⃗a ◦ . Damit spürt z.B.<br />
der Insasse eines mit ⃗a ◦ beschleunigten Fahrzeuges die Kraft m⃗a r = ⃗ F − m⃗a ◦ . Wenn die<br />
auf ihn wirkende Kraft ⃗ F = 0 ist, erfährt er die beschleunigende Trägheitskraft<br />
m⃗a r = −m⃗a ◦ .<br />
S und S r sind nicht mehr äquivalent, es werden verschiedene Beschleunigungen in<br />
beiden Systemen gemessen.<br />
8.4.3 Ein reibungsloser Massenpunkt auf einer beschleunigten Unterlage<br />
Die Geschwindigkeit des reibungslosen Massenpunktes relativ zum Hörsaal sei Null.<br />
✛Z ✻N<br />
✉ ✲ x r<br />
❄G ✲ a ◦<br />
❜ ♠ ❜ ♠<br />
✲x<br />
Es ist N = mg und ⃗ Z = −m⃗a ◦ sowie m⃗a r = −m⃗a F und<br />
m d2 rx r<br />
dt 2 = −ma F .<br />
Spezialfälle (die Konstanten C 1 und C 2 werde durch die Anfangsbedingungen bestimmt):<br />
(1) a F = konst. = a ◦ → v r (t) = −a ◦ t + C 1<br />
x r (t) = − a◦<br />
2 t2 + C 1 t + C 2 .<br />
(2) a F = a ◦ cos ωt → d2 rx r<br />
= −a<br />
dt 2<br />
◦ cos ωt<br />
x r (t) = a◦ cos ωt + C<br />
ω 2 1 t + C 2 .<br />
Ein Beobachter im Laborsystem beschreibt den Massenpunkt in Ruhe und bestimmt<br />
die Relativkoordinaten aus der beschleunigten Bewegung des Tisches.<br />
8.4.4 Mathematisches Pendel auf einer vertikal beschleunigten Plattform<br />
✻z<br />
❆<br />
Es ist Z ⃗ = −m⃗a<br />
❆<br />
◦ = −ma ◦<br />
⃗ k und damit die Bewegungsgleichung<br />
für die Tangentialkomponente<br />
ϕ❆<br />
l<br />
❆❑ ❆<br />
❆<br />
F<br />
∗<br />
❆✉ ❆<br />
ml d2 rϕ<br />
a ◦ ❄G<br />
dt = −(mg + ma ◦) sin ϕ.<br />
2<br />
✻<br />
Für kleine Ausschläge ist sinϕ ≃ ϕ, also<br />
❄Z<br />
d 2 ( )<br />
rϕ g +<br />
✲x<br />
dt + a◦<br />
ϕ = 0. Mit dem Ansatz<br />
2 l<br />
ϕ(t) = ϕ ◦ cos(Ωt − δ) ist Ω =<br />
√<br />
g + a◦<br />
l<br />
die Kreisfrequenz des Pendels.<br />
Fällt die Plattform frei, so ist g = −a ◦ , also Ω = 0, d.h. die Schwingungsdauer ist<br />
unendlich. Der freie Fall merkt keine Gravitationskraft.<br />
81
8.4.5 Gleichförmig rotierendes System S r<br />
Die translatorische Bewegung verschwindet. Wir behandeln verschiedene Experimente auf<br />
dem Drehtisch.<br />
a) Ein Massenpunkt m sei auf einer mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ⃗ω sich drehenden,<br />
horizontalen Unterlage durch eine Feder mit der Drehachse verbunden. m<br />
sei relativ zur Unterlage in Ruhe. Es herrscht scheinbares Gleichgewicht. Im ruhenden<br />
System beschreibt m eine Kreisbahn. Die wahren Kräfte sind, wenn keine<br />
Reibungen vorhanden sind<br />
✻ ⃗ω<br />
G = N und F F = m v2<br />
r = mr rω 2 .<br />
Ein mitbewegter Beobachter hat eine Scheinkraft einzuführen,<br />
um die relative Ruhe erklären zu können. Es<br />
⃗N ⃗r r ✲<br />
∼∼∼∼∼ ✛<br />
✻ ✉ ✲ Z ⃗ ist<br />
⃗F F ❄⃗G<br />
⃗v F = ⃗ω × ⃗r r , ⃗v r = 0, also C ⃗ = 0<br />
sowie ˙⃗v ◦ = 0 und d⃗ω<br />
dt<br />
= 0 und die Führungskraft ist:<br />
⃗Z = −m⃗a F = −m[⃗ω × (⃗ω × ⃗r r )] die Zentrifugalkraft. (94)<br />
Der Betrag der Zentrifugalkraft ist mit ⃗ω ⊥ ⃗r r Z = mr r ω 2 . ⃗ Z und ⃗ F F erfüllen die<br />
Gleichgewichtsbedingung im beschleunigten Relativsystem.<br />
b) Vom Ursprung des ruhenden Systems S bewegt sich eine Masse m mit konstanter<br />
Geschwindigkeit v ◦ , es wirken keine äusseren Kräfte. Der Beobachter in S r sieht<br />
eine spiralförmig nach aussen bewegte Masse, für die die Geschwindigkeit direkt<br />
angegeben werden kann mit den Komponenten in Polarkoordinaten v rr = drrr = v<br />
dt ◦<br />
d<br />
und v rϕ = r rϕ r r = −ωr<br />
dt r sowie nach einfacher Integration für die Ortskoordinaten<br />
r r = v ◦ t und ϕ r = −ωt. Nach Gl.(93) gilt für ihn das Aktionsprinzip<br />
m⃗a r = ⃗ Z + ⃗ C = −m⃗a F − m⃗a C = −m · ⃗ω × (⃗ω × ⃗r r ) − 2m · ⃗ω × ⃗v r ,<br />
d.h. er beobachtet eine Zentrifugalkraft und eine Corioliskraft 62 . Die Corioliskraft<br />
sucht die Richtung der Geschwindigkeit dauernd zu ändern ohne den Betrag zu<br />
beeinflussen, wie dies auf der Erde bei den Monsunen, Passatwinden und dem Golfstrom<br />
auch beobachtet wird. Versucht der Beobachter in S r die Masse festzuhalten,<br />
dann muss er eine Reaktionskraft zu ⃗ Z + ⃗ C aufbringen.<br />
c) Relatives Gleichgewicht eines Schwerelots auf dem Drehtisch<br />
62 Setzt man die oben gefundene Lösung r r = v ◦ t und ϕ r = −ωt in die allgemeinen Gleichungen für die<br />
Beschleunigung in Polarkoordinaten ein<br />
a rr = d2 rr r<br />
dt 2 − r r<br />
( ) 2 dr ϕ r<br />
= −r r ω 2 d 2<br />
und a rϕ = r<br />
rϕ r<br />
r<br />
dt<br />
dt 2 + 2dr r d r ϕ r<br />
dt dt<br />
= −2v ◦ ω<br />
dann erhält man in Übereinstimmung die oben angegebene Zentrifugal- und Coriolisbeschleunigung.<br />
82
◦<br />
❆<br />
❆<br />
ϕ❆<br />
l<br />
❆❑ ❆<br />
❆<br />
r r ✲<br />
F<br />
∗<br />
❆ ❆✉ ✲Z<br />
❄G<br />
ω<br />
Ein rotierender Beobachter findet das Lot in Ruhe, wenn<br />
⃗v r = 0, also C = 0 ist. Die Gleichgewichtsbedingungen<br />
sind<br />
F sin ϕ = mr r ω 2 = m(r ◦ +lsin ϕ)ω 2 und F cos ϕ = mg.<br />
Durch Division der beiden<br />
ϕ<br />
Gleichungen erhalten wir<br />
π/2<br />
(vgl. Kap. 3.6.3)<br />
r◦/l=1<br />
tanϕ = (r ◦ + l sin ϕ)ω 2<br />
.<br />
g<br />
1<br />
r◦/l=0.01<br />
ω 2 k =g/l<br />
ω/ω κ<br />
0<br />
0 1 2 3 4<br />
d) Ein ruhender Massenpunkt werde vom gleichmässig drehenden (⃗ω =konst.) Bezugssystem<br />
S r aus beobachtet. Die Summe der wahren Kräfte ist Null, weil gilt<br />
⃗v = konst. = 0. Relativ zum System S r beschreibt m eine Kreisbahn mit dem Radius<br />
ρ.<br />
Es ist ⃗v F = ⃗ω × ⃗r r und ⃗v = ⃗v r + ⃗ω × ⃗r r = 0, also ⃗v r = −⃗ω × ⃗r r , ⃗a F = ⃗ω × (⃗ω × ⃗r r )<br />
und mit Gl. (92) ⃗a C = −2⃗ω × (⃗ω × ⃗r r ) = −2⃗a F ; ⃗ Z = −m⃗ω × (⃗ω × ⃗r r ); ⃗ C = −2 ⃗ Z.<br />
Die resultierende Scheinkraft ist mit Gl. (93) − ⃗ Z und stellt eine scheinbare Zentripetalkraft<br />
mit dem Betrag mρω 2 dar.<br />
e) Schwingendes Pendel auf dem Drehtisch. Damit im System S r die Bewegung eben<br />
bleibt, ist m durch eine Stange mit dem Aufhängepunkt verbunden. Die in ihm<br />
auftretende Führungskraft kompensiert die Corioliskraft. Die Bewegungsgleichung<br />
in Tangentialrichtung lautet<br />
<br />
❆<br />
❆<br />
ϕ❆<br />
l<br />
❆❑ ❆<br />
❆ F ⃗ m❆<br />
❆✉<br />
⃗Z ✲<br />
⃗G<br />
✻<br />
⃗ω<br />
❄<br />
<br />
<br />
ml d2 rϕ<br />
= −mg sin ϕ + Z cos ϕ =<br />
dt2 = −mg sin ϕ + lω 2 m sin ϕ cos ϕ.<br />
Für kleine ϕ gilt genähert sinϕ ≈ ϕ, cos ϕ ≈ 1<br />
d 2 ( )<br />
rϕ g<br />
dt + 2 l − ω2 ϕ = 0 mit der Lösung<br />
√ √ g g<br />
ϕ(t) = ϕ ◦ cos(Ωt − δ) mit Ω =<br />
l − ω2 für ω ≤<br />
l<br />
Die Schwingungsdauer nimmt mit zunehmender Drehgeschwindigkeit ω zu und für<br />
ω = ω ◦ = √ g<br />
wird sie T = ∞.<br />
l<br />
Schwingt das Pendel frei, d.h. ist die Bewegung nicht auf eine mitrotierende Ebene<br />
beschränkt, so muss die Corioliskraft berücksichtigt werden. Am einfachsten betrachten<br />
wir dann das Pendel vom ruhenden Beobachter aus. Für diesen schwingt<br />
es in einer Ebene, die rotierende Plattform dreht sich einfach unter dem Pendel weg,<br />
und wir erhalten mit x = x ◦ cos ω ◦ t, y = 0 im ruhenden System und α = ωt für<br />
die Drehung im Relativsystem: x r = x cos α = x ◦ cos ωt cos ω ◦ t<br />
und y r = −x sin α = −x ◦ sin ωt cos ω ◦ t die Bahn einer Hypozykloide.<br />
83
8.5 Trägheitseffekte auf der Erde<br />
In den vorausgegangenen Beispielen spielte der Hörsaal und damit die Erde die Rolle des<br />
ruhenden Systems. Diese Wahl führte zu keinen Widersprüchen mit der Erfahrung, obwohl<br />
die Erde ein bewegtes Bezugssystem ist. Der Grund liegt darin, dass auf der Erde Z und<br />
C viel kleiner als mg sind. Es können aber terrestrische Versuche ausgeführt werden, die<br />
eindeutig die Trägheitseffekte als Folge des Bewegungszustandes der Erde zeigen.<br />
8.5.1 Nachweis der Erdrotation mit dem Foucaultpendel<br />
N<br />
Ein schwingendes Pendel behält infolge der Trägheit seine<br />
Schwingungsebene im Raum bei. Dieses eigentümliche<br />
m<br />
Verhalten offenbart sich beim Foucault-Versuch (1850/51<br />
ω → ω →<br />
S<br />
β<br />
in Paris). Ein Ort auf der Erde mit der geographischen<br />
Breite β rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω ·sin β um<br />
eine zur Erdoberfläche senkrechte Achse; mit dieser Winkelgeschwindigkeit<br />
dreht sich die Erde unter dem schwingenden<br />
Pendel hinweg. Die effektive Umlaufszeit der Horizontalebene<br />
relativ zur Schwingungsebene des Pendels in<br />
der geographischen Breite β ist<br />
T = 2π/ω sin β mit ω = 2π/24 Stunden.<br />
Zur Berechnung wurde hier der axiale Vektor ⃗ω in die Komponenten senkrecht ω ⊥ und<br />
parallel ω ‖ zur Erdoberfläche bei der geographischen Breite β zerlegt 63 .<br />
Für Zürich mit β ≈ 47 ◦ ist T = 34 h, am Pol: T = 24 h und am Äquator: T = ∞.<br />
8.5.2 Eine Lotabweichung infolge der Erdrotation<br />
erfährt eine Masse m auf der Erde durch eine von der Erdachse fortgerichtete Zentrifugalkraft<br />
⃗ Z vom Betrage Z = mω 2 R cos β.<br />
Zusammen mit dem Gewicht G ◦ = mg ◦ , das m bei nicht rotierender Erde hätte, ergibt<br />
sich ein effektives Gewicht ⃗ Geff = ⃗ G ◦ + ⃗ Z, das nicht zum Erdmittelpunkt zeigt.<br />
R<br />
N<br />
→<br />
ω<br />
→<br />
G o<br />
β<br />
m<br />
δ<br />
Daraus folgt<br />
→<br />
Z<br />
→<br />
G eff<br />
Der Kosinussatz liefert G eff = mg eff =<br />
=<br />
√<br />
(mg ◦ ) 2 + (mω 2 R cos β) 2 − 2mg ◦ mω 2 R cos 2 β<br />
oder g eff =<br />
√<br />
≃ g ◦<br />
√<br />
g 2 ◦ + (cos 2 β)(ω 4 R 2 − 2g ◦ ω 2 R)<br />
(<br />
1 − 2ω2 R cos 2 β<br />
≃ g ◦ 1 − ω2 R cos 2 )<br />
β<br />
g ◦ g ◦<br />
da gilt ω 2 R = 0.034m/s 2 ≪ g = 10m/s 2 .<br />
∆g<br />
g ◦<br />
= g ◦ − g eff<br />
g ◦<br />
= ω2 R cos 2 β<br />
g ◦<br />
= 3.43 × 10 −3 cos 2 β.<br />
63 Man beachte, dass ⃗ω als axialer Vektor in eine Horizontal- und eine Vertikalkomponente zerlegt werden<br />
kann. Die Pendelebene bleibt bei der Drehung im Raum S erhalten, es gilt die Drehimpulserhaltung und<br />
die Drehung ist direkt durch ω ⊥ gegeben. Es gilt für die Corioliskraft<br />
⃗C = 2m(⃗v r × ⃗ω) = 2m(⃗v r × ω ⊥ + ⃗v r × ω ‖ ) wobei nur der erste Term zu einer Auslenkung führt.<br />
Ein Drehwinkel könnte nur bei infinitesimal kleinen Drehungen und nicht bei endlichen Drehungen in<br />
Komponenten zerlegt werden.<br />
84
Für Zürich erhalten wir ∆g/g ◦ = 0.17 %. Die Lotabweichung δ folgt aus dem Sinussatz:<br />
sin δ<br />
sin[π − (δ + β)] = Z<br />
mg ◦<br />
= ω2 R cos β<br />
g ◦<br />
. Man erhält für Zürich δ ≃ 0.1 ◦ .<br />
8.5.3 Ostabweichung<br />
Fällt ein Massenpunkt frei auf der rotierenden Erde, so wirkt ausser dem effektiven Gewicht<br />
noch die Corioliskraft ⃗ C = −2m(⃗ω × ⃗v r ) auf ihn, wenn v r zum Erdzentrum weist.<br />
Auf beiden Hemisphären zeigt ⃗v r × ⃗ω nach Osten. Bezeichnen wir diese Ostrichtung mit<br />
x r und die effektive Lotrichtung mit z r , so gelten die Bewegungsgleichungen<br />
→<br />
→<br />
ω N m C<br />
m d2 rz r<br />
dt 2 = −mg eff (95)<br />
m d2 rx r<br />
dt 2 = −2mωv r cos β. (96)<br />
→<br />
v r<br />
Bahn<br />
Aus Gl. (95) folgt<br />
d r z r<br />
dt<br />
= v r = −g eff t und<br />
x r<br />
z r = h ◦ − 1 2 g eff t 2 und damit aus Gl. (96)<br />
z r<br />
h o<br />
x r<br />
d 2 rx r<br />
= 2ω cosβg<br />
dt 2 eff t und x r = 1 3 ω cosβg eff t 3 .<br />
√<br />
2h◦<br />
Die Höhe h ◦ wird in der Zeit T =<br />
g eff<br />
durchfallen, und die zugehörige Ostabweichung beträgt<br />
x r◦ = 1 3 ω cos βg eff T 3 = 1 √<br />
8h<br />
3 ω cos β 3<br />
◦<br />
.<br />
g eff<br />
x ro<br />
Für Zürich: h ◦ = 50 m erhält man x r◦ ≃ 0.55 cm.<br />
8.5.4 Ebbe und Flut<br />
Die Gezeiten entstehen, weil die Gravitationskräfte von<br />
Sonne und Mond an verschiedenen Punkten der Erde verschieden<br />
sind. Obwohl der Effekt der Sonne der kleinere<br />
ist, behandeln wir ihn wegen der einfacheren Darstellung<br />
zuerst.<br />
Wir nehmen an, die Erde bewege sich auf einer Kreisbahn<br />
um die Sonne. Dann erfüllt die Gravitationskraft G der<br />
Sonne die Kreisbedingung Z = mω 2 R ES :<br />
Sonne<br />
m S<br />
G →<br />
R ES<br />
m<br />
→<br />
Z<br />
R ES<br />
R ES<br />
G = Γ mM s<br />
= Z = mω 2 R<br />
RES<br />
2 ES (97)<br />
mit m = Masse der Erde, M S = Masse der Sonne, ω = Winkelgeschwindigkeit<br />
der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne,<br />
R ES = Radius der Erdbahn.<br />
Wenn wir für den Augenblick auch die Eigenrotation der<br />
Erde ausser acht lassen, ist ihre Bewegung rein translato-<br />
85
isch. Jede bezüglich der Erde feste Richtung behält auch im Raum ihre Richtung bei.<br />
Jeder Punkt der Erde bewegt sich auf einem Kreis<br />
dZ<br />
mit dem gleichen Radius R ES aber verschiedenen<br />
Mittelpunkten. Daher ist die Zentrifugalkraft<br />
A<br />
überall auf der Erde gleich gross, für ein Massenelement<br />
dm also dZ = dmω<br />
dZ C dZ<br />
D dZ<br />
2 R ES .<br />
Dagegen ist die Anziehungskraft der Sonne nach<br />
R E<br />
Betrag und Richtung an verschiedenen Punkten<br />
Erdbahn<br />
der Erde (Radius R E ) verschieden gross. Die resultierenden<br />
Kräfte sind in den Punkten A und B<br />
dZ B<br />
dG<br />
radial nach aussen, in C und D nach innen gerichtet,<br />
so dass in A und B Wasserwülste entstehen,<br />
RES<br />
unter denen sich die Erde einmal täglich wegdreht.<br />
Sonne<br />
Es entstehen 2 Fluten und 2 Ebben pro Tag.<br />
Wir berechnen die Gezeitenkraft dF S für ein Massenelement<br />
dm im Punkt B:<br />
dmM S<br />
dF S = dG − dZ = Γ<br />
(R ES − R E ) − 2 dmω2 R ES . Aus<br />
der Gleichgewichtsbedingung Gl. (97) folgt<br />
(<br />
1<br />
Also wird: dF S = ΓdmM S<br />
(R ES − R E ) − 1<br />
2<br />
= ΓdmM S<br />
R 2 ES<br />
ω 2 R ES = ΓM S<br />
.<br />
R 2 ES<br />
RES<br />
2 )<br />
(<br />
)<br />
1<br />
(1 − R E /R ES ) − 1 ≃ ΓdmM S 2R E<br />
.<br />
2 RES<br />
2 R ES<br />
Die letzte Näherung ergibt sich, da R E ≪ R ES ist 64 . Benutzen wir noch M S = 4π 3 ρ SR 3 S<br />
für die Masse der Sonne (ρ S = Dichte, R S = Radius der Sonne), so erhalten wir<br />
für die Gezeitenkraft der Sonne dF S = 8π 3 dmΓR ρ S RS<br />
3<br />
E<br />
RES<br />
3<br />
. Analog ist<br />
R<br />
✘ ✘✘ ✘ ✘✘✘ ★✥<br />
S<br />
✘ ✘ R M<br />
✎☞ ❈<br />
α ❳❳<br />
✲ ✲❈<br />
die Gezeitenkraft des Mondes dF M = 8π<br />
❳❳❳ ✍✌R ES<br />
3 dmΓR ρ M RM<br />
3<br />
E .<br />
REM<br />
3<br />
R EM ❳ ✧✦ ❳❳❳<br />
❳ Da Sonne und Mond am Himmel fast gleich gross erscheinen,<br />
Mond<br />
❤<br />
Vollmond<br />
Erde<br />
Sonne ist tanα ≃ R M<br />
≃ R S<br />
dF S<br />
und damit ≃ ρ S<br />
.<br />
✎☞<br />
❧<br />
R EM R ES<br />
dF M ρ M<br />
✍✌<br />
Da gilt ρ<br />
Neumond<br />
M ≃ 2ρ S , ist die Wirkung der Sonne etwa halb<br />
so gross wie die des Mondes. Beide Kräfte summieren sich<br />
Erde Mond Sonne ✎☞<br />
❧ ❤ (Springflut!), wenn Erde, Mond und Sonne nahezu kollinear<br />
✍✌zueinander stehen.<br />
64 Reihenentwicklung: (1 − x) −2 = 1 + 2x · · · vgl. Anhang Kap. C.1.7<br />
=<br />
86
8.6 Das Streuproblem zweier Massen †<br />
Im Kapitel 6.1 wurde die Separation der Schwerpunkts- und der Relativkoordinaten für<br />
ein Zweikörperproblem behandelt. Die relative Bewegung von zwei Körpern kann damit<br />
sehr einfach mit der reduzierten Masse Gl. (47) als ein Ein-Körperproblem berechnet werden.<br />
Im folgenden werden die reine klassische Streuung diskutiert, um damit schon die<br />
wesentlichsten kinematischen Bedingungen und Eigenschaften des Streuproblems kennenzulernen,<br />
da Streuexperimente in allen Bereichen der <strong>Physik</strong> eine grosse Rolle spielen.<br />
8.6.1 Die reine elastische Streuung<br />
Es soll die rein elastische Streuung (keine Reibungs-, Deformations- oder Anregungsverluste)<br />
von zwei Massen m und M mit kurzer Reichweite beim Stoss (z.B. Billardkugeln,<br />
Streuung von Neutronen an Atomkernen über die kurzreichweitige Kernkraft = Neutronenmoderation)<br />
klassisch, nichtrelativistisch berechnet werden. Gefragt ist nach dem<br />
Energieverlust des stossenden <strong>Teil</strong>chens und dem Streuwinkel. Für die Streuung zweier<br />
<strong>Teil</strong>chen mit m ≠ 0 und M ≠ ∞ muss die Mitbewegung des Streuzentrums berücksichtigt<br />
werden. Man betrachtet daher das Problem im Labor- und im Schwerpunktsystem<br />
(Inertialsysteme).<br />
Laborsystem LS: Im einfachen Fall vM L = 0 (Target in Ruhe), vm L ≠ 0 ist<br />
m ✉<br />
m ⃗v L M nach dem Stoss:<br />
m ✻y<br />
✉<br />
✲ 1<br />
ϑ<br />
gestrichene<br />
′ L<br />
✲ ✟ ✟✟✟✟✟✟✯<br />
x<br />
vor dem Stoss vM L ϕ<br />
= 0 Grössen<br />
′ L<br />
❆<br />
❆<br />
M 1<br />
❆ ❆❯ ⃗v ′L M<br />
ϑ ′L ist der Streuwinkel von m, ϕ ′L der Streuwinkel von M nach dem Stoss.<br />
Schwerpunktsystem SS: Der Gesamtimpuls ⃗p S ist Null; damit müssen die Beträge<br />
aller vier Impulse gleich sein nicht jedoch die Geschwindigkeiten, wenn m ≠ M ist.<br />
⃗v ′L m<br />
Def.: ∑ ⃗p S vor<br />
i<br />
= ∑ ⃗p S nach<br />
i = ⃗p S = 0<br />
⇒ −⃗p S m = ⃗p S M<br />
m v S m = M v S M<br />
✉<br />
m<br />
⃗v ′S ✉<br />
⃗v m<br />
S ⃗v M<br />
S 1<br />
M<br />
1✟ ✟ ✟ ✟ ✟ ✟✟✟✟✯ ✟ m<br />
✲ ϑ ✛<br />
′ S<br />
✟ ϕ ′ S<br />
✟<br />
✟<br />
✟✙<br />
✟ ⃗v ′S M<br />
Der Winkel zwischen ⃗v S m und ⃗v S M ist wegen der Impulserhaltung im Schwerpunktsystem<br />
vor und nach dem Stoss 180 0 (ϑ ′S + ϕ ′S = π).<br />
Im Laborsystem gilt die Energie- und Impulserhaltung vor und nach dem Stoss. Die<br />
potentielle Energie ist überall E pot = 0 (sehr kurze Reichweite der Wechselwirkung).<br />
(p L m) 2<br />
2m = (p′ L<br />
m) 2<br />
2m + (p′ L<br />
M) 2<br />
2M , ⃗pL m = ⃗p ′L m + ⃗p ′L M (98)<br />
Die Impulse müssen infolge der Impulserhaltung immer in einer Ebene (z.B. x-y) liegen,<br />
die durch die Vektoren des Anfangsimpulses und des gestreuten Impulses gegeben ist. Aus<br />
der 2. Gleichung Gl.(98) folgt mit dem Cosinus-Satz<br />
(p ′ L<br />
m) 2 = (p L m) 2 + (p ′ L<br />
M) 2 − 2p L mp ′ L<br />
M cosϕ ′ L<br />
(99)<br />
87
Auflösen der 1. Gleichung (98) und (99) ergibt nach elementarer Rechnung<br />
p ′ L<br />
M = 2MpL m cos ϕ ′ L<br />
m + M ⇒ die kinetische Energie T ′ L<br />
M = (p′ L<br />
M) 2<br />
2M<br />
= 2M(pL m) 2 cos 2 ϕ ′ L<br />
(m + M) 2 (100)<br />
Der maximale Impulsübertrag p ′ L<br />
M(max) = 2MpL m<br />
m + M gilt für ϕ′L = 0 0<br />
und ϑ ′L = 0 0 oder 180 0 für m > M oder m < M.<br />
Für m = M ist p ′ L<br />
M(max) = p L m, die stossende Masse m überträgt den gesamten<br />
Impuls auf M und bleibt liegen; weiter gilt 65<br />
.<br />
,<br />
ϕ L<br />
ϑ , L<br />
bei m = M für alle Streuwinkel ϕ ′L + ϑ ′L = π/2. (101)<br />
Für m < M kann das Geschoss zurückgestreut werden und für m > M fliegen beide<br />
Massen nur nach vorne.<br />
Die kinetischen Energien nach dem Stoss lassen sich mit Gl.(98) und (100) leicht<br />
ausrechnen.<br />
8.6.2 Winkelverteilung bei statistischem Zielen in der Ebene<br />
Dies ist das Problem eines Billardspielers, der nicht zielen kann. Quantenmechanisch ist<br />
dies die Streuung von <strong>Teil</strong>chen an einem Target (Elektronenmikroskop, Streuexperimente<br />
in der Kern- und <strong>Teil</strong>chenphysik).<br />
Detektor<br />
Wenn eine rein elastische Streuung an der Kugeloberfläche<br />
d.h. in der Ebene an dem Kreisradius R<br />
α ϑ<br />
angenommen wird mit 2α + ϑ = π (Ein- und Ausfallswinkel<br />
sind gleich), dann gelten für die Streuung<br />
m α<br />
M y<br />
b<br />
R<br />
der kleinen Masse m an der harten Kugel mit dem<br />
Radius R und M = ∞ (festgenagelt) folgende geometrische<br />
Beziehungen:<br />
x<br />
Stossparameter b = R sin α ⇒ b = R cos ϑ/2. Für b > R ist ϑ immer Null.<br />
Wie gross ist nun die Zahl der unter dem Winkel ϑ gestreuten Geschosse m, wenn sie<br />
parallel zur x-Achse aber mit dem Stossparameter b statistisch in der xy-Ebene verteilt<br />
dN<br />
einfallen, d.h. = const = N<br />
db<br />
b = N◦.<br />
Der 2R Billardspieler66 schiesst zwar exakt in x-<br />
Richtung, kann aber die y-Koordinate nicht einstellen. N ◦ ist die totale Zahl aller <strong>Teil</strong>chen,<br />
die in dieser ebenen Geometrie gesteut werden können.<br />
In Schussrichtung wird jedes Element db der Projektion des Kreises in x-Richtung<br />
gleich häufig getroffen. Damit ist die Zahl der <strong>Teil</strong>chen, die bei N ◦ einfallenden <strong>Teil</strong>chen<br />
eine Streuung im Intervall ϑ → (ϑ + dϑ) erleiden<br />
dN = N b · db, mit db = −R sin ϑ 2 · 1<br />
2 dϑ ⇒ dN = −N 1<br />
◦<br />
4 sin ϑ dϑ (102)<br />
2<br />
65 Multipliziert man die beiden Komponentengleichungen von Gl.(98)<br />
x-Komp: p L m = p ′ L<br />
m cos ϑ ′L + p ′ L<br />
m cos ϕ ′L , y-Komp: 0 = p ′ L<br />
m sin ϑ ′L − p ′ L<br />
M sin ϕ ′L geschickt miteinander<br />
und berücksichtigt sin(ϕ ′L + ϑ ′L ) = sin ϕ ′L cos ϑ ′L + sin ϑ ′L cos ϕ ′L sowie Gl.(100) mit m = M, dann<br />
erhält man sin(ϕ ′L + ϑ ′L ) = 1, d.h. ϕ ′L + ϑ ′L = π/2.<br />
66 Es wird angenommen, dass die Kugel ohne Reibung und damit ohne Drehimpuls auf dem Billardtisch<br />
gleitet.<br />
88
dN ist die Abnahme der <strong>Teil</strong>chen im primären Fluss. In einem Detektor werden unter<br />
dem Winkel ϑ im Winkelbereich ϑ → (ϑ + dϑ) nach Gl.(102) dN <strong>Teil</strong>chen gemessen.<br />
dN<br />
dϑ = N 1<br />
◦<br />
4 sin ϑ ist die Winkelverteilung (103)<br />
2<br />
dN<br />
dϑ ϑ der unter dem Winkel ϑ in das Winkelelement dϑ gestreuten <strong>Teil</strong>chen.<br />
Die gesamte Zahl der gestreuten <strong>Teil</strong>chen ist<br />
4 2 0<br />
∫<br />
dN =<br />
+180 ∫<br />
0<br />
−180 0 dN = 2<br />
+180 ∫<br />
0<br />
0<br />
dN = 2<br />
+180 ∫<br />
0<br />
0<br />
N ◦<br />
1<br />
4 sin ϑ 2 dϑ = N ◦<br />
in Übereinstimmung mit unserer obigen Definition von N ◦ .<br />
Diese Winkelverteilung gilt für eine unendlich schwere Masse M, für die Schwerpunktsystem<br />
und Laborsystem identisch sind. Um vom Schwerpunktsystem in ein Laborsystem<br />
mit endlichen Massen zu transformieren, muss eine Beziehung zwischen einem Streuwinkel<br />
in den beiden Systemen aufgestellt werden, z.B. ϕ ′S = f(ϕ ′L ) dem Streuwinkel von M.<br />
In unserer Rechnung ist ϑ = ϑ ′S der Streuwinkel von m. Als Lösung hilft eine einfache<br />
geometrische Überlegung in den beiden Systemen SS und LS:<br />
Im Schwerpunktsystem sind wegen der Impulserhaltung die Beträge aller Impulse<br />
gleich, und damit ist v ′ S<br />
M = v S M und v ′ S<br />
m = vm S , und es bewegt sich mit der Schwerpunktsgeschwindigkeit<br />
⃗v ◦ gegenüber dem Laborsystem in negativer x-Richtung. Da im<br />
Laborsystem ⃗v M L = 0 ist, müssen beim Übergang vom Schwerpunktsystem zum Labor-<br />
→<br />
-v S →<br />
M = v o<br />
system nur alle Geschwindigkeiten im Schwerpunktsystem<br />
vektoriell mit ⃗v ◦ = −⃗v<br />
→ L<br />
v M<br />
ϕ S M S addiert werden. Es gilt<br />
→<br />
ϕ L ϑ S<br />
→<br />
v S m<br />
m<br />
→ S<br />
v M<br />
→<br />
v S m<br />
v M<br />
S<br />
M<br />
dann (siehe Figur und untere geometrische Darstellung):<br />
ϕ ′S + ϑ ′S = π und ϕ ′L = 1 2 ϕ′S = 1 2 (π − ϑ′S ) (104)<br />
89
Schwerpunktsystem<br />
b<br />
.<br />
→<br />
vm<br />
S<br />
→<br />
vm+M<br />
L<br />
→<br />
vm<br />
S<br />
→<br />
v S m<br />
m<br />
v m<br />
α<br />
α<br />
M=2.5 m<br />
v m<br />
ϑm<br />
S →<br />
v<br />
M<br />
S<br />
v M<br />
ϕ S M v M<br />
→<br />
v<br />
M<br />
S v m v M<br />
v m v M<br />
→<br />
v S m<br />
→<br />
v L m<br />
ϑ L m<br />
→<br />
v o<br />
ϕ L M<br />
→<br />
vM<br />
L<br />
ϑ S m<br />
ϕ S M<br />
M<br />
Transformation<br />
SS → LS<br />
→<br />
v<br />
M<br />
S<br />
→<br />
v<br />
M<br />
S<br />
→<br />
v<br />
M=m<br />
L<br />
→<br />
v<br />
M=m<br />
S<br />
Billardkugel-Streuung<br />
Schwerpunktsystem (oberes Bild):<br />
Geschwindigkeiten und Winkel nach<br />
dem Stoss sind durch gestrichene Grössen<br />
gekennzeichnet. b ist der Stossparameter.<br />
Bei der Berührung der Kugeln<br />
gibt es keine Haftreibung µ H = 0 und<br />
damit ist ⃗v ‖ = ⃗v ′ ‖, ⃗v ⊥ = −⃗v ′ ⊥.<br />
Impulserhaltung:<br />
m⃗v m S = −M⃗v M, S m⃗v ′S m = −M⃗v ′S M<br />
Winkelbeziehungen:<br />
2α + ϑ ′ S<br />
m = π, ϑ ′ S<br />
m + ϕ ′ S<br />
M = π<br />
Transformation<br />
Schwerpunktsystem →<br />
Laborsystem (unteres Bild) Bei der<br />
Transformation<br />
vom Schwerpunktsystem in das Laborsystem<br />
muss nur vektoriell die Geschwindigkeit<br />
⃗v ◦ = −⃗v M S zu allen Geschwindigkeiten<br />
des Schwerpunktsystemes<br />
addiert werden. Es ist dann ⃗v M L =<br />
0, die Masse M ist im Laborsystem in<br />
Ruhe, und es gilt<br />
⃗v ◦ + ⃗v ′S m = ⃗v ′L m, ⃗v ◦ + ⃗v ′S M = ⃗v ′L M, wobei<br />
die Spitzen von ⃗v ′L m und ⃗v ′L M auf den<br />
zwei Kreisen liegen. Jeder Streuwinkel<br />
ϑ ′ S<br />
m und ϕ ′ S<br />
M ist geometrisch mit den<br />
beiden Kreisen einfach in das Laborsystem<br />
transformiert.<br />
Im Spezialfall M = m (gestrichelte Geschwindigkeiten)<br />
gilt |⃗v m| S = |⃗v M| S und<br />
ϑ ′ L<br />
m + ϕ ′ L<br />
M = π/2, die Kugeln laufen<br />
im LS nach dem Stoss immer unter 90 ◦<br />
auseinander. Aus der Winkelverteilung<br />
dN<br />
von Gl.(103) sowie Gl.(104) erhält<br />
dϑ<br />
man ′S mit Gl.(101) und<br />
ϑ ′ S<br />
m = π − ϕ ′ S<br />
M = π − 2ϕ ′ L<br />
M = 2ϑ ′ L<br />
m<br />
90
die Winkelverteilung von m im Laborsystem zu (ohne Indizes m, M):<br />
dN<br />
= N◦ sin dϑ<br />
✜<br />
′L 2 ϑ′ L<br />
✁ ✁✕<br />
✢✜ ϑ ′ L<br />
✁ ϑ ′L = 0<br />
✢<br />
−π/2 ≤ ϑ ′L ≤ +π/2<br />
dN<br />
=<br />
★✥<br />
N◦<br />
dϕ ′L 2 cosϕ′ L<br />
✟ ✟✟✯ ϕ ′ L<br />
ϕ ′L = 0<br />
✧✦<br />
−π/2 ≤ ϕ ′L ≤ +π/2<br />
dN<br />
dϑ ′ L = dN<br />
dϑ ′ S<br />
dϑ ′ S<br />
dϑ ′ L<br />
= N ◦<br />
2 sin ϑ′ L<br />
} {{ }<br />
= 2<br />
(105)<br />
Im Polardiagramm wird die Winkelverteilung von m im<br />
Laborsystem für m = M durch zwei Halbkreise rechts<br />
der y-Achse dargestellt.<br />
Für die Winkelverteilung von M im Laborsystem für<br />
m = M bestimmt man in einer analogen Rechnung<br />
dN<br />
dϕ ′ L = dN dϑ ′ S<br />
dϑ ′ S<br />
dϕ ′ L<br />
= N ◦<br />
2 sin( π − 2 ϕ′L ) = N ◦<br />
2 cos ϕ′ L<br />
} {{ }<br />
= 2<br />
(106)<br />
Dies ist im Polardiagramm ein Kreis rechts der y-Achse.<br />
8.6.3 Winkel- und Energieverteilung bei statistischem Zielen im Raum<br />
Die statistisch verteilte Streuung im Raum, wie sie z.B. bei der Streuung von Neutronen<br />
in Atomkernen auftritt (Moderation von Neutronen in einem Reaktor), kann analog zum<br />
ebenen Fall berechnet werden. Es wird dann nur angenommen, dass die <strong>Teil</strong>chen m in<br />
einer Richtung parallel ausgerichtet jedoch statistisch im Raum verteilt auf die Masse M<br />
treffen, d.h. dN = N<br />
ds s = N◦ = const (ds: Flächenelement). Statt des Winkelbereiches<br />
πR 2<br />
in der Ebene muss der Raumwinkelbereich dΩ = sin ϑdϑdφ für die Streuung unter dem<br />
Winkel ϑ eingesetzt werden (ϑ = ϑ ′S ).<br />
In Schussrichtung wird jedes Flächenelement der Projektion der Kugel gleich häufig<br />
getroffen. Damit ist 67 die Zahl der in das Intervall ϑ → (ϑ + dϑ) gestreuten <strong>Teil</strong>chen m<br />
von den N s einfallenden <strong>Teil</strong>chen/Fläche<br />
dϕ<br />
b db<br />
dN = N s<br />
∫ 2π<br />
0<br />
dϕ · b · db = N s · 2πb · db. Mit db = −R sin ϑ 2 · 1<br />
2 dϑ<br />
⇒ dN = −N s<br />
1<br />
2 πR2 sin ϑdϑ (107)<br />
dN ist die Abnahme der <strong>Teil</strong>chen im primären Fluss. In einem Detektor werden unter<br />
dem Winkel ϑ im Raumwinkel dΩ = 2π sin ϑdϑ nach Gl.(107)<br />
dN = N s<br />
R 2<br />
4 dΩ <strong>Teil</strong>chen gemessen. dN<br />
dΩ = N ◦<br />
4π<br />
ist die Winkelverteilung<br />
der unter dem Winkel ϑ in das Raumwinkelelement dΩ gestreuten <strong>Teil</strong>chen. Diese Verteilung<br />
ist unabhängig von ϑ d.h. isotrop, man beobachtet in allen ϑ-Richtungen die gleiche<br />
Intensität. Die Gesamtzahl der gestreuten <strong>Teil</strong>chen ist<br />
∫<br />
N = dN = N ∫<br />
◦<br />
dΩ = N ◦<br />
4π<br />
Wie oben für N ◦ vorausgesetzt war.<br />
67 Mit b = R cos ϑ/2 und sinϑ/2 · cos ϑ/2 = 1 2<br />
sin ϑ.<br />
dN<br />
dΩ<br />
✻<br />
✲<br />
0 ◦ 180 ◦ ϑ<br />
91
Diese Aussage der Isotropie der Streuung gilt für eine unendlich schwere Masse M, für<br />
die Schwerpunktsystem und Laborsystem identisch sind. Für die Transformation in das<br />
Laborsystem können dieselben Beziehungen, wie im ebenen Fall berücksichtigt werden.<br />
Aus der isotropen Raumwinkelverteilung<br />
dN<br />
dΩ S =<br />
dN<br />
2π sin ϑ ′S dϑ ′ S = N ◦<br />
4π<br />
im Schwerpunktsystem erhält man mit ϑ ′S = π−2ϕ ′L die Verteilung der Rückstossenergie<br />
der Masse M im Laborsystem 68 :<br />
dN<br />
dT ′ L<br />
= dN ·dϑ′ S<br />
M<br />
dϑ ′ S dϕ ′ L · dϕ′ L<br />
dT ′ L<br />
= N ◦<br />
M<br />
2<br />
1<br />
sin ϑ′S·2·<br />
T ′ L<br />
M (max) sin ϑ ′ S = T ′ L<br />
M (max)<br />
✲<br />
völlig unabhängig von den Winkeln und der Energie der <strong>Teil</strong>chen<br />
nach dem Stoss. Die Energieverteilung ist eine Kastenverteilung.<br />
Viele Charakteristika eines Streuprozesses wie z.B. die Winkelabhängigkeit sind allein<br />
durch die Kinematik gegeben und erst aus Abweichungen von dieser lernt man etwas über<br />
Eigenschaften des Targets und des Projektils.<br />
8.6.4 Die Streuung eines Neutrons an einem Atomkern<br />
N ◦<br />
✻ dN<br />
dT ′L M<br />
T ′L M<br />
0 T ′L M (max)<br />
Die Wechselwirkung des neutralen Neutrons bei einer Streuung mit einem Atomkern 69<br />
(z.B. das Proton im Wasserstoffatom oder ein Bleikern) ist die kurzreichweitige (ca. 1 fm)<br />
Kernkraft. Die rein elastische Neutronenstreuung kann daher in sehr guter Näherung mit<br />
der klassischen Streuung beschrieben werden 70 .<br />
Fall 1 m = M die Neutron - Proton Streuung n+p→ n’+ p’<br />
dN ✻<br />
dT ′L M<br />
Energieverteilung<br />
von M<br />
n+C<br />
Mit Gl.(100) wird mit m = M die maximale Energieübertragung<br />
T ′ L<br />
M(max) = (p′ L<br />
M) 2<br />
2M = 2M(pL m) 2<br />
(m + M) = T L 2 m<br />
d.h. die gesamte Energie des Neutrons im zentralen Stoss<br />
wird auf das Proton übertragen. Der minimale Energieübertrag<br />
ist Null. Da die Energieverteilung der Rück-<br />
n+p<br />
✲ T ′L M<br />
stossprotonen konstant mit der Energie ist, erhält man eine<br />
0 T ′L M=m (max)=T m<br />
L Kastenverteilung von 0 → T ′ L<br />
M(max).<br />
Fall 2 M( 12 C)=12·m für die Neutron - Kohlenstoffstreuung<br />
Die maximale Energieübertragung ist T ′ L<br />
M( C)(max) = 2M(pL m) 2<br />
= 0.28 · T L 12 (m+M) 2 m mit der in<br />
der Figur eingezeichneten schmäleren Energieverteilung jedoch bei gleichem totalen N ◦<br />
68 Der Zusammenhang der kinetischen Energie des Rückstosstargets M mit dem Streuwinkel ergibt sich<br />
= T ′ L<br />
M(max)2cos ϕ ′L sin ϕ ′L =<br />
aus Gl.(100) zu T ′ L<br />
M = 1 p ′2 M<br />
2 M<br />
T ′ L<br />
M(max) · sin 2ϕ ′L = T ′ L<br />
= T ′ L<br />
M(max)cos 2 ϕ ′L und damit<br />
M(max) · sin ϑ ′ S mit 2ϕ ′L = π − ϑ ′ S siehe Gl. (104).<br />
69 m(Proton) = 938.272 MeV/c 2 = 1.67263 · 10 −31 kg, m(Neutron) = 939.567 MeV/c 2 ,<br />
d.h. m(Proton) ≈ m(Neutron), m(Kern) ≈ A · m(Neutron), A: Massenzahl des Kerns,<br />
A( 12 C)=12, A( 208 Pb)=208. Die Bindungsenergie der Kerne wird hier vernachlässigt.<br />
70 Bei einigen Kernen z.B. Cd und B treten bei bestimmten Energien sehr starke Absorptionsresonanzen<br />
auf, bei denen dann das Neuton vom Kern eingefangen wird. Bor-Paraffin oder boriertes Polyäthylen<br />
dienen deshalb zur Neutronenabschirmung.<br />
dT ′L M<br />
dϕ L<br />
92
für die gesamte Zahl der gestreuten Neutronen 71 .<br />
dN ✻<br />
dT ′L m<br />
Energieverteilung<br />
von m<br />
n+p<br />
n+C<br />
0 T L m<br />
T ′L m<br />
✲<br />
Die Energieverteilung der Neutronen nach der Streuung dN<br />
T ′L m<br />
ist wegen der Energieerhaltung ebenfalls eine Kastenverteilung<br />
mit der maximalen Energie Tm L und der minimalen Energie<br />
T ′ L<br />
m(min) = Tm L − T ′ L<br />
M(A)(max).<br />
Für m = M ist T ′ L<br />
m(min) = 0 und für m = m(A) = 12 gilt<br />
T ′ L<br />
m(min) = (1 − 0.28)Tm.<br />
L<br />
Bei der Streuung an Bleikernen ist<br />
T ′ L<br />
M(Pb)(max) = 0.019 · Tm,<br />
L d.h. es wird bei einer Streuung<br />
kaum Energie übertragen und Blei ist ein ungeeignetes Material,<br />
um Neutronen abzubremsen und damit abzuschirmen.<br />
Zur Moderation und damit auch Abschirmung müssen deshalb Materialien mit einem<br />
grossen Protonenanteil benutzt werden, wie Wasser oder Kohlenwasserstoffverbindungen.<br />
Moderierte und damit niederenergetische Neutronen lassen sich leicht in Kernen, die eine<br />
starke Resonanzabsorption (wie Cadmium) haben, absorbieren und damit abschirmen 70 .<br />
8.6.5 Coulombpotential<br />
b<br />
.<br />
einfallende Intensitat " I<br />
=<strong>Teil</strong>chen / Flache " . Zeit<br />
db<br />
Periapsis<br />
Streuzentrum Z', M=∞<br />
10 7 dN(ϑ)<br />
10 6 dΩ<br />
10 5 α-Au Streuung , Geiger et al.<br />
Quelle RaC E α =7.69 MeV<br />
10 4<br />
1<br />
10 3<br />
Fit ∝<br />
sin 4 ϑ/2<br />
10 2<br />
10 1<br />
ϑ<br />
0 60 120 180<br />
Die elastische Streuung eines<br />
geladenen <strong>Teil</strong>chens Z<br />
Detektor mit ∆Ω mit der Energie E im Coulombpotential<br />
eines zweiten<br />
<strong>Teil</strong>chens Z ′ kann klassisch<br />
Asymptote völlig analog zur Billardkugelstreuung<br />
behandelt werden.<br />
Bei einem vorgegebe-<br />
ϑ<br />
nen Stossparameter b ist die<br />
dϑ<br />
Trajektorie des gestreuten<br />
<strong>Teil</strong>chens und damit auch<br />
der Streuwinkel ϑ = f(b) fest durch eine Hyperbel Gl. (56)<br />
gegeben, die Exzentrizität ǫ und der Parameter p müssen<br />
nur mit den Werten der Coulombwechselwirkung identifiziert<br />
werden. Man erhält dann mit einer kurzen Rechnung<br />
(Details vgl. <strong>Physik</strong> III) für die Winkelverteilung im<br />
Schwerpunktsystem in exzellenter Übereinstimmung mit<br />
dem Experiment 72<br />
dN(ϑ)<br />
dΩ<br />
= N ◦<br />
( ZZ ′ e 2<br />
2E<br />
) 2<br />
1<br />
4 sin 4 (ϑ/2)<br />
Rutherford’s Streuformel.<br />
Das Experiment von H.Geiger und E.Marsdon mit Rutherford’s Interpretation war die<br />
Geburtsstunde der Kernphysik. Es zeigte, dass das Atom aus einem schweren aber sehr<br />
kleinen Kern besteht und nicht nur aus einer Wolke von Elektronen, da die α-<strong>Teil</strong>chen bis<br />
zu 180 ◦ zurückgestreut werden.<br />
71 Dies ist das Integral<br />
T ′L M(A) (max) ∫<br />
72 H.Geiger, E.Marsdon, Phil.Mag. 25(1913)604<br />
0<br />
=<br />
N ◦<br />
T ′L (max)dT ′ L<br />
M(A) = N ◦<br />
M(A)<br />
93
9 Dynamik des starren Körpers<br />
Bei der Mehrzahl der von uns bislang behandelten mechanischen Probleme haben wir uns<br />
nur für die translatorische Bewegung der Körper interessiert. Zur Lösung verwendeten<br />
wir die Newtonschen Prinzipien bzw. den Schwerpunktssatz. Der Drehimpulssatz kam<br />
nur bei der Zentralfeldbewegung ins Spiel. Jetzt wollen wir auch Rotationen untersuchen<br />
und uns der Einfachheit halber zunächst auf starre Körper beschränken. In ihnen sind<br />
die relativen Abstände der Atome und Moleküle konstant.<br />
9.1 Bedeutung von Schwerpunkts- und Drehimpulssatz starrer<br />
Körper<br />
Bei der Behandlung der Relativbewegungen haben wir in Kapitel 8.2 gezeigt, dass der<br />
allgemeine Bewegungszustand eines starren Körpers die Superposition einer Translation<br />
und einer Rotation ist. Zur Beschreibung dieser allgemeinen Bewegung muss man die<br />
Bahngeschwindigkeit ⃗v ◦ eines speziellen Punktes, z.B. des Schwerpunktes, und die Winkelgeschwindigkeit<br />
⃗ω kennen. Diese beiden Vektoren haben zusammen 6 Komponenten,<br />
die Zahl der Freiheitsgrade eines starren Körpers ist also sechs. Dies ist in folgender Weise<br />
einzusehen. Die Lage aller Punkte ist bestimmt, wenn 3 Punkte festgelegt sind, d.h. durch<br />
9 skalare Zahlenangaben. Da aber die Abstände der 3 Punkte untereinander fest vorgegeben<br />
sind, ist die Zahl der Freiheitsgrade 9 - 3 = 6. Diese Freiheitsgrade werden vollständig<br />
erfasst durch die 3 skalaren Gleichungen des Schwerpunktssatzes (zur Berechnung von ⃗v ◦ )<br />
und die 3 Gleichungen des Drehimpulssatzes (für ⃗ω).<br />
Da die Anzahl der Atome in einem makroskopischen<br />
Körper sehr gross ist, darf man die Masse als kontinuierlich<br />
verteilt ansehen. Anstelle der Atome übernehmen klei-<br />
z<br />
F →<br />
S<br />
ne Massenelemente dM, in die ein Körper zerlegt werden<br />
dM<br />
kann, die Rolle von Massenpunkten. dM ist allerdings noch<br />
→<br />
r dV s so gross zu wählen, dass darin eine grosse Anzahl von Atomen<br />
enthalten ist. Dann definieren wir für einen<br />
→<br />
r<br />
Körper<br />
x<br />
y<br />
die Dichte:<br />
ρ = dM<br />
dV ,<br />
wobei dV ein Volumenelement der Masse dM ist. Im allgemeinen ist ρ = ρ(⃗r) eine Funktion<br />
von ⃗r. Ist ρ konstant, so ist der Körper homogen.<br />
Bei der Herleitung des Schwerpunkts- und des Drehimpulssatzes tritt für kontinuierliche<br />
Massenverteilung dM an Stelle von m i bei Massepunkten und statt der Summation<br />
werden Integrationen über den gesamten Körper K ausgeführt. Es gelten dann die Beziehungen<br />
für die<br />
∫ ∫<br />
∫<br />
⃗r<br />
totale Masse: M = dM = ρ(⃗r)dV, Schwerpunktsvektor: ⃗r s =<br />
M dM<br />
K<br />
K<br />
K<br />
∫<br />
totaler Impuls: ⃗p =<br />
K<br />
∫<br />
⃗v dM, totaler Drehimpuls: L◦ ⃗ = (⃗r × ⃗v)dM.<br />
K<br />
Wirken auf den Körper die Kräfte ⃗ F 1 , ⃗ F 2 ,... ⃗ F n , die in den Punkten ⃗r 1 ,⃗r 2 ,...⃗r n<br />
94
angreifen, so lauten die fundamentalen Bewegungsgesetze<br />
F 3<br />
→<br />
→<br />
F i<br />
F 2<br />
→<br />
F 1<br />
→<br />
r i<br />
→<br />
d⃗p ∑<br />
dt<br />
= n ⃗F i Impulssatz [vgl. Gl. (11)]<br />
i=1<br />
M d2 ⃗r s<br />
∑<br />
dt 2 = n ⃗F i Schwerpunktssatz [Gl. (12)]<br />
i=1<br />
d ⃗ L ◦<br />
dt<br />
∑<br />
= n ⃗r i × F ⃗ i = M ⃗ ◦ Drehimpulssatz oder Drallsatz. [Gl. (40)]<br />
i=1<br />
Befindet sich ein starrer Körper in einem Kraftfeld, so gehen die Summen in den obigen<br />
Gleichungen ebenfalls in Integrale über. Für einen Körper im Gravitationsfeld der Erde,<br />
das über diesen konstant ist, gilt z.B. 73<br />
S dM<br />
M d2 ∫ ∫<br />
⃗r s<br />
dt = ⃗g dM = ⃗g dM = M⃗g = G ⃗ 2<br />
→<br />
K<br />
K<br />
r S<br />
r<br />
→<br />
raumfest<br />
→<br />
gdM<br />
d ⃗ L ◦<br />
dt<br />
∫<br />
∫<br />
= (⃗r × ⃗g)dM = −⃗g ×<br />
K<br />
K<br />
⃗r dM = −⃗g × M⃗r s = ⃗r s × ⃗ G.<br />
Die Schwerkraft oder das Gewicht kann als im Schwerpunkt angreifend angesehen<br />
werden. In bezug auf den Schwerpunkt ⃗r s = 0 besitzt das Gewicht kein Drehmoment.<br />
Wir beweisen noch, dass der Drehimpulssatz in der oben formulierten Weise nicht nur für<br />
raumfeste Punkte ◦, sondern noch für drei weitere Arten von Bezugspunkten ◦ ′ Gültigkeit<br />
hat. Es soll also gelten:<br />
d ⃗ L ◦<br />
dt<br />
= ⃗ M ◦ und<br />
d ⃗ L ◦ ′<br />
dt<br />
= ⃗ M ◦ ′<br />
r<br />
→<br />
→<br />
r o<br />
r<br />
→<br />
∫<br />
wobei L◦ ⃗<br />
′ =<br />
K<br />
⃗r ′ × ⃗v dM,<br />
⃗ M◦ ′ = ∑ i<br />
⃗r ′ i × ⃗ F i .<br />
∫<br />
⃗L ◦ =<br />
∫<br />
⃗r ×⃗v dM =<br />
Wir ersetzen ⃗r in ⃗ L ◦ und ⃗ M ◦ durch ⃗r = ⃗r ′ + ⃗r ◦ :<br />
∫ ∫<br />
(⃗r ′ +⃗r ◦ ) ×⃗v dM = r ⃗ ′ ×⃗v dM + ⃗r ◦ ×⃗v dM = L ⃗ ◦ ′ +⃗r ◦ ×⃗p. (108)<br />
⃗L ◦ kann also in einen translatorischen Anteil ⃗r ◦ × ⃗p und einem rotatorischen Anteil ⃗ L ◦ ′<br />
zerlegt werden.<br />
⃗M ◦ = ∑ i<br />
⃗r i × ⃗ F i = ∑ i<br />
(⃗r ′ i + ⃗r ◦ ) × ⃗ F i = ∑ i<br />
⃗r ′ i × ⃗ F i + ∑ i<br />
⃗r ◦ × ⃗ F i = ⃗ M ◦ ′ + ⃗r ◦ × ∑ i<br />
⃗F i<br />
73 Man beachte hier, dass die Masse M [kg] und das Drehmoment ⃗ M ◦ [Nm] verschiedene Grössen sind.<br />
95
mit dem Drehimpulssatz ist ⃗ M ◦ = d⃗ L ◦<br />
dt<br />
= d⃗ L ◦ ′<br />
dt<br />
+ d⃗r ◦<br />
dt × ⃗p + ⃗r ◦ × d⃗p<br />
dt = ⃗ M ◦ ′ + ⃗r ◦ × ∑ i<br />
d⃗p<br />
Da aber gilt<br />
dt = ∑ dL ⃗F i , bleibt davon übrig<br />
⃗ ◦ ′<br />
+ d⃗r ◦<br />
i<br />
dt dt × ⃗p = M ⃗ ◦ ′.<br />
Der Drehimpulssatz gilt in der obigen Form nur, wenn der 2. Zusatzterm verschwindet,<br />
⃗F i .<br />
a) ⃗r ◦ = konst.;<br />
d.h. wenn gilt:<br />
d⃗r ◦<br />
dt = 0<br />
d⃗r ◦<br />
dt<br />
× ⃗p = 0,<br />
also wenn<br />
, d.h. der Bezugspunkt ist raumfest,<br />
b) d⃗r ◦<br />
dt steht parallel zu ⃗p, bzw. zu d⃗r s<br />
dt . Insbesondere kann ⃗r ◦ = ⃗r s sein.<br />
Der Drehimpulssatz gilt in bezug auf jeden raumfesten Punkt,<br />
auf den Schwerpunkt und auf jeden beweglichen Punkt, der die<br />
gleiche Geschwindigkeit wie der Schwerpunkt hat.<br />
9.2 Gleichgewichte starrer Körper<br />
Greifen an einem Körper die äusseren Kräfte ⃗ F 1 , ⃗ F 2 ,... ⃗ F n mit den Angriffspunkten<br />
⃗r 1 ,⃗r 2 ,...⃗r n an, so kann er nur dann in Ruhe sein, d.h. ⃗p = 0 und ⃗ L ◦ = 0, wenn folgende<br />
Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sind:<br />
∑<br />
⃗F i = 0<br />
i<br />
und<br />
∑<br />
⃗r i × F ⃗ i = ∑<br />
i<br />
i<br />
⃗M ◦i = 0,<br />
wobei ◦ ein beliebiger Bezugspunkt ist, da im Gleichgewicht alle Punkte in Ruhe, d.h.<br />
raumfest sind.<br />
Für nicht-starre Körper sind diese Bedingungen nur notwendig aber nicht hinreichend<br />
für das Gleichgewicht, da trotz interner Bewegungen der Massenpunkte sowohl ⃗p wie auch<br />
⃗L ◦ verschwinden können.<br />
Beispiele:<br />
a) Bestimmung des Schwerpunktes eines starren Körpers:<br />
F ⃗ ∗<br />
✻<br />
❅<br />
<br />
<br />
◦ ′ ❅ ◦ <br />
S <br />
❅<br />
⃗G<br />
<br />
❅ ❄<br />
<br />
<br />
⃗F ∗<br />
✻ <br />
◦ <br />
<br />
◦<br />
<br />
′<br />
S<br />
⃗G<br />
❄<br />
b) Bestimmung des Schwerpunktes eines langen Stabes:<br />
N ✛ x 1✲✛ x 2<br />
1 ✻<br />
✲ N 2<br />
✻<br />
<br />
✛ ❡S<br />
✲<br />
A❥<br />
B❥<br />
R 1 R 2<br />
❄G<br />
◦ und ◦ ′ seien zwei Punkte, in denen der Körper<br />
frei drehbar aufgehängt werden kann. Verglichen<br />
werden die beiden möglichen Gleichgewichtslagen.<br />
G muss in der Lotlinie, die entweder durch ◦ oder<br />
◦ ′ geht, liegen, damit die Gleichgewichtsbedingungen<br />
erfüllt sind. S ist damit der Schnittpunkt der<br />
beiden Lotlinien.<br />
Der Stab wird auf zwei bewegliche Lager A und<br />
B aufgelegt. Die beiden Auflager können dann gegeneinander<br />
verschoben werden, ohne dass Kippen<br />
eintritt. Schliesslich treffen sie im Schwerpunkt S<br />
zusammen.<br />
S soll sich nicht in vertikaler Richtung bewegen,<br />
also ist N 1 + N 2 = G.<br />
96
Die Drehmomente werden auf den Punkt 0 bezogen, den Schnittpunkt der Wirkungslinien<br />
von R 1 ,R 2 und G, der sich parallel zu S bewegt. Dann gilt<br />
N 1 x 1 = N 2 x 2 und es folgt<br />
N 2<br />
x 2<br />
x 1<br />
+ N 2 = G → N 2 = G x 1<br />
x 1 + x 2<br />
und N 1<br />
x 1<br />
x 2<br />
+ N 1 = G → N 1 = G x 2<br />
x 1 + x 2<br />
.<br />
Die beiden Kräfte R 1 und R 2 können entweder Haft- oder Gleitreibungskräfte sein.<br />
Nimmt man an, dass gilt µ G ≈ µ H = µ, dann folgt<br />
R 1 ≤ µN 1 = µG x 2<br />
x 1 + x 2<br />
, R 2 ≤ µN 2 = µG x 1<br />
x 1 + x 2<br />
.<br />
Ist z.B. am Anfang x 1 < x 2 , so ist im Lager B der Kraftwert, bei dem Gleiten<br />
einsetzen kann, niedriger als im Lager A. Also wird der Stab zunächst bei B gleiten<br />
und bei A haften, und zwar so lange, bis bei B die Gleitreibung grösser als bei A<br />
die Haftreibung geworden ist und der Stab bei A gleitet. Beide Lager treffen mit<br />
wechselndem Gleiten und Haften im Schwerpunkt S zusammen.<br />
c) Gleichgewicht einer schräg angestellten Leiter:<br />
✻ R Es sei µ 1 der Haftreibungskoeffizient des Bodens, µ 2<br />
2<br />
◗<br />
✲ derjenige<br />
N ∑ der Wand. Die Gleichgewichtsbedingungen<br />
◗ 2 Fi ⃗ = 0 und ∑ Mi◦ ⃗ = 0 sind (Bezugspunkt R 1 , N 1 )<br />
◗<br />
◗<br />
◗ l<br />
(1) N 1 + R 2 = G (2) N 2 − R 1 = 0<br />
◗<br />
◗<br />
(3) N 2 l sin α + R 2 l cosα − Gl<br />
◗<br />
2 cos α = 0<br />
◗<br />
G ◗<br />
❄<br />
◗<br />
✻<br />
R 1 α N 1<br />
✛ wobei gilt R 1 ≤ µ 1 N 1 ; R 2 ≤ µ 2 N 2 .<br />
Den kritischen Anstellwinkel α k , bei dem Gleiten auftreten kann, bestimmt man aus<br />
den Bedingungen R 1 = µ 1 N 1 und R 2 = µ 2 N 2 .<br />
Aus (1) und (2) folgt dann N 1 + µ 2 N 2 = G; N 2 = µ 1 N 1 also N 2 = Gµ 1<br />
1 + µ 1 µ 2<br />
.<br />
Aus (3) berechnet man N 2 l sin α k + µ 2 N 2 l cos α k = Gl<br />
2 cos α k,<br />
µ 1 G<br />
also l sin α k + µ 1µ 2 G<br />
l cosα k = Gl<br />
1 + µ 1 µ 2 1 + µ 1 µ 2 2 cos α k.<br />
µ 1 sin α k + µ 1 µ 2 cos α k = (1 + µ 1 µ 2 ) cosα k<br />
2<br />
und tanα k = 1 − µ 1µ 2<br />
2µ 1<br />
hängt nur von den Haftreibungskoeffizienten und nicht vom Gewicht G ab.<br />
97
9.3 Drehimpuls- und Schwerpunktssatz für die ebene Bewegung<br />
starrer Körper<br />
Bei einer ebenen Bewegung bewegen sich alle Massenpunkte<br />
y<br />
y s<br />
S ϕ<br />
parallel zu einer Ebene, z.B. (x, y)-Ebene. Es gilt für alle:<br />
v iz = 0. Die Zahl der Freiheitsgrade beträgt 3, nämlich z.B.<br />
2 Koordinaten des Schwerpunktes und ein Drehwinkel ϕ für<br />
die Drehung um die z-Achse durch S. Wir interessieren uns<br />
daher nur für die x- und y-Komponenten der Kräfte, welche<br />
die x- und y-Bewegung des Schwerpunktes beschreiben<br />
x s x und die z-Komponente der Drehimpulsänderung ergeben.<br />
Man beachte, dass L x als auch L y von Null verschieden sind und sich auch ändern<br />
können. Sie interessieren uns aber nicht, weil Führungskräfte dafür sorgen, dass die Bewegung<br />
eben bleibt, d.h. v iz = 0.<br />
Wir brauchen also die x- und y-Komponente der Vektorgleichung des Schwerpunktssatzes<br />
und die z-Komponente des auf den Schwerpunkt bezogenen Drehimpulssatzes.<br />
Während der Schwerpunktssatz direkt aus Kapitel 9.1 übernommen<br />
werden kann, lässt sich die z-Komponente des Drehimpulssatzes<br />
→ → →<br />
ω r v<br />
noch in eine spezielle, nur bei der ebenen Bewegung gülti-<br />
S →<br />
v s<br />
gen Form bringen. Dazu berechnen wir zunächst<br />
∫<br />
∫<br />
L sz = [⃗r ′ × ⃗v ′ ] z dM = [⃗r ′ × (⃗ω × ⃗r ′ )] z dM.<br />
dM<br />
ω<br />
F → →<br />
Da ⃗ω = ω ⃗ k, gilt ⃗ω × ⃗r ′ = −ωy ′ ⃗i + ωx ′ ⃗j<br />
[<br />
und somit r ⃗ ′ × ( ⃗ω × ⃗r<br />
)]z ′ = ω ( x ′2 + y ′ 2 )<br />
y<br />
→<br />
r<br />
d<br />
Damit wird L sz = ω<br />
∫ (x ′2 + y ′ 2 ) dM. (109)<br />
y s<br />
x s<br />
S<br />
x<br />
Es ist d 2 = x ′2 + y ′2 die kürzeste Entfernung, also<br />
der Abstand des Massenelements dM von der durch<br />
S führenden Drehachse. Wir definieren deshalb<br />
I s<br />
. =<br />
∫<br />
d 2 dM das Trägheitsmoment (110)<br />
des Körpers bezüglich der Drehachse durch S. I s ist ein Geometriefaktor, der für<br />
einen homogenen Körper von dessen Form und der Lage der Drehachse bezüglich des<br />
Körpers abhängt. Mit Gl. (110) wird 74 aus Gl. (109)<br />
L sz = I s ω = I s · dϕ<br />
dt<br />
z-Komponente des Drehimpulses bei ebenen Bewegungen.<br />
(111)<br />
74 In Analogie zum Impuls p z = m · v z .<br />
Vorsicht: Die Gleichung (111) gilt nur für die starre z-Komponente. In einer allgemeinen Vektorform von<br />
Gl. (111) ⃗ L s = I s ⃗ω ist das Trägheitsmoment I ein Tensor und ⃗ L s steht i.a. nicht parallel zu ⃗ω (vgl.<br />
Kap.9.8.1).<br />
98
Zur Berechnung der z-Komponente des totalen Drehmoments bezüglich S ist es<br />
zweckmässig, die Kräfte F ⃗ i in Komponenten zu zerlegen, die parallel und senkrecht zur<br />
Drehachse stehen, also Fi ⃗ = F ⃗ i|| + F ⃗ i⊥ .<br />
Wird ferner auf der Drehachse ein Punkt Q i eingeführt, der<br />
→<br />
→<br />
relativ zu S durch den Vektor ⃗q i gegeben ist, so dass der Vektor<br />
d ⃗ i , der von Q i aus zum Angriffspunkt der Kraft F ⃗ F i<br />
i<br />
F<br />
i weist,<br />
senkrecht auf der Achse steht, so gilt ⃗r ′ i = ⃗q i + d ⃗ i .<br />
Dann wird das auf S bezogene Drehmoment der Kraft F ⃗ i : Q i<br />
.<br />
→<br />
di<br />
⃗M si = ⃗r ′ i × ⃗ F i = ( ⃗q i + ⃗ d i<br />
)<br />
×<br />
(<br />
⃗Fi‖ + ⃗ F i⊥<br />
)<br />
= ⃗q i × ⃗ F i‖ + ⃗q i × ⃗ F i⊥ + ⃗ d i × ⃗ F i‖ + ⃗ d i × ⃗ F i⊥<br />
= ⃗q i × ⃗ F i⊥ + ⃗ d i × ⃗ F i‖ + ⃗ d i × ⃗ F i⊥ ,<br />
denn wegen ⃗q i ‖ F ⃗ i‖ ist ⃗q i × F ⃗ i‖ = 0.<br />
Da die ersten beiden Drehmomente senkrecht zur z-Achse stehen, liefert nur der letzte<br />
Term einen Beitrag zur z-Komponente von M ⃗ si :<br />
→<br />
q i<br />
S<br />
→<br />
ω<br />
→<br />
r i<br />
→<br />
F i<br />
Wirkungslinie<br />
M siz = ( ⃗ di × ⃗ F i⊥<br />
)z = d i⊥F i⊥ . (112)<br />
d i⊥ ist also der Abstand der Wirkungslinie der Kraft F i⊥ von der Drehachse.<br />
Setzen wir Gl. (111) und Gl. (112) in<br />
dL sz<br />
= ∑ M siz ein und beachten noch,<br />
dt<br />
i<br />
dass gilt ω = dϕ/dt, so erhalten wir als z-Komponente des Drehimpulssatzes<br />
dω<br />
I s<br />
dt = I d 2 ϕ<br />
s<br />
dt = ∑ 2 i<br />
d i⊥ F i⊥<br />
die Bewegungsgleichung für ebene Drehungen<br />
um eine Schwerpunktsachse.<br />
Nur Kraftkomponenten ⊥ zur Drehachse ergeben Drehmomente. Zusammen mit der x-<br />
und y-Komponente des Schwerpunktssatzes der translatorischen Bewegung<br />
M d2 x s<br />
dt 2 = F x und M d2 y s<br />
dt 2 = F y<br />
haben wir damit alle drei Gleichungen, die zur Beschreibung einer allgemeinen ebenen<br />
Bewegung (parallel zur xy-Ebene) notwendig sind. Das Trägheitsmoment ist hier eine<br />
Konstante und nicht von der Zeit oder von ω abhängig.<br />
9.4 Rotation um eine raum- und körperfeste Achse (Satz von<br />
Steiner)<br />
ω<br />
→<br />
B<br />
.<br />
d o<br />
→<br />
r<br />
→<br />
r s<br />
r<br />
S<br />
dM<br />
→<br />
Wir behandeln noch den Spezialfall einer Rotation um eine<br />
körper- und raumfeste Achse AB, die nicht durch den Schwerpunkt<br />
geht. ⃗r und ⃗r s werden vom Punkt ◦, der auf AB liegt,<br />
aus gerechnet.<br />
Die Geschwindigkeit eines Massenelementes dM ist<br />
⃗v = ⃗ω × ⃗r = ⃗v s + ⃗ω × ⃗r ′ ,<br />
A<br />
wobei gilt ⃗r = ⃗r s + ⃗r ′ und ⃗v s = ⃗ω × ⃗r s .<br />
99
Die reine Rotation um AB kann also auch als Translation mit der Geschwindigkeit ⃗v s<br />
und eine Rotation mit der Winkelgeschwindigkeit ⃗ω um eine zu AB parallele Achse, die<br />
durch S geht, aufgefasst werden.<br />
∫<br />
Der Drehimpuls bezüglich ◦ ist einerseits L◦ ⃗ = ⃗r × (⃗ω × ⃗r)dM.<br />
. ∫<br />
Dessen Komponente parallel zu AB beträgt L ◦z = I ◦ ω, wobei I ◦ = d 2 ◦ dM als das<br />
Trägheitsmoment bezüglich AB definiert ist und d ◦ der Abstand des Massenelements dM<br />
von der Achse AB ist. Andererseits können wir den Drehimpuls bezüglich ◦ nach Gl. (108)<br />
in zwei Anteile zerlegen: ⃗ L◦ = ⃗r s × ⃗v s M + ⃗ L s = ⃗r s × (⃗ω × ⃗r s )M + ⃗ L s .<br />
Die z-Komponente von ⃗ L ◦ ist so L ◦z = I ◦ ω = (I s + Md 2 s)ω, mit d s = √ x 2 s + y 2 s dem<br />
senkrechten Abstand des Schwerpunkts von der Drehachse ◦ [vgl Gl. 109)]. Es gilt also:<br />
I ◦ = I s + M d 2 s Satz von Steiner 75 . (113)<br />
Von allen Trägheitsmomenten für eine gegebene Achsenrichtung ist dasjenige bezüglich<br />
der Achse durch den Schwerpunkt am kleinsten.<br />
9.5 Berechnung einiger Trägheitsmomente<br />
Bei der Anwendung der Formel I s = ∫ d 2 dM versucht man solche Massenelemente dM<br />
zusammenzufassen, die den gleichen Abstand d von der durch S gehenden Achse haben.<br />
1. Homogener Zylinder bezüglich der Zylinderachse dM = ρdV = ρ2πr · dr · h<br />
K<br />
K<br />
R<br />
dI s = 2πrhρr 2 dr.<br />
∫R<br />
I s = 2πhρ r 3 dr = 2πhρR4<br />
4<br />
◦<br />
= 1 2 MR2 , M = πR 2 hρ.<br />
2. Homogener Hohlzylinder bezüglich der Zylinderachse<br />
I s<br />
∫R 2<br />
= 2πhρ r 3 dr = πhρ<br />
2 (R4 2 − R1)<br />
4<br />
R 1<br />
I s = 1 2 M(R2 1 + R 2 2), M = πhρ(R 2 2 − R 2 1).<br />
R 2 R 1<br />
75 Jakob Steiner 1796-1863 als Bauernsohn in Utzenstorf bei Bern geboren lernte erst mit 14 Jahren<br />
schreiben, verlässt mit 18 trotz Protest der Eltern den Hof, geht zu Pestalozzi nach Yverdon und unterrichtet<br />
nach 1 1 2<br />
Jahren selbst Mathematik, studiert mit 22 in Heidelberg und ist dann Lehrer in Berlin<br />
an Privat-, Hilfs-, Ober- und Gewerbeschulen. 1832 erhält er den Dr.h.c. der Univ. Königsberg und wird<br />
1834 a.o. Professor an der neugegründeten Univ. Bern für Mathematik, Geometrie und Kinematik.<br />
100
3. Dünner homogener Stab in bezug auf eine Achse durch S, die senkrecht zum Stab<br />
steht<br />
✛<br />
l<br />
S<br />
dx<br />
<br />
x<br />
✲<br />
✲x<br />
I s = 2qρ<br />
l/2 ∫<br />
◦<br />
x 2 dx = 2qρ<br />
3<br />
dI s = qρx 2 dx<br />
( l<br />
2<br />
) 3<br />
= Ml2<br />
12 , M = qlρ.<br />
4. Dünne homogene Platte bezüglich einer Achse durch S, die senkrecht zur Platte<br />
steht<br />
✁ ✁<br />
✁<br />
b ✁<br />
✁<br />
✁<br />
✁<br />
✁<br />
a<br />
S<br />
<br />
✁ ✁<br />
✁ ✁<br />
✁ ✁<br />
✁✁<br />
dI s ′ = dxcρ b3<br />
12<br />
S ′ ✁<br />
✁<br />
✁ ✁<br />
✲x<br />
✁✁<br />
dI s = dxcρ b3<br />
✁<br />
12 + dxcρbx2<br />
✁✁<br />
✁<br />
✁✁<br />
✁<br />
∫a/2<br />
✁✁dx✁<br />
I c<br />
s = 2 dI s = M 12 (a2 + b 2 ),<br />
◦<br />
M = abcρ.<br />
5. Homogene Kugel mit dem Radius R bezüglich einer Achse durch den Mittelpunkt<br />
z<br />
∫<br />
∫<br />
∫<br />
✬✩ ✻ I x = (y 2 + z 2 )dM ; I y = (x 2 + z 2 )dM ; I z = (x 2 + y 2 )dM ;<br />
❅<br />
S❅<br />
R dm<br />
⃗r<br />
✟✯ ✲<br />
y<br />
✫✪<br />
✠<br />
∫ R<br />
3I s = 2ρ r 2 4πr 2 dr = 8πρ R5<br />
x<br />
5 = 6R2<br />
5 M; I x = I y = I z = I s ; I s = 2 5 MR2 .<br />
◦<br />
9.6 Beispiele zur ebenen Bewegung starrer Körper<br />
9.6.1 Würfel auf horizontaler Ebene<br />
Greift an der oberen Kante eines Würfels der Kantenlänge a eine horizontale<br />
Kraft F an, so sind folgende Bewegungszustände möglich:<br />
Haften, Gleiten, Kippen.<br />
a<br />
a<br />
N ⃗<br />
S ✻<br />
e<br />
✛<br />
⃗R ❄G<br />
⃗<br />
✲<br />
⃗ F<br />
✲<br />
a) Damit der Würfel haftet, müssen folgende Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sein:<br />
F = R; N = Mg; Ne = (R + F) a 2 → R = F = N e a .<br />
Die Wirkungslinie der Normalkraft geht also nicht durch den Schwerpunkt. Da<br />
R ≤ µ H N = µ H Mg,<br />
ist der maximale Wert, den F = N e = Mg e a a<br />
gerade noch haftet, gegeben durch<br />
annehmen kann, so dass der Würfel<br />
F max = µ H Mg = e a Mg für µ H ≤ 0.5 und F max = 1 2 Mg für µ H > 0.5,<br />
denn e kann den Maximalwert a/2 nur erreichen, bevor der Würfel kippt.<br />
101
) Reines Gleiten (ohne Kippen) ist nur möglich, wenn N nicht schon am äussersten<br />
rechten Rand angreift, also nur für µ H < 0.5. Dabei gilt wie im Fall a):<br />
N = Mg, Ne = Mge = (F + R) a 2Mge<br />
, also F = − R.<br />
2 a<br />
Andererseits ist jetzt R = µ G N = µ G Mg. Die Bewegungsgleichung des Schwerpunktes<br />
für die x-Richtung ist:<br />
M d2 x s<br />
dt 2 = F − R.<br />
M<br />
( d 2 )<br />
x s<br />
dt 2<br />
max<br />
Die maximale Beschleunigung folgt mit e = a/2 aus<br />
( 2Mga<br />
= F max − R =<br />
2a<br />
)<br />
− R − R = Mg(1 − 2µ G ).<br />
F<br />
✻<br />
Mg ❍ F = Mg(1 − µ G)<br />
❍<br />
Kippen<br />
❍<br />
❍<br />
❍<br />
1<br />
Mg Gleiten ❍ F = 1 ❍<br />
Mg 2<br />
2<br />
F = Mg µ H<br />
Haften<br />
✟ ✟✟✟✟✟✟<br />
✲<br />
0.5 1 µ<br />
Die drei Bereiche der Bewegungen des<br />
Würfels auf einer horizontalen Ebene.<br />
Beim Kippen ist der Stützpunkt e = a/2<br />
nicht raumfest und es gilt bezüglich dieses<br />
Punktes keine Drehimpulserhaltung.<br />
9.6.2 Das physische Pendel<br />
Während das mathematische Pendel mit den Newtonschen Prinzipien allein behandelt<br />
werden konnte, würde diese Methode bei einem beliebig gestalteten starren Körper, der<br />
L<br />
um eine horizontale Achse sich drehen kann, zu kompliziert werden.<br />
Wir benutzen stattdessen den Drehimpulssatz. Es genügt<br />
s<br />
ϕ<br />
die z-Komponente dieses Satzes, da die Bewegung wegen des festgehaltenen<br />
Aufhängepunktes nur einen Freiheitsgrad hat. Wir<br />
S<br />
s sinϕ wählen den Auslenkwinkel ϕ als Koordinate.<br />
Die Bewegungsgleichung lautet also<br />
Mg<br />
d 2 ϕ<br />
I ◦ = −Mg s sin ϕ.<br />
dt2 Das Minuszeichen erscheint, weil Drehmoment und Winkel ϕ entgegengesetzten Drehsinn<br />
haben. Für |ϕ| ≪ 1 gilt näherungsweise<br />
I ◦<br />
d 2 ϕ<br />
dt 2 + Mgsϕ = 0. Die Lösung ist ϕ(t) = ϕ ◦ cos(ωt − δ),<br />
wobei ω =<br />
√ √<br />
Mgs<br />
I◦<br />
bzw. T = 2π<br />
I ◦ Mgs .<br />
Nach dem Satz von Steiner gilt<br />
I ◦ = I s + Ms 2 , also T = 2π<br />
√<br />
Is + Ms 2<br />
Mgs<br />
√<br />
s<br />
= 2π<br />
g + I √<br />
s 1<br />
Mgs = 2π g<br />
(<br />
s + I )<br />
s<br />
.<br />
Ms<br />
102
Vergleicht man T mit der Schwingungsdauer eines mathematischen Pendels<br />
T math. = 2π√<br />
l<br />
g , so kann man für ein physisches Pendel setzen T phys. = 2π<br />
√<br />
leff<br />
Dabei heisst l eff. = s + I s<br />
die effektive Länge des physischen Pendels.<br />
Ms<br />
Will man mit einem Pendel die Erdbeschleunigung messen, so muss l eff. bekannt sein. Mit<br />
Hilfe eines Reversionspendels kann diese auf elegante Weise bestimmt werden.<br />
Ein physisches Pendel habe zwei mögliche Aufhängepunkte O 1 und O 2 , deren Verbindungsgerade<br />
durch den Schwerpunkt S geht. Die entsprechenden Schwingungsdauern<br />
sind<br />
√<br />
s1<br />
O 2 T1 = 2π<br />
g + I √<br />
s<br />
s2<br />
und T 2 = 2π<br />
Mgs 1 g + I s<br />
.<br />
Mgs 2<br />
S s 2<br />
O 1<br />
s 1<br />
g = 4π 2 s 2 1 − s 2 2<br />
kann unabhängig von I<br />
T1 2 s 1 − T2 2 s /M gemessen werden<br />
s 2<br />
(Vergleiche die Analogie zum mathematischen Pendel). Wird s 1 oder s 2 so variiert, bis<br />
g .<br />
T 1 = T 2 = T, ⇒ g = 4π2<br />
T 2 (s 1+s 2 ) = 4π2<br />
T 2 l eff., l eff. = s 1 +s 2 ,<br />
√ √√√<br />
s 1,2 = l ( ) 2<br />
eff.<br />
2 ± leff.<br />
− I s<br />
2 M ,<br />
T 2 = 4π2<br />
g<br />
(<br />
s + I )<br />
s<br />
.<br />
Ms<br />
T 2<br />
T 1 =T 2<br />
s 1 s 2<br />
s<br />
Ein physikalisches Pendel hat zwei verschiedene Abstände vom Schwerpunkt zum<br />
Aufhängepunkt ◦, die auf Kreisen um S liegen, mit jeweils gleicher Periode T (Satz von<br />
Viëta).<br />
Da sowohl der Abstand s 1 + s 2 der beiden Aufhängepunkte wie auch die Schwingungsdauer<br />
sehr genau gemessen werden können, kann mit dem Reversionspendel die<br />
Fallbeschleunigung präzise bestimmt werden.<br />
9.6.3 Die widerspenstige Fadenspule<br />
Am inneren Zylinder der Spule greift die Kraft F des Fadens an. Je nach Neigung α des<br />
Fadens entfernt oder nähert sich die Spule. Es gelten folgende Bewegungsgleichungen:<br />
b<br />
Schwerpunktssatz 0 = Mg − F sin α − N (114)<br />
α<br />
a<br />
ϕ<br />
R<br />
Mg<br />
N<br />
F<br />
x<br />
M d2 x s<br />
= F cos α − R (115)<br />
dt2 d 2 ϕ<br />
Drehimpulssatz bezüglich S I s = Rb−Fa. (116)<br />
dt2 103
Hier wie auch in den folgenden Beispielen vernachlässigen wir<br />
ω N die beim Rollen immer auftretende, jedoch kleine Rollreibung.<br />
µ Durch Unebenheiten und elastische Deformation der Unterlage<br />
Ro<br />
entsteht ein Rollreibmoment M r , das die Drehung des rollenden<br />
Körpers verzögert. Empirisch findet man M r = µ R0 N,<br />
wobei µ R0 , der Koeffizient der Rollreibung, im Gegensatz zu den dimensionslosen Zahlen<br />
µ H und µ G , die Dimension einer Länge hat.<br />
Bei der Lösung der Gleichungen (114)-(116) sind 3 Fälle zu unterscheiden: a) die<br />
Spule rollt ohne zu gleiten, b) die Spule gleitet ohne zu rollen, c) die Spule rollt und<br />
gleitet gleichzeitig.<br />
Fall a): Reines Rollen<br />
Der Auflagepunkt haftet für kurze Zeit, dann übernimmt ein Nachbarpunkt diese<br />
Funktion. Es ist R H ≤ µ H N, also eine Ungleichung, so dass R H nicht durch N allein<br />
bestimmt wird. Dafür ist aber jetzt die Zahl der Freiheitsgrade gegenüber dem Fall b) um<br />
1 erniedrigt, denn Drehwinkel dϕ und Verschiebung dx s des Schwerpunktes sind durch<br />
die<br />
Rollbedingung x s = b · ϕ ⇒ dx s = bdϕ (117)<br />
miteinander verknüpft. Da aus Gl. (117) auch d2 x s<br />
dt 2 = b d2 ϕ<br />
dt 2 folgt, enthalten die Gleichungen<br />
(114)-(116) nur die drei Unbekannten d 2 x s /dt 2 , N und R. Das Problem hat nur einen<br />
Freiheitsgrad. Aus Gl. (115) und Gl. (116) ergibt sich dann<br />
d 2 x s F(cos α − a/b)<br />
= . (118)<br />
dt2 M + I s /b 2<br />
Dabei muss F so gewählt werden, dass immer R H ≤ µ H N gewährleistet ist. In Gl. (118)<br />
bestimmt cos α das Vorzeichen von d 2 x s /dt 2 .<br />
F ⃗ Fall b): Reines Gleiten<br />
★✥<br />
✓✏<br />
✒✑<br />
✧✦ ✡✡ ✡ ✡ ✡✡✣ Ist speziell cos α = a/b, so verläuft die Wirkungslinie von F durch den<br />
Auflagepunkt; es wirkt daher kein Drehmoment auf die Spule, sie kann sich<br />
α nur gleitend bewegen, ohne zu rollen.<br />
9.6.4 Rollen und Gleiten eines Zylinders auf schiefer Ebene<br />
Schwerpunkts- und Drehimpulssatz bezüglich S liefern die Bewegungsgleichungen<br />
★✥<br />
a ✄ ✄✗ y<br />
✄ ✄✗ N<br />
✄<br />
❳❳ ❳2❳ ✧✦<br />
❳❳ ✄<br />
❳ ✄ ❳❳❳ ❳<br />
R ❳ ❳3 ❄Mg<br />
x<br />
❳<br />
α ❳❳❳<br />
y-Komponente: 0 = Mg cos α − N (119)<br />
M d2 x s<br />
dt = Mg sin α − R (120) I d 2 ϕ<br />
2 s = Ra. (121)<br />
dt2 Ohne Reibung R ist kein Rollen mit ⃗ L s = 0 am Anfang möglich. Wir diskutieren wieder<br />
2 Fälle:<br />
a) Reines Rollen Wir haben die Bedingung R ≤ µ H N<br />
und die Rollbedingung x s = aϕ ⇒ d2 x s<br />
dt 2 = a d2 ϕ<br />
dt 2 ,<br />
so dass R aus Gl. (120) und (121) eliminiert werden kann:<br />
104<br />
d 2 x s<br />
dt 2 =<br />
g sin α<br />
1 + I s /Ma 2.
Das Problem hat nur einen Freiheitsgrad. Mit den Anfangsbedingungen<br />
x s (0) = 0,v s (0) = 0 lautet die Lösung der Bewegungsgleichung [vgl. freier Fall]<br />
x s (t) =<br />
g sin α<br />
2(1 + I s /Ma 2 ) t2 .<br />
Aus der Gleichung (120) oder (121) ergibt sich für die Haftreibungskraft<br />
1 d 2 (<br />
)<br />
x s<br />
I s<br />
a 2 dt = R = Mg sin α 1<br />
I s<br />
1 − = Mg sin α<br />
2 1 + I s /Ma 2 I s + Ma 2.<br />
Handelt es sich speziell um einen Vollzylinder, so ist I s = M a 2 /2, also<br />
R = 1Mg sin α, wobei R ≤ µ 3 HMg cos α sein muss. Reines Rollen ist somit nur<br />
dann möglich, wenn 1 3 Mg sin α ≤ µ HMg cos α, also tanα ≤ 3µ H .<br />
Die Rollzeit T, während der sich die Höhe des Schwerpunkts um den Betrag h<br />
ändert, ergibt sich aus h/ sin α = x s (t) zu<br />
h = x s (T) sin α = g sin2 αT 2<br />
2(1 + I s /Ma 2 ) , und T = 1<br />
sin α√<br />
2h<br />
g<br />
(<br />
1 + I s<br />
Ma 2 )<br />
. (122)<br />
Die Rollzeit ist somit länger als die entsprechende Gleitzeit für einen Massenpunkt,<br />
welche aus Gl. (122) für I s = 0 folgt. Die Ursache für diesen Unterschied werden wir<br />
mit der kinetischen Energie in Kapitel 9.7 diskutieren.<br />
Gleich schwere und gleich grosse Zylinder mit verschiedenen Trägheitsmomenten<br />
(z.B. Hohlzylinder T ′ und Vollzylinder T ′′ aus verschiedenen Materialien) haben<br />
verschiedene Rollzeiten<br />
√<br />
T ′ ( ) )<br />
= 1 + I′ s<br />
/<br />
(1 + I′′ s<br />
. (123)<br />
T ′′ Ma 2 Ma 2<br />
Ähnliche Hohlzylinder, d.h. solche, deren innerer und äusserer Radius dasselbe<br />
Verhältnis besitzen, haben die gleiche Rollzeit. Für einen Hohlzylinder gilt nämlich<br />
( )<br />
I s = M 2 (a2 1 + a 2 2) = Ma2 2<br />
2<br />
Einsetzen in Gl. (123) ergibt T ′ = T ′′ .<br />
b) Rollen und Gleiten<br />
1 + a2 1<br />
a 2 2<br />
Ist der Neigungswinkel α der schiefen Ebene genügend gross, so wird die durch die<br />
Kraft Mg sin α − R erzeugte Beschleunigung d 2 x s /dt 2 so gross, dass die durch das<br />
Drehmoment von R hervorgerufene Winkelbeschleunigung d 2 ϕ/dt 2 zu klein ist, um<br />
die Rollbedingung zu erfüllen. Der Zylinder gleitet und beginnt sich dabei zu drehen.<br />
Die Bewegung hat nun 2 Freiheitsgrade. Die Reibungskraft ist mit<br />
R = µ G N = µ G Mg cos α bestimmt.<br />
.<br />
Aus Gl. (120) und (121) folgt<br />
d 2 x s<br />
dt 2 = g(sinα − µ G cos α),<br />
105<br />
d 2 ϕ<br />
dt = µ GMga cosα<br />
.<br />
2 I s
Unter Erfüllung der Anfangsbedingungen: x s (0) = 0; v s (0) = 0; ϕ(0) = 0; ω(0) = 0<br />
lauten die Lösungen v s (t) = g(sinα − µ G cos α)t, x s (t) = g 2 (sin α − µ G cosα)t 2<br />
ω(t) = µ GMga cos α<br />
I s<br />
t, ϕ(t) = µ GMga cos α<br />
2I s<br />
t 2 .<br />
Speziell für einen Vollzylinder mit I s = Ma 2 /2 wird ω(t) = 2µ Gg cos α<br />
a t.<br />
Würde dieser Zylinder rollen ohne zu gleiten, würde die Rollbedingung<br />
ω ′ (t) = v s(t)<br />
a<br />
= g(sinα − µ G cos α)t<br />
a<br />
verlangen, dann wäre<br />
ω ′<br />
ω = 1 (tanα−µ G ).<br />
2µ G<br />
Da tanα > 3µ G , so ist ω ′ > ω, d.h. der Zylinder dreht sich zu langsam, um rein<br />
rollen zu können.<br />
9.6.5 Aufsetzen eines rotierenden Zylinders auf eine schiefe Ebene<br />
★✥ N<br />
❏❪ x Die Bewegungsgleichungen lauten 0 = Mg cos α − N (124)<br />
❅❘<br />
a❏<br />
ϕ<br />
❏<br />
✧✦ ❏✑ ✑✑✸ R<br />
✑ ✑✑✑✑✑✑✑✑✑✸ ❄ Mg M d2x s = R−Mg sin α (125)<br />
dt I d 2 ϕ<br />
2 s = −Ra. (126)<br />
dt2 α<br />
Wird der Zylinder zur Zeit t = 0 so aufgesetzt,<br />
dass die Anfangsbedingungen v s (0) = 0, ω(0) = ω ◦ gelten, so wird er zunächst gleiten, es<br />
gilt also R = µ G N = µ G Mg cosα. Aus Gl. (125) und Gl. (126) folgt dann<br />
d 2 x s<br />
dt 2 = g(µ G cosα − sin α),<br />
d 2 ϕ<br />
dt = −µ GMga cosα<br />
.<br />
2 I s<br />
Unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen liefert die Integration:<br />
v s (t) = g(µ G cosα − sin α)t,<br />
ω = ω ◦ − µ GMga cosα<br />
I s<br />
t.<br />
Wenn µ G > tanα, so bewegt sich der Zylinder die schiefe Ebene hinauf; im Falle µ G <<br />
tanα bewegt er sich abwärts. Für den speziellen Fall tanα = µ G verschwindet v s . Der<br />
Zylinder rotiert an der Aufsatzstelle, ohne sich fortzubewegen.<br />
Diese Lösungen sind nur bis zum kritischen Zeitpunkt T k gültig, wenn der Zylinder<br />
so stark abgebremst wurde, dass die Rollbedingung v s (T k ) = aω(T k ) erfüllt werden kann<br />
und der Zylinder danach nur noch rollt ohne zu gleiten, wie im vorigen Beispiel diskutiert<br />
wurde. Setzen wir v s und ω in die Rollbedingung ein, ergibt sich<br />
(<br />
)<br />
µMga cosα<br />
g(µ G cos α − sin α)T k = a ω ◦ − T k .<br />
I s<br />
Daraus folgt T k =<br />
aω ◦<br />
g(µ G cos α − sin α) + µ G Mga 2 cos α/I s<br />
.<br />
106
v<br />
✻<br />
◗ ◗ a · ω<br />
◗<br />
◗<br />
◗<br />
◗<br />
v s <br />
✟ ✟✟✟✟✟✟ ✲<br />
T k t<br />
Speziell für einen Vollzylinder wird<br />
T k =<br />
aω ◦<br />
g(3µ G cos α − sin α) .<br />
Die zugehörige kritische Winkelgeschwindigkeit ist<br />
ω k = ω ◦<br />
(1 −<br />
)<br />
2µ G<br />
.<br />
3µ G − tanα<br />
9.7 Die kinetische Energie bei ebener Translation und Rotation<br />
Ein Körper der Masse M führe eine ebene Bewegung aus, d.h. alle Geschwindigkeiten<br />
(und auch ⃗v s des Schwerpunktes) liegen parallel zu einer xy-Ebene und der Winkelgeschwindigkeitsvektor<br />
⃗ω steht senkrecht zur Ebene. Die Geschwindigkeit eines beliebigen<br />
Massenelements dM ist dann ⃗v = ⃗v s + ⃗ω × ⃗r ′ , und seine kinetische Energie ist<br />
z<br />
→<br />
v<br />
. r<br />
dT = dM 2 v2 = dM 2<br />
[<br />
v<br />
2<br />
s + 2⃗v s (⃗ω × ⃗r ′ ) + (⃗ω × ⃗r ′ ) 2] .<br />
y<br />
S<br />
ω → →<br />
ϕ<br />
r<br />
dM<br />
→<br />
v s<br />
Es ist |⃗ω × ⃗r ′ | = ωr ′ sin ϕ = ωr ⊥ , also<br />
(⃗ω × ⃗r ′ ) 2 = ω 2 r 2 ⊥, r ⊥ ist der Abstand des Elements<br />
dM von der Drehachse. Die totale kinetische Energie<br />
wird mit Integration über den ganzen Körper:<br />
x<br />
T = 1 ∫<br />
2 Mv2 s + ⃗v s (<br />
⃗ω × ⃗r ′ dM) + 1 2 ω2 ∫<br />
r 2 ⊥ dM<br />
Der mittlere Term verschwindet, weil ∫ ⃗r ′ dM = 0 auf Grund der Definition des Schwerpunktes.<br />
Im 3. Term stellt das Integral das Trägheitsmoment dar. Wir haben somit:<br />
T = 1 2 Mv2 s + 1 2 I sω 2<br />
die kinetische Energie bei der ebenen Bewegung.<br />
Es gilt E-Erhaltung konservativer Kräfte:<br />
T Trans + T Rot + V = E tot = konst.<br />
Rotiert der Körper speziell um eine starre Achse im Abstand d von S, so ist v s = ωd, also<br />
nach dem Satz von Steiner<br />
T = M 2 ω2 d 2 + I s<br />
2 ω2 = I ◦<br />
2 ω2 .<br />
Im allgemeinen Fall kann die kinetische Energie in einen Translationsanteil T T und einen<br />
Rotationsanteil T R zerlegt werden. Für den letzteren gilt mit dϕ = ωdt<br />
( ) 1<br />
dT R = d<br />
2 I sω 2 = I s ω dω<br />
dt dt = M szdϕ,<br />
denn M sz = I s<br />
dω<br />
dt<br />
ist die z-Komponente des Drehmomentes bezüglich S. Also folgt durch<br />
Integration<br />
∫<br />
(T R ) 2 − (T R ) 1 = 2 M sz dϕ.<br />
1<br />
107
Die Änderung des Rotationsanteils der kinetischen Energie ist gleich der Arbeit<br />
jener Kräfte, die bezüglich des Schwerpunktes ein Drehmoment ausüben.<br />
Die Änderung von T T rührt offenbar von jenen Kräften her, welche nur die Translation<br />
des Körpers beeinflussen. Insgesamt muss natürlich wieder der Energiesatz der <strong>Mechanik</strong><br />
in der Form (T T + T R ) 2 − (T T + T R ) 1 = W 1→2 von Kapitel 4.2 gelten.<br />
Zur Veranschaulichung betrachten wir das Beispiel des rollenden<br />
Zylinders auf der schiefen Ebene, der aus der Ruhe<br />
✄❳ ❳2❳❳ ❳ ❳<br />
★✥ ❳❳❳ ✄ ❳ ❳<br />
❳3❳ starten möge und eine Strecke l hinabrollt. Für die Rotationsbewegung<br />
lautet die Energiebilanz<br />
a l ✄<br />
<br />
✄ ✄✗ N<br />
✄ ✄<br />
❳❳ ✄✗ y<br />
❳2❳ ✧✦<br />
❳ ❳❳❳ ✄<br />
❳ ✄<br />
h ✻<br />
✄<br />
R ❳❳❳<br />
❳❳❳3 ❄Mg<br />
x<br />
∫ ∫<br />
M<br />
❄ α ❳ sz dϕ = Ra dϕ = Raϕ = Rl = 1 ❳ ✄<br />
2 I sω 2 ,<br />
wobei wir die Rollbedingung aϕ = l benutzt haben. Für die Translationsbewegung gilt<br />
∫<br />
(Mg sin α − R)dx = (Mg sin α − R)l = 1 2 Mv2 .<br />
1<br />
Addition beider Gleichungen liefert:<br />
2 Mv2 + 1 2 I sω 2 = Mgl sin α = Mgh, (127)<br />
im Einklang mit dem Energieerhaltungs-Satz.<br />
Das Ergebnis dieser Überlegungen: die Arbeit der Haftreibung R ist herausgefallen!<br />
Die Haftreibung ist keine dissipative Kraft, d.h. sie wandelt nicht mechanische Energie in<br />
Wärme um. Die bei der Translationsbewegung verloren gegangene Energie wird bei der<br />
Rotation vollständig zurückgewonnen. Die Haftreibung transformiert nur eine Form der<br />
mechanischen Energie in eine andere.<br />
Gleichung (127) erklärt, warum ein Hohlzylinder, der gleiche Masse und Dimension wie<br />
ein Vollzylinder, aber ein grösseres Trägheitsmoment hat, zum Abrollen von der schiefen<br />
Ebene eine längere Zeit braucht.<br />
Eine Variante dieses Versuches ist das Abrollen eines Zylinders<br />
an einem senkrechten Faden. Energieerhaltung:<br />
♠<br />
✻ ✻ ✻<br />
z 1<br />
h ♠❄<br />
z 2<br />
Mgh = M ( ) 2<br />
dz1<br />
+ I ( ) 2<br />
s 1 dz1<br />
+ Mg(h − z<br />
2 dt 2 R 2 1 ),<br />
dt<br />
♠❄<br />
❄ ♠ v = 0<br />
wobei I s = M 2 R2 gilt und damit | dz 1<br />
| = √ 4<br />
gz dt 3 1.<br />
∫ s 1 √<br />
dz 1<br />
Folglich wird die Fallzeit T 1 = √ 4<br />
◦ gz = 3 s 1<br />
für die Fallstrecke s 1 .<br />
g<br />
3 1<br />
Für den frei fallenden Zylinder gilt Mgh = M 2<br />
| dz √<br />
∫ s 2<br />
2<br />
dt | = 2gz 2 und T 2 =<br />
◦<br />
( ) 2<br />
dz2<br />
+ Mg(h − z 2 ),<br />
dt<br />
dz<br />
√ 2<br />
= 2gz2<br />
√<br />
2 s 2<br />
g .<br />
Für gleiche Fallzeiten verhalten sich die Fallstrecken wie s 1 /s 2 = 2/3.<br />
108
9.8 Eigenschaften des Kreisels<br />
9.8.1 Trägheitstensor und Eulersche Kreisel-Gleichungen †<br />
Auf Grund der formalen Ähnlichkeit von Impuls- und Drehimpulssatz, also von<br />
d⃗p<br />
dt = F ⃗ dL und<br />
⃗ ◦<br />
= M<br />
dt<br />
⃗ ◦ ,<br />
könnte man vermuten, dass der Beziehung ⃗p = m⃗v ein ähnlicher Zusammenhang zwischen<br />
⃗L und ⃗ω bei der Rotation entspricht. Das ist aber im allgemeinen nicht der Fall. Die<br />
Beziehung L ◦z = I ◦ ω gilt nur für ebene Bewegungen.<br />
Wird ein Punkt ◦ eines starren Körpers festgehalten, dann nennt man die Bewegung<br />
um ◦ eine Kreiselung. Sie besitzt drei Rotationsfreiheitsgrade, die jedoch wesentlich<br />
komplizierter sind als drei reine Translationsfreiheitsgrade. Die Schwierigkeiten mehrerer<br />
Rotationsfreiheitsgrade haben folgende Gründe:<br />
1. Es gibt keine Koordinaten, deren Ableitungen direkt Geschwindigkeiten darstellen,<br />
wie bei den Translationen. Drehungen sind Pseudovektoren (axiale Vektoren), deren<br />
Reihenfolge nicht wie bei polaren Vektoren vertauscht werden kann.<br />
2. Die Trägheitsmomente hängen von der Achsenwahl ab. Ändert die Achse mit der<br />
Zeit die Richtung, so wird I = I(t), während in Analogie für Translationen die<br />
Masse m konstant ist.<br />
3. Für Drehungen gilt im allgemeinen ⃗ L ≠ I⃗ω, da ⃗ L im allgemeinen nicht die Richtung<br />
von ⃗ω hat. Das Trägheitsmoment muss daher durch einen Tensor 76 I dargestellt<br />
werden, so dass gilt ⃗ L = I⃗ω.<br />
Im folgenden wird der Trägheitstensor rein buchhalterisch für Schreibfaule eingeführt,<br />
wobei die Rechenregeln in der Matrizendarstellung zwanglos einsichtig sind.<br />
Ein Beispiel der Aussage ⃗ L ≠ I⃗ω, ist die Hantel, deren Mitte mit einer vertikalen<br />
Achse verbunden ist, die mit ⃗ω rotiert.<br />
76 Tensoren sind physikalische Objekte, die durch ihr Transfomationsverhalten definiert sind.<br />
Skalare sind Tensoren 0. Stufe. Vektoren sind Tensoren 1. Stufe.<br />
Tensoren 2. Stufe, wie das Trägheitsmoment können im einmal gewählte Koordinatensystem durch eine<br />
n × n Matrix (ein Zahlenschema) dargestellt werden. Man bildet aus Vektoren einen Tensor durch das<br />
⎛<br />
dyadische Produkt A = ⃗a ⊗ ⃗ b = ⎝<br />
⎞<br />
a x b x a x b y a x b z<br />
a y b x a y b y a y b z<br />
⎠ =<br />
a z b x a z b y a z b z<br />
Es gilt ⃗a( ⃗ b ·⃗c) = (⃗a ⊗ ⃗ b)⃗c, beachte jedoch: ⃗a( ⃗ b · ⃗c) ≠ (⃗a ·⃗b)⃗c.<br />
⎛<br />
Der Einheitstensor ist 1I = ⎝<br />
1 0 0<br />
0 1 0<br />
0 0 1<br />
⎛<br />
⎝<br />
⎞<br />
⎠<br />
⎞<br />
A xx A xy A xz<br />
A yx A yy A yz<br />
⎠<br />
A zx A zy A zz<br />
.<br />
Man führt den Tensor auch oft mit der Bedingung ⃗a( ⃗ b · ⃗c) = (⃗a ⊗ ⃗ b)⃗c ein; dann ist die Multiplikationsvorschrift<br />
⊗ definiert und ⃗a ⊗ ⃗ b stellt einen Tensor 2.Stufe dar. Ein allgemeiner Tensor p-ter Stufe ist<br />
durch das mehrfache Produkt von p vektoriellen Faktoren gegeben.<br />
Vergleiche die bisher bekannten Verknüpfungen von zwei Vektoren durch das Skalarprodukt und das<br />
Vektorprodukt.<br />
109
m<br />
→<br />
dL o<br />
dϕ<br />
→ m<br />
L ω →<br />
o α<br />
→<br />
. r 1 =r<br />
→<br />
r 2<br />
→<br />
p 2<br />
→<br />
→ →<br />
p 1 =p<br />
Die Hantel ist um den Winkel α gegen diese Drehachse<br />
geneigt. Der Drehimpuls ⃗ L ◦ der Hantel bezüglich ◦ ist<br />
⃗L ◦ = ⃗r 1 × ⃗p 1 + ⃗r 2 × ⃗p 2 , oder wegen −⃗r 2 = ⃗r 1 = ⃗r und<br />
−⃗p 2 = ⃗p 1 = ⃗p ist ⃗ L ◦ = 2(⃗r × ⃗p) = 2m(⃗r × ⃗v). ⃗ L ◦ dreht sich<br />
mit der Winkelgeschwindigkeit ⃗ω auf einem Kegelmantel<br />
um ⃗ω mit dL ◦ /dt = L ◦ sin α dϕ/dt = |⃗ω × ⃗ L ◦ | ; ⃗ L ◦ und<br />
⃗ω stehen also nicht parallel zueinander. Diese Bewegung<br />
ist nur möglich mit einem äusseren z.B. durch Lagerkräfte<br />
aufgebrachten Drehmoment<br />
⃗M ◦ = d⃗ L ◦<br />
dt<br />
= ⃗ω × ⃗ L ◦ ; ohne Lagerkräfte dreht die Hantel<br />
bis ⃗ L ◦ ‖ ⃗ω steht und ⃗ M ◦ = 0 wird.<br />
Wir wollen jetzt einen allgemeinen Zusammenhang zwischen ⃗ L ◦ und ⃗ω finden und dann<br />
mit Hilfe des Drehimpulssatzes Bewegungsgleichungen, die Eulerschen Kreiselgleichungen,<br />
aufstellen, die für die Kreiselbewegung gelten, d.h. für Bewegungen eines starren Körpers,<br />
von dem ein Punkt fest gehalten wird.<br />
Wenn bei einer Kreiselung ein Punkt des Körpers im Raume fest bleibt, dann kann<br />
dieser Punkt ◦ als raum- (⃗r i ) und körperfester (⃗r ′ i) Ursprung gewählt werden. Es ist<br />
dann ⃗r i = ⃗r ′ i und die Zeitabhängigkeit steckt im raumfesten System in den Komponenten<br />
von ⃗r i und im körperfesten System in den Basisvektoren ⃗i ′ , ⃗j ′ , ⃗ k ′ von ⃗r ′ i. Es gilt nach der<br />
Definition des Drehimpulses für einen Massenpunkt ⃗ L ◦i = m i ⃗r i × (⃗ω × ⃗r i ) und damit für<br />
n∑<br />
n Massenpunkte 77 L◦ ⃗ = ⃗L ◦i =<br />
1<br />
oder für einen ausgedehnten Körper<br />
∫ ∫<br />
∫<br />
⃗L ◦ = ⃗r×⃗v dm = ⃗r×(⃗ω×⃗r) dm =<br />
n∑<br />
m i ⃗r i × (⃗ω ×⃗r i ) =<br />
1<br />
∫<br />
[r 2 ⃗ω−(⃗r·⃗ω)⃗r] dm =<br />
n∑<br />
m i [ri 2 ⃗ω − (⃗r i · ⃗ω)⃗r i ] (128)<br />
1<br />
[r 2 ⃗ω−(xω x +yω y +zω z )⃗r] dm<br />
Hier hängt ⃗ω in der Summe nicht von i und im Integral nicht von der Massenverteilung<br />
ab. Es besteht jetzt das mathematische Problem, wie man ⃗ω aus der Summe herausziehen<br />
kann oder vor das Integral stellen kann, um so die Beziehung L ⃗ ◦ = I ◦ ⃗ω aufstellen und<br />
den Trägheitstensor I ◦ berechnen zu können. Dazu berechnet man die drei Komponenten<br />
des Drehimpulses 78 ∫<br />
∫ ∫<br />
L ◦x = ω x (y 2 + z 2 ) dm −ω y yxdm −ω z zx dm<br />
} {{ }<br />
I xx<br />
} {{ }<br />
C yx<br />
} {{ }<br />
C zx<br />
∫<br />
∫ ∫<br />
L ◦y = ω y (x 2 + z 2 ) dm −ω x xy dm −ω z yz dm<br />
} {{ } } {{ } } {{ }<br />
I yy C xy C yz<br />
∫<br />
∫ ∫<br />
L ◦z = ω z (x 2 + y 2 ) dm −ω x xz dm −ω y yz dm<br />
} {{ } } {{ } } {{ }<br />
I zz C xz C yz<br />
Die Trägheitsmomente I in den obigen Gleichungen sind in Analogie zum Trägheitsmoment<br />
der ebenen Bewegung definiert. Die übrigen nichtdiagonalen Terme C werden<br />
77 Beachte hier die Vektoridentität ⃗a × ( ⃗ b × ⃗c) = (⃗a · ⃗c) ⃗ b − (⃗a ·⃗b)⃗c.<br />
78 Man erhält natürlich das gleiche Ergebnis, wenn man direkt das dreifache Vektorprodukt ausrechnet.<br />
110
als Deviationsmomente bezeichnet. Für alle drei Komponenten erhält man so in einer<br />
buchhalterischen Anordnung 79<br />
L ◦x =I xx ω x −C xy ω y −C xz ω z<br />
L ◦y =I yy ω y −C yz ω z −C yx ω x<br />
L ◦z =I zz ω z −C zx ω x −C zy ω y<br />
⇒ ⃗ L ◦ = I⃗ω =<br />
I =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎞<br />
+I xx −C xy −C xz<br />
⎟<br />
−C yx +I yy −C yz ⎠<br />
−C zx −C zy +I zz<br />
∫ (y 2 + z 2 ) dm − ∫ xy dm − ∫ xz dm<br />
− ∫ yx dm ∫ (x 2 + z 2 ) dm − ∫ yz dm<br />
− ∫ zx dm − ∫ zy dm ∫ (x 2 + y 2 ) dm<br />
⎞<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎞<br />
ω x<br />
⎟<br />
ω y<br />
ω z<br />
⎠ (129)<br />
⎟<br />
⎠ (130)<br />
Jede Komponente des Drehimpulses ist eine lineare Funktion von allen Komponenten der<br />
Winkelgeschwindigkeit ⃗ω. 80<br />
Der Trägheitstensor I ist symmetrisch, d.h. es ist C ij = C ji und es lässt sich ein<br />
körpereigenes Koordinatensystem S ′ mit den Einheitsvektoren ⃗e 1 , ⃗e 2 , ⃗e 3 finden, in dem<br />
alle Deviationsmomente C ij verschwinden und nur noch die diagonalen Trägheitsmomente<br />
I ii der Hauptachsen übrigbleiben (Beweis in der theoretischen <strong>Physik</strong>). Die Hauptachsen<br />
fallen oft mit den Symmetrieachsen eines Körpers zusammen. Es gilt dann mit den<br />
Abkürzungen I 11 = I 1 , I 22 = I 2 und I 33 = I 3 für ein Hauptachsensystem<br />
⃗L ◦ = I 1 ω 1 ⃗e 1 + I 2 ω 2 ⃗e 2 + I 3 ω 3 ⃗e 3 (131)<br />
Auch im Hauptachsensystem ist L ⃗ ◦ nicht parallel zu ⃗ω, da (ausser für eine homogene<br />
Kugel) I 1 ≠ I 2 ≠ I 3 ist. Bildet man mit Gl.(129), die für ein raumfestes Koordinatensystem<br />
hergeleitet wurde, die Bewegungsgleichung M ⃗ ◦ = d⃗ L ◦<br />
, dann sind die Komponenten<br />
dt<br />
des Trägheitstensors zeitabhängig I = I(t) und der Drehimpuls L ⃗ ◦ wird kompliziert, es<br />
treten jedoch im raumfesten System keine Scheinkräfte auf. Im körperfesten und damit<br />
bewegten Hauptachse-System ist der Trägheitstensor diagonal 81 und der Drehimpuls ist<br />
einfach entsprechend Gl.(131); es müssen dann jedoch im rotierenden System Scheinkräfte<br />
eingeführt werden. Das Hauptachsensystem dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit ⃗ω<br />
79 Die Multiplikation eines Tensors A, der durch die 3×3 Matrix dargestellt wird, mit den drei Komponenten<br />
des Vektors wird mit den üblichen Regeln der Matrizenmultiplikation durchgeführt:<br />
A⃗r = ∑ A xl r l<br />
⃗i + ∑ A yl r l<br />
⃗j + ∑ ∑ ∑<br />
A zl r l<br />
⃗ k = A il r l ⃗e i = ⃗r ′<br />
l<br />
l<br />
l<br />
i<br />
Rezept: Multipliziere die einzelnen Zeilen-Terme der Matrix mit den Spalten-Termen des Vektors.<br />
80 Mit den Tensorrechenregeln (siehe die zwei der vorhergehenden Fussnoten) kann die Detailrechnung<br />
mit allen einzelnen Komponenten von Gl. (128) bis (130) in zwei Zeilen elegant abgeleitet werden:<br />
l<br />
⃗L ◦ =<br />
n∑<br />
m i [ri 2 ⃗ω − (⃗r i · ⃗ω)⃗r i ] mit ⃗a( ⃗ b ·⃗c) = (⃗a ⊗ ⃗ b)⃗c und ⃗u = s ⃗ b = s1I ⃗ b ist<br />
1<br />
⃗L ◦ =<br />
n∑<br />
n∑<br />
m i [ri 2 1I⃗ω − (⃗r i ⊗ ⃗r i )⃗ω] = [ m i (ri 2 1I − ⃗r i ⊗ ⃗r i )] ⃗ω = I⃗ω.<br />
1<br />
1<br />
} {{ }<br />
= I<br />
81 Als ein einfaches Beispiel sei der Trägheitstensor eines zweiatomigen Moleküls (H 2 , N 2 , O 2 ) im körperfesten<br />
Hauptachsensystem berechnet:<br />
111
gegenüber dem raumfesten System. L. Eulers 82 Idee war, die Vorteile zu kombinieren und<br />
die Nachteile zu unterdrücken. Die zeitliche Ableitung d dt wird mit dem einfachen ⃗ L ◦ im<br />
Hauptachsensystem also d⃗ L ◦<br />
= M ⃗ dt ◦ und im körpereigenen beschleunigten Relativsystem<br />
mit Gl.(88)<br />
d<br />
dt = d′<br />
dt + ⃗ω × gebildet: dL ⃗ ◦<br />
dt<br />
= d′ ⃗ L◦<br />
dt<br />
+ ⃗ω × L ⃗ ◦ und d⃗ω<br />
dt = d′ ⃗ω<br />
dt<br />
+ ⃗ω × ⃗ω = d′ ⃗ω<br />
} {{ } dt<br />
=0<br />
Für das körperfeste Hauptachsensystem ist I =konst. keine Funktion der Zeit und<br />
damit d′ I 1<br />
dt<br />
= 0 und es folgt mit Gl.(131) sowie ⃗ω = ω 1 ⃗e 1 + ω 2 ⃗e 2 + ω 3 ⃗e 3<br />
d ′ ⃗ L◦<br />
dt<br />
= I 1<br />
d ′ (ω 1 ⃗e 1 )<br />
dt<br />
+ I 2<br />
d ′ (ω 2 ⃗e 2 )<br />
dt<br />
+ I 3<br />
d ′ (ω 3 ⃗e 3 )<br />
dt<br />
= I 1<br />
d ′ ω 1<br />
dt ⃗e 1 + I 2<br />
d ′ ω 2<br />
dt ⃗e 2 + I 3<br />
d ′ ω 3<br />
dt ⃗e 3 ,<br />
im körperfesten System ruht ⃗e 1 , damit ist d′ ⃗e 1<br />
dt<br />
= 0 (analog für ⃗e 2 , ⃗e 3 ) und es folgt<br />
⃗M ◦ = d⃗ L ◦<br />
dt<br />
= d′ ⃗ L◦<br />
dt<br />
+ ⃗ω × ⃗ L ◦ = I 1<br />
dω 1<br />
dt ⃗e 1 + I 2<br />
dω 2<br />
dt ⃗e 2 + I 3<br />
dω 3<br />
dt ⃗e 3 + ⃗ω × ⃗ L ◦<br />
Die Komponente von ⃗ M ◦ im Hauptachsensystem z.B. für die 1-Komponente ist<br />
M 1 = I 1<br />
dω 1<br />
dt + (ω 2L ◦3 − ω 3 L ◦2 ) und mit L ◦2 = I 2 ω 2 , L ◦3 = I 3 ω 3 ⇒ analog für M 2 , M 3<br />
M 1 = I 1<br />
dω 1<br />
dt − (I 2 − I 3 )ω 2 ω 3<br />
M 2 = I 2<br />
dω 2<br />
dt − (I 3 − I 1 )ω 3 ω 1<br />
M 3 = I 3<br />
dω 3<br />
dt − (I 1 − I 2 )ω 1 ω 2<br />
die Eulerschen Gleichungen<br />
im körperfesten<br />
Hauptachsensystem 123<br />
(132)<br />
9.8.2 Der kräftefreie rotationssymmetrische Kreisel<br />
Auf einen kräftefreien Kreisel wirkt kein Drehmoment ⃗ M ◦ = 0. Er kann im Schwerefeld<br />
realisiert werden, indem man ihn im Schwerpunkt aufhängt, der raumfeste Punkt<br />
✻<br />
2<br />
i=1 ✉<br />
i=2 ✉ ✲<br />
d<br />
✁<br />
✁<br />
d 1<br />
✁<br />
✁<br />
✁☛3<br />
r 11 = −d, r 12 = 0, r 13 = 0, ri 2 = r2 i1 + r2 i2 + r2 i3<br />
r 21 = +d, r 22 = 0, r 23 = 0,<br />
⎛ ∑<br />
mi (ri 2 − r i1r i1 ) − ∑ m i r i1 r i2 − ∑ ⎞<br />
m i r i1 r i3<br />
I = ⎝ − ∑ ∑<br />
m i r i2 r i1 mi (ri 2 − r ∑<br />
i2r i2 ) mi ri 2r3 i<br />
− ∑ m i r i3 r i1 − ∑ ⎠<br />
∑<br />
m i r i3 r i2 mi (ri 2 − r i3r i3 )<br />
⎛ ⎞<br />
0 0 0<br />
I = 2m ⎝ 0 d 2 0 ⎠ und I 1 = 0, I 2 = 2md 2 , I 3 = 2md 2 .<br />
0 0 d 2<br />
82 Leonard Euler (1707-1783) in Basel geboren, der Vater war Pastor in Riehen, studierte in Basel<br />
Theologie und dann Mathematik und <strong>Physik</strong>. 1727 erhielt er in der St. Petersburger Akademie die Stelle<br />
eines mathematischen Adjunkts, er erblindete 1735 auf dem rechten Auge, wurde 1741 Direktor der<br />
Akademie in Berlin, erblindete 1766 in Petersburg vollständig. Er war ein Anhänger der Wellentheorie<br />
des Lichtes, sein klassisches Werk populärer Wissenschaft: “Lettres à une Princesse d’Allemagne”.<br />
112
◦ ist dann gleich dem Schwerpunkt S, oder eine kardanische Aufhängung wählt 83 . Bei<br />
Rotationssymmetrie ist im körpereigenen System I 1 = I 2 = I und die 3-Achse ist die<br />
Figurenachse durch den Schwerpunkt.<br />
1<br />
2<br />
3<br />
S=o<br />
Mit Gl.(132) und dL s<br />
dt<br />
= M s = dL ◦<br />
dt<br />
= M ◦ = 0 ist<br />
0 = I dω 1<br />
dt − (I − I 3)ω 2 ω 3 | 1 d · · · I dt<br />
0 = I dω 2<br />
dt − (I 3 − I)ω 3 ω 1<br />
0 = I<br />
dω 3 3<br />
dt − (I − I)ω 1ω 2 = I<br />
dω 3 3<br />
dt<br />
⇒ ω 3 = konst<br />
Kombiniert man wie angegeben die beiden ersten<br />
Gleichungen, dann erhält man<br />
S<br />
3<br />
0 = d2 ω 1<br />
dt − I − I 3 dω 2<br />
2 I dt ω 3 = ¨ω 1 − (I − I 3)(I 3 − I)<br />
ω 1 · ω3 2 = ¨ω 1 + ω 1 · ω 2<br />
I · I<br />
◦. (133)<br />
Man beobachtet folgende Bewegungen der einzelnen Axialvektoren:<br />
z<br />
3<br />
Dies ist eine Schwingungsgleichung mit der konstanten Frequenz ω ◦ = (I 3−I)<br />
ω<br />
I 3 und den<br />
Lösungen ω 1 = c · sin(ω ◦ t − δ) sowie mit der 1. Gleichung ω 2 = −c · cos(ω ◦ t − δ).<br />
Figurenachse<br />
Gangpolkegel<br />
ω →<br />
3 Im körperfesten System ist ω1 2 + ω2 2 = ω⊥ 2 = c 2 .<br />
ω 1 und ω 2 sind die Komponenten eines Vektors ω ⊥ , der<br />
in der senkrecht zur 3-Achse stehenden Ebene mit der<br />
→<br />
→ ω3<br />
ω<br />
Winkelgeschwindigkeit ω ◦ rotiert. Da ⃗ω = ⃗ω ⊥ +ω 3 ⃗e 3 gilt,<br />
ist auch |⃗ω| =konst. Somit muss sich ⃗ω auf einem Kegel,<br />
dem Gangpolkegel, um die Figurenachse drehen. Ist<br />
→<br />
ω 2 ω 1 = ω 2 = 0 und damit ⃗ω = ω 3 =konst, dann bleibt der<br />
→<br />
ω1<br />
2 Kreisel in der Figurenachse stehen (ruhender Kreisel).<br />
1<br />
c<br />
Im raumfesten System ist der Drehimpuls L ⃗ s =konst.<br />
korperfestes<br />
" Man wählt daher zweckmässig die<br />
System z-Achse ↑↑ L ⃗ s = I 1 ω 1 ⃗e 1 + I 2 ω 2 ⃗e 2 + I 3 ω 3 ⃗e 3 ;<br />
I hat im körperfesten Hauptachsensystem nur Diagonalelemente. Die 3-Komponente<br />
des Drehimpulses ist L s3 = I 3 ω 3 = L s cos ϑ =konst.<br />
Nutationskegel<br />
→<br />
L s<br />
ϑ<br />
L s3<br />
raumfestes System<br />
✡ ✡✣ ✄✗ ❈❖<br />
✄ ❈<br />
✡ ✄ ❈<br />
✡ ✄⃗L s ❈<br />
✡ ✄<br />
❈❖ ✄ ✡ ✡✣<br />
❈ ✄ ✡<br />
(I 3 − I)ω 3 ⃗e 3 ❈ ✄✡<br />
I⃗ω<br />
❈✄✡<br />
⃗ω dreht auf dem Gangpolkegel um die Figurenachse 3 im<br />
körperfesten Hauptachsensystem.<br />
Die Figurenachse 3 dreht unter dem konstanten Winkel ϑ um<br />
die raumfeste z-Achse (Nutationskegel). Wie bewegt sich ⃗ω<br />
inbezug auf die raumfeste z-Achse?<br />
Aus der Energiebetrachtung Gl.(137)<br />
T rot = 1⃗ωI 2 s⃗ω = 1⃗ω · ⃗L 2 s = 1ω 2 zL z =konst,<br />
muss mit L z = L s =konst auch ω z =konst gelten, damit läuft ⃗ω<br />
auf einem Kegel um die z-Achse (Rastpolkegel). Wir überzeugen<br />
uns, dass dann alle drei Vektoren ⃗ L s , ⃗ω und ⃗e 3 =3-Achse in<br />
jedem Moment in einer Ebene liegen. Es ist ja<br />
⃗L s = I(ω 1 ⃗e 1 + ω 2 ⃗e 2 ) + I 3 ω 3 ⃗e 3 = I⃗ω ⊥ + I 3 ω 3 ⃗e 3 =<br />
= I(⃗ω − ω 3 ⃗e 3 ) + I 3 ω 3 ⃗e 3 = I⃗ω + (I 3 − I)ω 3 ⃗e 3 .<br />
Der Summenvektor ⃗ L s liegt in der durch die Komponentenvektoren<br />
⃗ω und ⃗e 3 aufgespannten Ebene.<br />
83 Ein Diskus fliegt frei von Drehmomenten, da die Schwerkraft ⃗ G am Schwerpunkt angreift.<br />
113
Nutationskegel<br />
Rastpolkegel<br />
z<br />
Da die relative Lage der drei Vektoren sich nicht ändert,<br />
bleibt als einzig mögliche Bewegung die Drehung dieser<br />
Ebene um die raumfeste L s - Richtung übrig. Da sich<br />
3 aber ⃗ω schon um die Figurenachse dreht und sich beide<br />
→<br />
ω → um die L ⃗ s -Achse drehen, haben wir folgendes Resultat<br />
L s<br />
für die Bewegung des symmetrischen Kreisels 84 :<br />
Gangpolkegel a) ⃗ω dreht sich um L s auf dem raumfesten Rastpolkegel.<br />
prolater Kreisel I 1 = I 2 > I 3<br />
3<br />
Nutationskegel<br />
Gangpolkegel<br />
z<br />
→<br />
L s<br />
Rastpolkegel<br />
ω →<br />
oblater Kreisel I 1 = I 2 < I 3<br />
b) ⃗ω dreht sich um die Figurenachse 3 auf dem körperfesten<br />
Gangpolkegel.<br />
c) Beide Kegel rollen aufeinander ab, ⃗ω bildet die gemeinsame<br />
Mantellinie.<br />
d) Die Figurenachse dreht sich um ⃗ L s auf dem raumfesten<br />
Nutationskegel.<br />
Je nach Anfangsbedingungen ist natürlich auch der Spezialfall<br />
möglich, dass die ⃗ω-Drehachse und die Figurenachse<br />
mit der Richtung des raumfesten Drehimpulses zusammenfallen.<br />
9.8.3 Stabilität der Drehachse für Körper ohne Rotationssymmetrie<br />
Die Stabilität eines Systems z.B. im Schwerefeld kann untersucht werden, indem man<br />
kleine Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage untersucht und die resultierende Bewegungsgleichung<br />
näherungsweise aufstellt. Die Bewegungsgleichung ist dann vom Typ<br />
ẍ + a 2 x ≈ 0. Mit a 2 > 0 erhält man eine Lösung<br />
x(t) ≈ cos at), x(t) bleibt endlich ist also stabil.<br />
Mit a 2 < 0 ist x(t) ≈ e at und x(t) → ∞, die Lösung ist<br />
labil.<br />
stabil indifferent labil<br />
Allgemein ist für eine kräftefreie Bewegung mit<br />
⃗M ◦ = 0 und I 1 ≠ I 2 ≠ I 3 im Hauptachsensystem. Dreht sich der Körper bei Stabilität<br />
praktisch nur um eine Hauptachse, dann ist ω 1 ≈ ω 2 ≈ 0 und ω 3 ≠ 0 und die Eulerschen<br />
Gleichungen GL. (132), wenn der quadratisch kleine Term ω 1 ω 2 vernachlässigt wird, sind<br />
˙ω 1 − I 2 − I 3<br />
ω 2 ω 3 = 0, ˙ω 2 − I 3 − I 1<br />
ω 3 ω 1 = 0, ˙ω 3 − I 1 − I 2<br />
ω 1 ω 2<br />
I 1 I 2 I 3<br />
} {{ }<br />
≈ 0<br />
= 0 ⇒ ω 3 = konst.<br />
Durch Differenzieren der ersten beiden Gleichungen und Einsetzen erhält man für ω 1 und<br />
ω 2 die Schwingungsgleichungen<br />
¨ω 1 − I 2 − I 3 I 3 − I 1<br />
ω3<br />
2 ω 1 = 0 und ¨ω 2 − I 3 − I 1 I 2 − I 3<br />
ω3<br />
2 ω 2 = 0<br />
I 1 I<br />
} {{ 2 I<br />
}<br />
2 I<br />
} {{ 1<br />
}<br />
a 2 a 2<br />
stabil für a 2 > 0 ⇒ I 2−I 3 I 3 −I 1<br />
I 1 I 2<br />
< 0, es muss dann I 3 das grösste oder das kleinste<br />
Trägheitsmoment um die Hauptachse 3 sein.<br />
84 Die Figuren beschreiben einen prolaten Kreisel (I 1 = I 2 > I 3 ), bei dem der Rastpolkegel ausserhalb<br />
auf dem Gangpolkegel läuft, und einen oblaten Kreisel (I 1 = I 2 < I 3 ), bei dem der Rastpolkegel innerhalb<br />
des Gangpolkegels läuft.<br />
114
instabil für a 2 < 0 ⇒ I 1 < I 3 < I 2 führt ω 1 exponentiell von einer zunächst reinen<br />
Rotation um die Hauptachse 3 weg ins Torkeln.<br />
Die Hauptachsen mit dem grössten und dem kleinsten<br />
Trägheitsmoment sind stabile Drehachsen.<br />
Anschauliche Betrachtung dieser Stabilitätsbedingungen: Bei gleicher kinetischer Rotationsenergie<br />
1 2 Iω2 entspricht die Rotation um die Hauptachse mit dem maximalen (minimalen)<br />
Trägheitsmoment dem minimalen (maximalen) ω, d.h. ω kann bei erhaltener<br />
Energie der Rotation nicht mehr in beide Richtungen verändert werden.<br />
Ein anderes Stabilitätsbeispiel ist das Problem des Lassowerfers: Das Lasso klappt<br />
beim Drehen zu einem Stab zusammen, da das Trägheitsmoment für den Stab mit der<br />
Länge l kleiner ist als für einen Kreis mit dem Umfang 2l also I Stab = 1<br />
12 ml2 < I Kreis =<br />
1<br />
ml 2 . Man muss deshalb beim Lassowerfen die Anfangsbedingungen besser wählen und<br />
π 2<br />
das Lasso steifer machen.<br />
9.8.4 Symmetrischer Kreisel im Schwerefeld (Präzession)<br />
z<br />
✻<br />
⃗r s ‖ ⃗ω ‖ L ⃗ ◦<br />
❅<br />
✒<br />
❅<br />
<br />
❅<br />
✒ ❅<br />
α<br />
⃗r s ❄G<br />
⃗ ❝<br />
Wir kehren zum symmetrischen Kreisel zurück. Der Kreisel sei jetzt<br />
aber nicht mehr im Schwerpunkt unterstützt, so dass das Gewicht ein<br />
Drehmoment ⃗ M ◦ = ⃗r s × ⃗ G ausübt und folglich ⃗ L ◦ nicht mehr konstant<br />
ist. Die daraus resultierende Bewegung der Drehimpulsachse nennt<br />
man Präzession. Zur Vereinfachung nehmen wir an, die Figurenachse,<br />
Drehachse und Drehimpulsachse fallen zusammen und ⃗r s liege in<br />
der Figurenachse.<br />
Es ist also ⃗ L◦ ‖ ⃗ω ‖ ⃗r s .<br />
Ferner sei ω 3 sehr gross 85 . Dann sind wir nicht mehr auf die Euler-Gleichungen angewiesen,<br />
sondern können den Drehimpulsatz<br />
⃗ M◦ = ⃗r s × ⃗ G = d⃗ L ◦<br />
dt<br />
benützen.<br />
L◦ ⃗<br />
❄ präzessiert auf einem Kegelmantel, dem Präzessionskegel, um die<br />
dL ⃗ ◦<br />
❄ z-Achse. L ⃗ ◦ ist also ein Vektor, der im Relativsystem (Hauptachse)<br />
⃗M ◦<br />
konstant ist und im Absolutsystem nur seine Richtung aber nicht seinen<br />
❜ ✠<br />
✲<br />
Da M ⃗ ◦ senkrecht zu L ⃗ ◦ aber parallel zu dL ⃗ ◦ steht, muss dL ⃗ ◦ senkrecht<br />
auf L ⃗ ◦ stehen. Dieser Sachverhalt gilt für jeden Augenblick, also<br />
muss sich die Spitze des L ⃗ ◦ -Vektors auf einem Kreis bewegen, L ⃗ ◦ selbst<br />
Betrag ändert.<br />
→<br />
→<br />
dL o<br />
ω p<br />
Für ihn gilt dann nach Gl. (88) in Kapitel 8.2<br />
→<br />
L o<br />
α<br />
⃗M ◦ = d⃗ L ◦<br />
dt<br />
= ⃗ω p × ⃗ L ◦ .<br />
ω p nennt man Präzessions-Kreisfrequenz. Der Drehimpulsvektor<br />
weicht also der angreifenden Kraft ⃗ G aus.<br />
85 Der Grund für diese Annahme wird mit Gl. (135) klar.<br />
115
Da | M ⃗ d<br />
◦ | =<br />
⃗ L ◦<br />
∣ dt<br />
= ∣ ∣⃗rs × G ⃗ ∣ ∣ = rs G sin α = ∣ ∣⃗ωp × ⃗ ∣<br />
L ∣∣ ◦ = ωp L ◦ sin α gilt, folgt (134)<br />
∣<br />
ω p = r sG<br />
L ◦<br />
= r sMg<br />
ω 3 I 3<br />
die Präzessionsfrequenz<br />
des rasch rotierenden<br />
symmetrischen Kreisels<br />
(135)<br />
unabhängig von α. Infolge dieser Präzession hat der Kreisel einen kleinen Drehimpuls in<br />
der z-Richtung erhalten. Falls jedoch ω p ≪ ω 3 ist, d.h. für ω3 2 ≫ r sMg<br />
, können wir diesen<br />
Drehimpuls vernachlässigen und nur mit ⃗ L ◦ rechnen.<br />
Eine genaue Rechnung mittels der Euler-Gleichungen zeigt, dass die Kreiselachse nicht<br />
eine einfache Präzession um die z-Achse ausführt, sondern dabei noch Schwankungen des<br />
Winkels α auftreten (Nutation). Immerhin gibt es immer einen bestimmten Winkel α,<br />
bei dem die Präzession nutationsfrei ist. Insbesondere ist die senkrechte Lage α = 0<br />
nutationsfrei, solange gilt<br />
→<br />
N<br />
ω > ω krit = 2 I 3<br />
√Mgr s I 1 . schlafender Kreisel<br />
Sieht man von der Nutation ab, so gelten für den Kreisel die folgenden Regeln:<br />
→<br />
ω p<br />
→<br />
ω<br />
Mg<br />
→<br />
L o<br />
Wand<br />
1. Ein äusseres Drehmoment erzeugt bei einem frei beweglichen<br />
Kreisel eine Präzession von ⃗ L ◦ , wobei die Änderung<br />
von ⃗ L ◦ die Richtung von ⃗ M ◦ besitzt.<br />
2. Verhindert man eine Präzession durch Anbringen von<br />
Führungen, so erzeugen die Führungen Kräfte, die die<br />
Kreiselachse senken oder heben.<br />
3. Will man eine Präzession der Drehachse erzwingen, so<br />
müssen die Lager die entsprechenden Kräfte und Drehmomente<br />
aufbringen.<br />
⃗M = ⃗r × N ⃗ Beispiel zu 2):<br />
❞<br />
✁ ✁✕ ❍ ❍❍❥ Die Führungskraft N erzeugt ein Drehmoment<br />
⃗r ✁<br />
⃗M = ⃗r × N ⃗ ✁<br />
✁<br />
✁ und eine Änderung dL ⃗ ◦ ‖ M. ⃗ Die Kreiselachse senkt sich. Wirkt N ⃗<br />
0 ✁<br />
umgekehrt, d.h. versucht man die Präzession zu vergrössern, so steigt<br />
die Kreiselachse.<br />
F<br />
→ 1<br />
L o<br />
→<br />
→<br />
F 2<br />
ω<br />
M o<br />
→<br />
→<br />
Beispiel zu 3):<br />
Wird die Kreiselachse in der Horizontalebene gedreht,<br />
so müssen die Lager die Kräfte ⃗ F 1 , ⃗ F 2 ausüben, deren<br />
Drehmoment parallel zu d ⃗ L ◦ steht.<br />
I 3<br />
9.8.5 Rotationsenergie und Energiesatz für die allgemeine Drehung †<br />
Die kinetische Energie T eines Systems von Massenpunkten kann durch die Schwerpunktsgeschwindigkeit<br />
⃗v und die die Relativgeschwindigkeit ⃗v si der Drehung um den Schwerpunkt<br />
116
ausgedrückt werden, wobei das Schwerpunktssystem definiert ist durch ∑ n<br />
i=1 m i ⃗v si = 0<br />
T = 1 ∑<br />
m i (⃗v + ⃗v si ) 2 = 1 ∑<br />
m i (⃗v 2 + 2⃗v⃗v si + ⃗v<br />
2<br />
i<br />
2<br />
si) 2 = 1<br />
i<br />
2 m⃗v2 + 1 ∑<br />
m i ⃗v<br />
2<br />
si.<br />
2<br />
i<br />
Für einen starren Körper gilt ⃗v si = ⃗ω × ⃗r si mit ⃗r si dem Ortsvektor im Schwerpunktssystem.<br />
Damit ist die kinetische Energie<br />
T = 1 2 m⃗v2 + 1 ∑<br />
m i ⃗v si · (⃗ω × ⃗r si ) = 1 2<br />
i<br />
2 m⃗v2 + 1 ∑<br />
m i ⃗ω · (⃗r si × ⃗v si ) = 1 2<br />
i<br />
2 m⃗v2 + 1 2 ⃗ω · ⃗L s<br />
} {{ }<br />
= ⃗ω · ⃗L s<br />
⇒<br />
1<br />
2 m⃗v2 + 1 2 ⃗ωI s⃗ω = T trans + T rot (136)<br />
In dieser Form der Aufspaltung in Translationsenergie und Rotationsenergie gilt die<br />
Gleichung Gl.(136) nur für Drehungen um den Schwerpunkt.<br />
Für die Drehbewegung um einen beliebigen raumfesten Punkt mit ⃗v i = ⃗ω × ⃗r i ohne<br />
äussere Drehmomente ⃗ M = 0 ist die kinetische Energie<br />
für die der Energieerhaltungssatz gilt.<br />
9.9 Beispiele zur Kreiselbewegung<br />
9.9.1 Stabilität des Fahrrades<br />
→<br />
L o<br />
→<br />
ω<br />
→<br />
G<br />
→<br />
M o<br />
→<br />
N<br />
T kin = T rot = 1 2 ⃗ω · ⃗L = 1 ⃗ωI⃗ω (137)<br />
2<br />
Wir nehmen an, das Rad fahre geradeaus und der Fahrer<br />
kippe zufällig nach links. Sein Gewicht übt ein Drehmoment<br />
aus, das entgegen der Fahrtrichtung weist und ⃗ L ◦<br />
so dreht, dass das Fahrrad eine Linkskurve beschreibt. Dadurch<br />
kommt der Schwerpunkt des Fahrers wieder über den<br />
Unterstützungspunkt zu liegen, so dass ⃗ M ◦ verschwindet.<br />
9.9.2 Aufrichten der Kreiselachse infolge Reibungsmoment<br />
M →<br />
→<br />
M<br />
ω →<br />
A<br />
→<br />
M<br />
→<br />
r A<br />
S<br />
Der Kreisel ist an der Auflage etwas abgerundet, so dass der<br />
Auflagepunkt A ausserhalb der Figurenachse liegt. Deshalb<br />
kann die in A wirkende Reibung ⃗ R bezüglich S ein Drehmoment<br />
⃗ M s ausüben, das senkrecht zur Geraden SA steht.<br />
Wir zerlegen ⃗ M s in Komponenten parallel und senkrecht<br />
zur Figurenachse. ⃗ M‖ erzeugt ein d ⃗ L s , das antiparallel zu<br />
⃗L s steht, also zur Abbremsung führt. ⃗ M⊥ bewirkt ein Aufrichten<br />
von ⃗ L s .<br />
Der “rattleback” ist ein Beispiel für ein Kreisel, bei dem die Figurenachse um 5 ◦ bis<br />
10 ◦ gegenüber einer Hauptträgheitsachse verdreht ist. Er wechselt daher während des<br />
Kreiselns seine Drehrichtung 86 .<br />
86 Jearl Walker “Scientific Am. Oct. 1979 S.144”.<br />
117
9.9.3 Kollergang der Mühlen<br />
ω p<br />
✻<br />
✛<br />
a<br />
❛<br />
❄ Mg ✻<br />
⃗ω ✲ ✲<br />
r<br />
✻ N=N◦+N ′<br />
N ❄<br />
✲<br />
⃗L ◦ ✲<br />
Durch das Abrollen der Mühlsteine wird eine Präzession<br />
des Drehimpulsvektors erzwungen.<br />
⃗L ◦ Ohne Bewegung ist Mg = N ◦ . Die erzwungene Präzession<br />
erfordert ein Drehmoment M ◦ = aN ′ und somit eine<br />
zusätzliche Normalkraft N ′ . Die Rollbedingung verlangt<br />
aω p = rω. Dann wird mit I = 1 2 Mr2 für den Mühlstein<br />
❳ ❳❳<br />
❄❳ ❳❳❳ dL ⃗ ω p = M ◦<br />
= N ′ a<br />
❳ ◦ ❳❳❳❳❄ M◦ ⃗ L ◦ ωI = ωr<br />
a . Also<br />
und N = N ◦ + N ′ = Mg + ω 2 r 3 M/2a 2 .<br />
❄<br />
N ′ = ω2 rI<br />
a 2<br />
9.9.4 Kreiselkompass<br />
Schwimmer<br />
Hg-Wanne<br />
Stator<br />
Rotor<br />
→<br />
L o<br />
Als Kreiselkörper dient der Rotor eines Drehstrommotors,<br />
der an einem Schwimmer hängt, der in Quecksilber taucht.<br />
Dadurch wird erreicht, dass die Kreiselachse horizontal<br />
bleibt, aber in der Horizontalebene frei drehbar ist. Wir<br />
denken uns den Drehimpuls ⃗ L ◦ des Kreisels in einer beliebigen<br />
Orientierung. Seine Komponenten in Richtung Breitenund<br />
Längenkreis seien ⃗ L 1 bzw. ⃗ L 2 . Dreht sich die Erde um<br />
den Winkel ω ◦ dt, so wird eine Präzession von ⃗ L 1 und ⃗ L 2<br />
erzwungen.<br />
Das zur Präzession von ⃗ L 2 notwendige Drehmoment<br />
⃗ M 2 wird durch ungleiche Auflagereaktionen der<br />
Schwimmer erzeugt. Um die Präzession von ⃗ L 1 zu<br />
erzwingen, müsste ein Drehmoment ⃗ M1 vorhanden<br />
sein. Da der Kompass in der Horizontalebene frei<br />
schwimmt, kann ein solches Moment gar nicht auftreten,<br />
und die Kreiselachse dreht sich daher gegen<br />
den Drehsinn von ⃗ M 1 in diejenige Lage, in der gilt<br />
→<br />
→<br />
ω o L2 →<br />
L o<br />
→<br />
L 1<br />
t t+dt Aquator "<br />
d ⃗ L 1<br />
dt<br />
= 0.<br />
Wenn ⃗ L 1 ≠ 0 ist, muss ⃗ L 1 mit ⃗ω drehen, damit ist<br />
nur ⃗ L 1 = konst. = 0 möglich.<br />
Der Vektor ⃗ L ◦ stellt sich also möglichst parallel zu ⃗ω<br />
und zeigt daher zum Nordpol.<br />
→<br />
ω o<br />
→<br />
L 2(t)<br />
→<br />
L2(t+dt)<br />
ω o dt<br />
→<br />
M 1<br />
→<br />
M 2<br />
→<br />
L 1(t+dt)<br />
→<br />
L 1(t)<br />
118
9.9.5 Deviationsmomente eines nicht ausgewuchteten Rades<br />
❄<br />
Waage<br />
❤<br />
m<br />
2<br />
Lager<br />
1 ✻⃗ FZentr.fug.<br />
❆<br />
❆<br />
α❆<br />
d<br />
❆<br />
❆<br />
❆✟α<br />
✟✟✯ L ⃗<br />
✲<br />
❆<br />
❆ ⃗ω<br />
❆<br />
d ❆<br />
❆ ❆1 m<br />
❄2<br />
Ein nicht dynamisch ausgewuchtetes Rad<br />
z.B. eines Autos kann mit einem System<br />
zweier Massen, die über einen Stab unter<br />
dem Winkel α starr mit einer Drehachse<br />
verbunden sind, dargestellt werden. Es<br />
ist statisch ausgewuchtet, d.h. der Schwerpunkt<br />
liegt in •, der Winkel α ≠ 0 ist jedoch<br />
endlich. Bei einer Drehung wird das<br />
Drehmoment M ◦ infolge der Zentrifugalkräfte<br />
vom Lager aufgefangen, es kann mit<br />
der Waage nachgewiesen werden.<br />
Drehmoment M ◦ = d sin α · mω 2 · d cos α = |⃗r × F ⃗ Zentr.fug. |<br />
Drehimpuls | L ⃗ ◦ | = |⃗r × ⃗p| = L ◦ = d · mωd cosα.<br />
Im körperfesten System ist L ′ konstant mit der Zeit t, damit ist mit Gl. (88)<br />
d ⃗ L ◦<br />
dt<br />
⃗<br />
= d′ L◦<br />
+⃗ω × L<br />
} dt<br />
◦ = ⃗ω × L ⃗ ◦ = M ⃗ ◦<br />
{{ }<br />
⇒ M ◦ = ω · L ◦ sin α = |⃗ω × L ⃗ ◦ |,<br />
= 0<br />
und ⃗ω ̸ ‖ ⃗ L ◦ ⇒ M ◦ ≠ 0. M ◦ wirkt periodisch mit ω auf die Achslager und damit auf<br />
die Waage. Im Augenblick der Figur steht M ◦ ⊥ zur Zeichenebene.<br />
Ist ⃗ω ‖ ⃗ L ◦ d.h. α = 0 dann liegt ⃗ω in einer der Hauptträgheitsachsen und alle Deviationsmomente<br />
verschwinden C ik = 0. Das Rad ist dann dynamisch ausgewuchtet:<br />
I =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎞<br />
I x 0 0<br />
⎟<br />
0 I y 0 ⎠ , I x = I y , I z = md 2 , L◦ ⃗ =⃗iI x · 0 +⃗jI y · 0 + ⃗ kI z · ω<br />
0 0 I z<br />
und es treten mit M ⃗ ◦ = 0 keine Lagerkräfte auf. Beim dynamischen Auswuchten von<br />
Rädern müssen Ausgleichsgewichte innen und aussen an der Felge angebracht werden,<br />
um das Unwuchtmoment zu kompensieren.<br />
Bei langen Achsen z.B. Turbinenschaufeln muss in mehreren<br />
Ebenen dynamisch ausgewuchtet werden, um Bie-<br />
M1 + M2 = 0<br />
ω → gemomente auf die lange Achse zu vermeiden, auch wenn<br />
keine Lagermomente der beiden äusseren Lager auftreten.<br />
9.9.6 Der Präzessionszyklus des Mondes (Saros-Zyklus)<br />
N<br />
ω Ε<br />
23.4 o m E<br />
r EM<br />
r ES<br />
5.15 o Mondbahn<br />
Erdbahn<br />
m S<br />
Sonne<br />
Die Bahn des Mondes um die Erde ist um 5.15 ◦ gegenüber der Erdbahn um die Sonne<br />
(die Ekliptik) gekippt. Die Sonne übt nun auf diesen geneigten Erde-Mond-Kreisel Gezeitenkräfte<br />
aus, die ihn in die Ekliptik zu kippen versuchen. Als Näherung beschreibt der<br />
119
Schwerpunkt von Erde und Mond um die Sonne eine Kreisbahn und es gilt<br />
(m M + m E )v 2 E<br />
r ES<br />
= Γ (m M + m E )m S<br />
, sowie<br />
rES<br />
2<br />
m M v 2 M<br />
r EM<br />
= Γ m Mm E<br />
r 2 EM<br />
(138)<br />
für die Kreisbahn des Mondes um die Erde. Der Mond hat zur Sonne in Neumond- (siehe<br />
Figur) bzw. Vollmondstellung einen um ∓r EM · cos 5.15 ◦ ≈ ∓r EM verschiedenen Abstand<br />
und damit eine Gezeitenkraft 87<br />
[ ]<br />
−1 1<br />
F = Γ m M m S +<br />
= ± m MvE<br />
2 · 2r<br />
(r ES ∓ r EM ) 2 EM<br />
rES<br />
2 } {{ }<br />
≈ ± 2 · r EM<br />
r 3 ES<br />
2r EM<br />
⇒ F = ±Γm M m S<br />
rES<br />
3<br />
, r EM ≪ r ES<br />
r 2 ES<br />
} {{ }<br />
mit Gl. (138)<br />
Als Näherung wird angenommen, dass die Masse des Mondes infolge seines Umlaufes um<br />
die Erde im Mittel auf einem Kreisring gleichmässig auf der Bahn verteilt ist. Das Drehmoment<br />
M = F ·sin 5.15 ◦ ·r EM bei Neu- oder Vollmondstellung versucht den Mondkreisel<br />
in die Ekliptik zu kippen. Ist der Mond um den Winkel ϕ von der Neumondstellung entfernt,<br />
dann ist F um cosϕ und auch der 5.15 ◦ Kippwinkel um cos ϕ verkleinert, dies ergibt<br />
eine Reduktion um den Mittelwert cos 2 ϕ = 1/2. zusätzlich ist die Mondbahn im Laufe<br />
des Jahres nicht immer exakt gegen die Sonne gekippt, dies reduziert das Drehmoment<br />
um einen weiteren Faktor 2. Damit ist das effektive Drehmoment<br />
M eff = m M<br />
v 2 rEM<br />
2<br />
rES<br />
2 E<br />
2 sin 5.15◦ und der Drehimpuls des Mondes L = r EM m M v M .<br />
Mit M eff = ω p · L · sin 5.15 ◦ [siehe Gl. (134)] folgt die Präzession des Mondkreisels ω p<br />
ω p = m M<br />
v 2<br />
rES<br />
2 E · r2 EM<br />
2 sin 1<br />
5.15◦ r EM m M v M sin 5.15 = ω2 ES<br />
◦ 2<br />
T p = 2π = 2T ES<br />
2 ≈ 24 Jahre<br />
ω p T M<br />
unabhängig vom Kippwinkel, es ist ω M ≫ ω p . Mit einer exakten Rechnung ist der<br />
tatsächliche Saros-Zyklus 18.5 Jahre. Der Saros-Zyklus beherrscht wesentlich die Folgen<br />
von Sonnen- und Mondfinsternissen.<br />
9.9.7 Die Präzession der Erdachse beim Umlauf um die Sonne<br />
Die Erde hat infolge der Zentrifugalkraft einen Wulst mit der Masse m W am Äquator mit<br />
abgeplatteten Polen. Mit den Halbachsen a,b dieses Erdrotationsellipsoiden<br />
ω pE<br />
→<br />
F 2<br />
N<br />
→<br />
L o<br />
→<br />
∝ ω E<br />
F1 > F2<br />
1<br />
ω M<br />
(Pfannkuchen) gilt angenähert (a − b)/a = 1/300. Der<br />
Erdkreisel ist um 23.4 ◦ gegenüber der Erdbahn geneigt.<br />
Ist der gesamte Wulst auf der der Sonne abgewandten<br />
Seite konzentriert, erzeugt er ein Drehmoment<br />
S<br />
→<br />
F1<br />
r ES<br />
M = m W<br />
v 2<br />
rES<br />
2 E · 2RE 2 · 1 · sin 23.4◦<br />
2<br />
87 Die Gezeitenbeschleunigung z.B. des Mondes auf der Erdoberfläche ist die Differenz der Mondbeschleunigung<br />
an der Erdoberfläche und am Erdmittelpunkt; die Kraft an einem ausgedehnten Körper<br />
greift am Schwerpunkt, hier am Erdmittelpunkt an. Die Zentrifugalkraft Z ist überall gleich (vgl. S.86).<br />
120
Der Faktor 1 entsteht wie im vorhergehenden Kapitel aus der Mittelung über den Neigungswinkel.<br />
Da der Wulst über den Erdmantel gleichmässig verschmiert ist, ist das<br />
2<br />
tatsächliche Drehmoment M W = M/2. Der Drehimpuls der Erde als Kugel ist L = ω E · I<br />
mit I = 2m 5 E ·RE; 2 da jedoch der Erdkern eine grössere Dichte hat als der äussere Mantel,<br />
ist das Trägheitsmoment um 20% kleiner I E = 0.8· 2m<br />
5 E ·RE 2 und damit ist der Drehimpuls<br />
L E = ω E · 0.8 · 2<br />
5 m E · R 2 E und mit Gl. (134) M W = ω pE L E sin 23.4 ◦<br />
ω pE = m W ωESR 2 E<br />
2 1/2<br />
1.6<br />
ω E m 5 ERE<br />
2<br />
= m W<br />
m E<br />
} {{ }<br />
≈ 1/300<br />
2.5 ωES<br />
2<br />
1.6 ω E<br />
⇒ T pE = 192 (1J)2<br />
24Std<br />
= 70000 Jahre<br />
Die Gezeitenkraft des Mondes verglichen zur Sonne kann angenähert abgeschätzt werden<br />
analog zu Seite 120: Gezeitenkraft der Sonne F = Γm E m S<br />
2R E<br />
r 3 ES<br />
∝ m S<br />
r 3 ES<br />
die Gezeitenkräfte zweier Körper verhalten sich wie Masse/Abstand 3 . Mit<br />
m M = m E /80, m S = 3.3 · 10 5 m E , r ES = 400r EM ⇒ F M<br />
= 1 1<br />
= 2.4<br />
F S 80 3.3 · 10 5(400)3<br />
die Mondgezeiten sind 2.4 mal so gross wie die Sonnengezeiten.<br />
Damit ist die totale Präzession der Erde TpE tot = 1 T 1+2.4 pE = 20400 Jahre.<br />
Tatsächlich (Hipparch 150 v. Chr. beobachtet, Laplace mit Kreiseltheorie) ändert sich<br />
die Jahreszeit auf der Erdbahn, d.h. die jahreszeitliche Stellung der Sonne zum Fixsternhimmel,<br />
in einer 26000 jährigen Periode in befriedigender Übereinstimmung mit der einfachen<br />
Abschätzung. Beiträge anderer Planeten sind kleine Korrekturen. Die vor 2000<br />
Jahren festgelegten Tierkreiszeichen haben sich wegen der Präzession der Erdachse bis<br />
heute um ungefähr einen Monat verschoben, dies beachten Astrologen nicht.<br />
W<br />
0.6''<br />
0.4''<br />
0.2''<br />
N<br />
1'' = 30 m<br />
0 o Greenwich<br />
90 o<br />
Ost<br />
Wegen der zeitlichen Schwankungen der Drehmomente kommt<br />
zur Präzession des Drehimpulses noch eine Nutation der<br />
Erdachse. Die Figurenachse der Erde stimmt nicht exakt mit<br />
der momentanen Drehachse überein. Die Durchstosspunkte<br />
beider Achsen an der Erdoberfläche weichen etwa 10 m voneinander<br />
ab. In der Figur ist die Wanderung des Nordpols<br />
während des Jahres 1957 um den 1900-1905 bestimmten Mittelwert<br />
dargestellt.<br />
Der Mond als Kreisel mit der Erde gebunden wirkt zeitlich stabilisierend auf die Lage<br />
der Erdachse, so dass über lange Zeiträume der Neigungswinkel von 23.4 ◦ um weniger<br />
als ±1 ◦ schwankt. Ohne den Mond würde die Erdachse chaotisch durch kleine äussere<br />
Störungen um 10 ◦ bis 30 ◦ schwanken. Damit würden starke klimatische Änderungen eine<br />
Entwicklung von Leben auf der Erde verhindern oder mindestens stark behindern 88 . Bei<br />
der 26000 Jahre Präzession bleibt der Neigungswinkel erhalten. Die Planeten Mars, Venus,<br />
Merkur ohne einen Mond haben z.T. ein chaotisches Verhalten ihrer Drehachsen, wobei<br />
z.T. ω infolge der Gezeitenreibung schon sehr klein ist. Bei Uranus liegt die Drehachse<br />
unerklärt in der Ekliptik. Jupiter und Saturn mit Monden und Ring sind sehr stabil.<br />
88 Jack Laskar (CNLS-France) Spektr. der Wissenschaften Sept.(1993)Nr.3 S.48.<br />
121
10 Raum-Zeit-Symmetrie und die klassischen Erhaltungssätze<br />
†<br />
Die Erhaltung der Energie, des Impulses und des Drehimpulses folgt aus der Forderung<br />
nach der Homogenität des Raumes und der Zeit, bzw. aus dem Axiom, dass kein Raumpunkt,<br />
keine Richtung im Raum und kein Zeitpunkt ausgezeichnet ist oder dass Raum<br />
und Zeit keinen ausgezeichneten Nullpunkt haben. Daraus ergeben sich die folgenden drei<br />
Axiome:<br />
1. Axiom Das Ergebnis eines Experimentes in einem abgeschlossenen System ist unabhängig<br />
von einer räumlichen Translation des Systems.<br />
Die potentielle Energie zweier <strong>Teil</strong>chen ist<br />
❡ E pot = V pot (⃗r 1 ,⃗r 2 ) = V pot (⃗r 1 + ⃗ l,⃗r 2 + ⃗ l) (Symmetrie-Axiom)<br />
⃗ l ❡<br />
✁ ✁✕<br />
✉✁<br />
✁ ✁✕ gültig für alle Translationen<br />
⃗ ⃗ l, wenn erfüllt ist<br />
1 l<br />
❍❍❨<br />
✒ ❍ ✉✁<br />
⃗r<br />
⃗r 2<br />
1<br />
<br />
<br />
✟<br />
✟✟✟✟✟✟✟✟✯ ⃗r 2<br />
Für die Kraft gilt<br />
da gilt<br />
V pot (⃗r 1 ,⃗r 2 ) = V pot (⃗r 1 − ⃗r<br />
} {{ 2 ) (Invarianz),<br />
}<br />
⃗r<br />
⃗ F = −∇Vpot = − ∂V pot<br />
∂⃗r<br />
⃗F 1 = − ∂V pot<br />
= − ∂V pot(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
∂⃗r 1 ∂(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
⃗F 2 = − ∂V pot<br />
= − ∂V pot(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
∂⃗r 2 ∂(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
⃗F = ⃗ F 1 + ⃗ F 2 = − ∂V pot<br />
∂⃗r 1<br />
⃗r 1 − ⃗r 2 = ⃗r 1 + ⃗ l − (⃗r 2 + ⃗ l).<br />
= −⃗i ∂V pot<br />
∂x − ⃗j ∂V pot<br />
∂y − ⃗ k ∂V pot<br />
∂z<br />
∂(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
∂⃗r 1<br />
= − ∂V pot<br />
∂(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
∂(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
∂⃗r 2<br />
= + ∂V pot<br />
∂(⃗r 1 − ⃗r 2 )<br />
− ∂V pot<br />
∂⃗r 2<br />
= 0 ⇒ ⃗ F 1 = − ⃗ F 2 actio=reactio<br />
und mit Newtons Gesetz F ⃗ = d⃗p = 0 ⇒ ⃗p = konstant Impulserhaltung<br />
dt<br />
Dies verdeutlicht den Zusammenhang: Aus der Symmetrie folgt die Invarianz und<br />
daraus der Erhaltungssatz des Impulses.<br />
Die Folge Symmetrie→Invarianz→Erhaltung gilt auch für andere Symmetrien 89 .<br />
2. Axiom Das Ergebnis eines Experimentes in einem abgeschlossenen System ist unabhängig<br />
von einer räumlichen Drehung des Systems.<br />
→<br />
ϕ<br />
dr<br />
r → →<br />
Die Drehung im Raum sei durch den Drehwinkel ⃗ϕ gegeben.<br />
Die Isotropie des Raumes bedingt dann die Drehinvarianz der<br />
potentiellen Energie.<br />
V pot (⃗r 1 ,⃗r 2 ) = V pot (⃗r 1 + ⃗ϕ × ⃗r 1 ,⃗r 2 + ⃗ϕ × ⃗r 2 ) mit d⃗r = ⃗ϕ × ⃗r<br />
Für kleine Drehwinkel d⃗ϕ gilt dann (mit Taylor-Entwicklung)<br />
89 Noether Theorem der Mathematik. Amalie, Emmy Noether *23.3.1882 Erlangen † 14.4.1935 Bryn<br />
Mawv (Pa.) 1922-33 Prof. in Göttingen.<br />
.<br />
122
V pot (⃗r 1 ,⃗r 2 ) = V pot (⃗r 1 ,⃗r 2 ) + ∂V pot<br />
∂⃗r 1<br />
d⃗r 1 + ∂V pot<br />
∂⃗r 2<br />
d⃗r 2<br />
⇒ ∂V pot<br />
∂⃗r 1<br />
d⃗r 1 + ∂V pot<br />
∂⃗r 2<br />
d⃗r 2 = 0<br />
Mit ⃗ F = − ∂Vpot<br />
∂⃗r<br />
ist 90<br />
⃗F 1 · (d⃗ϕ × ⃗r 1 ) + ⃗ F 2 · (d⃗ϕ × ⃗r 2 ) = 0 = d⃗ϕ · (⃗r 1 × ⃗ F 1 ) + d⃗ϕ · (⃗r 2 × ⃗ F 2 )<br />
⇒ ⃗r 1 × ⃗ F 1 + ⃗r 2 × ⃗ F 2 = 0 = ⃗ M 1 + ⃗ M 2 die Summe der Drehmomente ist Null<br />
⇒ d⃗ L<br />
dt = M = 0 ⇒ L ⃗ = konstant Drehimpulserhaltung<br />
Die Drehimpulserhaltung gilt unter Umständen auch für nicht abgeschlossene Systeme<br />
(z.B. kugelsymmetrische Systeme, Erhaltung der z-Komponente im homogenen<br />
Feld).<br />
3. Axiom Das Ergebnis eines Experimentes in einem abgeschlossenen System ist unabhängig<br />
von einer zeitlichen Verschiebung des Systems.<br />
In einem abgeschlossenen System, in dem das Potential nicht explizit von der Zeit<br />
abhängt, gilt mit der Newtonschen Grundgleichung 91 m¨⃗r − ⃗ F = 0<br />
∂V (⃗r)<br />
⇒ m¨⃗r+<br />
∂⃗r<br />
∫ t 2 ∫t 2<br />
= 0 mit ˙⃗r · · · dt ⇒<br />
t 1<br />
∫t 2<br />
˙⃗rm¨⃗rdt+<br />
t 1<br />
∂V (⃗r) ˙⃗r<br />
∂⃗r<br />
t 1<br />
dt = 0 = 1 2 mṙ2∣ ∣t 2<br />
∣<br />
+V (⃗r)<br />
t 1<br />
⇒ E kin (t = t 1 ) + V pot (t = t 1 ) = E kin (t = t 2 ) + V pot (t = t 2 ) Energieerhaltung<br />
Diese drei Erhaltungssätze der Energie, des Impulses und des Drehimpulses sind<br />
streng erfüllt und gelten in der klassischen <strong>Physik</strong> sowie in der Quantenmechanik und<br />
der Quantenfeldtheorie. Sie sind begründet in der Unmessbarkeit einer absoluten, ausgezeichneten<br />
Position und Richtung des Raumes und der Zeit.<br />
Dennoch wird von den Astrophysikern der Virgohaufen als das Zentrum des Universums<br />
(damit auch als einen Koordinatennullpunkt 92 ?) angesehen.<br />
Der 4. strenge Erhaltungssatz der Ladung kann aus der Eichinvarianz (Unmöglichkeit<br />
eine absolute Phase einer Wellenfunktion anzugeben), einer in der Quantenelektrodynamik<br />
begründeten Symmetrieforderung abgeleitet werden.<br />
Eine Reihe in der <strong>Physik</strong> auftretender Erhaltungssätze sind nicht durch eine Symmetrie<br />
begründbar (Leptonenzahl- und Baryonenzahl-Erhaltung sind nur empirische Erhaltungssätze)<br />
oder nur in einem begrenzten Bereich gültig (Isospin-, Strangeness- und<br />
Charm-Erhaltung in der starken Wechselwirkung; die Parität wird maximal in der schwachen<br />
Wechselwirkung verletzt und in der starken Wechselwirkung erhalten). Die Summe<br />
aller Erhaltungssätze und die Kraftgesetze, die ebenfalls aus Symmetrieüberlegungen abgeleitet<br />
werden können (lokale Eichinvarianz in der QED), stellen die Grundgesetze der<br />
<strong>Physik</strong> dar.<br />
90 Unter Berücksichtigung der Relation für das Spatprodukt (Pseudoskalar) ⃗a( ⃗ b × ⃗c) = ⃗ b(⃗c ×⃗a)<br />
91 Es gilt ˙⃗r =<br />
d⃗r<br />
dt , ,¨⃗r = d2 ⃗r<br />
dt<br />
, Energietrick: Multiplikation mit ˙⃗r und Integration d 2 dt V = ∂V<br />
∂⃗r · d⃗r<br />
dt .<br />
92 Dies ist kein Widerspruch. In kosmologischen Dimensionen mit Gravitationsfeldern kann kein Energie-<br />
Impuls-Tensor aufgestellt werden. Energie- und Impulserhaltung sind nur lokal definierbar (siehe allgemeine<br />
Relativitätstheorie).<br />
123<br />
∣ t 2<br />
t 1
11 Elastizität der festen Körper †<br />
11.1 Interatomare Kräfte, Elastizität und Plastizität<br />
Im vorhergehenden Kapitel haben wir uns mit starren Körpern beschäftigt, d.h. mit solchen,<br />
bei denen der gegenseitige Abstand zweier Massenpunkte oder der Winkel zwischen<br />
zwei Verbindungslinien unverändert blieb, gleichgültig wie die äusseren Kräfte beschaffen<br />
waren. Wir nahmen also an, dass innere Kräfte auftreten, die solche Deformationen verhindern.<br />
Bei festen Körpern ist dies in der Tat weitgehend der Fall. Immerhin beobachten<br />
wir auch da, dass z.B. durch äussere Zugkräfte eine Verlängerung, also eine relative Lageänderung<br />
der Massenpunkte, stattfindet. Der starre Körper ist eine Fiktion. Alle Stoffe<br />
(nicht nur Gase und Flüssigkeiten) sind mehr oder weniger deformierbar, d.h. unter dem<br />
Einfluss äusserer Kräfte ändert sich ihre Gestalt.<br />
Die Ursache liegt in den interatomaren Kräften, die zwischen den Atomen des Stoffes<br />
bestehen. Diese Kräfte sind am stärksten in festen Stoffen, deren Atome am dichtesten<br />
gepackt sind. Ihrer Natur nach sind es elektrische Kräfte (s. Kap. 2.4). Gravitations- oder<br />
Kernkräfte spielen in diesem Zusammenhang gar keine Rolle.<br />
Wir betrachten zwei Atome. F ⃗ sei die vom Atom 1 auf das Atom 2 ausgeübte Kraft.<br />
Bei sehr kleinem Abstand r ist F > 0, die Atome stossen sich ab infolge der gleichen<br />
− ✛✘ ✛✘<br />
✛<br />
F⃗ ⃗ Ladung der Kerne und der Überlappung ihrer Elektronenwolken.<br />
Bei genügend grossem Abstand verursachen<br />
F 1 2 ✲<br />
✚✙ ✛ ✚✙<br />
r ✲ die elektrischen Van der Waals Kräfte eine Anziehung<br />
V(r)<br />
F(r)<br />
r o<br />
Gleichgewicht<br />
abstoβend<br />
r<br />
anziehend<br />
-x x<br />
(F < 0).<br />
Somit gibt es einen Gleichgewichtsabstand r = r ◦ , für den<br />
F = 0 gilt. Auf Grund unserer Betrachtungen in Kapitel<br />
7.1 kann dann F in der Nähe der Gleichgewichtslage in der<br />
linearen Form F = −k(r − r ◦ ) (139)<br />
geschrieben werden. k > 0 hat die Bedeutung einer Federkonstanten.<br />
Mit F = −dV/dr lautet dann die potentielle<br />
Energie des Atomes 2 im Kraftfeld des Atomes 1<br />
V (r) = −V ◦ + k(r − r 2 ◦) 2 , also wie bei einer linearen<br />
y<br />
Feder. Auf Grund dieser Verhältnisse macht man<br />
sich folgendes Modell des festen, kristallinen<br />
Körpers: die Atome bilden ein Gitter und werden<br />
durch elastische Kräfte an ihren Plätzen gehalten.<br />
Jedes Atom übt dabei Kräfte auf all seine Nachbarn<br />
aus; denn sonst würde bei Zug in der<br />
x − x Richtung nur eine reine Streckung und keine Querkontraktion auftreten. In diesem<br />
Kapitel wollen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen den äusseren Kräften und<br />
den von ihnen hervorgerufenen Deformationen befassen. Bezüglich der Deformierbarkeit<br />
sind zwei Extremfälle zu unterscheiden: vollkommen elastische und vollkommen plastische<br />
Körper.<br />
Elastische Körper: Die Deformation ist eine eindeutige Funktion der äusseren<br />
Kräfte, unabhängig von der Vorgeschichte. Nimmt man die äusseren Kräfte weg, so verschwindet<br />
die Deformation vollständig. Beim Anbringen der Kräfte wird die geleistete<br />
Deformationsarbeit vollständig in potentielle Energie (Deformationsenergie) umgewan-<br />
124
delt (z.B. Superball).<br />
Plastische Körper: Die durch die äusseren Kräfte bewirkte Deformation bleibt<br />
nach Wegnahme der Kräfte vollständig bestehen; die Deformationsarbeit geht vollständig<br />
in Wärme über (z.B. Knetmasse).<br />
Reale feste Körper liegen immer zwischen diesen beiden Grenzfällen: für kleine<br />
Kräfte sind sie fast völlig elastisch, für grosse Kräfte fast völlig plastisch.<br />
11.2 Spannungen und ebene Spannungszustände<br />
Wechselwirkungen zwischen starren Körpern haben wir mit dem Konzept des Kraftbegriffes<br />
erfasst, der eigentlich für Massenpunkte entwickelt wurde. Da jedoch starre Körper sich<br />
nur in Punkten berühren, war dieses Vorgehen zulässig. Elastische Körper berühren sich jedoch<br />
in Flächen endlicher Ausdehnung, über welche die Kräfte verteilt sind. Wir benutzen<br />
den schon in Kap. 2.5 im Zusammenhang mit Oberflächenkräften diskutierten Spannungsbegriff.<br />
Spannungen sind jedoch nicht nur auf Oberflächen der Körper beschränkt; es gibt<br />
auch innere Spannungen.<br />
Ein Körper sei äusseren Kräften unterworfen. Wenn wir uns aus<br />
diesem Körper einen <strong>Teil</strong> herausgeschnitten denken, so müssen<br />
wir an der Oberfläche des so entstandenen Hohlraums Kräfte<br />
anbringen, die das durch das Herausschneiden gestörte Gleichgewicht<br />
des restlichen Körpers wiederherstellen. Offenbar sind<br />
dies die gleichen Kräfte, welche das herausgeschnittene Stück<br />
vorher auf den ihn umgebenden Körper ausgeübt hat.<br />
Es existieren also innere Kräfte in jedem Punkt des betreffenden Körpers, der unter dem<br />
Einfluss äusserer Kräfte steht. dF ⃗ sei die Kraft, die wir an einem Element dA des eben<br />
betrachteten Hohlraums anzubringen haben. Zerlegen wir dF ⃗ in eine Normalkomponente<br />
dF n und eine Tangentialkomponente dF t , so nennen wir<br />
→<br />
dF<br />
dA<br />
dA<br />
σ<br />
dF →<br />
σ = dF n<br />
dA<br />
die Normalspannung<br />
(> 0 für Zug, < 0 für Druck)<br />
τ = dF t<br />
dA die Schubspannung. F n<br />
→<br />
Die Spannungen sind also die pro Flächeneinheit auftretenden Normalund<br />
Tangentialkräfte.<br />
Als Einheiten werden verwendet<br />
τ 1 Pascal (Pa) = 1 Newton/m 2 = 10 −5 bar<br />
dA<br />
= 1.01972 x 10 −5 Techn. Atmosphäre (at).<br />
Spannungen sind keine Vektoren 93 . Also ist auch keine Vektoraddition möglich. Nur wenn<br />
93 In einer allgemeinen, dreidimensionalen mathematischen Darstellung ist die Kraft ⃗t auf die Flächeneinheit<br />
dA gegeben durch die Normalkomponente parallel zur Flächennormale d.h. die Normalspannung<br />
⃗σ und die Schubspannung ⃗τ senkrecht zur Flächennormale d.h. ⃗t = ⃗σ+⃗τ. Zwischen dem Spannungsvektor<br />
und dem Flächennormalenvektor ⃗n besteht dann ein linearer Zusammenhang<br />
⎛<br />
⎞<br />
σ x τ xy τ xz<br />
τ zx τ zy σ z<br />
⃗t = T ⃗n mit T = ⎝ τ yx σ y τ yz<br />
⎠ T ist hier der Spannungstensor 2.Stufe.<br />
→<br />
F t<br />
125
alle Spannungen auf das gleiche Flächenelement bezogen werden, darf man die zugehörigen<br />
Kräfte wie Vektoren addieren.<br />
Normal- und Schub-Spannungen in einem gegebenen Punkt innerhalb eines elastischen<br />
Körpers hängen von der Orientierung des Flächenelements ab. Wir werden zeigen,<br />
dass man σ und τ für ein dA von beliebiger Orientierung berechnen kann, wenn man<br />
die Spannungen von solchen Elementen kennt, die zueinander senkrecht stehen. Aus den<br />
Spannungsbeziehungen in jedem Punkt des Körpers kann dann die Deformation mit empirischen<br />
Gesetzen gefunden werden.<br />
Wir behandeln nur den ebenen Spannungszustand: alle zu den Spannungen<br />
gehörende Kräfte sind parallel zu einer Ebene, z.B. der xy-Ebene.<br />
z ✻<br />
✚ Zur Analyse dieses Zustandes denken wir uns einen Quader mit<br />
dz P den Kanten dx,dy,dz um den Punkt P herausgeschnitten. Die<br />
✓ dy Spannungen, die wir zur Erhaltung des Gleichgewichtes am Quader<br />
anbringen müssen, charakterisieren wir durch 2 Indizes:<br />
y dx<br />
✒ spannungsfreie Ebene<br />
✲ 1. Index: Richtung der Normalen von dA<br />
x 2. Index: Richtung der Kraft.<br />
τ<br />
✛ yx ✻ σ y Da für die Normalspannungen Normalen- und Kraftrichtung zusammenfallen,<br />
schreiben wir kurz σ x = σ xx ,σ y und σ z . Da der<br />
y ✻<br />
τ<br />
✛ xy ✻P<br />
σ<br />
✲ x<br />
σ Quader ein infinitesimal kleines Volumen hat, können wir sein<br />
x ❄τ xy<br />
✲ Gewicht gegenüber den Spannungskräften vernachlässigen. Dann<br />
σ y ❄τ yx ✲ verlangt der Schwerpunktssatz, dass die Spannungen an zwei gegenüberliegenden<br />
Flächen entgegengesetzt gleich sind.<br />
x<br />
Ferner müssen im Gleichgewicht die Drehmomente verschwinden (z.B. bezüglich P):<br />
2(τ xy dzdy) dx 2 = 2(τ yx dxdz) dy 2 , also τ xy = τ yx .<br />
Da der Spannungszustand eben sein soll, muss τ xz = 0 und τ zx = 0 sein, weil sonst ein<br />
Drehmoment auf den Quader ausgeübt würde. Analog gilt τ yz = τ zy = 0. Ferner muss<br />
noch σ z = 0 sein 93 .<br />
.<br />
y<br />
dy<br />
dz<br />
.<br />
Der ebene Spannungszustand ist somit in jedem Punkt<br />
durch drei unabhängige Spannungen gegeben: σ x ,σ y ,τ xy .<br />
dA<br />
α<br />
dx<br />
ds<br />
x<br />
Sind σ x ,σ y und τ xy für einen ebenen Spannungszustand bekannt,<br />
so können daraus leicht die Spannungen σ und τ bezüglich eines<br />
beliebig gestellten Flächenelements dA bestimmt werden. Wird z.B.<br />
angenommen, dass dA senkrecht zur spannungsfreien Ebene steht,<br />
so ist dA = dsdz, dx = ds sin α, dy = ds cos α.<br />
Aus den Gleichgewichtsbedingungen folgt<br />
ds n<br />
τ xy<br />
yσ x<br />
τ xy<br />
σ y<br />
α<br />
σ<br />
τ<br />
t<br />
a) für die Tangentialrichtung t:<br />
τdsdz + τ xy ds sin αdz sin α + σ y ds sin αdz cosα<br />
−τ xy ds cos αdz cos α − σ x ds cosαdz sin α = 0 also<br />
x<br />
τ = (σ x − σ y ) sin α cosα + τ xy (cos 2 α − sin 2 α). (140)<br />
126
) für die Normalenrichtung n: σdsdz + τ xy ds sin αdz cosα − σ y ds sin αdz sin α<br />
+τ xy ds cos αdz sin α − σ x ds cos αdz cos α = 0 also<br />
σ = σ x cos 2 α + σ y sin 2 α − 2τ xy sin α cos α. (141)<br />
Mit Hilfe goniometrischer Beziehungen ergibt sich aus Gl. (140) und Gl. (141)<br />
σ = σ x + σ y<br />
2<br />
+ σ x − σ y<br />
2<br />
cos 2α − τ xy sin 2α (142)<br />
τ = σ x − σ y<br />
2<br />
sin 2α + τ xy cos 2α. (143)<br />
Aus Gleichung (143) folgt: es existieren Flächenelemente, in denen die Schubspannungen<br />
verschwinden und die senkrecht zur spannungsfreien Ebene stehen, wenn gilt<br />
tan 2α<br />
Hauptrichtung 2<br />
2<br />
zwei zueinander senkrecht stehende Flächenelemente, die<br />
2α<br />
2α<br />
1 2α 2 keine Schubspannungen besitzen. Man nennt sie Hauptelemente.<br />
tan 2α = 2τ xy<br />
.<br />
σ y − σ x<br />
π<br />
Ist α 1 eine Lösung dieser Gleichung, wobei 0 ≤ 2α 1 ≤ π/2,<br />
so ist auch α 2 = α 1 + π/2 eine solche, d.h. es gibt immer<br />
0 o 90 o 180 o ihre Richtungen nennt man die Hauptrichtungen.<br />
Die entsprechenden Normalspannungen σ 1 und<br />
σ 2 heissen Hauptspannungen des Spannungstensors und<br />
Sind bei einem ebenen Spannungszustand die Hauptspannungen<br />
σ 1 und σ 2 bekannt und bildet das Flächenelement<br />
dA mit der 2-Richtung den Winkel α, so folgt aus den Gleichungen<br />
α σ<br />
τ<br />
(142) und (143)<br />
σ 1<br />
σ 2<br />
Hauptrichtung 1<br />
1<br />
σ = σ 1 + σ 2<br />
2<br />
τ = σ 1 − σ 2<br />
2<br />
+ σ 1 − σ 2<br />
2<br />
cos 2α (144)<br />
sin 2α (145)<br />
τ Mohrscher Spannungskreis mit folgenden Vorzeichen-Regeln:<br />
σ 1 σ 2 sin2α a) σ ist positiv für Zugspannungen, σ ist<br />
α 2α 2<br />
σ 2<br />
σ 1 σ negativ für Druckspannungen, b) τ ist positiv,<br />
wenn bezüglich der Pfeilrichtung das Körperinnere<br />
rechts liegt.<br />
Geometrisch lassen sich σ und τ direkt aus diesem<br />
Mohrschen Spannungskreis ablesen.<br />
σ 1 +σ 2 σ 1 σ<br />
+ 2 cos2α<br />
2 2<br />
Es sei z.B. σ 1 > σ 2 > 0. Auf der σ-Achse zeichnet man im Abstand σ 2 + (σ 1 − σ 2 )/2 vom<br />
Ursprung einen Kreis mit Radius (σ 1 −σ 2 )/2. Vom linken Schnittpunkt dieses Kreises mit<br />
der σ-Achse zieht man unter dem Winkel α einen Strahl, dessen Schnitt mit dem Kreis<br />
die gesuchten σ und τ liefert.<br />
127
11.2.1 Beispiele ebener Spannungszustände<br />
1) Linearer Spannungszustand: Äussere Kräfte liegen<br />
σ 1<br />
F<br />
F nur in Achsenrichtung und nur eine der beiden Hauptspannungen<br />
ist von Null verschieden,<br />
Hauptrichtung<br />
Druck<br />
τ<br />
Zug z.B. σ 1 ≠ 0,σ 2 = 0. Der Mohrsche Kreis berührt also<br />
die τ-Achse, und nach (144) und (145) gilt<br />
α<br />
σ<br />
−σ σ2 σ 1 1<br />
σ = σ 1<br />
2 (1 + cos 2α),τ = σ 1<br />
sin 2α.<br />
2<br />
σ 1<br />
σ<br />
und τ = 0 für alle α.<br />
σ 1 =σ 2<br />
σ 1<br />
Sämtliche Flächenelemente, die senkrecht zur<br />
σ 1<br />
τ<br />
2) Hydrostatischer Spannungszustand: σ 1 = σ 2 .<br />
Folglich σ = σ 1 =konst. (wie in Flüssigkeiten)<br />
σ Ebene E stehen, sind schubspannungsfrei. Der<br />
σ 1<br />
Spannungskreis ist zum Punkt entartet.<br />
σ 2<br />
τ τ<br />
σ 1 σ 1<br />
τ τ<br />
σ 2<br />
τ<br />
Druck<br />
σ 2 α<br />
Zug<br />
σ 1<br />
σ<br />
3) Maximale Schubspannung: σ 1 = −σ 2 . Also<br />
σ = σ 1 cos 2α,τ = σ 1 sin 2α.<br />
Für α = π/4 ist σ = 0 und τ = τ max = σ 1 .<br />
Auf diese Weise kann bei der Metallbearbeitung<br />
ein maximaler Wert der Schubspannung erzeugt<br />
werden oder ist verifiziert bei der Torsion eines<br />
kreisförmigen Stabes Kap 11.4.2.<br />
F<br />
11.3 Deformation isotroper Körper, elastische Konstanten.<br />
Der Zusammenhang zwischen Spannungszustand und elastischer Deformation lässt sich<br />
am einfachsten empirisch aus folgendem Versuch ermitteln:<br />
Ein homogener und isotroper Stab mit der Länge l<br />
l<br />
und dem rechteckigen Querschnitt a · b werde durch<br />
F<br />
eine konstante äussere Normalspannung σ in Richtung<br />
der Stabachse belastet. Der Stab dehnt sich und<br />
l+∆l<br />
zeigt eine Querkontraktion.<br />
Für genügend kleine Beanspruchungen ist die relative Längenänderung, die sogenannte<br />
Dehnung ε = ∆l/l, proportional der angelegten Spannung. Es gilt also<br />
σ = Eε = E ∆l<br />
l<br />
das Hookesches Gesetz. (146)<br />
Die Materialkonstante E mit der Dimension N/m 2 nennt man den Elastizitätsmodul.<br />
Das Hookesche Gesetz ist der makroskopische Ausdruck für die Gültigkeit der mikroskopischen<br />
Gleichung (139) aus Kapitel 11.1.<br />
σ<br />
P<br />
F<br />
ε<br />
B<br />
Wird der Stab über die Proportionalitätsgrenze P hinaus beansprucht,<br />
so tritt plastische Verformung auf, wobei oft eine Erhöhung<br />
der Proportionalitätsgrenze und auch eine Änderung des Elastizitätsmoduls<br />
erfolgt. Jedoch hat der Stab nicht mehr die ursprüngliche<br />
Länge, wenn die äusseren Spannungen entfernt werden. Die Molekularstruktur ist bleibend<br />
128
verändert worden (Kaltverformung). Bei sehr grosser Belastung beginnt das Material bei<br />
der Fliessgrenze F zu fliessen, und schliesslich bricht es an der Bruchgrenze B. Die<br />
Kaltverformung lässt sich qualitativ durch Fehler im Gitteraufbau des festen Körpers erklären.<br />
Es treten z.B. Versetzungen auf, d.h. Gebiete, in denen zwei gegeneinander verschobene<br />
Kristallbereiche sich treffen. Längs der Versetzung können die Atomreihen leichter<br />
gleiten, was eine plastische Verformung begünstigt. Durch zu häufige Beanspruchung des<br />
Materials (z.B. mehrmaliges Biegen von Kupfer) wandeln sich kristallin geordnete, grössere<br />
Gebiete in kleine, polykristalline Bereiche um, das Gleiten längs der Versetzungslinien<br />
kann nicht mehr über grosse Strecken erfolgen, so dass sich die Festigkeit des Materials<br />
erhöht. Durch Dotieren mit Fremdatomen kann man das Gleiten längs der Versetzungen<br />
überhaupt verhindern: Eisen wird durch Zugabe von ≃ 1 % Kohlenstoff zu Stahl!<br />
Solange für die relative Längenänderung ε das Hookesche Gesetz gilt, sind auch die<br />
relativen Änderungen der Querdimensionen proportional zur angelegten Spannung:<br />
− ∆a<br />
a = −∆b b = β ∼ σ ,<br />
Also ist ε/β = konst., und man setzt deshalb<br />
β ist die Querdehnung.<br />
ε<br />
β<br />
.<br />
= ν . = 1 m<br />
, ν heisst Querzahl<br />
und m Poissonsche Zahl. Wie E sind sie charakteristische Materialgrössen 94 . Es gilt<br />
σ = Eνβ = E m β<br />
Hookesches Gesetz für<br />
die Querdimensionen.<br />
Sind die elastischen Konstanten E und m bzw. ν eines bestimmten Materials bekannt,<br />
so lassen sich die Deformationen eines makroskopischen Körpers ohne weiteres<br />
angeben, sofern der Spannungszustand eben und homogen d.h. ortsunabhängig ist 95 und<br />
die daraus folgenden Deformationen klein sind. Man denkt sich aus dem betreffenden<br />
Körper einen Würfel herausgeschnitten, dessen Kantenlänge im ungespannten Zustand<br />
willkürlich gleich 1 gesetzt wird. Ferner sollen die Hauptspannungsrichtungen senkrecht<br />
zu den Würfelflächen liegen. Dann werden die äusseren Spannungen angelegt und die<br />
neuen Kantenlängen berechnet. Für die 1-Richtung gilt ∆l = ε<br />
l 1 = σ 1<br />
. E<br />
11.3.1 Beispiele<br />
σ 1<br />
1. Linearer Spannungszustand: σ 1 ≠ 0,σ 2 = 0. Die neue Länge ist 1 + ε 1 = 1 + σ 1<br />
E .<br />
2<br />
1<br />
σ 1<br />
94 Ein konstantes Volumen für einen idealen Körper fordert<br />
In der 2-Richtung lautet wegen der Kontraktion die neue<br />
Breite<br />
1 + ε 2 = 1 − β = 1 − mσ 1<br />
E<br />
und analog für die 3-Richtung: 1 + ε 3 = 1 − β = 1 − mσ 1<br />
. E<br />
ε 1 , ε 2 und ε 3 heissen die Hauptdehnungen.<br />
V = a·b·l = (a−∆a)(b−∆b)(l+∆l) ≈ abl−a∆bl−∆abl+ab∆l ⇒ ∆l<br />
l = ∆a<br />
a +∆b b = ε = 2∆a a = 2β<br />
und damit für den idealen Körper ε/β = ν = 2 und m = 0.5 (vgl. Tabelle Seite 132).<br />
95 Sonst muss mit dem Spannungstensor T gerechnet werden.<br />
b<br />
a<br />
l<br />
129
2. Allgemeiner ebener Spannungszustand: σ 1 ≠ σ 2 .<br />
σ 1<br />
σ 2<br />
2<br />
1<br />
σ 2<br />
σ 1<br />
Es wirken also zwei Kräfte gleichzeitig. Solange das Hookesche<br />
Gesetz gilt, überlagern sich die beiden Deformationen<br />
ungestört, d.h. jede verhält sich so, als ob die andere nicht<br />
vorhanden wäre.<br />
Infolge σ 1 wird der Würfel in einen Quader deformiert, dessen<br />
Kantenlängen im Beispiel 1) berechnet wurden:<br />
1 + ε ′ 1 = 1 + σ 1<br />
E , 1 + ε′ 2 = 1 − mσ 1<br />
E und 1 + ε′ 3 = 1 − mσ 1<br />
E .<br />
Wenn statt σ 1 die Spannung σ 2 angreift, lauten die neuen Kantenlängen<br />
1 + ε ′′<br />
1 = 1 − mσ 2<br />
E ; 1 + ε′′ 2 = 1 + σ 2<br />
E ; 1 + ε′′ 3 = 1 − mσ 2<br />
E .<br />
Die Superposition beider Deformationen verursacht relative Längenänderungen<br />
ε i = ε ′ i + ε ′′<br />
i + Terme 0(σ 2 ). Wenn wir die in den Spannungen quadratischen<br />
Terme vernachlässigen, resultiert ein Quader mit den Kantenlängen<br />
1 + ε 1 = 1 + σ 1<br />
E − mσ 2<br />
1 + ε 3 = 1 − mσ 1<br />
E − mσ 2<br />
E = 1 + σ 1 − mσ 2<br />
E<br />
E = 1 − m(σ 1 + σ 2 )<br />
.<br />
E<br />
3. Deformation bei reiner Schubbeanspruchung: σ 1 = −σ 2<br />
; 1 + ε 2 = 1 − mσ 1<br />
E + σ 2<br />
E = 1 + σ 2 − mσ 1<br />
E<br />
Die unter 45 ◦ gegen die Hauptspannungsebene geneigten Flächenelemente erfahren<br />
nur Schubspannungen von der Grösse τ = σ 1 . Die Superposition der beiden durch<br />
σ 1 und −σ 1 hervorgerufenen Spannungszustände deformiert den Würfel in einen<br />
Quader mit neuen Kantenlängen, die wir direkt aus dem Ergebnis von Beispiel 2)<br />
übernehmen können, falls wir σ 2 = −σ 1 setzen:<br />
1 + ε 1<br />
∼ = 1 +<br />
σ 1<br />
E (1 + m), 1 + ε 2 ∼ = 1 − σ 1<br />
E (1 + m) = 1 − ε 1, 1 + ε 3<br />
∼ = 1.<br />
−σ 1<br />
τ τ<br />
σ 1 σ 1<br />
π/2−δ<br />
1−ε 1<br />
τ<br />
−σ 1<br />
Also folgt<br />
1+ε 1<br />
τ<br />
Andererseits gilt<br />
tan<br />
Die ursprünglich um 45 ◦ geneigten Flächenelemente,<br />
die nur Schubspannungen zeigen, werden<br />
um den Winkel δ/2 gedreht. Gegenüber der 1-<br />
Richtung sind diese Elemente um den Winkel<br />
π/4 − δ/2 geneigt, und es ist<br />
( π<br />
4 − δ 2)<br />
=<br />
tan<br />
( π<br />
4 − δ 2)<br />
= 1 − ε 1<br />
1 + ε 1<br />
.<br />
tanπ/4 − tanδ/2<br />
1 + tanπ/4 tanδ/2 = 1 − tanδ/2<br />
1 + tanδ/2 .<br />
tanδ/2 = ε 1 . Für kleine Deformationen gilt näherungsweise<br />
δ<br />
2 ≈ ε 1 = σ 1<br />
E (1 + m) = τ E (1 + m). und damit τ = E<br />
2(1 + m) δ.<br />
130
Für die Winkeländerung δ (und zwar für die absolute Änderung) des 45 ◦ -Winkels bei<br />
reiner Schubspannung τ gilt also eine dem Hookeschen Gesetz für die Längenänderungen<br />
analoge Beziehung. Man setzt deshalb<br />
G . =<br />
E<br />
2(1 + m)<br />
Definition des Schubmoduls G und erhält τ = Gδ (147)<br />
Über die Grösse von m und damit E/G kann eine allgemeine Aussage gemacht<br />
werden, indem man einen Würfel mit allseitigen Druckspannungen σ betrachtet,<br />
wie er in Flüssigkeiten auftritt:<br />
4. Räumlicher, hydrostatischer Spannungszustand<br />
p<br />
p<br />
p<br />
Dies ist kein ebener Zustand mehr, jedoch liegt insofern ein<br />
einfaches Problem vor, als −σ 1 = −σ 2 = −σ 3 = p. p ist<br />
der hydrostatische Druck. Ein Würfel mit Volumen V ◦ = 1<br />
wird deformiert, dabei werden drei lineare Verzerrungen<br />
superponiert. Die neuen Kantenlängen sind also<br />
1 + ε = 1 − p E + 2m E p = 1 − p (1 − 2m)<br />
E<br />
und das neue Volumen V = (1 + ε) 3 = 1 + 3ε + 3ε 2 + ε 3 ≈ 1 + 3ε (|ε| ≪ 1).<br />
Die relative Volumenänderung ist<br />
Setzt man<br />
∆V<br />
= V − V ◦<br />
= V − 1 ≈ 3ε = − 3p (1 − 2m).<br />
V ◦ V ◦ V ◦ E<br />
1<br />
K<br />
=<br />
3(1 − 2m)<br />
E<br />
und nennt K den Kompressionsmodul und 1/K die Kompressibilität , so wird<br />
∆V<br />
V ◦<br />
= − p K .<br />
Da ∆V/V ◦ negativ sein muss, ist 1/K > 0 und folglich gilt für die Poisson-Zahl<br />
0 ≤ m ≤ 0.5. Dem Grenzfall m = 0.5 entspricht K = ∞, d.h. keine Volumenelastizität:<br />
bei noch so hohem Druck p lässt sich das Volumen nicht komprimieren 94 .<br />
Der fiktive, starre Körper hat m = 0.5; Flüssigkeiten sind nahezu inkompressibel.<br />
Aus der Beziehung 0 ≤ m ≤ 0.5 folgt E/3 < G < E/2. In der Thermodynamik sind<br />
die Beziehungen zwischen der Kompressibilität 1/K und den Materialkonstanten<br />
nützlich.<br />
Wir haben insgesamt vier elastische Konstanten kennengelernt: Elastizitätsmodul E,<br />
Schubmodul G, Poisson Zahl m und Kompressionsmodul K. Da zwischen ihnen die beiden<br />
Relationen G =<br />
E<br />
2(1 + m) , 1<br />
K<br />
=<br />
3(1 − 2m)<br />
E<br />
existieren, sind nur 2 elastische Konstanten voneinander unabhängig.<br />
131
Ein homogener und isotroper Festkörper ist durch 2 elastische Konstanten<br />
vollkommen in seinem elastischen Verhalten bestimmt.<br />
Ist der Festkörper jedoch ein Einkristall, so ist er in seinem Verhalten nicht mehr isotrop,<br />
und es werden mehr elastische Konstanten benötigt (3 für kubische und 21 für trikline<br />
Kristalle).<br />
Typische Werte elastischer Konstanten polykristalliner Körper<br />
Material E[N/m 2 ] G[N/m 2 ] m K[N/m 2 ]<br />
Al 7.0 · 10 10 2.6 · 10 10 0.34 7.3 · 10 10<br />
Pb 1.6 · 10 10 0.6 · 10 10 0.44 4.2 · 10 10<br />
Stahl 20.6 · 10 10 8.0 · 10 10 0.28 15.6 · 10 10<br />
Quarzglas 7.5 · 10 10 3.2 · 10 10 0.17 3.8 · 10 10<br />
Nylon 0.5 − 2.8 · 10 10<br />
Starrer Körper ∞ ∞ 0.5 ∞<br />
11.4 Zwei Beispiele zur Biegung und Torsion<br />
In der Technik werden folgende, praktische Fragen gestellt: Mit welcher Krümmung bzw.<br />
Kurvenverlauf biegt sich ein Balken oder Träger bei Belastung mit frei aufliegenden, einem<br />
oder zwei eingespanten Enden? Wo tritt die maximale Belastung und damit ein Bruch<br />
auf? Wie muss ein optimales Profil bei minimalem Gewicht aussehen?<br />
11.4.1 Biegung eines Balkens<br />
N 1 N 2<br />
A(x)<br />
x<br />
z<br />
F<br />
Stauchung<br />
n<br />
Dehnung<br />
Symmetrieachse<br />
Ein homogener Balken mit der Länge l und dem Querschnitt q,<br />
der beidseitig frei aufliegt, werde durch eine vertikale Kraft F beansprucht,<br />
die in der Mitte des Balkens angreift. Vernachlässigt<br />
man das Eigengewicht, so gilt im Gleichgewicht<br />
N 1 + N 2 = F, F l 2 = N 2l, also N 1 = N 2 = F 2 .<br />
z.B.<br />
Der Balken soll vertikale Querschnitte besitzen, die eine<br />
vertikale Symmetrieachse haben. Ferner sollen alle Deformationen<br />
klein sein. Wir wollen die Spannungen und<br />
die Form der Stabachse berechnen. Dazu müssen wir die<br />
Hypothesen von Bernoulli-Navier machen:<br />
a) Es existiert eine neutrale, d.h. spannungsfreie Faser n,<br />
die senkrecht zu den entsprechenden Symmetrieachsen<br />
steht.<br />
b) Querschnitte, die im unbelasteten Zustand senkrecht zur neutralen Faser stehen, bleiben<br />
im deformierten Zustand eben und senkrecht zur neutralen Faser 96 .<br />
Bestimmung der Spannungen im Querschnitt A(x):<br />
96<br />
vorher<br />
nachher<br />
n<br />
n<br />
Diese Annahme steht im Widerspruch zur Biegungstheorie<br />
und kann nur als Näherung betrachtet werden.<br />
132
F<br />
2<br />
0<br />
Man denkt sich den Balken an der Stelle x durchgeschnitten,<br />
σ z A<br />
wobei x ≤ l/2 sei. Um das Gleichgewicht nicht zu<br />
τ x n stören, müssen die Spannungen in x zusammen mit den<br />
äusseren Kräften die Gleichgewichtsbedingungen erfüllen.<br />
z=0<br />
Ferner muss die Spannungsverteilung in A(x) so sein, dass<br />
x σ der Schnitt bei der Deformation eben bleibt 97 . Dies ist<br />
der Fall, wenn τ(x,z) = konst., σ(x,z) = σ ◦ (x)z, mit den Gleichgewichtsbedingungen<br />
Schnitt<br />
Stabachse<br />
z<br />
h1<br />
Stauchung<br />
A(x)<br />
n<br />
dA<br />
h2 Dehnung<br />
für x < l/2<br />
∑<br />
∫<br />
Fix = 0 ⇒ 0 =<br />
∑<br />
M◦i = 0 ⇒ Fx<br />
2 = ∫<br />
∑<br />
Fiz = 0 ⇒ F 2 = ∫<br />
A<br />
A<br />
A<br />
∫<br />
σ ◦ (x)zdA = σ ◦ (x)<br />
σ ◦ (x)z 2 dA = σ ◦ (x)<br />
τ dA = τA (148)<br />
A<br />
∫<br />
A<br />
zdA (149)<br />
z 2 dA. (150)<br />
Aus Gleichung (149) folgt ∫ A zdA = 0, d.h. die neutrale Faser geht durch den Schwerpunkt<br />
des Schnittes. Setzt man I s = ∫ z 2 dA<br />
A<br />
und nennt I s das Flächenträgheitsmoment des Schnittes A(x), so folgt aus Gl. (150)<br />
σ ◦ (x) = Fx<br />
2I s<br />
, also σ(x,z) = Fxz<br />
2I s<br />
für x ≤ l/2.<br />
Die maximale Normalspannung im Schnitt A(x) tritt am oberen oder unteren Rand auf, je<br />
nachdem ob h 1 grösser oder kleiner als h 2 ist mit σ max (x) = Fxh 1<br />
2I s<br />
oder<br />
Fxh 2<br />
2I s<br />
.<br />
Die maximale Spannung im Stab in der Stabmitte ist σ max,max = Flh 1<br />
4I s<br />
oder Flh 2<br />
4I s<br />
.<br />
Bei wachsender Belastung wird der Stab in der Mitte durchbrechen, wenn σ max,max grösser<br />
als die zulässige Spannung des Materials wird.<br />
Form der Stabachse, d.h. der neutralen Faser: Ein Mass für die Biegung der Stabachse<br />
im Schnitt A(x) ist der Krümmungsradius ρ(x). Sind A 1 und A 2 Querschnitte in<br />
der Nachbarschaft von x, die im undeformierten Zustand parallel stehen und den Abstand<br />
s haben, so schneiden sich deren Symmetrieachsen im Krümmungsmittelpunkt M<br />
der Stabachse. Nach dem Strahlensatz gilt dann<br />
97 Damit der Querschnitt nach der Biegung eben bleibt, müssen die Fasern proportional zum Abstand<br />
von z = 0 gedehnt werden. Mit dem Hookschen Gesetz ist σ = Eε ∝ ∆l/l und damit muss σ(x,y)<br />
proportional zu z mit z = 0 der neutralen Faser sein. Die Proportionalitätskonstante σ ◦ hat nicht die<br />
Dimension von σ.<br />
133
M<br />
ρ + h 2<br />
ρ<br />
= s + ∆s(h 2)<br />
, d.h. 1 + h 2<br />
s<br />
ρ = 1 + ∆s(h 2)<br />
,<br />
s<br />
s<br />
s+∆s<br />
ρ<br />
n<br />
h 2<br />
also<br />
h 2<br />
ρ = ∆s(h 2)<br />
s<br />
somit 98 1<br />
ρ = Fx<br />
2I s E = M B(x)<br />
I s E<br />
= ε(h 2 ) = σ(h 2)<br />
E = σ ◦(x)h 2<br />
E ,<br />
wobei x ≤ l 2 .<br />
Wir suchen jetzt die Gleichung der Biegekurve z(x), wobei x und z die Koordinaten eines<br />
Achsenpunktes sind. Dazu müssen wir zunächst den zugehörigen Krümmungsradius ρ mit<br />
z(x) verknüpfen. Für zwei benachbarte Achsenpunkte gilt<br />
z<br />
α<br />
x<br />
ds ≈ dx<br />
dϕ<br />
ρ<br />
x+dx<br />
x<br />
dϕ = α x+dx − α x ≈ dα dx = dα. (151)<br />
dx<br />
Andererseits gilt<br />
dz<br />
dx<br />
dϕ ≈ dx ρ<br />
und<br />
= tanα ≈ α für|α| ≪ 1),<br />
also<br />
dα = dϕ = dx ρ = d2 z<br />
dx 2dx. Somit folgt aus (151): d 2 z<br />
dx 2 = 1 ρ = Fx<br />
2I s E = M B(x)<br />
I s E .<br />
Aus dieser Differentialgleichung, die für die linke Hälfte des Stabes gilt, erhält man durch<br />
zweimaliges Integrieren (x) = F ( )<br />
x<br />
3<br />
2I s E 6 + C 1x + C 2 ,<br />
wobei sich die Integrationskonstanten aus den Randbedingungen z(0) = 0 (Nullpunkt)<br />
und<br />
dz<br />
∣<br />
dx<br />
∣ x=<br />
l<br />
2<br />
= 0 (Horizontale Tangente) zu C 2 = 0 und C 1 = −l 2 /8<br />
bestimmen. Für x ≤ l lautet demnach die Gleichung der Stabachse<br />
2<br />
z(x) =<br />
F ( ) x<br />
3<br />
4I s E 3 − l2 z<br />
x<br />
.<br />
4<br />
l/2<br />
z ext<br />
l<br />
x<br />
98 durch das Biegemoment M B (x) = Fx/2 ausgedrückt.<br />
134
Die Form der Stabachse ist symmetrisch in Bezug auf den Punkt<br />
x = l/2. Die maximale Durchbiegung tritt auf für x = l/2 und ist<br />
a<br />
b<br />
z extremum = − Fl3<br />
48I s E .<br />
R<br />
r<br />
Diese maximale Durchbiegung kann klein gehalten werden, wenn<br />
ein grosses Flächenträgheitsmoment I s gewählt wird. Die Flächenträgheitsmomente<br />
für die angegebenen Profile lauten: I s = 1 12 ba3<br />
h<br />
D<br />
d/2<br />
H<br />
Rechteck,<br />
I s = π 4 (R4 − r 4 )<br />
I s = 1 12 (DH3 − dh 3 )<br />
Rohr,<br />
Doppel-T-Träger.<br />
11.4.2 Torsion eines zylindrischen Stabes<br />
M o<br />
r<br />
Ein zylinderischer Stab mit Länge l und Radius R werde einseitig eingespannt und<br />
am freien Ende durch ein axiales Drehmoment M l beansprucht. Im Gleichgewicht ist<br />
M l = M ◦ = 2FR. Infolge der Beanspruchung werden die Querschnitte verdreht.<br />
x<br />
A(x)<br />
τ<br />
F<br />
R<br />
M l<br />
Eine gerade Mantellinie geht in eine Schraubenlinie über.<br />
Um die Spannungen im Schnitt A(x) zu bestimmen, denkt<br />
man sich den Stab wiederum durchgeschnitten und die<br />
Spannungen so angebracht, dass Gleichgewicht herrscht<br />
und die Schnitte nur verdreht werden. Dies ist der Fall,<br />
wenn azimutale Schubspannungen wirken. Es ist zunächst<br />
aus geometrischen Gründen rϕ = δx.<br />
Analog zum Beispiel in Kapitel 11.3.1 Gl. (147) ist bei kleinen<br />
Verdrillungen der Torsionswinkel δ einer Schubspannung<br />
τ proportional:<br />
x<br />
δ<br />
τ<br />
φ<br />
δ = τ G . Also wird τ = δG = Grϕ x .<br />
Die Gleichgewichtsbedingung verlangt dann<br />
M ◦ =<br />
∫R<br />
r=0<br />
τ2πrdrr = 2π ϕG x<br />
∫R<br />
0<br />
r 3 dr = πϕGR4 . Somit wird τ = Grϕ<br />
2x<br />
x<br />
= 2M ◦<br />
r. (152)<br />
πR4 Die Schubspannungen sind also unabhängig von x. Sie werden maximal für r = R<br />
τ max = 2M ◦<br />
πR 3 .<br />
Diese Ergebnisse kann man benutzen, um mit Hilfe eines Torsionspendels Schubmodule<br />
zu messen. Der verdrehte Draht übt ein rücktreibendes Drehmoment M ϕ aus, das durch<br />
obige Gleichung (152) gegeben ist. Der Drehimpulssatz für ebene Bewegungen liefert die<br />
Bewegungsgleichung<br />
135
l<br />
2R<br />
d 2 ϕ<br />
J ◦<br />
dt = M 2 ◦ = − πR4 G<br />
ϕ<br />
2l<br />
mit der Lösung ϕ(t) = ϕ ◦ cos(ωt − δ),<br />
ϕ<br />
wobei<br />
ω = R 2 √<br />
πG<br />
2lJ ◦<br />
, d.h. T ∝ R −2 .<br />
Diese Lösung hat natürlich nur einen Sinn im Gültigkeitsbereich<br />
des Hookeschen Gesetzes.<br />
136
12 <strong>Mechanik</strong> der Gase und Flüssigkeiten<br />
Während bei festen Körpern die Moleküle durch innere Kräfte an Gleichgewichtslagen<br />
gebunden sind, führen in Flüssigkeiten und Gasen die Moleküle regellose thermische Bewegungen<br />
aus, da sie immer wieder mit ihren Nachbarteilchen zusammenstossen. Der Unterschied<br />
zwischen Gas und Flüssigkeit beruht auf der Grösse der intermolekularen Kräfte.<br />
In Gasen sind diese Kräfte klein, so dass Gase das ganze ihnen zur Verfügung stehende<br />
Volumen ausfüllen; ihre Kompressibilität ist gross. In Flüssigkeiten bewirken die relativ<br />
statistische<br />
thermische<br />
Bewegung<br />
Gas<br />
Flussigkeit "<br />
intermolekulare<br />
Krafte "<br />
klein groβ<br />
Kompressibilitat " groβ klein<br />
fullt " ganzes Volumen dichte Packung<br />
12.1 Statik der Gase und Flüssigkeiten<br />
starken intermokekularen Kräfte eine<br />
dichte Packung der <strong>Teil</strong>chen und eine<br />
Bildung von Tröpfchen mit einer<br />
wohldefinierten freien Oberfläche; die<br />
Kompressibilität ist klein. Die Flüssigkeit<br />
passt sich der Form des gegebenen<br />
Gefässes an; mit anderen Worten; sie<br />
hat keine Formelastizität.<br />
Eine ideale inkompressible Flüssigkeit ist eine reibungslose Flüssigkeit, die einer reinen<br />
Formänderung (ohne Volumenänderung) keinen Widerstand entgegensetzt. Nach Kapitel<br />
11 bedeutet dies, dass alle Schubspannungen verschwinden. In wirklichen zähen sich relativ<br />
zueinander bewegenden Flüssigkeiten treten jedoch Schubspannungen auf (Kap. 12.4).<br />
Sofern die Flüssigkeit ruht, müssen wir nicht zwischen reibungslosen und zähen Flüssigkeiten<br />
unterscheiden. Da keine Schubspannungen auftreten ist τ = 0 und alle Hauptspannungen<br />
sind gleich gross, der Mohrsche Spannungskreis ist zu einem Punkt entartet.<br />
Es ist also σ 1 = σ 2 = σ 3 = σ, und wir setzen − σ = p = dF [ ] N τ ✻ ✲<br />
dA m 2 σ<br />
und nennen p den hydrostatischen Druck. Der Druck als skalare Grösse ist positiv,<br />
wenn die verursachende Kraft nach innen zeigt. Der Spannungszustand ruhender Gase<br />
oder Flüssigkeiten ist durch eine einzige Spannung, den Druck p, eindeutig bestimmt<br />
(hydrostatischer Spannungszustand). Ist die Substanz frei von irgendwelchen Volumenkräften,<br />
insbesondere gewichtslos, so ist der Druck unabhängig vom Ort. Da der Druck<br />
auch nicht von der Stellung von Flächenelementen abhängt, kann er wie eine skalare<br />
Grösse behandelt werden. Er wird in den gleichen Einheiten wie die Spannung gemessen.<br />
Dass der Druck in einer schwerelosen, ruhenden Flüssigkeit überall der gleiche ist, ergibt<br />
sich auch aus folgendem Gedankenexperiment. Der Kolben K 1 mit Querschnitt A 1 werde<br />
x2<br />
→<br />
K2 K1 F1<br />
→<br />
F2<br />
p<br />
x1<br />
durch eine Kraft F 1 um die Strecke x 1 nach innen verschoben.<br />
Dabei wird ein Flüssigkeitsvolumen x 1 A 1 verdrängt<br />
und eine Arbeit x 1 F 1 geleistet. Ist die Flüssigkeit<br />
inkompressibel, so wird der Kolben K 2 um eine Strecke<br />
x 2 nach aussen verschoben, wobei x 1 A 1 = x 2 A 2 gilt.<br />
Wird die Flüssigkeitsmenge reibungslos, also ohne Energieverlust<br />
verschoben, so muss auch F 1 x 1 = F 2 x 2 sein,<br />
wobei F 2 die auf den Kolben K 2 wirkende Kraft ist 99 .<br />
Also folgt F 1 /A 1 = F 2 /A 2 = p.<br />
99 Dies gilt auch für viskose Reibung R = β · v, wenn bei unendlich langsamer Bewegung die geleistete<br />
Arbeit R · x vernachlässigt werden kann.<br />
137
z<br />
✚<br />
✻<br />
<br />
p(x)dydz<br />
✲ dF p(x+dx)dydz<br />
✲ x<br />
✛<br />
dz ❈<br />
✓ dy<br />
❈<br />
dx ❈ ❈❲ dF<br />
⃗<br />
✒ y<br />
✲ x<br />
Wir betrachten jetzt eine Flüssigkeit, auf die eine Volumenkraft<br />
(z.B. Gravitation, Zentrifugalkraft) wirkt. Es existiert<br />
also eine Kraftdichte f, d.h. eine Kraft pro Volumeneinheit<br />
und p = p(x,y,z) ist ein ortsabhängiger Skalar 100 . Auf ein<br />
Volumenelement dV = dxdydz wirkt dann eine äussere Kraft<br />
d ⃗ F = ⃗ fdV . Befindet sich die Flüssigkeit in Ruhe, so muss<br />
auch<br />
die Summe der auf das Element dV wirkenden Kräfte verschwinden.<br />
Für die x-Richtung muss gelten −p(x + dx,y,z)dydz + p(x,y,z)dydz + f x dxdydz = 0<br />
oder<br />
p(x + dx,y,z) − p(x,y,z)<br />
lim<br />
dx→0 dx<br />
= ∂p<br />
∂x = f x.<br />
Analog findet man<br />
∂p<br />
∂y = f y und ∂p<br />
∂z = f z, also gradp = ∇p = f ⃗<br />
die Gleichgewichtsbedingung der ruhenden Flüssigkeit.<br />
Lässt sich die äussere Kraft aus einem Potential herleiten (Kapitel 4.3), so kann die<br />
Kraftdichte durch f ⃗ = −gradV ′ = −∇V ′ ausgedrückt werden, wobei V ′ das Potential<br />
pro<br />
Volumeneinheit bedeutet, d.h. ∇p = −∇V ′ oder nach Integration p + V ′ = konst.<br />
An der freien Oberfläche einer Flüssigkeit muss die Resultierende aller angreifenden<br />
Volumenkräfte senkrecht zur Oberfläche stehen, andernfalls würden die Flüssigkeitsteilchen<br />
an der Oberfläche verschoben werden, bis die Volumenkräfte senkrecht zur Oberfläche<br />
stehen, die damit eine Äquipotentialfläche der Kräfte V ′ = konstant ist und folglich<br />
ist auch p=konstant 101 .<br />
12.1.1 Beispiele<br />
1. Flüssigkeit im Gravitationsfeld der Erde<br />
dG<br />
p(z)<br />
p(z+dz)<br />
0<br />
z<br />
z+dz<br />
z<br />
p o<br />
p<br />
Die Kraftdichte der Schwerkraft ist mit ρ =konst. (inkompressibel)<br />
⃗ f = ρg ⃗ k, wenn ⃗ k = Einheitsvektor in<br />
z-Richtung ist. Also reduziert sich die Gleichgewichtsbedingung<br />
∇p = ⃗ f mit p(0) = p ◦ (Integrationskonstante) auf<br />
∂p<br />
∂z = dp<br />
dz = ρg, und somit wird p(z) = p ◦ + ρgz.<br />
Der Druck nimmt mit der Tiefe linear zu z.B. Wasser p(1000m) ≈ 100p ◦ = 10 7 Pa.<br />
2. Gase im Gravitationsfeld der Erde<br />
100 Im Folgenden ist oft der skalare Druck p mit einem Vektorpfeil der entprechenden Kraft dF ⃗ = p dA<br />
⃗<br />
in den Figuren gezeichnet.<br />
101 Als ein Beispiel führt die Volumenkraft des Mondes zusätzlich zur Erdanziehung an der Erdoberfläche<br />
zu einem Gezeitenberg, der infolge der Erddrehung um die Erde läuft (Ebbe und Flut).<br />
138
p(z+dz)<br />
z<br />
Wird die z-Richtung jetzt nach oben gewählt, so lautet die<br />
Gleichgewichtsbedingung analog zum vorigen Beispiel:<br />
p(z)<br />
dG<br />
p o<br />
p<br />
dp<br />
dz<br />
= −ρ(z)g, (153)<br />
jedoch hängt wegen der starken Kompressierbarkeit der<br />
Gase die Dichte ρ(z) jetzt von z ab.<br />
Nehmen wir an, das Gas habe überall die gleiche Temperatur (isotherm), was für<br />
die Atmosphäre allerdings nur bei kleinen Höhenunterschieden gilt, so besagt das<br />
Gesetz von Boyle-Mariotte aus der Thermodynamik [Gl. (??)]<br />
pV = p m ρ = konst,<br />
wenn m die im Volumen V enthaltene Gasmasse ist. Also gilt<br />
p(z)<br />
ρ(z) = p(o)<br />
ρ(o) = p ◦<br />
,<br />
ρ ◦<br />
und aus Gl. (153) folgt<br />
dp<br />
dz = −gp(z)ρ ◦<br />
p ◦<br />
und<br />
p(z) ∫<br />
∫ z<br />
p ◦<br />
p ◦<br />
dp<br />
p(z) = −ρ ◦g<br />
◦<br />
dz ⇒ p(z) = p ◦ e −ρ◦gz/p◦ isotherme<br />
Barometerformel.<br />
Auf Meereshöhe bei 0 ◦ C hat Luft einen sogenannten Normal- Luftdruck von<br />
p ◦ = 101 325 Pa = 1 Phys. Atmosphäre (Atm) und eine Dichte von<br />
ρ ◦ = 1.29 kg/m 3 . In der Höhe z1<br />
2<br />
= 5480 m beträgt der Druck 0.5 Atm, sofern die<br />
Temperatur überall 0 ◦ C ist (ln 2 = gz1<br />
2<br />
ρ ◦ /p ◦ ). Für kleine Exponenten bei geringen<br />
Höhendifferenzen ergibt die Reihenentwicklung der e-Funktion den Näherungswert<br />
(<br />
p(z) ≈ p ◦ 1 − ρ )<br />
◦gz<br />
= p ◦ − ρ ◦ gz.<br />
p ◦<br />
Für Wasserstoff ist ρ ◦ (H 2 ) = 0.08987 kg/m 3 und z1<br />
2<br />
= 78700 m. Wasserstoff kann<br />
deshalb leichter in den Weltraum entweichen. Sauerstoff 16 O 2 und Stickstoff 14 N 2<br />
müssten deshalb in der Atmosphäre entmischt werden, dem wirkt jedoch die Entropie<br />
entgegen (Kap. ??).<br />
3. Ausströmen von Gas aus vertikalem Rohr<br />
p 1<br />
Gas<br />
p 2<br />
✻p ′ 1<br />
h<br />
❄<br />
✻<br />
h<br />
❄p ′ 2<br />
✻z<br />
0<br />
Luft<br />
Da der barometrische Druckabfall mit der Höhe von der Dichte<br />
ρ ◦ der Gassorte abhängt, ist der Überdruck in einem gasgefüllten<br />
vertikalen Rohr gegenüber der umgebenden Luft<br />
oben und unten verschieden gross. Es seien ρ ◦G und p ◦G Dichte<br />
und Druck des Gases in der Höhe z = 0, die entsprechenden<br />
Werte für die Luft seien ρ ◦L und p ◦L . Benutzen wir den Näherungsausdruck<br />
für die Barometerformel, so sind die Druckunterschiede<br />
an den beiden Öffnungen<br />
∆p 1 = p 1 − p ′ 1 ≈ p ◦G − ρ ◦G gh − p ◦L + ρ ◦L gh = p ◦G − p ◦L − gh (ρ ◦G − ρ ◦L )<br />
∆p 2 = p 2 − p ′ 2 ≈ p ◦G + ρ ◦G gh − p ◦L − ρ ◦L gh = p ◦G − p ◦L + gh (ρ ◦G − ρ ◦L ).<br />
und ihre Differenz ∆p 1 − ∆p 2 ≈ −2ρ ◦G gh + 2ρ ◦L gh = 2gh (ρ ◦L − ρ ◦G ).<br />
139
Für ρ ◦L > ρ ◦G ist also ∆p 1 > ∆p 2 . Die pro Sekunde ausströmende Gasmenge m<br />
ist proportional zu ρ G v G . Nach der Bernoulli-Gleichung (160) ist aber die Gasgeschwindigkeit<br />
für nichtkompressible Medien<br />
p G<br />
✲ ✛<br />
vG t<br />
v G ∼<br />
√ √<br />
∆p<br />
∆p √<br />
und m ∼ ρ G v G ∼ ρ G = ρ G ∆p.<br />
ρ G ρ G<br />
Es ist ρ ◦L (20 ◦ C) = 1.204 kg/m 3 , ρ ◦ (Methan) = 0.72 kg/m 3 ,<br />
ρ ◦ (Propan) = 2.02 kg/m 3 .<br />
✄ ✄✗ ❳❳<br />
✄ ❳❳❳<br />
❳ ❳ ❳ ❳❳ ❳ ✄✗ ❳<br />
❳<br />
✄ ❳<br />
✄ ❳ ❳ ✄<br />
✄✄<br />
✄ ✄✄✗ ✄✄<br />
Führt man die Rechnung aus, so zeigt sich, dass an der oberen<br />
Öffnung für Methan (Propan) die grössere (kleinere) Gasmenge<br />
ausströmt, solange der Überdruck des Gases nicht allzu<br />
gross ist. Besonders drastisch ist der Effekt beim nur wenig<br />
geneigten Behnschen Rohr.<br />
4. Hydrostatisches Paradoxon<br />
h<br />
A A A<br />
F1 F2 F3<br />
h<br />
Bei gleicher Bodenfläche A und gleichem<br />
Flüssigkeitsstand h sind die Kräfte auf die Bodenflächen<br />
gleich: F 1 = F 2 = F 3 = Aρgh.<br />
Sie sind also unabhängig von der Gestalt des<br />
Gefässes. Der Bodendruck hängt also nur von<br />
der Höhe h ab.<br />
Erklärung: Man denke sich in das Gefäss einen Zylinder mit<br />
unendlich dünnen Wänden eingesetzt, so dass an den Druckverhältnissen<br />
nichts geändert wird. Der Zylinder ist im Gleichgewicht.<br />
Daran ändert sich auch nichts, wenn er mit dem Boden<br />
fest verbunden wird. Also wirkt auf den Boden nur die<br />
im Zylinder enthaltene Flüssigkeit.<br />
Oder: p ist ein Skalar, der nur von der Höhe abhängt.<br />
5. Kommunizierende Gefässe<br />
In einem U-förmigen Rohr sind zwei Flüssigkeiten übereinander<br />
geschichtet. Damit sie in Ruhe sind, muss an der<br />
Trennfläche der Druck beidseitig gleich sein, also p 1 = p 2<br />
oder p ◦ + ρ 2 h 2 g = p ◦ + ρ 1 h 1 g. Daraus folgt<br />
ρ 1 h 1 = ρ 2 h 2 und h = h 2 − h 1 = h 2 (1 − ρ 2 /ρ 1 ).<br />
Insbesondere ist für ρ 1 = ρ 2 ⇒ h 1 = h 2 . Die Flüssigkeitshöhen<br />
stehen in beiden Gefässen gleich hoch.<br />
p o<br />
ρ2<br />
p 2<br />
p1<br />
h2<br />
ρ1<br />
h1<br />
p o<br />
6. Torricellisches 102 Ausflussgesetz<br />
102 Evangelista Toricelli (1608-1647), italienischer <strong>Physik</strong>er und Schüler Galileis. Er war Mathematiker<br />
der Medici in Florenz, benutzte selbst hergestellte Glaskugeln als Linsen, führte 1643 seine Experimente<br />
zur Erfindung des Quecksilber-Barometers durch, Galilei hatte schon ein Wasser-Barometer benutzt.<br />
Er zeigte, dass in einem Hg-Rohr der äussere Luftdruck mit der Hg-Säule im Gleichgewicht steht. Er<br />
behandelte das Problem des Vakuums (horror vacui). Im zu Ehren wurde die Einheit 1 Torricelli = 1 torr<br />
= 1mm Hg eingeführt.<br />
140
h<br />
❄ p ◦<br />
✻<br />
❄p<br />
p ◦<br />
pA<br />
⃗ ✲ ✛ p ◦A<br />
⃗<br />
✛vdt✲<br />
Wie schnell fliesst Wasser aus der unteren Öffnung?<br />
Durch die Öffnung mit dem Querschnitt A strömt während<br />
der Zeit dt eine Flüssigkeitsmenge ρAvdt. Sie wird von der<br />
Geschwindigkeit 0 auf v beschleunigt durch die Kraft<br />
(p − p ◦ )A = ρghA, die längs des Weges vdt die Arbeit<br />
dW = ρghAvdt leistet. Nach dem Energiesatz ist dW<br />
gleich der kinetischen Energie dT = ρAvdt v2<br />
2<br />
√<br />
der Flüssigkeitsmenge. Also folgt v = 2gh<br />
Torricellisches Ausflussgesetz. Die Ausflussgeschwindigkeit ist genau so gross, als<br />
wenn die Flüssigkeit durch die Fallhöhe h gefallen wäre. Da der Druck p ein Skalar<br />
ist, ist die Richtung des ausfliessenden Wasserstrahles durch die Flächennormale<br />
von ⃗ A gegeben.<br />
7. Oberfläche einer rotierenden Flüssigkeit Die Flüssigkeit rotiert in einem vertikalen<br />
zylindrischen Gefäss um dessen Achse. Für einen mitbewegten Beobachter<br />
wirkt auf ein Volumenelement dV neben dem Gewicht dG = ρgdV auch eine Zentrifugalkraft<br />
dZ = ρrω 2 dV . Die beiden Kräfte lassen sich aus einem Potential V ′<br />
pro Volumeneinheit ableiten,<br />
z<br />
nämlich V ′ = ρgz − ω2 r 2<br />
ρ. Da an der Oberfläche<br />
ω → 2<br />
z o als Äquipotentialfläche V ′ =konst. ist, gilt dort<br />
dZ ρgz − 1 2 ρω2 r 2 = konst.<br />
dV<br />
dG<br />
Setzt man z(r = 0) = z ◦ , so folgt z = z ◦ + ω2 r 2<br />
2g .<br />
Die Oberfläche der rotierenden Flüssigkeitssäule ist ein Paraboloid.<br />
12.2 Der Auftrieb<br />
Taucht ein fester Körper in ein Gas oder eine Flüssigkeit ein, so erfährt er von der anliegenden<br />
Flüssigkeit Druckkräfte, deren Resultante man Auftrieb nennt. Bedeutet ⃗n einen<br />
Einheitsvektor senkrecht zu jedem Flächenelement dA der Oberfläche des Körpers,<br />
∫<br />
so beträgt der Auftrieb FA ⃗ = − p⃗ndA.<br />
p<br />
p<br />
→<br />
dA<br />
S D<br />
n →<br />
p<br />
p<br />
Oberfl.<br />
Denkt man sich den Körper ersetzt durch die von ihm<br />
verdrängte Gas- oder Flüssigkeitsmenge, das sogenannte<br />
Déplacement , so wird das Gleichgewicht sicher nicht<br />
gestört und ⃗ F A ändert sich nicht. Ist ⃗ f die Kraftdichte der<br />
Volumenkräfte, die auf das Gas oder die Flüssigkeit wirken,<br />
so ist deren Resultierende für das Déplacement<br />
∫<br />
⃗F D =<br />
D<br />
⃗fdV.<br />
141
Dabei greift ⃗ F D im Schwerpunkt S D des Déplacements an. Der Auftrieb muss mit F D im<br />
Gleichgewicht sein, d.h. ⃗ FA + ⃗ F D = 0. Der Angriffspunkt von ⃗ F A ist somit ebenfalls<br />
S D . Ist die Volumenkraft speziell das Gewicht der Flüssigkeit pro Volumeneinheit, so gilt<br />
⃗F A + ⃗ G = 0<br />
das Prinzip des<br />
Archimedes.<br />
Der Auftrieb ist dem Betrag nach gleich<br />
dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit.<br />
Der Auftrieb beruht auf dem Druckunterschied zwischen Unter- und Oberseite des eingetauchten<br />
Körpers. Da der Druckunterschied durch das Gewicht der Flüssigkeit verursacht<br />
wird, kann es in einer schwerelosen Flüssigkeit keinen Auftrieb geben.<br />
12.2.1 Beispiele<br />
1. Stabilität eines Schiffes<br />
S s<br />
Damit ein Schiff schwimmen kann, muss ihm eine solche Form gegeben werden, dass<br />
das Gewicht der verdrängten Wassermenge, also der Auftrieb F ⃗ A , gleich dem Gewicht<br />
G des Schiffes ist. Damit das Schiff eine stabile Schwimmlage hat, müssen bei<br />
einer Auslenkung aus der Gleichgewichtslage F A und G ein aufrichtendes Drehmoment<br />
erzeugen.<br />
→<br />
→ Die Jacht schwimmt stabil, weil ihr Kiel mit Blei beschwert<br />
ist; eine homogene Jacht wäre instabil wie<br />
A<br />
A<br />
ein vertikal im Wasser schwimmender Holzklotz. Das<br />
S D<br />
ist der Fall, wenn das Metazentrum, d.h. der Schnittpunkt<br />
der Wirkungslinie des Auftriebs mit der Sym-<br />
S s<br />
S s<br />
→ Schwert →<br />
metrieachse des Schiffes, oberhalb des Schwerpunktes<br />
G<br />
G<br />
des Schiffes S S liegt.<br />
S D<br />
→<br />
A Ss A M<br />
→<br />
G<br />
S D<br />
2. Ladung über Bord<br />
→<br />
→<br />
G<br />
S D<br />
Die Schwimmlage der Jolle ist aus dem gleichen Grunde<br />
stabil, aus dem auch ein flach auf dem Wasser<br />
schwimmendes Brett stabil ist: bei einer kleinen Drehung<br />
aus der stabilen Schwimmlage verschiebt sich<br />
der Angriffspunkt des Auftriebs sehr stark.<br />
Ein Schiff mit Masse M sei mit einer Ladung m beladen. Der Auftrieb ist dann<br />
M<br />
M<br />
m<br />
m<br />
3. Zentrifugalauftrieb<br />
F A = (M + m)g = M D g, wobei M D = M + m die Masse des<br />
Déplacements ist. Fällt die Masse m über Bord, so ist der Auftrieb<br />
des Schiffes F ′ A = Mg. Die vom Schiff und der<br />
Ladung verdrängte Wassermenge ist wenn ρ Fl < ρ m<br />
M ′ D = M + m ρ m<br />
ρ Fl ,<br />
und es ist M D > M ′ D. Der Wasserspiegel sinkt, wenn die Ladung<br />
versinkt. Ist ρ Fl > ρ m z.B. Holz, dann bleibt der Wasserspiegel,<br />
da das Holz schwimmt.<br />
Ein Körper der Masse m sei in eine rotierende Flüssigkeit getaucht. Analog zum<br />
gewöhnlichen Auftrieb im Schwerefeld der Erde wird durch die Zentrifugalkräfte ein<br />
142
Zentrifugalauftrieb erzeugt. Ersetzen wir wieder den Körper durch das Déplacement,<br />
so muss Gleichgewicht zwischen der Volumenscheinkraft Z ⃗ D auf das Déplacement<br />
(bei vernachlässigter Schwerkraft) und dem Zentrifugalauftrieb F ⃗ AZ herrschen:<br />
ρ Fl<br />
✻ω<br />
ZD ⃗ + F ⃗ AZ = 0. Es gilt mit<br />
ρ ⃗F ✎☞ m ⃗<br />
✛ AZ ✲ Z<br />
✍✌<br />
∫<br />
✛r<br />
✲<br />
✲⃗i<br />
⃗e r = Einheitsvektor in Radialrichtung<br />
⃗Z D = ⃗e r<br />
Körper<br />
ρ Fl rω 2 dV = − ⃗ F AZ .<br />
Die Zentrifugalkraft auf den eingetauchten Körper beträgt ferner Z ⃗ ∫<br />
= ⃗e r ρm rω 2 dV.<br />
Die resultierende Radialkraft ist demnach R ⃗ = Z ⃗ + F ⃗ AZ = ⃗e r ω 2 ∫ r (ρ m − ρ Fl )dV.<br />
K<br />
Für ρ m > ρ Fl bewegt sich der Körper von der Drehachse weg, für ρ m < ρ Fl strebt<br />
er zur Drehachse.<br />
In Ultrazentrifugen mit 1000 Umdrehungen pro Sekunde kann man auf diese Weise<br />
verschiedene Viren und grössere Moleküle von einander trennen.<br />
12.3 Dynamik idealer Flüssigkeiten<br />
Überlagert man der unregelmässigen molekularen Bewegung der<br />
Gas- oder Flüssigkeitsteilchen eine geordnete Bewegung (Driftbewegung),<br />
so erhält man eine Strömung. Indem man kleine Probekörper<br />
v →<br />
(z.B. Korkteilchen, Tinte) in die Flüssigkeit bringt, kann man die Bewegung<br />
der Flüssigkeitsteilchen beobachten. Wir bringen zunächst einige<br />
Definitionen.<br />
Stromlinien sind diejenigen Kurven, deren Tangenten in jedem Punkt die gleiche Richtung<br />
wie die Flüssigkeitsgeschwindigkeit haben 103 . Ist das Stromlinienbild zeitlich unveränderlich,<br />
d.h. ist an jedem Punkt die betreffende Geschwindigkeit ⃗v konstant, so<br />
spricht man von einer stationären Strömung. Die<br />
Geschwindigkeitsvektoren einer Strömung bilden ein<br />
Vektorfeld ⃗v = ⃗v(x,y,z,t). Ist die Strömung stationär,<br />
so ist ⃗v = ⃗v(x,y,z), und damit ∂⃗v/∂t = 0.<br />
Eine Strömung heisst eben , wenn ⃗v überall parallel<br />
zu einer bestimmten Ebene, der Strömungsebene, ist.<br />
Laminare Strömungen sind Strömungen mit einem glatten<br />
Stromlinienbild, d.h. verschiedene Schichten gleiten ohne<br />
Wirbelbildung aneinander vorbei. Sind die Stromlinien<br />
verwirbelt, so nennt man die Strömung turbulent.<br />
Eine ideale Flüssigkeit ist definitionsgemäss reibungsfrei<br />
und inkompressibel. Sie zeigt wesentlich einfachere<br />
Gesetzmässigkeiten als die tatsächlich in der Natur<br />
103 Analog zu den Feldlinien (Phys AII) ist mit ⃗v = ⃗v(x,y) die Differentialgleichung für die Stromlinien<br />
y = f(x) gegeben durch dy<br />
dx = vy<br />
v x<br />
.<br />
143
vorkommenden realen Flüssigkeiten , deren Strömungen<br />
beim Überschreiten einer kritischen Geschwindigkeit immer<br />
turbulent werden, wenn ein Hindernis um- oder durchströmt<br />
wird.<br />
Im folgenden ist es das Ziel, für Flüssigkeiten und eingeschränkt<br />
auch für Gase eine Bewegungsgleichung auf der<br />
Basis des Newtonschen Prinzips aufzustellen.<br />
12.3.1 Die Kontinuitätsgleichung für stationäre Strömungen<br />
Es kann keine Materie erzeugt oder vernichtet werden 104 .<br />
Es muss die in jedes Volumenelement hineinfliessende<br />
Flüssigkeitsmenge auch wieder herausfliessen.<br />
Pro Zeiteinheit strömt durch die Fläche ✻ z<br />
dA die Flüssigkeitsmenge dm/dt = ρ·dA·v n , wenn<br />
v<br />
v n die Geschwindigkeitskomponente in der Normalenrichtung<br />
zur Fläche dA steht und die Dichte <br />
x (x)<br />
ρ=konst. inkompressibel ist. Für ein Volumenelement<br />
muss also gelten:<br />
✏ ✏✶ (x,y,z)<br />
y<br />
✘ ✘✘<br />
dx<br />
✏✏✶<br />
vy (y)<br />
✻ v z(z + dz)<br />
✏ ✏ v y(y + dy)<br />
✏✏✶<br />
dz<br />
✟ ✟<br />
dy<br />
v z (z)<br />
✲ x<br />
✲<br />
vx (x + dx)<br />
dm ein /dt = ρ · dydz · v x (x,y,z) + ρ · dzdx · v y (x,y,z) + ρ · dxdy · v z (x,y,z) =<br />
dm aus /dt = ρ · dydz v x (x + dx,y,z) + ρ · dzdx v y (x,y + dy,z) + ρ · dxdy v z (x,y,z + dz)<br />
1<br />
·<br />
ρ dxdydz ⇒<br />
div · ⃗v = ⃗ ∇ · ⃗v = ∂v x<br />
∂x + ∂v y<br />
∂y + ∂v z<br />
∂z = 0<br />
die Kontinuitätsgleichung<br />
(154)<br />
Die Kontinuitätsgleichung gilt auch für nichtstationäre Strömungen jedoch nur für<br />
inkompressible Flüssigkeiten. Sie spielt in vielen Bereichen der <strong>Physik</strong> eine Rolle.<br />
Betrachtet man z.B. eine Stromröhre , d.h. ein Rohr, dessen Wandungen von Stromlinien<br />
gebildet wird und dessen Endflächen senkrecht zu den Stromlinien stehen, dann<br />
muss, da seitlich keine Flüssigkeit in die Stromröhre eintritt, die durch dA e einlaufende<br />
dA Menge pro Zeiteinheit gleich der bei dA a<br />
a auslaufenden<br />
Menge sein, also<br />
dA e<br />
→<br />
v 2<br />
→<br />
v 1<br />
ρdV e<br />
dt<br />
= ρv e dA e = ρv a dA a ⇒ v e<br />
v a<br />
= dA a<br />
dA e<br />
.<br />
12.3.2 Die Bewegungsgleichung von Euler und Bernoulli †<br />
✁ ✁✕ <br />
✓ ✓✼<br />
✓ ✓<br />
✓<br />
<br />
<br />
✒<br />
⃗v<br />
<br />
<br />
✘✘ ✏ ✒<br />
<br />
dτ ❅<br />
✟<br />
❅ ❅❘ dF<br />
⃗<br />
✒ ✚ ✚✚✚✚✚✚❃ ✟ ✟✟✟✟✯ ✏✏✶<br />
Auf ein Volumenelement dτ in einem Stromfaden wirkt die Gesamtkraft<br />
d ⃗ F. Sie setzt sich zusammen aus einer Volumenkraft<br />
d ⃗ F τ = ⃗ fdτ, d.h. einer äusseren Kraft, die auf das Volumenelement<br />
dτ wirkt, wie z.B. die Schwerkraft ρgdτ oder die Zentrifugalkraft<br />
und als zweites die Oberflächenkraft als Resultierende<br />
der Kräfte d ⃗ F ◦ aus Druck·Fläche.<br />
Für die x-Komponente gilt mit dA = dy · dz<br />
104 Zur Erzeugung von Materie z.B. eines Protons muss mindestens infolge der allgemeinen Energieerhaltung<br />
die Ruhmasse des Protons als Energie, d.h. E > m Proton zur Verfügung stehen und gleichzeitig<br />
die Baryonenzahl erhalten bleiben. Dies ist ein Problem der <strong>Teil</strong>chenphysik.<br />
144
dF ◦x = −[p(x + dx) − p(x)]dA ⇒<br />
}{{}<br />
1/dτ<br />
− ∂p<br />
∂x = dF ◦x<br />
dτ<br />
= f ◦x für alle Komponenten ⃗ f ◦ = −∇p<br />
Mit dem Newtonschen Prinzip erhält man nun die Bewegungsgleichung für das<br />
Volumenelement dτ<br />
dm d⃗v<br />
dt<br />
= ρdτ<br />
d⃗v<br />
dt = d⃗ F = d ⃗ F τ + d ⃗ F ◦ = ( ⃗ f − ∇p)dτ<br />
und damit<br />
ρ d⃗v<br />
dt = ⃗ f − ∇p die Eulersche Bewegungsgleichung. (155)<br />
Die Eulersche Bewegungsgleichung entspricht also dem Newtonschen Prinzip, angewendet<br />
auf eine bewegte Flüssigkeit. Allgemein ist ⃗v = ⃗v(x,y,z,t) und ⃗v ändert sich mit der<br />
Zeit und der Position. Für eine stationäre Strömung ist jedoch ⃗v allein durch die Ortsabhängigkeit<br />
gegeben ⃗v = ⃗v(x,y,z) unabhängig von t und das totale Differential d⃗v wird dt<br />
nur durch die Ortskoordinaten ausgedrückt.<br />
So gilt z.B. als Vorübung für den freien Fall im Gravitationsfeld mit v z = v z (z,t) für<br />
das totale Differential nur für die z-Abhängigkeit der stationären Strömung mit ∂vz = 0<br />
∂t<br />
dv z = ∂v z<br />
∂z dz + ∂v z<br />
∂t dt also dv z<br />
dt = ∂v z dz<br />
∂z dt + ∂v z dt<br />
∂t dt = ∂v z<br />
∂z v z + ∂v z<br />
∂t = ∂v z<br />
∂z v z<br />
d<br />
und mit Newton’s Aktionsprinzip<br />
dt (mv z) = mg = m dv z<br />
⇒<br />
dv z<br />
dt dt = g = ∂v z<br />
∂z v z<br />
Für den allgemeinen stationären Fall ist dann mit Gl.(155) und ⃗v = ⃗v(x,y,z)<br />
ρ dv [<br />
x(x,y,z)<br />
dt<br />
=ρ ∂vx<br />
∂x dx<br />
dt + ∂v x<br />
∂y dy<br />
dt + ∂v x<br />
∂z dz<br />
]<br />
dt<br />
=f x −<br />
∂x ∂p ; x-Komp.<br />
ρ dv [<br />
y(x,y,z) ∂vy<br />
dt<br />
=ρ<br />
∂x dx<br />
dt + ∂v y<br />
∂y dy<br />
dt + ∂v y<br />
∂z dz<br />
]<br />
dt<br />
=f y −<br />
∂y ∂p ; y-Komp.<br />
ρ dv [<br />
z(x,y,z)<br />
dt<br />
=ρ ∂vz<br />
∂x dx<br />
dt + ∂v z<br />
∂y dy<br />
dt + ∂v z<br />
∂z dz<br />
]<br />
dt<br />
=f z −<br />
∂z ∂p ; z-Komp.<br />
Dies ist eine komplizierte Differentialgleichung, die für den Spezialfall, dass sich die<br />
Geschwindigkeit durch ein Geschwindigkeitspotential ⃗v = −∇Φ ableiten lässt, vereinfacht<br />
werden kann. Das Geschwindigkeitspotential ist offenbar möglich für den stationären Fall,<br />
bei dem jedem Ort eine eindeutige Geschwindigkeit zugeordnet werden kann. Dann ist<br />
dx<br />
= v dt x = − ∂Φ,<br />
v ∂x y = − ∂Φ und v ∂y z = − ∂Φ und für die x-Komponente gilt dann105<br />
∂z<br />
ρ<br />
( ∂ 2 Φ ∂Φ<br />
∂x 2 ∂x + ∂2 Φ ∂Φ<br />
∂x∂y ∂y + ∂2 Φ<br />
∂x∂z<br />
)<br />
∂Φ<br />
∂z<br />
= ρ [ (<br />
∂ ∂Φ<br />
2 ∂x ∂x<br />
) 2<br />
} {{ }<br />
vx+<br />
2<br />
( ∂Φ<br />
+<br />
∂y<br />
) 2<br />
} {{ }<br />
vy+<br />
2<br />
) 2<br />
( ] ∂Φ<br />
+ = ρ ∂<br />
∂z 2 ∂x v2 = f x − ∂p<br />
∂x<br />
} {{ }<br />
vz 2 = v 2<br />
und entsprechend für die y- und z-Komponenten. Nimmt man eine konservative Kraftdichte<br />
mit f ⃗ = −∇V ′ und damit für die x-Komponente f x = − ∂V ′<br />
, dann erhält man106<br />
∂ ρ<br />
∂x 2 v2 + ∂<br />
∂x V ′ + ∂<br />
∂x p = 0 = ∂ ( ρ<br />
∂x 2 v2 + V ′ + p)<br />
105 mit der Identität 1 ∂<br />
[ ( ) 2<br />
∂Φ ]<br />
= ∂Φ<br />
2 ∂x ∂x ∂x · ∂2 Φ<br />
∂x 2<br />
106 für eine nichtkompressible Flüssigkeit mit ρ =konst. Die Ableitung der Konstanten ist null.<br />
∂x<br />
145
und analog für die beiden anderen Komponenten. Damit gilt für eine nichtkompressible<br />
Flüssigkeit mit ρ =konst.<br />
p + ρ 2 v2 + V ′ = konst. die Bernoulli 107 -Gleichung. (156)<br />
12.3.3 Spezialfall der Bernoulli-Gleichung<br />
Die Bernoulli-Gleichung (156) für ein Schwerefeld kann auch anschaulicher mit einer Energiebetrachtung<br />
abgeleitet werden. Die von allen Kräften geleistete Arbeit eines Stromfadens<br />
im Schwerefeld ist gleich der Zunahme der kinetischen Energie hier für eine reibungsfreie,<br />
stationäre, laminare, inkompressible Flüssigkeit längs einer Stromröhre:<br />
dW p = p 1 A 1 dx 1 − p 2 A 2 dx 2 = (p 1 − p 2 )dV<br />
mit der Kontinuitätsgleichung A 1 dx 1 = A 2 dx 2 = dV<br />
und der Arbeit der Schwerkraft dW G = ρg dV (h 1 − h 2 ) ist mit<br />
dem Energiesatz (p 1 − p 2 )dV + ρg dV (h 1 − h 2 ) = ρ 2 (v2 2 − v 2 1) dV<br />
⇒ p 1 + ρ 2 v2 1 + ρgh 1 = p 2 + ρ 2 v2 2 + ρgh 2 =konst.<br />
dx 1 A<br />
dx 2 A 2<br />
1<br />
p<br />
p 2<br />
1<br />
h 1 h 2<br />
Für diesen Spezialfall ist p + ρ 2 v2 + ρgh = konst. (157)<br />
Interpretation:<br />
1. Term: Statischer Druck, den ein mit der Strömung mitbewegter Beobachter mit einem<br />
Manometer misst.<br />
2. Term: Kinetische Energie der Volumeneinheit = Staudruck oder dynamische Druck.<br />
3. Term: Potentielle Energie pro Volumeneinheit dτ z.B. der Schweredruck Gl. (157).<br />
p t = p + ρ 2 v2 wird manchmal fälschlich als Gesamtdruck bezeichnet, dies trifft nur dann<br />
zu, wenn für V ′ = ρgh = 0 der Stromfaden horizontal verläuft, es ist in diesem Fall<br />
p + ρ 2 v2 = konst. = p tot [siehe Gl. (160)].<br />
Zusammenstellung der Voraussetzungen für die Bernoulli-Gleichung (156)<br />
1. Die Strömung ist reibungsfrei.<br />
2. Die Strömung ist laminar, hat keine Wirbel.<br />
3. Das Medium ist inkompressibel ρ =konst. (Gase mit geringer Geschwindigkeit)<br />
4. ⃗v ist aus einem Geschwindigkeitpotential Φ ableitbar d.h. stationär.<br />
5. ⃗ f ist aus einem Kraftdichtepotential V ′ ableitbar (konservative Kraft).<br />
Diese fünf Voraussetzungen sind i.a. für die normalen Probleme nicht extremer Randbedingungen<br />
der Hydodynamik erfüllt.<br />
107 Daniel Bernoulli (29.1.1700 Groningen - 17.3.1782 Basel) <strong>Physik</strong>er und Mathematiker aus einer niederländischen<br />
Gelehrtenfamilie, die seit 1622 in Basel ansässig ist [Jacob Bernoulli (1654-1705) Mathematiker,<br />
Buch über Wahrscheinlichkeitsrechnung ’Ars conjectand’ behandelt das Gesetz der grossen Zahl,<br />
Jacob II Bernoulli (1759-1789), Johann Bernoulli (1667-1748) Vater von D.B. Mathematiker Klärung<br />
und Formulierung mechanischer Prinzipien] studierte erst Medizin mit einer Dr.Arbeit mit 21 Jahren<br />
’Über die Luftmenge, welche beim Einatmen in die Lunge tritt’. Professur in Petersburg, 1732 Lehrstuhl<br />
für Anatomie und Botanik in Basel, schrieb ’Hydrodynamika’ Anfänge der kinetischen Gastheorie, z.B.<br />
Erhöhung der Gasbewegung und damit des Druckes durch Wärme, Problem des gebogenen Balkens, bestimmte<br />
die Leistung des Herzens, 1750 Professur für <strong>Physik</strong>, die ihm mehr lag. Viele Preise u.a. Preis der<br />
Pariser Akademie für ’Sur la perfection des clepsydres (Wasseruhr) ou des sabliers (Sanduhr) sur mer’.<br />
146
12.3.4 Potentialströmungen †<br />
Die Bedingung, dass eine Strömung ein Potential Φ besitzt, d.h. eine Potentialströmung<br />
ist, folgt aus ⃗v = −∇Φ = −gradΦ ⇒ v x = − ∂Φ<br />
∂x , v y = − ∂Φ<br />
∂y , v z = − ∂Φ<br />
∂z ⇒<br />
∂ 2 Φ<br />
∂x∂y = ∂2 Φ<br />
∂y∂x = ∂ ( ) ∂Φ<br />
= ∂ ( ) ∂Φ<br />
∂x ∂y ∂y ∂x<br />
} {{ } } {{ }<br />
−v y −v x<br />
d.h.<br />
∂v z<br />
∂y − ∂v y<br />
∂z = 0,<br />
⇒ ∂v x<br />
∂y = ∂v y<br />
∂x ,<br />
∂v x<br />
∂z − ∂v z<br />
∂x = 0,<br />
∂v y<br />
∂z = ∂v z<br />
∂y ,<br />
∂v y<br />
∂x − ∂v x<br />
∂y = 0.<br />
Dies sind gerade die Komponenten des Vektorproduktes ∇ × ⃗v = rot⃗v<br />
∇ × ⃗v =⃗i<br />
( ∂vz<br />
∂y − ∂v ) (<br />
y ∂vx<br />
+⃗j<br />
∂z ∂z − ∂v ) (<br />
z<br />
+<br />
∂x<br />
⃗ ∂vy<br />
k<br />
∂x − ∂v )<br />
x<br />
= 0<br />
∂y<br />
∂v z<br />
∂x = ∂v x<br />
∂z<br />
Damit ist die Bedingung für eine Potentialströmung ∇ × ⃗v = 0 (158)<br />
Die Strömung muss wirbelfrei, d.h. laminar sein. Vergleiche hierzu die gleiche Bedingung<br />
für ein wirbelfreies konservatives Kraftfeld [Gl. (30)].<br />
12.3.5 Beispiele †<br />
1. Die Stromlinien sind konzentrische Kreise mit |⃗v| ∝ r<br />
✻v y ⃗v = ⃗ω × ⃗r, ⃗ω = ⃗ kω, also v x = −ωy, v y = +ωx, v z = 0<br />
★✥<br />
✛<br />
✛✎☞ ✻<br />
∂v x<br />
✻ ✲ vx<br />
und damit<br />
❄✲ ✍✌<br />
∂y − ∂v y<br />
= −ω − ω = −2ω ≠ 0<br />
∂x<br />
✧✦<br />
❄ ✲<br />
Dies ist keine Potentialströmung sondern es bestehen Wirbel in<br />
allen Raumpunkten.<br />
2. Nicht jede rotierende Strömung hat Wirbel<br />
✻v y |⃗v| ∝ 1,<br />
⃗v = a⃗ω×⃗r , |⃗r| 2 = x 2 + y 2 , ⃗ω = ⃗ kω die Stromlinien<br />
r r 2<br />
★✥ ✛ sind geschlossene Kreise und x = 0, y = 0 ist ein singulärer<br />
✛✎☞✻<br />
✻ ✲ vx<br />
Punkt. Es gilt für die Komponenten<br />
❄✍✌<br />
✲<br />
✧✦ ❄✲<br />
y<br />
v x = −aω<br />
x 2 + y 2, v x<br />
y = +aω<br />
x 2 + y 2, v z = 0<br />
∇ × ⃗v =⃗i ( ∂<br />
∂y v z − ∂ }{{}<br />
}{{} ∂z<br />
⇒<br />
damit ist<br />
=0<br />
=0<br />
(<br />
∂<br />
∂x v y = aω<br />
∂<br />
∂y v x = −aω<br />
(<br />
v y<br />
)<br />
+ ⃗j ( ∂<br />
∂z<br />
}{{}<br />
=0<br />
1<br />
x 2 + y 2 −<br />
v x − ∂<br />
∂x v )<br />
z<br />
}{{} + ⃗ ( ∂ k<br />
∂x v y − ∂ ∂y v )<br />
x<br />
=0<br />
x · 2x )<br />
= aω y2 − x 2<br />
(x 2 + y 2 ) 2 (x 2 + y 2 ) 2<br />
1<br />
x 2 + y 2 − 2y 2<br />
(x 2 + y 2 ) 2 )<br />
= aω y2 − x 2<br />
(x 2 + y 2 ) 2<br />
∇ × ⃗v = ∂<br />
∂x v y − ∂ ∂y v x = 0<br />
147<br />
und die Strömung ist wirbelfrei
mit Ausnahme der singulären Achse. Umschliesst der Integrationsweg die singuläre Achse,<br />
dann ist die Zirkulation Z . = ∮ ⃗vd⃗r = 2πaω, ausserhalb der Achse ist Z = 0. Die<br />
so definierte Zirkulation einer Strömung ist die Summe der skalaren Produkte aus der<br />
Strömungsgeschwindigkeit ⃗v und dem Wegelement d⃗r längs einer geschlossenen Kurve um<br />
einen Körper. Die Absaugwirbel beim Entleeren einer Badewanne sind ein Beispiel einer<br />
rotierenden Potentialströmung.<br />
12.3.6 Die Berechnung einer Potentialströmung aus der Potentialgleichung †<br />
Mit der Kontinuitätsgleichung ∇⃗v = 0 für eine Potentialströmung ⃗v = −∇Φ erhält man 108<br />
div · gradΦ = ∇∇Φ = 0 = ∆Φ = 0 die Potentialgleichung (159)<br />
Die Lösung dieser partiellen Differentialgleichung mit den Randbedingungen liefert das<br />
Potential Φ und damit die Geschwindigkeitsverteilung ⃗v = −∇Φ.<br />
Als Beispiel für ein ebenes zylindersymmetrisches Problem ist der Laplace Operator<br />
in ebenen Zylinderkoordinaten 109<br />
∆Φ = ∂2 Φ<br />
∂x 2 + ∂2 Φ<br />
∂y 2 = 1 r<br />
r ϕ<br />
R<br />
(<br />
∂<br />
r ∂Φ )<br />
+ 1 ∂ 2 Φ<br />
∂r ∂r r 2 ∂ϕ = 0 ⇒ Φ<br />
2 r∂2 ∂r + ∂Φ<br />
2 ∂r + 1 ∂ 2 Φ<br />
r ∂ϕ = 0 2<br />
Mit einem der Rezepte zur Lösung partieller Differentialgleichungen werden die beiden<br />
Variablen r, ϕ mit dem Produktansatz Φ = χ(ϕ) · R(r) separiert.<br />
∂Φ<br />
∂r = χ(ϕ)dR dr , ∂ 2 Φ<br />
∂r = R<br />
2 χ(ϕ)d2 dr , 2<br />
∂ 2 Φ<br />
∂ϕ = χ<br />
2 Rd2 dϕ 2<br />
⇒ rχ d2 R<br />
dr + χdR 2 dr + 1 χ<br />
r Rd2 dϕ = 0 ⇒ 2 k2 = r2 d2 R dR d 2 χ<br />
dr 2<br />
R<br />
+ r dr<br />
R = − dϕ 2<br />
χ<br />
Die beiden Seiten der Gleichung sind jeweils nur von r oder ϕ abhängig, die Gleichung<br />
muss aber für alle r und ϕ gelten. Dies kann nur erfüllt werden, wenn jede Seite für sich<br />
gleich derselben Konstanten k 2 ist. Damit ist die partielle Differentialgleichung in zwei<br />
normale Differentialgleichungen mit der Separationskonstanten k 2 separiert. Es gilt 110<br />
r 2d2 R<br />
dr 2 + rdR dr − k2 R = 0 ⇒ R = Cr k + Dr −k ,<br />
Die allgemeine vollständige Lösung ist<br />
d 2 χ<br />
dϕ 2 + k2 χ = 0 ⇒ χ = A cos kϕ + B sin kϕ<br />
Φ = (Cr k + Dr −k )(A cos kϕ + B sin kϕ).<br />
Die Integrationskonstanten A, B, C, D und die Separationskonstante k werden aus drei<br />
Randbedingungen z.B. für einen Zylinder mit dem Radius R z bestimmt 111 :<br />
108 ∇∇ = ∆ = ∂2<br />
∂x<br />
+ ∂2<br />
2 ∂y<br />
+ ∂2<br />
2 ∂z<br />
ist der Laplace Operator. Partielle Differentialgleichungen der Form<br />
2<br />
∇ 2 Φ = ∆Φ = 0 oder =konst. treten in allen Bereichen der <strong>Physik</strong> und Chemie auf, wie in der Elektrostatik,<br />
Wellentheorie, Quantenmechanik als Schrödinger Gleichung...<br />
109 siehe Anhang C.5<br />
110 siehe im Anhang C.2 die Differentialgleichungen 5. und 9.<br />
111 1. v r (r = R z ) = 0 ⇒ v r = ∂Φ<br />
∂r = −(Acos kϕ + B sin kϕ)k(Crk−1 − Dr −k−1 ) ⇒ C/D = Rz<br />
−2k<br />
2. v ϕ (r = R z , ϕ = 0,π) = 0 ⇒ v ϕ = − 1 ∂Φ<br />
r ∂ϕ = − k r (Crk + Dr −k )(−Asin kϕ + B cos kϕ)<br />
⇒ B = 0 undk =ganze Zahl.<br />
3. v r (ϕ = 0,π; r → ∞) = v ◦ ⇒ v ◦ = −Ak(DRz<br />
−2k r k−1 − Dr −k−1 ) ⇒ k = 1 für v endlich<br />
und AD = Rzv 2 ◦ .<br />
148
v r (r = R z ) = 0, v ϕ (r = R z , ϕ = 0,π) = 0, v r (ϕ = 0,π; r → ∞) = v ◦<br />
[ ( ) 2<br />
]<br />
[ ( ) 2<br />
]<br />
[<br />
Rz<br />
Rz<br />
⇒ Φ = −v ◦ r 1 + cos ϕ, v r = v ◦ cos ϕ 1 − , v ϕ = −v ◦ sin ϕ 1 +<br />
r<br />
r<br />
( ) 2<br />
]<br />
Rz<br />
Mit diesen Gleichungen ist das Geschwindigkeitsprofil um einen Zylinder bestimmt.<br />
Das Stromlinienbild der obigen Figur dagegen kann durch Integration der Geschwindigkeit<br />
berechnet werden, wie dies in der Fussnote Seite 155 angegeben ist oder als allgemeinere<br />
Methode aus einem ebenen Stromlinienbild in der komplexen u − v Ebene mit v =konst.<br />
durch eine konforme Abbildung in die komplexe x − y Ebene bestimmt werden: Es gilt<br />
w = z +R 2 /z = u+iv = x+iy +(x −iy)R 2 /(x 2 +y 2 ) = x(1+R 2 /r 2 )+iy(1 −R 2 /r 2 ).<br />
Hierbei wird die u −v Ebene auf die x −y Ebene ausserhalb des Kreises R abgebildet.<br />
Es ist r 2 = x 2 + y 2 und y wird numerisch berechnet aus der Gleichung<br />
v = y(1 − R 2 /(x 2 + y 2 ) =konst. v = 0 entspricht der x-Achse bis −R, dem Kreis mit<br />
R und der x-Achse +R bis unendlich. Für jeden Punkt der u − v Ebene findet man<br />
einen Punkt in der x − y Ebene, der ausserhalb des Kreises liegt. Für kompliziertere<br />
Stromlinienbilder müssen die konformen Abbildungen der entsprechenden Begrenzungen<br />
(z.B. Flugzeugflügel) gefunden werden (vgl. auch die Figur Seite 156).<br />
12.3.7 Anwendungen der Bernoulli-Gleichung<br />
Die Bernoulli-Gleichung ist von sehr grosser Bedeutung für die ganze Hydrodynamik.<br />
Obwohl sie streng nur für reibungslose und inkompressible Flüssigkeiten gilt, kann man<br />
doch in vielen Fällen diese Einschränkungen vernachlässigen.<br />
Wir betrachten den Sonderfall, dass das Potential V ′ der Volumenkräfte konstant ist.<br />
Das ist der Fall, wenn keine oder nur sehr kleine äussere Kräfte wirken (seichte Strömung<br />
im Schwerefeld) oder wenn die Stromlinien horizontal verlaufen. Dann ist mit Gl. (156)<br />
p + ρ 2 v2 = konst. = p ◦ die Bernoulli-Gleichung. (160)<br />
Die Konstante p ◦ wird Gesamtdruck genannt und hat die Bedeutung des hydrostatischen<br />
Druckes p für den Fall der ruhenden Flüssigkeit (v = 0). Die Grösse (ρ/2)v 2 nennt<br />
man den dynamischen Druck. Die Bernoulligleichung besagt also, dass Statischer<br />
Druck + dynamischer Druck = Gesamtdruck.<br />
1. Die einzelnen Drucke werden mit speziellen Sonden gemessen.<br />
✲<br />
✲<br />
✲<br />
✲<br />
✞<br />
✝<br />
✘<br />
❳<br />
p<br />
❄ ❄<br />
p L ❄h<br />
✻ ρ ◦<br />
✣ ✍✌<br />
✢<br />
v=0<br />
p ◦<br />
p L ❄ ❄<br />
h ′<br />
❄<br />
✻ ρ ◦<br />
✣ ✍✌<br />
✢<br />
✲<br />
✲<br />
✲<br />
✲<br />
Der statische Druck wird mit einer Drucksonde<br />
gemessen, deren Profil die Strömung möglichst wenig<br />
stört. Die Öffnungen der Sonde, die mit einem Manometer<br />
verbunden sind, liegen parallel zu den Stromlinien.<br />
Wenn p L = Luftdruck, so gilt für den statischen<br />
Druck p = p L − ρ ◦ gh,<br />
er nimmt mit steigendem v 2 ab.<br />
Mit dem Pitotrohr wird der Gesamtdruck p ◦ gemessen.<br />
Die gegen die Sonde anströmende Flüssigkeit<br />
besitzt einen Staupunkt (v = 0) an der Spitze der<br />
Sonde, die hier eine axiale Öffnung besitzt, die ans<br />
Manometer angeschlossen ist. Also ist<br />
p ◦ = p L + ρ ◦ gh ′ .<br />
149<br />
r
✲<br />
✲<br />
✘<br />
❳<br />
p<br />
✲<br />
✲<br />
❄ ❄<br />
h ′′ p<br />
❄ ◦<br />
✻<br />
✣ ✍✌<br />
✢<br />
Der dynamische Druck wird mit dem Prandtlrohr<br />
gemessen, das eine Kombination von Drucksonde<br />
und Pitotrohr darstellt und die Differenz von Gesamtdruck<br />
und statischem Druck misst, d.h.<br />
den dynamischen Druck p ◦ − p = ρ 2 v2 = ρ ◦ gh ′′ .<br />
Mit dem Prandtlrohr werden bequem Strömungsgeschwindigkeiten<br />
gemessen.<br />
2. Mit dem Venturirohr wird die Strömungsgeschwindigkeit von Gasen oder Flüssigkeiten<br />
in einem Rohr bestimmt. Der wesentliche <strong>Teil</strong> ist die Querschnittverengung<br />
A 2 . Aus der Kontinuitätsgleichung folgt<br />
h ✻ 1 h ✻ 3 = h 1<br />
❄<br />
❄❄ ✻ h ′ 3 A 1 v 1 = A 2 v 2 , v 2 = A 1<br />
v 1 ⇒<br />
❍ h 2 ✻<br />
✻ ❍ ❄❄✻ h′ 2 ✟ ✟<br />
A 2<br />
✲ v 1<br />
✲ ✲<br />
✻❄ v 2 v 1<br />
❄ ✟ ✟ ❍<br />
A<br />
A ❍ p 1 + ρ<br />
2<br />
2 v2 1 = p 2 + ρ 2 v2 2 = p 3 + ρ 2 v2 1,<br />
1 A 1<br />
oder p 1 = p 3 , p 2 = p 1 − ρ ( )<br />
v<br />
2<br />
2 2 − v1<br />
2 = p1 − ρ ( ) A<br />
2<br />
1<br />
2 v2 1 − 1 .<br />
A 2 2<br />
Wegen der Reibung tritt aber bei gleichförmigem Querschnitt ein linearer Druckabfall<br />
auf. Bei variablem Querschnitt beobachtet man daher die Druckhöhen h ′ 2 und<br />
h ′ 3.<br />
3. Hydrodynamisches Paradoxon Der aus dem Rohr mit der Geschwindigkeit v ◦<br />
austretende Gasstrahl wird durch die untere Platte nach allen Seiten umgelenkt, so<br />
dass die Geschwindigkeit v(r) zum Rande der Platte immer kleiner wird. Nach der<br />
Kontinuitätsgleichung ist<br />
v ◦ A ◦ = v(r)2πrd.<br />
Der Druck zwischen den Platten ist dann<br />
A o<br />
R o<br />
r o<br />
F =<br />
r<br />
∫R ◦<br />
d<br />
p(r) = p ◦ − ρ 2 v2 = p ◦ − ρ 2<br />
( ) v◦ A 2<br />
◦<br />
,<br />
2πrd<br />
er ist also wesentlich kleiner als der äussere Luftdruck p ◦ .<br />
Daher wird die untere Platte mit einer Kraft<br />
r ◦<br />
[p ◦ − p(r)] 2πrdr = ρv2 ◦A 2 ◦<br />
4πd 2 ln R ◦<br />
r ◦<br />
gegen die obere gedrückt.<br />
4. Abdecken eines Hauses im Sturm<br />
Das Haus bewirkt eine Verengung der Stromlinien und nach dem Kontinuitätsgesetz<br />
deshalb eine Erhöhung der Windgeschwindigkeit über dem Dach. Nach der<br />
Bernoulli-Gleichung ist dann der statische Druck p über dem Dach kleiner als im<br />
Innern des Hauses:<br />
150
→<br />
F<br />
p<br />
→<br />
v<br />
→<br />
F<br />
p = p ◦ − ρ 2 v2 . Die Kraft auf das Hausdach<br />
A<br />
po<br />
(Fläche A) ist dann F = A(p ◦ − p) = ρ 2 Av2 .<br />
Beispiel: v = 20 m/s = 72 km/h, ρ = 1.29 kg/m 3 ,<br />
A = 50 m 2 , F = 12 900 N.<br />
5. Torricellisches Ausflussgesetz<br />
Für eine Flüssigkeit haben wir es schon im Kapitel 12.1 diskutiert. Das gleiche<br />
Resultat erhält man auch mit der Bernoulli-Gleichung. In dem mit Flüssigkeit<br />
✻<br />
h<br />
❄<br />
p L<br />
p 1<br />
v 1 = 0<br />
✲ v<br />
p L<br />
gefüllten Gefäss sei p 1 der Druck der Flüssigkeit in der Höhe der<br />
Ausflussöffnung. Herrscht aussen der Luftdruck p L ,<br />
so gilt p 1 + 0 = p L + ρ 2 v2 . (161)<br />
Da aber p 1 = p L + ρgh, so ist v =<br />
√<br />
2gh<br />
Im Falle eines Gases, das aus einem Gefäss ausströmt, in dem es<br />
unter dem Druck p 1 steht, gilt wieder Gleichung (161), so dass<br />
p 1<br />
v 1 = 0<br />
✲ v<br />
p L<br />
v =<br />
√<br />
2(p 1 −p L )<br />
ρ<br />
Dieses Ergebnis hatten wir in Kapitel 12.1.1 Beispiel 3 zur Berechnung der aus einem<br />
vertikalen Rohr ausströmenden Gasmenge benutzt.<br />
12.4 Innere Reibung der Gase und Flüssigkeiten<br />
Wir befassen uns jetzt mit realen Flüssigkeiten, die sowohl kompressibel als auch zäh sind,<br />
also sogenannte innere Reibungskräfte aufweisen. Dass solche Kräfte vorhanden sein<br />
müssen, zeigte schon der Versuch mit der rotierenden Flüssigkeit in Kapitel 12.1. Die Rotation<br />
des Gefässes kann nur dann auf innere Flüssigkeitsschichten übertragen werden,<br />
z<br />
✻<br />
✲τ<br />
dz<br />
♣ ♣ ♣ ♣<br />
✛ τ<br />
✲<br />
1<br />
✲<br />
✲ v(z + dz)<br />
✲ v(z)<br />
✲ v ◦<br />
wenn zwischen diesen Kraftwirkungen bestehen. Um einen<br />
quantitativen Zusammenhang zu erhalten, machen wir folgenden<br />
Versuch: In einer Flüssigkeit wird die Platte 1 mit<br />
der Geschwindigkeit v ◦ gegenüber der zu ihr parallelen und<br />
ruhenden Platte 2 bewegt. Ist v ◦ kleiner als eine kritische<br />
Geschwindigkeit v k (die in Kap. 12.5 behandelt wird), so<br />
bildet sich zwischen den Platten eine laminare Strömung<br />
2<br />
aus, wobei die Flüssigkeiten, die den Platten unmittelbar anliegen, an diesen haften<br />
(Grenzschicht). Denken wir uns die Flüssigkeit zwischen den Platten in infinitesimal<br />
dünne Schichten zerlegt, so müssen wir annehmen, dass benachbarte Schichten mit verschiedenen<br />
Geschwindigkeiten aneinander vorbeigleiten und dabei aufeinander dynamische<br />
Schubspannungen τ ausüben. Dadurch entsteht ein Geschwindigkeitsgradient dv/dz<br />
quer zur Strömung. Für die Schubspannungen gilt folgendes empirisches Gesetz<br />
151
τ = η dv<br />
dz<br />
Newtonsches Reibungsgesetz<br />
τ<br />
[ N<br />
m 2 ]<br />
Die Proportionalitätskonstante η heisst Zähigkeit oder Viskosität. Ihre Dimension ist<br />
[η] = Ns = Pascal·s. (Für die noch häufig gebrauchte cgs-System-Einheit Poise gilt die<br />
m 2<br />
η<br />
Flussigkeit "<br />
T<br />
Umrechnung 1 Poise = 0.1 Pascalsekunde.)<br />
In einer realen Flüssigkeit existieren neben dem bislang<br />
allein betrachteten Druck, d.h. der Normalspannung, auch<br />
Tangential- oder Schubspannungen. Die Viskosität ist stark<br />
temperaturabhängig.<br />
Während bei Flüssigkeiten die Kraftwirkung benachbarter<br />
η<br />
Gas<br />
Schichten mit steigender Temperatur abnimmt, beruht die<br />
Zunahme von η bei Gasen darauf, dass hier die innere Reibung<br />
eine andere Ursache hat, nämlich die Diffusion zwischen<br />
benachbarten Gasschichten. Wenn Gasteilchen aus<br />
T<br />
einer schnelleren Schicht in eine langsame übertreten, so erhöhen sie den Impuls der<br />
langsameren Schicht, so dass sich die Geschwindigkeiten beider Schichten angleichen. Da<br />
die mittlere Gasgeschwindigkeit ¯v ∼ √ Temperatur ist (Kap. ??), wächst η mit der<br />
Temperatur.<br />
Viskosität<br />
Für wichtige Stoffe wie Wasser und Luft ist η relativ klein,<br />
η [Pascal s]<br />
20 ◦ so dass bei kleinem dv/dz auch die Schubspannungen gering<br />
sind und die Substanz als nahezu reibungsfrei angese-<br />
, 1 bar<br />
Luft 1.83 ·10 −5<br />
H 2 O 1.00 ·10 −3 hen werden kann. Dieses Argument gilt jedoch nicht mehr<br />
Hg 1.56 ·10 −3 für die Grenzschicht, wo grosse Gradienten dv/dz und somit<br />
beträchtliche Schubspannungen auftreten. Hier muss<br />
Pech ∼ 10 7 die Reibung immer berücksichtigt werden.<br />
Wir benutzen das Newtonsche Reibungsgesetz zur Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung<br />
und der Durchflussmenge einer zähen, inkompressiblen (ρ = konst.)<br />
Flüssigkeit, die laminar durch ein Rohr mit kreisförmigem Querschnitt strömt<br />
(Hagen-Poiseuille-Strömung). Wir denken uns die Flüssigkeit in konzentrische Hohlzylinder<br />
von jeweils infinitesimal kleiner Wandstärke dr zerlegt. Ist die Strömung stationär,<br />
so muss die Summe der Kräfte, die auf einen Hohlzylinder wirken, verschwinden.<br />
Diese Kräfte sind einmal die Druckkraft (p 1 − p 2 )2πrdr infolge des Druckunterschiedes<br />
zwischen Anfang und Ende des Zylinders und dann die Schubspannungskräfte τ, welche<br />
die benachbarten Zylinder ausüben. Vernachlässigen wir das Gewicht, so gilt im Gleichgewicht<br />
(p 1 − p 2 )2πrdr + 2πl(τr) r+dr − 2πl(τr) r = 0,<br />
R dr τ(r+dr)<br />
p 1 p r τ(r)<br />
2<br />
oder<br />
− (p 1 − p 2 ) r l dr = d dr (τr)dr.<br />
Integriert ergibt dies<br />
τr = −(p 1 − p 2 ) r2<br />
2l + C 1.<br />
Aus Symmetriegründen ist die Randbedingung der Differentialgleichung dv (r = 0) = 0,<br />
dr<br />
d.h. nach dem Newtonschen Reibungsgesetz τ(r = 0) = 0, und damit C 1 = 0.<br />
Dann wird<br />
dv<br />
dr = τ η = −(p 1 − p 2 ) r<br />
2lη . Also:<br />
152<br />
v(r) = −(p 1 − p 2 ) r2<br />
4lη + C 2.
Weil die Grenzschicht haftet, gilt v(R) = 0. Also wird<br />
C 2 = (p 1 − p 2 ) R2<br />
4lη<br />
und folglich v(r) = p 1 − p 2<br />
4lη (R2 − r 2 )<br />
v →<br />
Die Geschwindigkeitsverteilung ist parabolisch. Die maximale<br />
Geschwindigkeit wird auf der Rohrachse gemessen,<br />
sie hat den Wert v max = (p 1 − p 2 )<br />
R 2 .<br />
4ηl<br />
Die pro Zeiteinheit durch einen Rohrquerschnitt fliessende, inkompressible (ρ = konst.)<br />
Flüssigkeitsmenge Q [ kg<br />
s ] ist<br />
Q =<br />
∫R<br />
0<br />
2πrv(r)ρdr = 2πρ(p 1 − p 2 )<br />
4ηl<br />
∫R<br />
0<br />
(R 2 r − r 3 )dr = πρ(p 1 − p 2 )<br />
2ηl<br />
[ R 2 r 2<br />
2<br />
]∣ ∣∣∣∣<br />
− r4<br />
R<br />
.<br />
4<br />
0<br />
Damit folgt das Q = πρ(p 1 − p 2 )R 4<br />
. Hagen-Poiseuille-Gesetz.<br />
8ηl<br />
Die gute experimentelle Bestätigung dieses Gesetzes bedeutet, dass die Annahme einer<br />
haftenden Grenzschicht zu Recht besteht.<br />
12.5 Viskose Widerstände und Reynoldsche Zahl<br />
Aus dem Hagen-Poiseuille-Gesetz folgt als mittlere Durchflussgeschwindigkeit<br />
¯v = 1 ∫R<br />
v(r) · 2πr dr = (p 1 − p 2 )R 2<br />
πR 2 8ηl<br />
0<br />
= Q<br />
πR 2 ρ<br />
und als Druckkraft F,<br />
die vom Druckunterschied p 1 − p 2 herrührt, F = (p 1 − p 2 )πR 2 = 8πηl¯v.<br />
Da die Flüssigkeit nicht beschleunigt wird, muss eine entgegengesetzte Kraft W v wirken,<br />
die das Rohr auf die Flüssigkeit ausübt. Dieser viskose Widerstand hat also den<br />
Betrag<br />
W v = 8πηl¯v Hagen-Poiseuile- Widerstand in einem Rohr. (162)<br />
Das gleiche Ergebnis erhält man natürlich, wenn man 2πRlτ(R) mit dem Wert für<br />
τ(R) = |p 1 − p 2 |R/2l aus Kapitel 12.4 berechnet.<br />
Eine weitere Widerstandsformel stammt von Stokes. Bewegt sich eine Kugel vom Radius<br />
r in einer viskosen Flüssigkeit, wobei diese die Kugel laminar umströmt, so erfährt<br />
die Kugel einen viskosen Widerstand<br />
W v = 6πηr¯v Stokes-Widerstand einer Kugel. (163)<br />
Für turbulente Strömungen bei höheren Geschwindigkeiten, bei denen das Hagen-<br />
Poiseuillesche Gesetz nicht mehr gilt und die Geschwindigkeitsverteilung in einem Rohr<br />
nahezu rechteckig ist, kommt zu dem reinen laminaren Reibungswiderstand noch der<br />
Druck- oder Wirbelwiderstand durch die Erzeugung und Ablösung von Wirbeln. Dieser<br />
Druckwiderstand ist proportional zum Staudruck ρ 2 v2 , die zu leistende Arbeit ist in der<br />
153
kinetischen Energie in den Wirbeln enthalten, und zur Fläche A des Körpers senkrecht<br />
zur Strömungsrichtung, d.h.<br />
W = K ρ 2 v2 A<br />
für turbulente Strömung.<br />
ρv 2 /2 stellt die kinetische Energie der Flüssigkeit pro Volumeneinheit dar, K ist die dimensionslose<br />
Widerstandsziffer (Widerstandsbeiwert). Es ist<br />
A = 2πRl für ein Rohr (Hagen-Poiseuille), A = πr 2 für eine Kugel (Stokes).<br />
Mit den Gl. (162) und (163) erhalten wir dann für die Widerstandsziffern<br />
K H−P = 8πηl¯v<br />
ρ<br />
2¯v2 2πRl = 8<br />
( ρ¯vR<br />
η<br />
), K S = 6πηr¯v<br />
ρ<br />
2¯v2 πr = 12<br />
2 ( ρ¯vr<br />
).<br />
In beiden Fällen hängt die Widerstandsziffer nur von einer dimensionslosen Zahl ab:<br />
R e = ρL¯v<br />
η<br />
die Reynoldsche Zahl.<br />
L ist eine für das jeweilige Problem charakteristische Länge (Kugel- bzw. Rohr-<br />
Radius). Somit werden die viskosen Widerstände<br />
W H−P = 8 R e<br />
ρ<br />
2 v2 A, W S = 12<br />
R e<br />
ρ<br />
2 v2 A, oder allgemein W = ψ(R e ) ρ 2 v2 A (164)<br />
Die Widerstandsziffer ψ(R e ) ist also nur eine Funktion der Reynoldschen Zahl. Dies<br />
ist das eigentlich Charakteristische des Widerstandsgesetzes.<br />
In der <strong>Physik</strong> nennt man zwei Prozesse, z.B. zwei Strömungen, physikalisch ähnlich,<br />
wenn entsprechende physikalische Grössen an ähnlich gelegenen Punkten einander proportional<br />
sind. Ähnliche Strömungen mit Widerständen, die einander proportional sind,<br />
liegen also vor, wenn bei ähnlicher Geometrie die Reynoldschen Zahlen gleich sind:<br />
R e1 = v 1ρ 1 L 1<br />
η 1<br />
= R e2 = v 2ρ 2 L 2<br />
η 2<br />
= R e3 = ...<br />
Man kann also für Modellkörper z.B. L 2 viel kleiner als L 1 machen, muss dann aber,<br />
falls ρ 1 = ρ 2 ,η 1 = η 2 sein soll, die Geschwindigkeit v 2 entsprechend grösser wählen.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass laminare Strömungen nur existieren, wenn R e einen kritischen<br />
Wert R eK nicht überschreitet. Turbulenz tritt ein, wenn R eK überschritten wird.<br />
Für R e < R eK ist die laminare, für R e > R eK ist die turbulente Strömung stabil.<br />
R eK hängt von den um- bzw. durchströmten Objekten ab. Für glatte Rohre ist<br />
R eK = ρLv<br />
η<br />
≈ 2300<br />
(L = Durchmesser).<br />
Bei vorgegebenen Werten von L,ρ und η tritt Turbulenz ein, wenn v eine<br />
η<br />
kritische Geschwindigkeit v K = R eK<br />
ρL<br />
überschreitet. In einem Rohr von L = 1 cm Durchmesser ist<br />
für Wasser<br />
v K ≈<br />
2300 · 10−3<br />
10 3 10 −2 = 0.23m/s, für Luft v K ≈<br />
η<br />
2300 · 1.8 · 10−5<br />
1.310 −2 = 3m/s.<br />
Für Luft ist damit v K ≈ 10 km/h die kritische Geschwindigkeit, die ein frei fallender<br />
Körper schon nach weniger als 1 Sekunde erreicht.<br />
154
12.6 Der dynamische Auftrieb und Widerstand<br />
Einen statischen Auftrieb erfährt jeder Körper in einem gasförmigen oder flüssigen Medium,<br />
das unter dem Einfluss der Schwerkraft steht. Ein dynamischer Auftrieb entsteht,<br />
wenn Medium und Körper sich gegeneinander bewegen und infolge einer Unsymmetrie<br />
der Strömung eine resultierende Kraft auftritt.<br />
Wir betrachten zunächst eine ebene Strömung um einen Zylinder mit den folgenden<br />
Eigenschaften:<br />
a) ⃗v = −∇Φ, d.h. ∇ × ⃗v = 0 (Potentialströmung)<br />
b) η = 0 (es existiert keine Grenzschicht)<br />
c) ∇ · ⃗v = 0 (inkompressibel)<br />
und mit der Randbedingung, dass an der Zylinderoberfläche ⃗v senkrecht zur Achse verlaufe.<br />
Es ist also für das Geschwindigkeitspotential Φ die Differentialgleichung<br />
∇ · ⃗v = −∇ · ∇Φ = ∆Φ = − ∂2 Φ<br />
∂x 2 − ∂2 Φ<br />
∂y 2 − ∂2 Φ<br />
∂z 2 = 0<br />
mit der entsprechenden Randbedingung zu lösen. Die Lösung wird mittels konformer<br />
Abbildung oder wie auf Seite 149 gefunden. Für die Geschwindigkeit ⃗v(r,ϕ)<br />
lautet die Lösung (vgl. Kap. 12.3.6)<br />
v r<br />
r<br />
( )<br />
( )<br />
→<br />
v o ϕ<br />
v ϕ v → v r = v ◦ cos ϕ 1 − R2<br />
, v<br />
r 2 ϕ = −v ◦ sin ϕ 1 + R2<br />
.<br />
r 2<br />
P1<br />
R<br />
P2<br />
P 1 , P 2 sind Staupunkte mit v r = 0.<br />
⃗v ◦ ist die Strömungsgeschwindigkeit im grossen Abstand<br />
vom Zylinder. Da das Stromlinienbild völlig<br />
symmetrisch ist, erfährt der Zylinder keinerlei dynamische Kräfte 112 . Sein Gewicht und<br />
statischer Auftrieb sind in diesem Zusammenhang nicht von Interesse. Wir überzeugen<br />
uns rechnerisch. An der Zylinderoberfläche r = R ist v r = 0, v ϕ = −2v ◦ sin ϕ. Nach<br />
der Bernoulli-Gleichung ist dann der statische Druck an der Zylinderoberfläche<br />
p = p ◦ − ρ 2 v2 ϕ = p ◦ − 2ρv 2 ◦ sin 2 ϕ.<br />
Also übt die Potentialströmung auf ein Flächenelement LRdϕ des Zylinders eine Kraft<br />
dF = pLRdϕ aus. Wir zerlegen dF in eine x- und y-Komponente und integrieren über<br />
die ganze Zylinderoberfläche:<br />
dF<br />
✻y ✛ x<br />
✬✩<br />
dϕ<br />
✓ <br />
✓<br />
✠ ❄dF y<br />
ϕ ✲ x<br />
R❅ ✫✪<br />
F x = −<br />
∫2π<br />
O<br />
∫2π<br />
(<br />
pLR cosϕdϕ = −LR p◦ − 2ρv◦ 2 sin 2 ϕ ) cos ϕdϕ<br />
112 Die Stromlinien r = r(ϕ) können in Polarkoordinaten durch Integration aus den Geschwindigkeiten<br />
v r = dr<br />
dt und v ϕ = r dϕ<br />
dt<br />
berechnet werden aus<br />
∫ dr<br />
r<br />
v r<br />
= dr<br />
v ϕ dϕ · 1<br />
r = −cot ϕ1 − R2 /r 2<br />
1 + R 2 /r 2 durch Separation der Variablen und Substitution ̺ = r R<br />
1 + R 2 /r 2 ∫<br />
1 − R 2 /r 2 = 2<br />
∫<br />
̺d̺ d̺ ̺2 ∫<br />
̺2 − 1 − ̺ = ln − 1<br />
= −<br />
̺<br />
O<br />
cot ϕdϕ = −ln sinϕ+lnd ⇒ ̺2 − ̺ d<br />
sinϕ = 1.<br />
Dies ist die Bahngleichung in Polarkoordinaten mit der Integrationskonstanten d, dem Abstand von der<br />
x-Achse bei kleinem Winkel und grossem r, dort gilt angenähert ̺ = d/sin ϕ.<br />
155
⎧<br />
⎨<br />
= −LR<br />
⎩ p ◦<br />
∫2π<br />
O<br />
cosϕdϕ − 2ρv 2 ◦<br />
∫2π<br />
O<br />
⎫<br />
⎬<br />
sin 2 ϕ cos ϕdϕ<br />
⎭<br />
Da beide Integrale verschwinden, ist F x = 0. Analog findet man<br />
F y = −<br />
∫2π<br />
O<br />
pLR sin ϕdϕ = 0.<br />
Wenn also auf den Zylinder eine dynamische Kraft ausgeübt werden soll, muss die Symmetrie<br />
der Strömung gestört werden. Deswegen überlagern wir der obigen Potentialströmung<br />
die in Kapitel 12.3.5 mit dem Beispiel 2. bereits diskutierte Zirkulationsströmung<br />
mit den rechtsdrehenden Geschwindigkeiten v ′ r = 0, v ′ ϕ = − Z 1<br />
2π r<br />
v ′ x = −v ′ ϕ sin ϕ = Z y<br />
und v ′<br />
2π x 2 + y 2 y = v ′ ϕ cos ϕ = − Z x<br />
2π x 2 + y 2.<br />
∮ {<br />
Es ist Z = v ⃗ 2πaω wenn der Nullpunkt umschlossen wird.<br />
′ d⃗s =<br />
0 andernfalls.<br />
P1<br />
y<br />
R<br />
P2<br />
x<br />
bzw.<br />
Die Überlagerung beider Strömungen ⃗v ′′ = ⃗v + ⃗v ′ ergibt<br />
( )<br />
v r ′′ = v ◦ cos ϕ 1 − R2<br />
r 2<br />
v ′′ ϕ = −v ◦ sin ϕ<br />
(<br />
1 + R2<br />
r 2 )<br />
− Z<br />
2πr .<br />
Wie vorher ist aus Symmetriegründen F x = 0. Jedoch ergibt sich durch die in der y-<br />
Richtung gestörte Symmetrie und den damit grösseren Druck an der Unterseite eine Kraft<br />
F y = −<br />
∫2π<br />
0<br />
∫<br />
pLRdϕ sin ϕ = −LR<br />
2π<br />
0<br />
[<br />
p ◦ − ρ 2 v2 (R)<br />
]<br />
sin ϕdϕ = LRρ<br />
2<br />
Hier ist v 2 (R) = [ v ϕ(R) ] ′′ 2<br />
= 4v<br />
2<br />
◦ sin 2 ϕ + Z2<br />
4π 2 R + 2v ◦Z sin ϕ<br />
.<br />
2 πR<br />
Nur der letzte Term liefert einen Beitrag zum Integral:<br />
F y = LRρ 2v ◦ Z<br />
2 πR<br />
∫2π<br />
sin 2 ϕdϕ = Lρv ◦ Z<br />
0<br />
} {{ }<br />
F y hat die Bedeutung eines dynamischen Auftriebs.<br />
A D<br />
G<br />
π<br />
Wir erhalten also<br />
∫2π<br />
0<br />
v 2 (R) sin ϕdϕ.<br />
A D = LρZv ◦<br />
den Kutta-Joukowski-Auftrieb. In der Praxis<br />
wird die Zirkulationsströmung durch eine Rotation<br />
des Zylinders erzeugt. Dann muss aber die Flüssigkeit<br />
eine gewisse Zähigkeit haben (η ≠ 0), damit eine<br />
Grenzschicht existiert, welche die anliegenden Schichten<br />
mitreisst.<br />
156
Ein in einer Strömung rotierender Zylinder erfährt also eine<br />
ablenkende Kraft A D (Magnus-Effekt ). Rotierende<br />
Zylinder fallen deshalb nicht geradlinig.<br />
Die Wurfparabeln gleitender und rollender Körper sind in<br />
Wasser oder Luft verschieden.<br />
Als zweites Beispiel zum dynamischen Auftrieb behandeln wir den Tragflügel von Flugzeugen.<br />
Wie entsteht hier eine Asymmetrie in der Strömung?<br />
Wir betrachten einen ∞ langen Flügel, damit in jedem Schnitt gleiche Verhältnisse<br />
herrschen. Im Moment des Anfahrens in ruhender Luft teilt sich die in P 1 auftretende<br />
Stromlinie in zwei Linien, die sich in P 2 wieder vereinigen.<br />
Wenn η ≠ 0 ist, so kommt wegen des längeren Weges die<br />
oberhalb des Flügels fliessende Luft mit einer kleineren<br />
P 1 P 2<br />
Geschwindigkeit in P 2 an als die unterhalb des Flügels<br />
fliessende.<br />
In P 2 bildet sich also eine Unstetigkeitsstelle, die tangentialen<br />
Komponenten der Geschwindigkeit machen einen<br />
Sprung, so dass ein Wirbel entsteht. Dieser Anfahrwirbel<br />
erzeugt eine Zirkulationsströmung im gleichen Sinne.<br />
v<br />
Wegen der Erhaltung des Drehimpulses muss sich dann<br />
um den Flügel eine Zirkulationsströmung im entgegengesetzten<br />
Sinne ausbilden.<br />
Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit auf der oberen<br />
Flügelseite langsam zunimmt, während sie auf der unteren<br />
Seite abnimmt, bis schliesslich der Geschwindigkeitssprung<br />
in P 2 beseitigt ist. Der Anfahrwirbel wird<br />
mit der Strömung fortgeführt, die Zirkulationsströmung<br />
am Tragflügel bleibt übrig.<br />
Nach der Bernoulli-Gleichung resultiert auf der Flügeloberseite ein Sog, auf der Unterseite<br />
ein Drucküberschuss, so dass wieder ein dynamischer Auftrieb entsteht.<br />
Mathematisch behandelt man das Problem, indem man durch eine konforme Abbildung<br />
das Flügelprofil in einen Kreis überführt und umgekehrt.<br />
y<br />
Den richtigen Wert von Z findet man aus der Bedingung,<br />
x<br />
P<br />
R Joukowski:<br />
1 P 2<br />
dass der Staupunkt P 2 an die Heckkante zu liegen kommt.<br />
Als Auftrieb erhält man wieder den Wert von Kutta-<br />
A D = LZv ◦ ρ.<br />
Wovon hängt die Zirkulation Z = ∮ ⃗vd⃗s ab? Sicherlich ist Z ∼ v ◦ = Anfahrgeschwindigkeit.<br />
A<br />
Ferner hängt Z auch von der Länge des Weges des Linienintegrals<br />
ab, also von der Höhe h oder der Breite b des<br />
Flügels, d.h. Z ∼ h bzw. Z ∼ b. Dann wird der Auftrieb<br />
P 1<br />
P 2<br />
A D = Lρv ◦ Z ∼ Lρv ◦ v ◦ h = Lhρv 2 ◦ bzw. A D ∼ Lbρv 2 ◦.<br />
Lh = A bzw. Lb = A ′ haben die Bedeutung einer Fläche. Die Abhängigkeit vom Anstellwinkel<br />
α stecken wir in die Proportionalitätskonstante. Wir erhalten dann für den<br />
dynamischen Auftrieb<br />
157
A D = K A<br />
ρ<br />
2 v2 ◦A K A nennt man die Auftriebsziffer.<br />
Diese Form der Gleichung erinnert an den Ausdruck für den viskosen Widerstand nach<br />
Hagen-Poiseuille oder Stokes (Kapitel 12.5). Für die Stokes-Reibung hatten wir erhalten<br />
W v = 12 ) ρ 2¯v2 A ∼ ¯v.<br />
( ρ¯vr<br />
η<br />
Ein analoger viskoser Widerstand W v , der proportional zur Anströmgeschwindigkeit<br />
v ◦ ist, ist natürlich auch beim Tragflügel vorhanden. Während ⃗ A D senkrecht zu ⃗v ◦ steht,<br />
steht ⃗ W v entgegengesetzt zu ⃗v ◦ .<br />
Es entsteht jedoch noch eine zweite Art von Widerstand, der dynamische Widerstand<br />
W D , der im wesentlichen 2 Ursachen hat:<br />
v o<br />
a) Wegen der endlichen Flügellänge tritt am Flügelende ein Randwiderstand auf.<br />
Wirbelzopf<br />
Der zwischen der Flügelober- und unterseite herrschende<br />
Druckunterschied versucht sich über das Flügelende auszugleichen.<br />
Da sich der Flügel gleichzeitig fortbewegt, bilden<br />
sich Wirbelzöpfe. Die zu ihrer Bildung notwendige kinetische<br />
Energie wird dem Flugzeug entzogen. Die Grösse der<br />
Wirbelzöpfe hängt von der Flügelbreite ab. Vögel mit aufgespaltenen<br />
Flugfedern haben ein kleines W D , vgl. 113<br />
b) Bei hohen Geschwindigkeiten haftet die Grenzschicht nicht mehr, sie löst sich ab<br />
und bildet ebenfalls Wirbel. Diese Wirbelbildung führt zu einem Widerstand, den<br />
v o<br />
A D<br />
wir analog zum dynamischen Auftrieb A D in der Form<br />
F W D ρ<br />
W D = K W 2 v2 ◦A Dynamischer Widerstand<br />
schreiben. K W nennt man die Widerstandsziffer.<br />
Wie bei K A hängt sie vom Profil und Anstellwinkel ab. Im Gegensatz zum viskosen<br />
Widerstand ist jedoch der dynamische Widerstand proportional zu v◦, 2 macht sich also bei<br />
hohen Geschwindigkeiten sehr stark bemerkbar.<br />
Die gesamte durch die Strömung hervorgerufene dynamische Kraft besitzt also zwei<br />
Komponenten, A D und W D . Als Profil wählt man die Stromlinienform, bei welcher der<br />
Körper von den Stromlinien umhüllt und K W möglichst klein wird.<br />
K A<br />
15 o Der optimale Anstellwinkel α wird aus dem Lilienthal- Diagramm<br />
gewonnen, er ist durch K<br />
3 o 10o A /K W = Maximum gegeben.<br />
Damit der Flügel sich mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen<br />
kann, muss noch eine von den Propellern oder den Düsen-<br />
0 o triebwerken gelieferte Zugkraft F ⃗ hinzukommen, damit ist<br />
-6 o K W<br />
⃗A D + W ⃗ D + G ⃗ + F ⃗ = 0.<br />
113 Technische Anwendung: Riblets - haarfeine Rillen verringern den Reibungswiderstand von Flugzeugen,<br />
Spektrum d. Wissenschaft, Dezember 1991 S.36<br />
158
✛✘✛<br />
✛<br />
❍<br />
✲v ◦ W<br />
✲ D W<br />
✲ D ✲W D❍❍<br />
✚✙✚<br />
✚✟ ✟✟<br />
K W = 0.22 0.34 0.08<br />
Abschliessend stellen wir die Widerstandsziffern K W<br />
für den dynamischen Widerstand W D verschiedener<br />
Körper zusammen. Auch hier beruht der Widerstand<br />
auf der Entstehung von Wirbeln, zu deren Bildung<br />
Energie notwendig ist, die den bewegten Körpern verloren<br />
geht. Dabei bildet sich hinter den Körpern eine<br />
regelrechte Wirbelstrasse.<br />
✘<br />
✲v ◦ W ✲D ✲ W D<br />
✙<br />
K W = 1.58 1.33<br />
Die einzelnen Wirbel lösen sich nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd ab, was zu Vibrationen<br />
um die Längsachse führt (Platte in Wasser, Stab in Luft). In allen Fällen ist der<br />
dynamische Widerstand selbst dem Quadrat der Geschwindigkeit proportional.<br />
12.7 Kohäsions- und Adhäsionseffekte bei Flüssigkeiten<br />
Eine für Flüssigkeiten typische Erscheinung ist die Oberflächenspannung , in der sich<br />
die Existenz der intermolekularen Kräfte besonders drastisch bemerkbar macht. Das Modell<br />
einer tropfbaren Flüssigkeit stellt die Moleküle als fast starre Kugeln (kleine Kompressibilität)<br />
dar, die unter dem Einfluss der anziehenden Molekularkräfte so dicht wie<br />
möglich gepackt sind. Die Anziehungskräfte können durch die Molekularbewegung überwunden<br />
werden: das System ist dann im gasförmigen Zustand. In einer Flüssigkeit dagegen<br />
versuchen die Moleküle, sich möglichst zusammenzuballen.<br />
x<br />
→<br />
∑F i = 0<br />
innen<br />
x<br />
Wir betrachten ein Flüssigkeitsteilchen X in verschiedenen<br />
Abständen von der Oberfläche. Wir können uns um das<br />
<strong>Teil</strong>chen eine Kugel denken, deren Moleküle noch bemerkbare<br />
Kräfte auf das <strong>Teil</strong>chen X ausüben und umgekehrt.<br />
Diese Kugel definiert die Wirkungssphäre des <strong>Teil</strong>chens X.<br />
Liegt diese Sphäre im Innern der Flüssigkeit, so heben sich die Anziehungskräfte der<br />
Nachbarn auf X im zeitlichen Mittel auf und X ist im Gleichgewicht. Ragt jedoch ein<br />
<strong>Teil</strong> der Wirkungssphäre aus der Flüssigkeit heraus, so ist das Gleichgewicht gestört und<br />
es resultiert eine in das Innere der Flüssigkeit gerichtete Zugkraft, die Kohäsionskraft.<br />
Ihr entgegengesetzt wirken die Anziehungskräfte der Gasmoleküle über der Flüssigkeit,<br />
allerdings ist diese Kraft viel kleiner als die Kohäsionskraft.<br />
Es ist also Arbeit aufzuwenden, um Moleküle aus dem Innern der Flüssigkeit an ihre<br />
Oberfläche zu transportieren. Die Moleküle an der Oberfläche haben also einen Vorrat an<br />
potentieller Energie, die sogenannte Oberflächenenergie. Jede Vergrösserung der Oberfläche<br />
erfordert eine Arbeit von aussen und erhöht die Gesamtenergie der Flüssigkeit. Die<br />
Flüssigkeit befindet sich im stabilen Gleichgewicht, wenn ihre Gesamtenergie ein Minimum<br />
ist, wenn also die Oberfläche eine Minimalfläche ist. Ohne äussere Kräfte bildet die<br />
Flüssigkeit kugelförmige Tropfen. Sind auch äussere Volumenkräfte vorhanden, so wird<br />
natürlich die Form der freien Oberfläche anders. Man definiert als Oberflächenspannung α<br />
den Quotienten aus der Arbeit dW, die zur Bildung einer neuen Oberfläche dA notwendig<br />
ist:<br />
A+dA<br />
A<br />
α = dW<br />
dA<br />
Oberflächenspannung<br />
Die Dimension der Oberflächenspannung ist<br />
[α] =<br />
[ ] [ ]<br />
Energie Kraft<br />
= =<br />
Fläche Länge<br />
[ ] Newton<br />
.<br />
m<br />
159
(α hat nicht die Dimension Kraft/Fläche der sonst in der <strong>Physik</strong> benutzten Spannung.)<br />
Die Oberfläche einer Flüssigkeit hat eine grosse Ähnlichkeit mit einer elastischen Gummimembran.<br />
Allerdings ist α eine Konstante und unabhängig von Grösse und Gestalt der<br />
Oberfläche, α ist ja durch die molekularen Eigenschaften der Flüssigkeit bestimmt. Dagegen<br />
ändern sich die elastischen Spannungen bei einer Änderung der Fläche im gleichen<br />
Sinne. Dennoch kann man die Oberflächenspannung auch in folgender Weise einführen.<br />
Wird die Flüssigkeitsoberfläche längs eines Linienelements ds aufgeschnitten, so muss im<br />
Schnitt eine Kraft dF ⃗ angebracht werden, damit Gleichgewicht herrscht. dF ⃗ liegt in der<br />
Tangentialebene und steht senkrecht zu d⃗s, da keine Schubspannungen wirken. Ferner ist<br />
dF = βds. Um β mit α zu vergleichen, denkt man sich den Schnitt ds in Richtung von<br />
dF um dx verschoben. Die von dF geleistete Arbeit ist<br />
dF →<br />
dW = dFdx = βdsdx = αdA = αdxds.<br />
ds<br />
Es ist also β = α oder α = dF<br />
ds .<br />
Die Oberflächenspannung α ist die pro Längeneinheit eines Schnitts angreifende Kraft.<br />
Hieraus ergibt sich die Lenard-Methode zur Messung von<br />
α mit einer Waage. Im Drahtbügel wird eine Flüssigkeitslamelle<br />
gebildet. Ihre Oberfläche wird auf beiden Seiten<br />
b<br />
→<br />
→<br />
G<br />
G<br />
o<br />
vergrössert, wenn der Bügel aus der Flüssigkeit gezogen<br />
F →<br />
→<br />
→<br />
G o =mg wird. Unmittelbar vor dem Zerreissen der Lamelle gilt<br />
G = G ◦ + F, wobei F = 2bα.<br />
Oberflächenspannung α<br />
Substanz T α<br />
[ ◦ C] [N/m]<br />
H 2 O 18 0.073<br />
C 2 H 5 OH 20 0.022<br />
Hg 15 0.407<br />
flüssige Luft - 190 0.012<br />
Oel 20 0.032<br />
Seifenlösung 20 0.030<br />
Aethyl-Aether 20 0.017<br />
Die Oberflächenspannung α hängt von der Temperatur<br />
ab. Die folgenden Werte beziehen sich<br />
auf Oberflächen, die mit dem Dampf der Flüssigkeit<br />
bzw. mit Luft in Kontakt sind. Die Oberflächenspannung<br />
wird durch Verunreinigungen beeinflusst,<br />
sinkt im allgemeinen beim Lösen von<br />
Fremdstoffen. Die Ursache ist darin zu suchen,<br />
dass die van-der Waals-Anziehungskräfte zwischen<br />
den Fremdstoff-Molekülen und den Flüssigkeits-<br />
Molekülen meist geringer sind als zwischen den<br />
Flüssigkeits-Molekülen untereinander.<br />
Die Fremdstoffmoleküle lassen sich deshalb mit geringerem Arbeitsaufwand an die Oberfläche<br />
befördern als die Flüssigkeitsmoleküle, d.h. die Fremdstoffmoleküle reichern sich an<br />
der Oberfläche an. Dann aber erfahren die Flüssigkeitsmoleküle an der Oberfläche eine<br />
verminderte Anziehung: α ist also kleiner geworden.<br />
Wirken auf Flüssigkeiten äussere Volumenkräfte, so sind die freien Oberflächen keine<br />
Äquipotentialflächen dieser Kräfte mehr. Bei sehr kleinem Volumen wird die Form der<br />
Oberfläche weitgehend durch die intermolekularen Kräfte bestimmt, bei grossem Volumen<br />
dagegen durch die äusseren Kräfte. Der erstere Fall ist besonders bei sogenannten<br />
Flüssigkeitslamellen (z.B. Seifenblasen) stark ausgeprägt.<br />
dV dV dV<br />
Wir betrachten ein kleines Flüssigkeitsvolumen dV , das gerade<br />
unterhalb der gekrümmten Oberfläche liegt. Für eine<br />
konvexe Oberfläche wird die Kohäsionskraft gegenüber<br />
dem Wert bei einer ebenen Oberfläche erhöht, weil jetzt<br />
ein grösserer <strong>Teil</strong> der Wirkungssphäre des Flüssigkeitsvolumens dV leer ist. Für eine konkave<br />
Oberfläche wird die Kohäsionskraft erniedrigt. Die auf die Flächeneinheit bezogene<br />
160
Änderung der Kohäsionskraft nennt man den Normaldruck , den wir jetzt berechnen<br />
werden.<br />
Wir beginnen mit der konvexen Oberfläche einer kompakten Flüssigkeit, also nicht<br />
mit einer Lamelle.<br />
Gegeben sei das Flächenelement dA = ds 1 ds 2 mit dem<br />
→<br />
Punkt P im Zentrum. In P wird die Flächennormale errichtet,<br />
und durch die Normale werden Ebenen gelegt, die aus<br />
αds2 n<br />
αds 1<br />
ds<br />
ds 1 2<br />
P<br />
der Oberfläche Kurven herausschneiden. Von diesen Kurven<br />
gibt es zwei, die in zueinander senkrechten Ebenen lie-<br />
αds 1 R 2<br />
αds 2<br />
gen, den Hauptebenen, und welche die Hauptkrümmungsradien<br />
R 1 und R 2 haben. Die Mittelpunkte dieser Haupt-<br />
2 dφ<br />
R 1<br />
krümmungskreise liegen auf der Flächennormalen. Also<br />
ds 1 || Hauptebene 1, ds 2 || Hauptebene 2.<br />
dφ 1<br />
Auf die Seiten ds 1 und ds 2 wirken infolge der Oberflächenspannung Tangentialkräfte αds 1<br />
und αds 2 , welche in der Normalenrichtung folgende Kraftkomponenten haben:<br />
2(αds 2 ) sin dφ 1<br />
2 ≈ αds ds 1<br />
2dφ 1 = αds 2 und 2(αds 1 ) sin dφ 2<br />
R 1 2 ≈ αds ds 2<br />
1 . Die<br />
R 2<br />
( 1<br />
Resultierende in Normalenrichtung ist dF = αds 1 ds 2 + 1 ) ( 1<br />
= αdA + 1 )<br />
,<br />
R 1 R 2 R 1 R 2<br />
und es existiert ein Druckunterschied p zwischen Aussenraum und Flüssigkeitsinnerem<br />
Sonderfälle:<br />
p = dF<br />
dA = α ( 1<br />
R 1<br />
+ 1 R 2<br />
)<br />
Normaldruck einer gekrümmten<br />
Flüssigkeitsoberfläche.<br />
(165)<br />
1. Ebene Grenzfläche: R 1 = R 2 = ∞ → p = 0<br />
2. Zylindrische Oberfläche: R 2 = ∞ → p = α R 1<br />
3. Gewichtsloser Flüssigkeitstropfen: Er ist also nur der Oberflächenspannung unterworfen.<br />
p muss überall gleich sein, die Oberfläche muss also konstante Krümmung<br />
haben. Im einfachsten Falle ist das eine Kugel, d.h. R 1 = R 2 = R → p = 2α R .<br />
4. Geschlossene Flüssigkeitslamelle:<br />
ds1<br />
dA<br />
∆p = 2α<br />
Es sind 2 dicht benachbarte Oberflächen vorhanden. In der<br />
Herleitung der Gleichung (165) für p sind also alle Kräfte<br />
ds2 mit 2 zu multiplizieren, und man erhält einen Druckunterschied<br />
zwischen Innenraum und Aussenraum:<br />
( 1<br />
+ 1 )<br />
Speziell für eine Kugel ist R 1 = R 2 = R → ∆p = 4α<br />
R 1 R . R 2<br />
Bei grossen Kugeln (Seifenblase, Luftballon) ist also der Normaldruck klein 114 .<br />
5. Offene Lamellen:<br />
114 Ein Luftballon ist anfangs schwer aufzublasen, da R klein und ∆p gross ist, später jedoch sehr leicht<br />
bis zum Platzen zu vergrössern.<br />
161
Der Druck auf beiden Seiten ist gleich, also<br />
( 1<br />
∆p = 0 = 2α + 1 )<br />
. Lösungen sind<br />
R 1 R 2<br />
-R1<br />
R 1 = R 2 = ∞ ebene Lamelle,<br />
R 1 = −R 2 Sattelfläche.<br />
6. Seifenlamelle zwischen parallelen Platten: Die Oberfläche ist wiederum eine Sattelfläche.<br />
Für d ≪ R ist die Druckdifferenz ∆p zwischen innen und aussen gegeben<br />
p i d p a durch ∆p = p i − p a = 2α<br />
2R<br />
Die beiden Platten ziehen sich an mit der Kraft<br />
Ist der Raum zwischen den Platten mit Flüssigkeit gefüllt, so ist<br />
R1<br />
( 1<br />
R − 1 )<br />
∼ 4α = −<br />
d/2 d .<br />
F = ∆pπR 2 = 4αR2 π<br />
.<br />
d<br />
F = 2αR2 π<br />
.<br />
d<br />
Adhäsionskräfte, Kapillarität<br />
Bislang haben wir die zwischen artgleichen Molekülen einer Flüssigkeit wirkenden<br />
Kohäsionskräfte behandelt. Der Begriff der Oberflächenspannung bezieht sich eigentlich<br />
auf die Phasengrenze Flüssigkeit-Vakuum. Wir wollen jetzt die Phasengrenze flüssig-fest<br />
diskutieren, wo die zwischen Molekülen verschiedener Substanzen herrschenden Adhäsionskräfte<br />
wirken. Bringt man z.B. einen Tropfen Flüssigkeit auf eine ebene Unterlage,<br />
dann wird sich dieser ausbreiten, wenn die Adhäsion überwiegt, andernfalls wird er nur<br />
etwas abgeplattet.<br />
Im ersten Fall benetzt die Flüssigkeit, im zweiten benetzt<br />
sie nicht. Die Adhäsion kann bei kleiner Kohäsion so gross<br />
benetzend werden, dass sich die Flüssigkeit in eine monomolekulare<br />
Schicht ausbreitet. Die Adhäsionseffekte sind besonders<br />
auffällig in engen Röhren (Kapillaren), man spricht deshalb<br />
nicht benetzend<br />
α13<br />
3. 1.<br />
α23 P<br />
φ<br />
α12<br />
2.<br />
auch von Kapillaritätseffekten.<br />
Steht eine freie, horizontale Flüssigkeitsoberfläche in Kontakt<br />
mit einer vertikalen Wand, so wird sie hochgezogen<br />
(kapillare Attraktion) oder hinuntergedrückt (kapillare Depression),<br />
je nach Adhäsions- und Kohäsionsbedingungen.<br />
Die Wand schneidet aus der Flüssigkeitsoberfläche eine Begrenzungslinie<br />
P heraus, an der drei Grenzflächenspannungen<br />
auftreten.<br />
1. Kohäsionsspannung α 12 zwischen der Flüssigkeit und ihrem Dampf. Sie ist immer<br />
positiv, denn zum Verdampfen einer Flüssigkeit ist Arbeit notwendig.<br />
2. Adhäsionsspannung α 13 zwischen der Wand und dem Flüssigkeitsdampf. Sie ist meist<br />
sehr klein.<br />
3. Adhäsionsspannung α 23 zwischen Wand und Flüssigkeit. Sie kann auch negativ sein,<br />
wenn die Anziehung zwischen Wand- und Flüssigkeitsmolekülen stärker ist als jene<br />
der Flüssigkeitsmoleküle untereinander.<br />
162
Diese Spannungen sind die jeweils pro Längeneinheit der Begrenzungslinie angreifenden<br />
Kräfte (Kohäsions- bzw. Adhäsionskraft). Damit sich die Begrenzungslinie nicht<br />
entlang der Wand verschiebt, müssen die Tangentialkomponenten der drei Oberflächenspannungen<br />
sich das Gleichgewicht halten. Für ein Linienelement dl der Begrenzungslinie<br />
gilt also<br />
dlα 13 = dlα 32 + dlα 12 cos φ, (166)<br />
wenn φ der Randwinkel ist, den die Flüssigkeitsoberfläche mit der Wand bildet. Die<br />
Schwerkraft kann in der Begrenzungslinie vernachlässigt werden. Für die Normalkomponenten<br />
muss keine Gleichgewichtsbedingung gelten, weil eine resultierende Normalkomponente<br />
nur einen Zug oder Druck an der Wand ausüben würde.<br />
Aus Gl. (166) folgt cosφ = α 13 − α 23<br />
α 12<br />
.<br />
Da | cos φ| ≤ 1, kann die Gleichgewichtsbedingung nur für |α 13 − α 23 | ≤ α 12 erfüllt<br />
werden. Wir können verschiedene Fälle unterscheiden:<br />
a) α 13 > α 23 : φ ist ein spitzer Winkel, benetzende Flüssigkeit<br />
b) α 13 < α 23 : φ ist stumpf, nichtbenetzende Flüssigkeit<br />
c) α 13 − α 23 = α 12 : φ = 0, vollständig benetzende Flüssigkeit<br />
P φ<br />
d) α 13 −α 23 = −α 12 : φ = π, vollständig nichtbenetzende Flüssigkeit.<br />
Ist α 13 −α 23 > α 12 , so kann die Gleichgewichtsbedingung nicht erfüllt werden. Die Flüssigkeit<br />
kriecht so lange an der Wand hoch und bedeckt sie mit einer dünnen Schicht, bis das<br />
Gewicht dieser Schicht für das notwendige Gleichgewicht sorgt. Der Randwinkel bleibt<br />
dabei Null.<br />
In Kapillaren kann wegen ihrer grossen Oberfläche die Anziehungskraft der Wand gross<br />
gegenüber dem Gewicht der Flüssigkeit werden, so dass die Flüssigkeitsoberfläche hochsteigt<br />
(Kapillar-Attraktion , z.B. Wasser). Überwiegt dagegen die Kohäsion der Flüssigkeit,<br />
so wird diese in der Kapillare heruntergedrückt (Kapillar-Depression des Quecksilbers).<br />
Wir berechnen die Steighöhe h einer benetzenden Flüssigkeit in einem engen Rohr<br />
vom Radius r. Die Flüssigkeitsoberfläche bildet einen Meniskus, d.h. sie ist gekrümmt.<br />
Da sie nach innen (mit Krümmungsradius r ′ ) gekrümmt ist, ist der Normaldruck = 2α 12 /r ′<br />
negativ, stellt also einen Zug dar. Im Gleichtgewichtszustand muss dieser Zug gleich dem<br />
statischen Druck ρgh sein,<br />
p<br />
also ρgh = 2α 12<br />
= 2α 12 cos φ<br />
= 2 (α 13 − α 32 )<br />
,<br />
r ′ r r<br />
wenn wir noch Gleichung (166) heranziehen, ist die<br />
φ<br />
α12<br />
r<br />
h<br />
Steighöhe h = 2 (α 13 − α 31 )<br />
ρgr<br />
= 2α 12 cos φ<br />
. (167)<br />
ρgr<br />
Für vollständig benetzende Flüssigkeiten ist cos φ = 1. Wir tauchen zwei Platten, die<br />
einen spitzen Winkel β miteinander bilden, in eine benetzende Flüssigkeit, die an den<br />
163
β<br />
2r<br />
Platten hochsteigt. Mit z und x seien die Koordinaten jener Kurve bezeichnet,<br />
welche die Flüssigkeitsoberfläche begrenzt, wobei z mit h aus<br />
Gleichung (167) identisch ist. Aus der Figur liest man ab<br />
β/2<br />
Also wird<br />
x<br />
z(x) = h(x) = 2α 12 cos φ<br />
ρgr<br />
r<br />
x = tgβ 2 ≈ β . (für β ≪ 1)<br />
2<br />
= 4α 12 cos φ<br />
ρgxβ<br />
oder<br />
Die Anstiegskurve im Keil ist eine gleichseitige Hyperbel.<br />
zx = 4α 12 cos φ<br />
ρgβ<br />
= konst.<br />
12.7.1 Die Differentialgleichung einer Oberfläche (Seifenblase) †<br />
Es ist zu beachten, dass eine Seifenblase oder eine offene Lamelle kein absolut stabiles<br />
Gebilde ist, da innerhalb der Lamelle stets Flüssigkeit nach unten abfliessen kann. Wegen<br />
der Viskosität in den dünnen Lamellen läuft jedoch die Bewegung so langsam ab, dass<br />
man das ganze Gebilde quasistatisch behandeln kann 115 . Die Gleichung (165) ist eine reine<br />
geometrische Bedingung, die mit der analytischen Geometrie für die mittlere Krümmung<br />
einer Fläche z = z(x,y) in folgender Form geschrieben werden kann<br />
1<br />
R 1<br />
+ 1 R 2<br />
= 0 =<br />
[ ( ) 2 ]<br />
1 +<br />
∂z ∂ 2 z<br />
∂y<br />
− 2 ∂z<br />
∂x 2 ∂x<br />
[ (<br />
1 +<br />
∂z<br />
∂x<br />
+ [ 1 + ( ) 2 ]<br />
∂z ∂ 2 z<br />
∂x∂y ∂x ∂y 2<br />
) 2 ] 3/2<br />
(168)<br />
∂z ∂ 2 z<br />
∂y<br />
) 2 (<br />
+<br />
∂z<br />
∂y<br />
Diese komplizierte partielle Differentialgleichung (168) muss für ein spezielles Problem<br />
mit den Randbedingungen z.B. den Umrandungen gelöst werden 116 .<br />
Beispiele<br />
1. Kugelförmige Seifenblasen oder Luftballone haben R 1 = R 2 = R und damit ∆p = 4α R .<br />
Im Innern der Blase herrscht ein Überdruck, der umso kleiner ist, je grösser die Blase<br />
wird.<br />
2. Bei einer offenen Lamelle ist ∆p = 0, der Druck ist auf beiden Seiten gleich; dies wird<br />
erfüllt, wenn R 1 = R 2 → ∞, d.h. die Lamellen eben sind oder wenn<br />
R 1 = − 1<br />
1 R<br />
ist. In<br />
2<br />
diesem Fall hat die Lamelle die Form einer Sattelfläche. Man kann zeigen, dass bei einer<br />
vorgegebenen Umrandung die Sattelfläche eine Minimalfläche - eine Fläche mit minimaler<br />
Oberfläche - ist.<br />
3. Spannt man eine Lamelle zwischen zwei parallele Platten, so ist die Oberfläche wiederum<br />
eine Sattelfläche. Für d ≪ R ist die Druckdifferenz ∆p zwischen innen und aussen<br />
∆p = p i − p a = 2α ( 1<br />
R − 2 d<br />
)<br />
≈ −<br />
4α<br />
d<br />
. Die beiden Platten ziehen sich daher mit einer Kraft<br />
115 A. Gyemant, Hdb. der <strong>Physik</strong> Bd VII, 1927 p.354.<br />
C. Isenberg, “The Science of Soap Films and Soap Bubbles”, Tieto Ltd. 1978.<br />
I. Müller, P. Strehlow, “<strong>Physik</strong> von Luftballons”, Phys.Blätter 55(1999)2,37.<br />
116 Im zweidimensionalen kann die Krümmung k einer Funktion y = y(x) einfach angegeben werden:<br />
x = R cos ϕ, y = R sin ϕ, Steigung: tanϑ = x y<br />
= −cot ϕ ⇒ ϑ = ϕ + π/2 =<br />
arctan y ′ , dϑ = dϕ. Die Krümmung ist k = 1 R = dϕ<br />
ds = dϑ<br />
ds , dϑ =<br />
ds 2 = dx 2 + dy 2 = (1 + y ′2 )dx 2 und damit k =<br />
y′′<br />
1+y<br />
dx, ′2<br />
y ′′<br />
(1+y ′2 ) 3/2 . Die Sruktur der<br />
mittleren Krümmung k = 1 R 1<br />
+ 1 R 2<br />
einer Fläche z = z(x,y) ist wie angegeben<br />
ähnlich, jedoch komplizierter abzuleiten.<br />
164<br />
δ<br />
R<br />
dy<br />
dx<br />
y<br />
φ<br />
y=y(x)<br />
x
F = ∆p·πR 2 ≈ 4αR2 π<br />
an. Ist der Raum zwischen den Platten mit einer Flüssigkeit gefüllt,<br />
d<br />
dann ist die Oberfläche halbiert und es gilt F = 2αR2 π.<br />
d<br />
4. Für eine axiale Symmetrie einer offenen Lamelle mit ∆p = 0 wird Gl. (168)<br />
z<br />
r<br />
d<br />
d<br />
dr<br />
√<br />
k 2 ⎛<br />
⎝1 +<br />
⇒ dz<br />
dr =<br />
r ∂z<br />
∂r<br />
1 + ( ∂z<br />
∂r<br />
( ) ⎞ 2<br />
dz<br />
dr<br />
) 2<br />
= 0 ⇒<br />
⎠ = r 2 ( dz<br />
dr<br />
√<br />
) 2<br />
⇒<br />
r ∂z<br />
∂r<br />
1 + ( ∂z<br />
∂r<br />
) 2<br />
= konst = k<br />
( ) 2<br />
dz<br />
(r 2 − k 2 ) − k 2 = 0<br />
dr<br />
k<br />
√<br />
r2 − k 2, z = r<br />
− C<br />
kcosh−1 + C, r = kcoshz<br />
k k<br />
Dies ist ein Katenoid, eine Kettenlinie 117 um die z-Achse.<br />
Die Fläche des Katenoids ist S = d/2<br />
√<br />
∫<br />
(R ) 2<br />
2πr dz = 4πk 2 k − 1 mit cosh<br />
d<br />
= R. Eine<br />
zweite Lösung mit 2 Kreisflächen ist S = 2πR 2 = 4πk 2 k − 1 ⇒ R<br />
2k k<br />
0<br />
√ (R ) 2 ( ) 2<br />
k = 2. Es wird<br />
immer die kleinste Fläche gebildet, d.h. das Katenoid geht bei geringer werdendem Abstand<br />
bei dem kritischen Abstand zu Radiusverhältnis d/R = √ 2cosh −1√ 2 = ±1.24645<br />
in zwei Kreisflächen über.<br />
5. Ist der Gradient einer Lamelle klein ∂z<br />
∂x<br />
≪ 1, dann wird Gl.(168) zur zweidimensionalen<br />
Laplace Gleichung ∂2 z<br />
∂x 2 + ∂2 z<br />
∂y 2 = 0.<br />
≪ 1,<br />
∂z<br />
∂y<br />
117 Eine Kettenlinie wird gebildet von einer zwischen zwei Punkten aufgehängten Kette oder einem Seil,<br />
Draht, Hochspannungsleitung, bei denen die Biegesteifigkeit vernachlässigt werden kann.<br />
165
A <strong>Physik</strong>alische Konstanten Stand 1986<br />
<strong>Physik</strong>alische Grösse Symbol Wert(Fehler) Einheit Fehler<br />
(ppm)<br />
Lichtgeschwindigkeit c 2.99792458 × 10 8 m s −1 exakt<br />
magn. Feldkonst., Induktionskonst. µ 0 4π × 10 −7 V s A −1 m −1 exakt<br />
el. Feldkonst., Influenzkonst.=1/µ 0 c 2 ǫ 0 8.854187817 × 10 −12 A s V −1 m −1 exakt<br />
Gravitationskonstante G 6.67259(85) × 10 −11 m 3 kg −1 s −2 128<br />
Standardschwerebeschleunigung g n 9.80665 m s −2 exakt<br />
Fallbeschleunigung Zürich (452 m) g Z 9.80652 m s −2<br />
Plancksche Konstante h 6.6260755(40) × 10 −34 J s 0.60<br />
h/2π ¯h 1.05457266(63) × 10 −34 J s 0.60<br />
¯hc 197.327053(59) MeV fm 0.30<br />
Elementarladung e 1.60217733(49) × 10 −19 A s = C 0.30<br />
magnetische Flussquant, h/2e Φ 0 2.06783461(61) × 10 −15 V s = Wb 0.30<br />
quatisierter Hall-Widerst. h/e 2 R H 2.58128056(12) × 10 4 V A −1 = Ω 0.045<br />
Feinstrukturkonstante, µ 0 ce 2 /2h α 7.29735308(33) × 10 −3 0.045<br />
inverse Feistrukturkonstante α −1 137.0359895(61) 0.045<br />
Atomare Masseneinheit m( 12 C) u 1.6605402(10) × 10 −27 kg 0.59<br />
u 931.49432(28) MeV/c 2 0.30<br />
Spezifische Ladung des Elektrons −e/m e −1.75881962(53) × 10 11 C kg −1 0.30<br />
Elektronenmasse m e 9.1093897(54) × 10 −31 kg 0.59<br />
m e 5.48579903(13) × 10 −4 u 0.023<br />
m e 0.51099906(15) MeV/c 2 0.30<br />
Myonenmasse m µ 1.8835327(11) × 10 −28 kg 0.61<br />
m µ 105.658389(34) MeV/c 2 0.32<br />
m µ /m e 206.768262(30) 0.15<br />
Protonenmasse m p 1.6726231(10) × 10 −27 kg 0.59<br />
m p 1.007276470(12) u 0.012<br />
m p 938.27231(28) MeV/c 2 0.30<br />
m p /m e 1836.152701(37) 0.020<br />
Neutronenmasse m n 1.6749286(10) × 10 −27 kg 0.59<br />
m n 1.008664904(14) u 0.014<br />
m n 939.56563(28) MeV/c 2 0.30<br />
m n /m e 1838.683662(40) 0.022<br />
m n /m p 1.001378404(9) 0.009<br />
Rydberg-Energie, chR ∞ E Ry 13.6056981(41) eV 0.30<br />
Bohrscher Radius, α/(4πR ∞ ) a 0 0.529177249(24) × 10 −10 m 0.045<br />
Compton Wellenlänge, h/m e c λ e 2.42631058(22) × 10 −12 m 0.089<br />
klassischer Elektronenradius, α 2 a 0 r e 2.81794092(38) × 10 −15 m 0.13<br />
Thomson Wirkungsquersch., re8π/3 2 σ e 0.66524616(18) × 10 −28 m 2 0.27<br />
Bohrsche Magneton, e¯h/2m e µ B 927.40154(31) × 10 −26 J/T = A m 2 0.34<br />
Myonmagneton, e¯h/2m µ µ M 4.4852219(15) × 10 −26 J/T 0.34<br />
Kernmagneton, e¯h/2m p µ N 0.50507866(17) × 10 −26 J/T 0.34<br />
g-Faktor Elektron, 2µ e /µ B g e 2 × 1.001159652193(10) 10 −5<br />
g-Faktor Myon, 2µ µ /µ M g µ 2 × 1.001165924(9) 0.009<br />
g-Faktor Proton, 2µ p /µ N g p 2 × 2.792847386(63) 0.023<br />
g-Faktor Neutron, 2µ n /µ N g n −2 × 1.91304275(45) 0.024<br />
Gyromag. Verhältnis Proton B/ω γ p 2π × 42.577469(13) 2π MHz T −1 0.30<br />
Gyromag. Verhältnis Myon B/ω γ µ 2π × 135.538,793(40) 2π MHz T −1 0.30<br />
Magn. Moment Verhältnis µ µ /µ p 3.18334547(47) 0.24<br />
Magn. Moment Verhältnis µ n /µ p −0.68497934(16) 0.24<br />
Magn. Moment Verhältnis µ n /µ e −0.00104066882(25) 0.24<br />
Avogadro (Loschmidt) Konstante N ◦ =L 6.0221367(36) × 10 23 mol −1 0.59<br />
Faraday-Konstante, N ◦ e F 96485.309(29) C mol −1 0.30<br />
Molare Gaskonstante R 8.314510(70) J K −1 mol −1 8.4<br />
Boltzmann-Konstante, R/N ◦ k 1.380659(12) × 10 −23 J K −1 8.5<br />
Molvolumen (273.15 K, 101325 Pa) V M 22.41410(19) × 10 −3 m 3 mol −1 8.4<br />
Wiensche Konstante, λ max T b 2.897756(24) × 10 −3 m K 8.4<br />
Stefan-Boltzmann-Konstante σ 5.67051(19) × 10 −8 W m −2 K −4 34<br />
166
B<br />
Grössen und Einheiten der <strong>Physik</strong><br />
B.1 Grössenart, Dimension, Einheitensystem<br />
In diesem Kapitel werden die wesentlichen Grundlagen der Einheiten, Zahlenwerte, Dimensionen<br />
und Einheitensysteme zusammenfassend dargestellt [vgl. Kamke, Krämer;<br />
<strong>Physik</strong>alische Grundlagen der Masseinheiten, Teubner 1977].<br />
B.1.1<br />
Grösse und Zahlenwert<br />
Für eine physikalische Grösse G gibt der Messwert {G} an, wie oft die Einheit [G] in G<br />
enthalten ist:<br />
{G} = G oder G = {G} [G] für Gleichungen.<br />
[G]<br />
Z.B. v = 50 km (ohne [. . . ]), 50 ist hier als Messwert eine reine Zahl. Mit Angabe des<br />
h<br />
Messfehlers schreibt man: v = (50 ± 2) km oder auch v = 50(2) km , wobei der Fehler der<br />
h<br />
h<br />
letzten angegebenen Stellen in Klammern gesetzt wird.<br />
B.1.2<br />
Grössenart und Dimension<br />
Längenangaben, wie z.B. Höhe, Umfang, Dicke, haben die gleiche Grössenart Länge, die<br />
Dimension dieser Grösse ist die Länge. Die Einheiten können sein: 1 m, 1 inch, 1 Lichtjahr,<br />
usw.<br />
Summen und Differenzen sowie Vergleiche (, ≥, =, ≠) können nur zwischen<br />
Grössen gleicher Grössenart und gleicher Dimension gebildet werden.<br />
∆r<br />
Eine Differentiation z.B. v = lim<br />
∆t→0 ∆t = dr [ ] m<br />
dt s<br />
liefert die Dimension der zu differenzierenden Grösse dividiert durch die Dimension des<br />
Differentials und bei einer Integration<br />
r =<br />
∫t<br />
t ◦<br />
v(t ′ )dt ′ [m] durch Multiplikation des Differentials.<br />
Es gibt einige Grössenarten, die die gleiche Dimension haben, wie z.B. der Skalar<br />
Energie oder die Arbeit ∫ ⃗ F · d⃗r [Fl] und der Pseudovektor (Axialvektor) Drehmoment<br />
⃗r × ⃗ F [lF]. Diese Grössen unterscheiden sich jedoch physikalisch durch ihr Stufe (Skalar<br />
S, Pseudoskalar P, Vektor oder polarer Vektor V , Pseudovektor oder axialer Vektor A,<br />
Tensor T).<br />
In Additionen und Subtraktionen dürfen nur Grössen gleicher Stufe verbunden werden.<br />
Für das Produkt von Grössen verschiedener Stufen gelten aus Symmetriegründen<br />
Grundregeln, wie V · V = S, V × V = A, V × A = V (vgl. Fussnote S. 9).<br />
Eine Division ist nur mit Skalaren einfach. Tritt formell der Ausdruck ⃗a/ ⃗ b auf, dann<br />
kann mit einer Erweiterung mit ⃗ b gebildet werden<br />
⃗a ⃗a ·⃗b ⃗a ·⃗b<br />
= =<br />
⃗ b ⃗ b ·⃗ b b . 2<br />
Dieser Rechentrick kann auch für komplexe Zahlen (als 2-dim. Vektoren) angewendet<br />
werden.<br />
167
B.1.3<br />
Grössengleichungen<br />
In Gleichungen, wie F = Γ m 1m 2<br />
muss die Dimension rechts und links identisch sein<br />
r 2<br />
(Dimensionskontrolle). Damit ist die Dimension von Γ [ ]<br />
Nm 2<br />
kg bestimmt.<br />
2<br />
Mathematische Funktionen in Grössengleichungen, wie sin, cos, log, ln, sinh,<br />
exp, müssen als Argument unbenannte (dimensionslose oder Eins-Elemente)<br />
Zahlen (auch komplexe) enthalten, z.B. sin(ωt) = sin(2πνt), sin(2πx/λ),<br />
exp(−t/τ). ..<br />
Diese Regel wird in der Technik und Medizin oft missachtet [z.B. Grössenklasse eines<br />
Sternes m v = −2.5 · log 10 (Luminosität [W/m 2 ]/2.52 · 10 −8 )]. Einheiten und Dimensionen<br />
gehen verloren, es besteht die Gefahr von Rechenfehlern und Dimensionskontrollen können<br />
nicht mehr durchgeführt werden. Die Formel ist keine Grössengleichung.<br />
B.1.4<br />
Winkel und Raumwinkel<br />
ϕ 2<br />
ϕ<br />
s<br />
R=1<br />
ϕ 1<br />
ϕ=0<br />
Ein Winkel wird definiert als das Bogenmass d.h. die Bogenlänge<br />
im Einheitskreis:<br />
ϕ = s R = s<br />
1m<br />
[rad] mit R = 1.<br />
ϕ = ϕ 2 − ϕ 1 = s 2<br />
1 m − s 1<br />
1 m = s 2<br />
R − s 1<br />
R .<br />
Das Bogenmass ist eine dimensionslose Grösse (Verhältnisgrösse) mit der Bezeichnung<br />
rad (Radiant), ein voller Winkel ist ϕ = 2π. Die auch übliche Angabe in Grad ist<br />
Grad= rad · 180 ◦ /π mit 360 ◦ für den vollen Winkel.<br />
Der Raumwinkel ist die auf einer Einheitskugel aufgespannte Kugeloberfläche<br />
A<br />
Ω<br />
R=1<br />
Ω = A<br />
1 m 2 = A R 2 [sr]<br />
mit der Einheit [sr] (Steradiant). Eine Vollkugel hat Ω = 4π sr.<br />
Manchmal wird der Raumwinkel (z.B. eines Detektors) auch in<br />
Einheiten von 4π angegeben.<br />
B.1.5<br />
Wahl der Basisgrössen in Einheitensystemen<br />
Als Bedingungen für ein Einheitensystem können die folgenden aufgestellt werden 118 :<br />
(i) Beschränkung auf ein Minimum an Einheiten<br />
(ii) Die Bildung neuer Grössen (nicht Dimensionen) soll nur durch Multiplikation<br />
und Division bestehender Grössen bestimmt werden. Z.B. Fläche=(Länge) 2 , nicht aber<br />
Länge= √ Fläche mit der Fläche als Basis.<br />
(iii) Die Struktur des physikalischen Begriffsystems ist durch folgende Axiome gegeben:<br />
1. C = A · B Multiplikative Bildung von Grössenarten. Hierbei ist keine der Grössen<br />
A,B,C voreinander ausgezeichnet.<br />
2. Unbenannte Zahlen (1) = A ◦ (Eins-Elemente) ändern die Dimension einer Grösse<br />
nicht, A·(1) = A, z.B. [Länge]·5=[Länge], [Bogenlänge/Radius]=(1) [rad], [Wirkungsgrad<br />
118 Fleischmann, Zeitschrift für <strong>Physik</strong> 129(1951)377. Hier beziehen sich Produkt, Quotient, Multiplikation,<br />
Division nicht nur auf reine unbenannte Zahlen (dimensionslose Grössen) oder Skalare sondern auf<br />
allgemein benannte Grössen.<br />
168
η= Arbeit/Wärme].<br />
3. Reziproke Grössen A −1 multipliziert mit der Grösse A ·A −1 = (1) ergibt unbenannte<br />
Zahlen, z.B. [Frequenz·Zeit]=(1).<br />
4. Es gilt das assoziative Gesetz A · (B · C) = (A · B) · C und das kommutative Gesetz<br />
A · B = B · A. Die Bedingungen 1.-4. bilden eine kommutative Abelsche Gruppe.<br />
5. Für alle A ≠ (1) und m ∈ IN \ 0 gilt A m ≠ (1), d.h. die Gruppe ist keine Drehgruppe,<br />
sie ist torsionsfrei 119 .<br />
6. Die aus unendlich vielen Grössenarten bestehende Gesamtheit besitzt ein endliches<br />
Erzeugendensystem, d.h. es gibt endlich viele (N)-Elemente C p , C q , ...C r , so dass jedes<br />
Element X sich bildet mit X = Cp<br />
αp · Cq<br />
αq · Cr αr , α i ganzzahlig. Eindeutigkeit besteht,<br />
wenn kein C i durch die anderen ausgedrückt werden kann (unabhängige Erzeugende bzw.<br />
Basis). Eindeutigkeit der Darstellung wird nicht vorausgesetzt, z.B. ist ⃗r × F ⃗ = −F ⃗ × ⃗r.<br />
1.-6. sind das vollständige Axiomensystem der Gruppe, für die gilt:<br />
Satz: Es gibt mindestens eine Basis B 1 ...B n mit n ≤ N.<br />
Für n = 1 gibt es genau zwei Basen B 1 und B1 −1 .<br />
Für n > 1 gibt es unendlich viele, gleichwertige Basissysteme. Ein Basissystem entspricht<br />
den n linear unabhängigen Grundvektoren eines n-dimensionalen Punktgitters.<br />
Die Anzahl der Elemente einer Basis werden durch folgende Bedingungen bestimmt:<br />
Es gebe in einem Gebiet k voneinander unabhängige Gleichungen zwischen l Grössenarten<br />
mit l > k, dann sind n = l − k unbestimmt und damit Grundgrössen (Basis).<br />
Z.B. in der Geometrie ist l eine Grundgrösse mit den Gleichungen A = l 2 , V = l 3 ;<br />
in der Kinematik die zwei Grundgrössen Länge, Zeit mit den Gleichungen v = l/t, a = l/t 2 ;<br />
in der Dynamik mit drei Grundgrössen:<br />
a) Système International d’Unites (SI) {l,Masse,t} mit [m, kg, s]<br />
b) technisches System {l,F,t} mit [m, kp, s]<br />
c) natürliche Einheiten {v, Energie E, Wirkung S} mit c = m e c 2 = ¯h = 1<br />
d) sowie viele andere mögliche Systeme.<br />
<strong>Physik</strong>alisch sind alle Basen gleichbedeutend, die Einheiten (Masszahlen wie cm, m,<br />
s, Std, Lichtjahre . . . ) sind belanglos, wesentlich ist die Verknüpfung und deren Eindeutigkeit.<br />
Es darf keine zweite, verschiedene, gleichzeitig geforderte Definition geben. Die<br />
Begriffsverknüpfungen (Definfitionen von Grössenarten der Form A · B = C) sind keine<br />
Naturgesetze, sie passen sich jedoch der Naturerfahrung an (wie v = l/t, F = m · b)<br />
ud stehen mit der <strong>Physik</strong> nicht im Widerspruch. Die Ganzzahligkeit des Exponenten ist<br />
eine reine Zweckmässigkeit, gebrochene Exponenten ( √ E) sind mathematisch einfach ,<br />
physikalisch jedoch problematischer einzuführen.<br />
Vorsicht: Zusatzvereinbarungen, die das n te Basiselement aus den (n − 1) restlichen<br />
definieren, verletzen die Eindeutigkeit.<br />
Z.B. müsste im elektrostatischen cgs-System Q(el. Ladung) ein unabhängiges Basiselement<br />
sein, jedoch ist E · l = Q · Q, Q = √ E · l = l · √Kraft<br />
und im magnetischen<br />
cgs-System ist der Induktionsfluss(Polstärke)= √ E · l = l · √Kraft.<br />
Diese Zusatzforderung<br />
besagt, der Quotient beider Seiten ist dimensionslos, d.h. man kann nur in diesem<br />
Dimensionssystem jede Grösse mit diesem Quotienten multiplizieren ohne die Grössen zu<br />
verändern, jedoch nicht in einem anderen Dimensionssystem. Die Dimensionssysteme sind<br />
damit nicht eindeutig aufeinander abbildbar.<br />
119 Für eine Drehgruppe gilt A m+n = A n mit beliebigen ganzen Zahlen n; eine m-fache Drehung um den<br />
Winkel 2π/m führt zur Identität.<br />
169
B.2 SI-Einheiten<br />
Für Grundgrössen und abgeleitete Grössen wurde an der 11. Generalkonferenz für Mass<br />
und Gewicht 1960 ein kohärentes Einheitssystem, das Systeme International d’Unités (SI),<br />
für den allgemeinen Gebrauch empfohlen. Die der Meterkonvention angehörenden Staaten<br />
sind gehalten, das SI durch Gesetz einzuführen. Das SI ersetzt alle früheren Masssysteme,<br />
wie das cgs- (cm g s), das mks- (m kg s), das technische Masssystem etc.<br />
In Klammern: die in diesem Skript i.a. benutzten Bezeichnungen der Grössen.<br />
Masse (m,M)<br />
1 Kilogramm (kg) ist die Masse des aus Pt-Ir bestehenden Urkilogramms , das im Bureau<br />
International des Poids et Mesures in Sevres aufbewahrt wird. Es entspricht ungefähr<br />
der Masse von 1 l Wasser bei 4 ◦ C.<br />
Zeit (t,T)<br />
1 Sekunde (s) ist die Zeitdauer von 9 192 631 770 Schwingungen des Uebergangs zwischen<br />
den beiden Hyperfeinstrukturniveaus im Grundzustand des 133 Cs Atoms.<br />
Länge (l,l)<br />
1 Meter (m) ist die Länge der Strecke, die das Licht im Vakuum während der Dauer<br />
von 1/299 792 458 s zurücklegt. Veraltet: Urmeter (sollte 1/40 000 000 des Meridians durch<br />
Paris sein), 1 m = 1 650 763.73 Wellenlängen des roten Lichtes, das von 86 Kr bei einem<br />
bestimmten Uebergang emittiert wird. Der Meterstandard zeigt, dass die Einteilung in<br />
Grund- und abgeleitete Einheiten willkürlich ist. Definiert ist heute die Lichtgeschwindigkeit<br />
c = 2.99792458 ×10 8 m/s.<br />
Elektrische Stromstärke (I)<br />
1 Ampére (A) ist die Stärke eines Stromes, der durch zwei im Vakuum im Abstand<br />
von 1 m parallel verlaufende, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbarem<br />
Durchmesser, fliessend, eine gegenseitige Kraft von 2 × 10 −7 Newton pro Meter Länge<br />
hervorruft.<br />
Temperatur (T)<br />
1 Kelvin (K) ist der Bruchteil 1/273.16 der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes<br />
von Wasser. Die Celsiusskala ist definiert durch: t( ◦ C) = t(K) - 273.15 K.<br />
Schmelzpunkt und Siedepunkt des Wassers unter Normalbedingungen liegen nur ungefähr<br />
bei 0 ◦ respektive 100 ◦ C. Der absolute Nullpunkt ist per Definition 0 K.<br />
Quantität der Materie (n,ν)<br />
1 Mol (mol) ist die Menge eines Stoffes, die gleichviele <strong>Teil</strong>chen N ◦ (Atome, Moleküle,<br />
Ionen, Elektronen, ...) besitzt, wie Atome in 12 g des Kohlenstoffisotops 12 C enthalten<br />
sind.<br />
N ◦ =<br />
12.000 g/mol<br />
Masse eines Atoms 12 C<br />
Avogadrosche oder Loschmidtsche Zahl,<br />
diese Zahl ändert sich, wenn die 12 C-Atommasse genauer bestimmt wird.<br />
Lichtstärke<br />
1 Candela (cd) ist die Lichtstärke (Intensität I = dΦ/dΩ), mit der 1/60 cm 2 Oberfläche<br />
170
eines schwarzen Strahlers bei der Temperatur des beim Druck von 1 atm erstarrenden Pt<br />
(2024.5 K) senkrecht zur Oberfäche strahlt.<br />
Sämtliche Dimensionen physikalischer Grössen lassen sich auf diese 7 Grundgrössen<br />
zurückführen. Z.B. Beschleunigung m/s 2 , Kraft N = m kg/s 2 . Die 7 Grundgrössen sind<br />
nicht alle fundamentale Basisgrössen. Z.B. wird die Kelvinskala nur eingeführt, weil der<br />
theoretisch existierende Zusammenhang zwischen Temperatur und Energie experimentell<br />
nur schlecht bestimmbar ist. Für die <strong>Physik</strong> genügen die 4 Basisgrössen m, kg, s und A.<br />
B.2.1<br />
Von den SI-Einheiten abgeleitete Einheiten z.T. mit speziellen Namen<br />
In Klammern: die in diesem Skript i.a. benutzten Bezeichnungen der Grössen.<br />
ebener Winkel (α,ϕ) Radiant = rad = m m −1<br />
Raumwinkel (Ω) Steradiant = sr = m 2 m −2<br />
Frequenz (ν) Hertz = Hz = s −1<br />
Geschwindigkeit (⃗v)<br />
= m s −1<br />
Impuls (⃗p) = kg m s −1 = Ns<br />
Kraft ( F) ⃗ Newton = N = m kg s −2<br />
Druck (p) Pascal = Pa = m −1 kg s −2 = N/m 2<br />
Energie,Arbeit (E,W) Joule = J = m 2 kg s −2 = Nm<br />
Leistung (P) Watt = W = m 2 kg s −3 = J/s<br />
Drehimpuls ( L ⃗ ◦ )<br />
= kg m 2 s −1<br />
Drehmoment ( M ⃗ ◦ ) = kg m 2 s −2 = Nm<br />
Trägheitmoment (I ◦ ) = kg m 2<br />
Wärmemenge (Q) Joule = J = m 2 kg s −2 = Nm<br />
Entropie (S)<br />
= J/K<br />
el. Ladung (q,Q) Coulomb = C = As<br />
elektrische Feldstärke ( E) ⃗ = V/m<br />
dielektrische Verschiebung ( D) ⃗ = Cb/m 2<br />
el. Stromdichte (⃗j) = A/m 2<br />
el. Spannung, Potential (V ) Volt = V = m 2 kg s −3 A −1 = J/C<br />
el. Kapazität (C) Farad = F = m −2 kg −1 s 4 A 2 = C/V<br />
el. Widerstand (R) Ohm = Ω = m 2 kg s −3 A −2 = V/A<br />
el. Leitfähigkeit (σ) Siemens = S = m −2 kg −1 s 3 A 2 = A/V<br />
Induktionsfluss (Φ) Weber = Wb = m 2 kg s −2 A −1 = V s<br />
magn. Induktion ( B) ⃗ Tesla = T = kg s −2 A −1 = Wb/m 2<br />
magnetische Feldstärke ( H) ⃗ = A/m<br />
Induktivität (L) Henry = H = m 2 kg s −2 A −2 = Vs/A<br />
Lichtstrom Lumen = lm = cd sr<br />
Beleuchtungsstärke Lux = lx = lm m −2<br />
Radioaktivität Bequerel = Bq = s −1<br />
absorbierte Strahlungsdosis Gray = Gy = m 2 s −2 = J/kg<br />
171
B.2.2<br />
Verschiedene Einheiten<br />
Grösse (Symbol) SI Einheit<br />
Länge (l) 1 m 1 Parsec = 1 pc = 3.085 72 ×10 16 m<br />
1 Lichtjahr = 1 ly = 9.460 530 ×10 15 m<br />
1 astr. Einheit = 1 AE = 1.496 00 ×10 11 m<br />
1 inch = 1 in. = 2.54 cm (exakt)<br />
1 yard = 1 yd. = 3 feet = 3 ft.= 36 in.<br />
1 Seemeile = 10 Kabel = 1000 Faden = 1852 m<br />
1 mile = 1 mi. = 1760 yd. = 1.609 344 km<br />
1 Ångström = 1 Å = 10 −10 m<br />
1 Fermi = 1 fm = 10 −15 m<br />
Fäche (A) 1 m 2 1 Are = 1 a = 10 2 m 2<br />
1 Barn = 1 b = 10 −28 m 2<br />
Volumen (V) 1 m 3 1 Liter = 1 l = 10 −3 m 3<br />
1 Gallone (US) = 4 Quarts = 8 Pints = 3.785 4 l<br />
1 Gallone (GB) = 4 Quarts = 8 Pints = 4.545 9631 l<br />
Zeit (t) 1 s 1 d = 24 h = 86400 s<br />
1 Jahr = 1 y = 3.155 69 ×10 7 s ≈ π × 10 7 s<br />
Frequenz ν 1 Hz 1 cycle per second = 1 cps = 1 Hz<br />
1 revolution per minute = 1 rpm = 1/60 Hz<br />
Geschwindig. (v) 1 m/s 1 km/h = 1/3.6 m/s<br />
1 Knoten = 1 Seemeile/h<br />
1 mile per hour = 1 mph = 1.609 344 km/h<br />
Masse (m) 1 kg 1 techn. Masseneinh. = 1 TME = 1 kp m −1 s 2 = 9.806 65 kg<br />
1 atomare Masseneinheit = 1 u = 1.660 5655(86) ×10 −27 kg<br />
1 pound = 1 lb = 16 ounces = 16 oz. = 0.453 59237 kg<br />
Kraft (F) 1 N 1 dyn = 1 cm g s −2 = 10 −5 N<br />
1 Kilopond = 1 kp = 1 kg ∗ = 9.806 65 N<br />
Druck (p) 1 Pa 1 Bar = 1 b = 10 3 mb = 10 5 Pa<br />
1 Atmosphäre (phys.) = 1 atm = 1.013 25 ×10 5 Pa<br />
1 Atm. (techn.) = 1 at = 1 kp/cm 2 = 0.980 665 ×10 5 Pa<br />
1 Pound per sq. in. = 1 PSI = 6.894 76 ×10 3 Pa<br />
1 Torr = 1/760 atm = 133.322 37 Pa = 1 mm Hg (0 ◦ C)<br />
Arbeit (W) 1 J 1 Erg = 1 erg = 10 −7 J<br />
Energie (E)<br />
Wärme(Q)<br />
1 kWh = 3.6 ×10 6 J<br />
1 cal (thermoel.) = 4.184 J<br />
1 cal (mittlere) = 4.186 97 J<br />
1 cal (15 ◦ C) = 4.185 5 J<br />
1 cal (IT) = 4.186 84 J<br />
1 eV = 1.602 1892(46) ×10 −19 J<br />
Leistung (P) 1 W 1 Pferdestärke = 1 PS = 75 m kp/s = 735.498 75 W<br />
1 horse power = 1 hp (mech.) = 550 ft lb/s = 745.692 27 W<br />
1 hp (elektr.) = 746 W<br />
Magn. Indukt. (B) 1 T 1 Gauss = 1 G = 10 −4 T<br />
Magn. Feld (H) 1 A/m 1 Oersted = 10 3 /4π A/m<br />
172
B.2.3<br />
Vorsilben der Dezimalteilung von Einheiten<br />
Vorsilbe Abk. Faktor Vorsilbe Abk. Faktor spezielles<br />
Exa E 10 18 Dezi d 10 −1 nur dl, dm<br />
Peta P 10 15 Zenti c 10 −2 nur cm<br />
Tera T 10 12 Milli m 10 −3<br />
Giga G 10 9 Mikro µ 10 −6<br />
Mega M 10 6 Nano n 10 −9<br />
Kilo k 10 3 Piko p 10 −12<br />
Hekto h 10 2 Femto f 10 −15 1 fm=1 Fermi<br />
Deka d 10 1 Atto a 10 −18<br />
B.3 Astronomische Daten<br />
Erde<br />
1 mittl. Sonnentag 1 d = 86400 s<br />
1 Sterntag 86 164.09 s<br />
1 tropisches Jahr 1 y = 365.242 20 d<br />
1 siderisches Jahr 365.256 36 d<br />
mittl. Radius<br />
6 371.0 km<br />
Masse<br />
5.976 ×10 24 kg<br />
mittl. Dichte 5 517 kg/m 3<br />
mittl. Entfernung von der Sonne 1.496 ×10 11 m = 1 astr. Einheit = 1 AE<br />
Mond<br />
Masse<br />
Radius<br />
Entfernung von der Erde<br />
siderische Umlaufszeit<br />
synodische Umlaufszeit (Neumond)<br />
Sonne<br />
Radius<br />
Masse<br />
Oberflächentemperatur<br />
Milchstrasse<br />
Durchmesser<br />
Dicke<br />
Sonne-Zentrum<br />
Masse<br />
7.35 ×10 22 kg = 1/81.3 m E<br />
1 738.2 km<br />
384 400 km (356 400 . . . 406 700 km)<br />
27.321 661 d<br />
29.530 558 d<br />
695 990 km = 109.24 R E<br />
1.989 ×10 30 kg = 3.328 3 ×10 5 m E<br />
5770 K<br />
80 000 Ly<br />
6 000 Ly<br />
32 000 Ly<br />
1.4 ×10 11 m S<br />
173
C Mathematische Hilfsmittel<br />
C.1 Mathematische Formelsammlung<br />
C.1.1<br />
r<br />
✚α<br />
✚✚✚✚✚<br />
x<br />
Trigonometrie<br />
y<br />
sin(α ± β) = sinα cos β ± cos α sin β,<br />
sin α = y/r csc = r/y<br />
cos α = x/r sec = r/x<br />
tan α = y/x cot = x/y<br />
sin 2 α + cos 2 α = 1<br />
cos(α ± β) = cosα cos β ∓ sin α sin β<br />
sin α ± sin β=2 sin ( ) ( )<br />
α±β<br />
2 cos α∓β<br />
2<br />
cos α + cos β=2 cos ( ) ( )<br />
α+β<br />
2 cos α−β<br />
2<br />
cosα − cos β=2 sin ( ) ( )<br />
α+β<br />
2 sin α−β<br />
2<br />
a cos α + b sin α=A · sin(α + δ), A = √ a 2 + b 2 , tanδ = a oder<br />
b<br />
a cos α + b sin α=A · cos(α − δ ′ ), A = √ a 2 + b 2 , tanδ ′ = b a<br />
C.1.2<br />
Komplexe Zahlen<br />
✻I{z}<br />
z = a + ib = ρ exp(iϕ) = ρ e iϕ = ρ (cos ϕ + i sin ϕ)<br />
ρ = √ a 2 + b 2 = |z|, tanϕ = b/a, z n = ρ n e iϕ/n , √ z = √ ρ e iϕ/2<br />
da | e iϕ | 2 = e iϕ · e −iϕ = e 0 = 1 liegt e iϕ auf dem Einheitskreis.<br />
b<br />
✬✩<br />
i<br />
ρ z Geometrische Deutung: R{z} = ρ cos ϕ, I{z} = ρ sin ϕ<br />
✚ ✚✚✚❃ ϕ ✲ ⇒ exp(iϕ) = cosϕ + i sin ϕ, exp(−iϕ) = cosϕ − i sin ϕ ⇒<br />
−1 1 a<br />
✫✪R{z}<br />
exp(iϕ) + exp(−iϕ)<br />
−i cos ϕ = = a exp(iϕ) − exp(−iϕ)<br />
, sin ϕ = = b 2 ρ 2i ρ<br />
exp(iπ/2) = e iπ/2 = i, exp(iπ) = e iπ √<br />
= −1,<br />
z n = ρ n e inϕ = ρ n √<br />
(cosnϕ + i sin nϕ), z = ρ e iϕ/2 ,<br />
¯z = a − ib ist das konjugiert komplexe (auch z ∗ ) zu z = a + ib,<br />
Betrag |z| = √ z¯z = √ a 2 + b 2<br />
C.1.3<br />
Hyperbolische Funktionen<br />
sinh x = exp(x)−exp(−x) , cosh x = exp(x)+exp(−x)<br />
2 2<br />
sinh 2 x − cosh 2 x = −1, tanhx = sinh x<br />
cosh x<br />
C.1.4<br />
Inverse Funktionen<br />
sin[arcsin(x)] = x, cos[arccos(x)] = x, sinh[arcsinh(x)] = x, cosh[arccos(x)] = x<br />
ln[exp(x)] = x etc.<br />
174
C.1.5<br />
Ableitungen und unbestimmte elementare Integrale<br />
Für unbestimmte Integrale muss eine Konstante c berücksichtigt werden.<br />
Partielle Integration: ∫ udv = uv − ∫ v du<br />
d<br />
f(x)<br />
dx f(x)<br />
∫ f(x)dx<br />
x n<br />
d<br />
dx xn = nx n−1<br />
∫<br />
x n dx = xn+1<br />
n + 1 , n ≠ −1<br />
x −1<br />
d<br />
dx x−1 = −x −2<br />
∫<br />
x −1 dx = lnx<br />
ln x<br />
∫<br />
d<br />
ln x = x−1<br />
dx<br />
ln xdx = x ln x − x<br />
e x<br />
d<br />
dx ex = e x<br />
∫<br />
e x dx = e x<br />
sin x<br />
∫<br />
d<br />
sin x = cos x<br />
dx<br />
sin xdx = − cos x<br />
cos x<br />
∫<br />
d<br />
cosx = − sin x<br />
dx<br />
cos xdx = sin x<br />
tanx<br />
d<br />
dx tanx =<br />
x<br />
cos 2 x<br />
∫<br />
tanxdx = − ln cosx<br />
cot x<br />
d<br />
dx cotx = − x<br />
sin 2 x<br />
∫<br />
cotxdx = ln sin x<br />
∫<br />
∫<br />
∫<br />
∫<br />
dx<br />
a 2 + x 2<br />
= 1 a arctan(x/a)<br />
dx<br />
= 1 1<br />
arctanh(x/a) oder =<br />
a 2 − x 2 a 2a ln a + x<br />
a − x , (a2 > x 2 )<br />
dx<br />
√<br />
a2 − x 2<br />
= arcsin x<br />
|a|<br />
dx<br />
x √ = − 1 ( √ ) a +<br />
a 2 ± x 2 |a| ln a2 ± x 2<br />
x<br />
∫ √<br />
x2 ± a 2 = 1 2<br />
oder = − arccos x<br />
|a| , (a2 > x 2 )<br />
[<br />
x<br />
√<br />
x2 ± a 2 ± ln(x + √ x 2 ± a 2 ) ]<br />
∫<br />
dx<br />
√<br />
x2 ± a 2 = ln(x + √ x 2 ± a 2 )<br />
175
C.1.6<br />
Einige bestimmte Integrale,<br />
die nicht als unbestimmte Integrale angegeben werden können.<br />
∫∞<br />
0<br />
∫∞<br />
0<br />
∫∞<br />
0<br />
∫π<br />
0<br />
∫∞<br />
0<br />
∫∞<br />
0<br />
∫1<br />
0<br />
∫ 1<br />
0<br />
∫∞<br />
t n p −t n!<br />
dt =<br />
(lnp) , n = 0, 1, 2...,p > 0 dx<br />
n+1 (1 + x) √ x<br />
⎧<br />
0<br />
π<br />
a > 0<br />
a dx<br />
⎪⎨ 2<br />
∫∞<br />
sin mxdx<br />
= 0 a = 0<br />
a 2 + x 2 ⎪⎩ − π x<br />
a < 0<br />
0<br />
2<br />
sin 2 (px)dx<br />
x 2<br />
= πp<br />
2<br />
∫∞<br />
0<br />
∫<br />
= π<br />
sin 2 (mx)dx = π 2<br />
π/2<br />
dx π<br />
= √<br />
a + b cos x a2 − b , a > b ≥ 0 dx<br />
2 a 2 sin 2 x + b 2 cos 2 x = π<br />
2ab<br />
0<br />
e −ax dx = 1 ∫∞<br />
a , a > 0 e −a2 x 2 dx = 1 √ π<br />
2a<br />
0<br />
x e −x2 dx = 1 ∫∞<br />
√ π<br />
x 2 e −x2 dx =<br />
2<br />
4<br />
0<br />
∫1 √<br />
√ π<br />
(lnx) n dx = (−1) n · n!<br />
ln 1/x dx =<br />
2<br />
C.1.7<br />
ln x<br />
dx = −π2<br />
1 + x 12<br />
Reihenentwicklungen<br />
Taylor-Reihe: f(x) = f(x ◦ )+f ′ (x ◦ ) (x − x ◦) 1<br />
1!<br />
0<br />
∫ 1<br />
0<br />
ln x<br />
dx = −π2<br />
1 − x2 8<br />
⎧ π<br />
m > 0<br />
⎪⎨ 2<br />
= 0 m = 0<br />
⎪⎩ − π m < 0<br />
2<br />
+f ′′ (x ◦ ) (x − x ◦) 2<br />
+· · · mit 0 ≤ (x−x ◦ ) < 1<br />
2!<br />
exp(x) = e x = 1 + x + x2 + x3 + · · · ln(1 − x) = x − x2 + x3<br />
2! 3! 2!<br />
sin(x) = x − x3 + x5 − + · · · cos(x) = 1 − x2 + x4<br />
3! 5! 2!<br />
tan(x) = x + x3<br />
3 + 2x5 15<br />
+ · · · cot(x) = 1 −<br />
x2<br />
2 + x4<br />
sinh(x) = x + x3<br />
3!<br />
+ x5<br />
5!<br />
+ · · · cosh(x) = 1 + x2<br />
2!<br />
+ x4<br />
(1 + x) n = 1 + nx + n(n+1) x 2 + n(n−1)(n−2) x 3 + · · ·<br />
2! 3!<br />
1<br />
= 1 − x + 1+x x2 − x 3 + · · ·, (−1 < x < 1)<br />
√ 1 + x = 1 +<br />
x<br />
+ x2 + x3 + · · · , (−1 < x < 1)<br />
2 8 16<br />
√ 1<br />
1+x<br />
= 1 − x + 3x2 + · · · , (−1 < x < 1)<br />
2<br />
− 5x3<br />
8 16<br />
− + · · ·<br />
3!<br />
− + · · ·<br />
4! − + · · · 4<br />
+ · · ·<br />
4!<br />
176
C.2 Zusammenstellung von Differentialgleichungen in <strong>Physik</strong> A<br />
Differentialgleichung<br />
Lösung<br />
1. y ′′ = a y = 1 2 ax2 + C 1 x + C 2<br />
2. y ′′ + ωy ′ = 0 y = C 1 e −ωt + C 2<br />
3. y ′′ + ωy ′ = g y = C 1 e −ωt + C 2 + g ω · t<br />
4. y ′ + ωy = g y = C 1 e −ωt + g ω<br />
5. y ′′ + ω 2 y = g y = y 0 cos(ωt − δ) + g<br />
ω 2<br />
6. y ′′ − y = cos x y = C 1 e x + C 2 e −x − 1 2 cos x<br />
7. y ′′ + 2λy ′ + α 2 y = 0<br />
√<br />
λ > α y = e −λt (C 1 e ωt + C 2 e −ωt )<br />
ω = + |λ 2 − α 2 | λ < α y = e −λt (C 1 e iωt + C 2 e −iωt )<br />
λ = α y = e −λt (A + Bt)<br />
8. y ′′ + 2λy ′ + α 2 y = f(t)<br />
benutze :<br />
F(x) = ∫ x<br />
dF<br />
0 f(x,y)dy ⇒ x ∂f<br />
dx 0 ∂x<br />
Ansatz :<br />
y = ∫ t<br />
0 g(t − τ)f(τ)dτ<br />
damit :<br />
y ′ = g(0)f(t) + ∫ t<br />
0 g′ (t − τ)f(τ)dτ<br />
y ′′ = g(0)f ′ (t) + g ′ (0)f(t) + ∫ t<br />
0 g′′ (t − τ)f(τ)dτ<br />
Einsetzen in Dgl. : g(0)f ′ (t) + g ′ (0)f(t) + ∫ t<br />
0 g′′ (t − τ)f(τ)dτ + 2λg(0)f(t)<br />
+2λ ∫ t<br />
0 g′ (t − τ)f(τ)dτ + α 2 ∫ t<br />
0 g(t − τ)f(τ)dτ = f(t)<br />
zusammenfassen : g(0)f ′ (t) + [g ′ (0) + 2λg(0) − 1]f(t)<br />
+ ∫ t<br />
0 [g′′ (t − τ) + 2λg ′ (t − τ) + α 2 g(t − τ)] f(τ)dτ = 0<br />
Diese Gleichung wird erfüllt, wenn g(t − τ)<br />
die Dgl. 8. erfüllt mit den Anfangsbedingungen<br />
g(0) = 0 und g ′ (0) = 1<br />
also : λ > α y = 1 ∫ ( t<br />
2ω 0 e−λ(t−τ) e ω(t−τ) − e −ω(t−τ)) f(τ)dτ<br />
λ < α y = − i ∫ ( t<br />
2ω 0 e−λ(t−τ) e iω(t−τ) − e −iω(t−τ)) f(τ)dτ<br />
y = 1 ∫ t<br />
ω 0 e−λ(t−τ) sin ω(t − τ)f(τ)dτ<br />
λ = α y = ∫ t<br />
0 e−λ(t−τ) (t − τ)f(τ)dτ<br />
9. x 2 y ′′ + xy ′ − k 2 y = 0 y = C 1 x k + C 2 x −k<br />
177
C.3 Vektorgleichungen<br />
Skalarprodukt Vektorprodukt Tensorprodukt<br />
⃗a ·⃗b = a x b x + a y b y + a z b z ⃗a × ⃗ b = ⃗e x(a y b z − a z b y ) ⃗a ⊗ ⃗ ⎛<br />
⎞<br />
b = a x b x a x b y a x b z<br />
⎜<br />
⎟<br />
⃗e y (a z b x − a x b z ) ⎝ a y b x a y b y a y b z ⎠<br />
⃗e z (a x b y − a y b x ) a z b x a z b y a z b z<br />
⃗a( ⃗ b ·⃗c) = (⃗a ⊗ ⃗ b)⃗c<br />
⃗a · ( ⃗ b ×⃗c) = ⃗ b · (⃗c ×⃗a) = ⃗c · (⃗a × ⃗ b)<br />
⃗a × ( ⃗ b ×⃗c) = (⃗a ·⃗c) ⃗ b − (⃗a ·⃗b)⃗c<br />
(⃗a × ⃗ b) · (⃗c × ⃗ d) = (⃗a ·⃗c)( ⃗ b · ⃗d) − (⃗a · ⃗d)( ⃗ b ·⃗c)<br />
∇ × ∇ψ = 0<br />
∇ · (∇ ×⃗a) = 0<br />
(∇ · ∇)ψ = ∇ · (∇ψ) = ∆ψ<br />
∆⃗a = ∇ · (∇⃗a) − ∇ × (∇ ×⃗a)<br />
∇ × (∇ ×⃗a) = ∇ · (∇⃗a) − ∇ 2 ⃗a = ∇ · (∇⃗a) − ∆⃗a<br />
∇ · (ψ⃗a) = ⃗a · ∇ψ + ψ∇ ·⃗a<br />
∇ × (ψ⃗a) = ∇ψ ×⃗a + ψ∇ ×⃗a<br />
∇(⃗a ·⃗b) = (⃗a · ∇) ⃗ b + ( ⃗ b · ∇)⃗a +⃗a × (∇ × ⃗ b) + ⃗ b × (∇ ×⃗a)<br />
∇ · (⃗a × ⃗ b) = ⃗ b · (∇ ×⃗a) −⃗a · (∇ × ⃗ b)<br />
∇ × (⃗a × ⃗ b) = ⃗a(∇ ·⃗b) − ⃗ b(∇ ·⃗a) + ( ⃗ b · ∇)⃗a − (⃗a · ∇) ⃗ b<br />
Ist ⃗x die Koordinate eines Punktes in Bezug auf einen Ursprung mit dem Betrag r = |⃗x|<br />
und ⃗n = ⃗x/r der Einheitsradiusvektor, dann gilt<br />
∇ · ⃗x = 3 ∇ × ⃗x = 0<br />
∇ · ⃗n = 2 r ∇ × ⃗n = 0<br />
(⃗a · ∇)⃗n = 1 r [⃗a − ⃗n(⃗a · ⃗n)] ≡ ⃗a ⊥<br />
r<br />
C.4 Theoreme aus der Vektorrechnung<br />
Im folgenden sind Φ, Ψ, und ⃗ A skalare oder Vektor-Funktionen, V ist ein dreidimensionales<br />
Volumen mit dem Volumenelement d 3 x. S ist eine zweidimensionale, geschlossene<br />
Oberfläche des Volumens V mit dem Flächenelement da und der nach aussen zeigenden<br />
Normalen ⃗n auf da.<br />
∫<br />
∇ · ⃗Ad 3 x = ∫ ⃗A · ⃗nda<br />
Divergenz Theorem<br />
V ∫<br />
S<br />
∇Ψd 3 x = ∫ ψ⃗nda<br />
V S<br />
∫<br />
∇ × Ad ⃗ 3 x = ∫ ⃗n × Ada ⃗<br />
∫<br />
V S<br />
(Φ∇ 2 Ψ + ∇Φ · ∇Ψ)d 3 x = ∫ Φ⃗n · ∇Ψda Green’s 1. Identität<br />
V ∫<br />
S<br />
(Φ∇ 2 Ψ − Ψ∇ 2 Φ)d 3 x = ∫ − Ψ∇Φ) · ⃗nda Green’s Theorem<br />
V<br />
S(Φ∇Ψ<br />
178
Im folgenden ist S eine offene Fläche und C eine sie einschliessende Kontur mit dem<br />
Linienelement d ⃗ l. Die Normale ⃗n zu S ist durch die rechte Hand-Regel in bezug auf das<br />
Linienintegral um die Kontur C definiert.<br />
∫<br />
× A)<br />
S(∇ ⃗ · ⃗nda = ∮ ⃗A · d ⃗ l Stoke’s Theorem<br />
C<br />
∫<br />
⃗n × ∇Ψda = ∮ Ψd ⃗ l<br />
C<br />
S<br />
C.5 Explizite Formen von Vektoroperationen<br />
Mit den orthogonalen Einheitsvektoren ⃗e 1 ,⃗e 2 ,⃗e 3 , die den gewählten Koordinaten entsprechen<br />
und den Komponenten A 1 ,A 2 ,A 3 von ⃗ A gilt für den Nabla-Operator ∇<br />
Kartesische Koordinaten x 1 ,x 2 ,x 3 = ⃗x = x,y,z<br />
∇Ψ = ⃗e ∂Ψ<br />
1∂x1 + ⃗e ∂Ψ<br />
2∂x2 + ⃗e ∂Ψ<br />
3∂x3<br />
∇ · ⃗A = ∂A 1<br />
∂x<br />
+ ∂A 2<br />
1 ∂x<br />
+ ∂A 3<br />
2 ∂x 3<br />
∇ × A ⃗ = ⃗e 1 ( ∂A 3<br />
∂x<br />
− ∂A 2<br />
2 ∂x<br />
) + ⃗e 2 ( ∂A 1<br />
3 ∂x<br />
− ∂A 3<br />
3 ∂x<br />
) + ⃗e 3 ( ∂A 2<br />
1 ∂x<br />
− ∂A 1<br />
1 ∂x<br />
)<br />
2<br />
∇ 2 Ψ = ∂2 Ψ<br />
∂x 2 + ∂2 Ψ<br />
1 ∂x 2 + ∂2 Ψ<br />
2 ∂x 2 3<br />
Zylinder Koordinaten ρ,ϕ,z<br />
∇Ψ = ⃗e ∂Ψ<br />
1<br />
∂ρ<br />
+ ⃗e 1 ∂Ψ<br />
2ρ ∂ϕ<br />
+ ⃗e ∂Ψ<br />
3<br />
∂z<br />
∇ · ⃗A = ρ 1 ∂ρ ∂ (ρA 1) + ρ 1 ∂A 2<br />
∂ϕ + ∂A 3<br />
∂z<br />
∇ × A ⃗ = ⃗e 1 ( ρ 1 ∂A 3<br />
∂ϕ − ∂A 2<br />
∂z ) + ⃗e 2( ∂A 1<br />
∂z − ∂A 3<br />
∂ρ ) + ⃗e 1 3ρ (∂(ρA 2)<br />
∂ρ<br />
− ∂A 1<br />
∂ϕ )<br />
∇ 2 Ψ = ρ 1 ∂ρ ∂ (ρ∂Ψ ∂ρ ) + 1 ρ 2 ∂2 Ψ<br />
∂ϕ 2 + ∂2 Ψ<br />
∂z 2<br />
Kugel Koordinaten r,ϑ,ϕ<br />
∇Ψ = ⃗e ∂Ψ<br />
1<br />
∂r<br />
+ ⃗e 1 ∂Ψ<br />
2r ∂ϑ<br />
+ ⃗e 1<br />
3<br />
rsinϑ ∂Ψ<br />
∂ϕ<br />
∇ · ⃗A = 1 ∂ r 2 ∂r (r2 A 1 ) +<br />
r sinϑ 1<br />
∂ϑ ∂ (sinϑA 2) +<br />
r sinϑ 1 ∂A 3<br />
∂ϕ<br />
∇ × A ⃗ [<br />
= ⃗e 1 ∂<br />
1<br />
r sinϑ ∂ϑ<br />
(sinϑA 3 ) − ∂A ]<br />
2<br />
∂ϕ<br />
+<br />
[<br />
+⃗e 1<br />
2<br />
r sinϑ ∂A 1<br />
∂ϕ − 1 r ∂r ∂ ] [ (rA 3) + ⃗e 1 ∂∂r<br />
3r (rA 2 ) − ∂A ]<br />
1<br />
∂ϑ<br />
∇ 2 Ψ = 1 ∂ r 2 ∂r (r2∂Ψ ∂r ) + 1 ∂<br />
r 2 sinϑ ∂ϑ (sinϑ∂Ψ ∂ϑ ) + 1 ∂ 2 Ψ<br />
r 2 sin 2 ϑ ∂ϕ 2<br />
mit 1 ∂ r 2 ∂r (r2∂Ψ ∂r ) ≡ 1 r ∂2<br />
∂r 2 (rΨ) = ∂2<br />
∂r 2 (Ψ) + 2 ∂<br />
r ∂r (Ψ)<br />
Es werden auch folgende Schreibweisen benutzt:<br />
gradΨ = ∇Ψ div ⃗ A = ∇ · ⃗A rot ⃗ A = ∇ × ⃗ A ∇ 2 = ∆<br />
179
Index<br />
∆, 148<br />
Γ, 18<br />
∇ (Fussnote), 44<br />
⃗∇, 44<br />
⃗∇×, 44<br />
Äquipotentialfläche, 44, 138<br />
Ableitung<br />
partielle (Fussnote), 43<br />
vollständige, 43<br />
Adhäsion, 159<br />
Adhäsionseffekt, 159<br />
Adhäsionskraft, 162<br />
Aktionsgesetz, 14<br />
Aktionsprinzip, 13, 80<br />
Amplitude, 34, 65<br />
aperiodischer Grenzfall, 69<br />
Arbeit, 39<br />
Archimedisches Prinzip, 142<br />
Argand-Diagramm, 75–76<br />
Astronomische Daten, 173<br />
Atomgitter, 124<br />
Atwoodsche Fallmaschine, 28<br />
Auftrieb, 141<br />
dynamischer, 155<br />
Kutta-Joukowski-Auftrieb, 156<br />
Auftriebsziffer K A , 158<br />
Austauschteilchen, 17<br />
auswuchten, 119<br />
dynamisch, 119<br />
statisch, 119<br />
Axialvektor, 9, 44, 57<br />
Axiom, 122<br />
Azimutalbeschleunigung, 32<br />
Bahn, 3<br />
Bahnkurve, 3<br />
Barometerformel,isotherme, 139<br />
Basisgrösse, 3<br />
Bernoulli-Gleichung, 146, 149<br />
Voraussetzungen für die, 146<br />
Beschleunigung, 5, 13<br />
Absolutbeschleunigung, 79<br />
Azimutalbeschleunigung, 32<br />
Coriolisbeschleunigung, 80<br />
Führungsbeschleunigung, 79<br />
in Polarkoordinaten, 8<br />
Normalbeschleunigung, 7<br />
Radialbeschleunigung, 32<br />
Relativbeschleunigung, 79<br />
Tangentialbeschleunigung, 32<br />
Zentripetalbeschleunigung, 7, 8<br />
Bewegung<br />
allgemein ebene, 9<br />
gebunden, 51, 63<br />
Konstante der, 59<br />
Planetenbewegungen, 61<br />
Relativbewegung, 77<br />
starrer Körper, 98<br />
thermische, 137<br />
ungebunden, 51, 63<br />
Bewegungsprinzip, 13<br />
Bezugssystem<br />
Dynamik in einem bewegten, 80<br />
Kinematik in einem bewegten, 78<br />
Biegung, 132<br />
Bruchgrenze, 129<br />
Cavendish-Experiment, 18<br />
charakteristische Gleichung, 66<br />
Corioliskraft, 80, 82<br />
Coulomb-Gesetz, 48<br />
Coulombkraft, 21<br />
Coulombpotential, 93<br />
Coulombsche Reibungsgesetze, 25<br />
Dämpfung<br />
kritische, 68<br />
schwache, 67<br />
starke, 68<br />
Déplacement, 141<br />
Definition<br />
Arbeit, 39<br />
Kilogramm, 2<br />
Meter, 2<br />
Sekunde, 2<br />
Trägheitsmoment, 98<br />
Deformation, 124, 128<br />
Deviationsmoment, 111<br />
Dichte, 94<br />
Differential, 4<br />
Differentialgleichung<br />
180
homogene, 31<br />
inhomogene, 31<br />
dissipative Kraft, 108<br />
Drall, 56<br />
Drallsatz, 57, 95<br />
Drehimpuls, 56<br />
Konstanz des, 59<br />
totaler, 94<br />
z-Komponente, 98<br />
Drehimpulserhaltungssatz, 57, 123<br />
Drehimpulssatz, 57, 95<br />
Drehmoment, 56, 95<br />
Drehmomentenbedingung, 24<br />
Drehwaage, 20<br />
Driftbewegung, 143<br />
Druck<br />
dynamischer, 149<br />
Gesamtdruck, 149<br />
hydrostatischer, 137<br />
Normaldruck, 161<br />
statischer, 149<br />
Drucksonde, 149<br />
Druckspannung, 127<br />
dynamischer Druck, 149<br />
dynamischer Widerstand, 158<br />
Eötvös-Experiment, 19<br />
Ebbe, 85<br />
Effekt<br />
Kapillaritätseffekt, 162<br />
Magnus-Effekt, 157<br />
Eigenfrequenz, 34<br />
Ein-Körper-Problem, 58<br />
Einheit, 167<br />
bar, 125<br />
dyn (Fussnote), 13<br />
Joule, 39<br />
Newton, 13<br />
Pascal, 125<br />
Poise, 152<br />
torr, 140<br />
Watt, 40<br />
Einheiten-System, 3<br />
Einheitsvektor, 3, 7<br />
elastische Konstante, 132<br />
elastischer Körper, 124<br />
Elastizität, 124<br />
Elastizitätsmodul, 128<br />
Ellipse, Parameter, 62<br />
elliptisches Intergral, 35<br />
Energie, 39<br />
kinetische, 40, 107<br />
potentielle, 43, 70<br />
totale, 49<br />
Energieerhaltungssatz, 49, 107, 123<br />
Energieerhaltungssatz (Beispiele), 50–55<br />
Energiesatz, 40, 41<br />
der <strong>Mechanik</strong>, 40<br />
Erdbeschleunigung, 29<br />
Erdrotation, 84<br />
Erhaltungssatz<br />
Drehimpuls, 57, 123<br />
Energie, 49, 107, 123<br />
Energie (Beispiele), 50–55<br />
Impuls, 53, 122<br />
klassische, 122<br />
Eulersche Bewegungsgleichung, 145<br />
Eulersche Gleichungen, 112<br />
Exzentrizität der Ellipse, 62<br />
Führungskraft, 80<br />
Fall<br />
vertikal, im Vakuum, 27<br />
vertikal, in Medium, 31<br />
Fallgesetz, 27, 28<br />
Feder, lineare, 64<br />
Federkonstante, 64, 124<br />
Federkraft, 64<br />
Feldfluss, 49<br />
Feldlinien, 42<br />
Feldstärke, 20<br />
Flächensatz, 60<br />
Flächenträgheitsmoment, 133, 135<br />
Flüssigkeit, 137<br />
benetzende, 163<br />
Dynamik der idealen, 143<br />
ideale, 143<br />
inkompressibel, 137<br />
nichtbenetzende, 163<br />
reale, 144<br />
reibungslos, 137<br />
rotierende, 141<br />
ruhende, 138<br />
verdrängte, 142<br />
zäh, 137<br />
Flüssigkeitslamellen, 160<br />
181
Fliessgrenze, 129<br />
Fluss, 48<br />
Fluss-Regel, 49<br />
Flut, 85<br />
Formelastizität, 137<br />
Foucaultpendel, 84<br />
Freiheitsgrad, 4, 78<br />
Frequenz, 8, 34, 65<br />
Fundamentalkräfte, 17<br />
FWHM, 72<br />
Güte-Faktor, 70<br />
Galilei-Transformation, 78<br />
Gangpolkegel, 113<br />
Gas, 137<br />
Geometriefaktor, 98<br />
Gesamtdruck, 149<br />
Geschwindigkeit, 4<br />
Geschwindigkeitsvektor, 78<br />
kritische, 154<br />
mittlere, 4<br />
momentane, 4<br />
Winkelgeschwindigkeit, 78<br />
Geschwindigkeitsvektor, 78<br />
Gesetz<br />
Aktionsgesetz, 14<br />
Coulomb-Gesetz, 48<br />
Coulombsche Reibungsgesetze, 25<br />
Fallgesetz, 27, 28<br />
Fluss-Regel, 49<br />
Gravitationsgesetz, 18<br />
Grundgesetze der <strong>Mechanik</strong>, 11<br />
Hagen-Poiseuille-Gesetz, 153<br />
Keplersche Gesetze, 63<br />
Kraftgesetz, 12<br />
Newtonsches Gravitationsgesetz, 48<br />
Newtonsches Reibungsgesetz, 152<br />
Reflexionsgesetz, 54<br />
Reibungsgesetze, 25<br />
Torricellisches Ausflussgesetz, 140,<br />
151<br />
von Boyle-Mariotte, 139<br />
von Hook, 128<br />
von Stokes, 26<br />
Gezeiten, 85<br />
Gezeitenkräfte, 119<br />
Gleichgewichtsbedingungen, 96<br />
Gleichung<br />
Bernoulli-Gleichung, 146, 149<br />
Voraussetzungen für die, 146<br />
Eulersche Bewegungsgleichung, 145<br />
Kontinuitätsgleichung, 144<br />
Potentialgleichung, 148<br />
Gleitreibung, 25<br />
Gleitreibungskoeffizient, 25<br />
grad, 44<br />
Gradient, 44<br />
Gravitation, 17<br />
Gravitationsfeldfluss, 48<br />
Gravitationsgesetz, 18<br />
Gravitationskonstante, 18<br />
Gravitationskraft, 18, 85<br />
Gravitationspotential, 46<br />
Grundgesetze der <strong>Mechanik</strong>, 11<br />
Haftreibung, 25<br />
Haftreibungskoeffizient, 25<br />
Hagen-Poiseuille<br />
Gesetz, 153<br />
Strömung, 152<br />
Widerstand, 153<br />
harmonische Bewegung, 34<br />
Hauptachsen, 111<br />
Hauptelemente, 127<br />
Hauptrichtung, 127<br />
Hauptspannung, 127<br />
Homogenität<br />
Raum, 122<br />
Zeit, 122<br />
Hooksches Gesetz, 128<br />
hydrodynamisches Paradoxon, 150<br />
Hydrostatisches Paradoxon, 140<br />
Hypozykloide, 83<br />
Impuls, 14<br />
totaler, 94<br />
Impulserhaltungssatz, 17, 53, 122<br />
Impulssatz, 15, 16, 95<br />
Impuslerhaltung, 52<br />
Inertialsystem, 13, 77<br />
interatomare Kräfte, 124<br />
Isotropie<br />
Raum, 122<br />
Streuung, 92<br />
Körper<br />
elastisch, 124<br />
182
fester, Elastizität, 124<br />
fester, kristallin, 124<br />
Gewicht des, 21<br />
homogen, 132<br />
homogener, 94<br />
isotrop, 132<br />
Deformation, 128<br />
plastisch, 125<br />
starrer, 94<br />
Bewegung (Beispiele), 101–107<br />
Dynamik des, 94<br />
ebene Bewegung, 98<br />
Gleichgewicht des, 96<br />
Kapillar-Attraktion, 163<br />
Kapillar-Depression, 163<br />
Kapillarität, 162<br />
kardanische Aufhängung, 113<br />
Kegel<br />
Gangpolkegel, 113<br />
Nutationskegel, 113<br />
Präzessionskegel, 115<br />
Rastpolkegel, 113<br />
Keplersche Flächensatz, 60<br />
Keplersche Gesetze, 63<br />
kinetische Energie, 40<br />
Kohäsion, 159<br />
Kohäsionseffekt, 159<br />
Kohäsionskraft, 159<br />
Kommunizierende Gefässe, 140<br />
Kompressibilität, 131, 137<br />
Kompressionsmodul K, 131<br />
konservatives Kraftfeld, 42<br />
Konstanten, 166<br />
elastische Konstanten, 132<br />
Gravitationskonstante, 18<br />
Kontinuitätsgleichung, 144<br />
Koordinaten<br />
kartesische, 14<br />
polare, 4, 14<br />
Zylinder, 4<br />
Koordinatensystem, 77<br />
kartesisches, 3<br />
raumfestes kartesisches, 6<br />
Krümmungskreis, 7<br />
Kraft, 11, 13<br />
äussere, 15, 124<br />
Adhäsionskraft, 162<br />
Corioliskraft, 80, 82<br />
Coulombkraft, 21<br />
dissipative, 108<br />
Führungskraft, 80<br />
Federkraft, 64<br />
Gravitationskraft, 85<br />
ineratomare, 124<br />
innere, 15, 124<br />
intermolekular, 137<br />
Kohäsionskraft, 159<br />
nicht-konservativ, 46<br />
Normalkraft, 24, 26, 33<br />
Oberflächenkraft, 23, 24<br />
Reibungskraft, 23, 66<br />
innere, 151<br />
Scheinkraft, 80<br />
Tangentialkraft, 33<br />
Trägheitskraft, 80<br />
Van der Waals Kraft, 124<br />
Volumenkraft, 21, 138<br />
Zentrifugalkraft, 80, 82<br />
Zentripetalkraft, 33, 40<br />
scheinbare, 83<br />
Zugkraft, 158<br />
Kraftdichte f, 138<br />
Kraftfeld, 20, 42<br />
Gravitationsfeldfluss, 48<br />
konservatives, 42<br />
nicht-stationär, 42<br />
radial-symmetrisches, 45<br />
stationär, 42<br />
Wirbelfeld, 46<br />
wirbelfreies, 44<br />
Kraftgesetz, 12<br />
Kraftstoss, 53<br />
Kreisbahn, 8<br />
Kreisbewegung, 7, 8, 32<br />
Kreisel, 109<br />
Bewegung des symmetrischen, 114<br />
im Schwerefeld, 115<br />
kräftefrei, rotationssymmetrisch, 112<br />
oblater, 114<br />
prolater, 114<br />
rattleback, 117<br />
schlafender, 116<br />
Kreiselkompass, 118<br />
Kreiselregeln, 116<br />
Kreiselung, 109<br />
Kreisfrequenz, 65<br />
183
Kreispendel, 36<br />
kritische Geschwindigkeit, 154<br />
Kurvenintegral, 42<br />
Kutta-Joukowski-Auftrieb, 156<br />
Länge, 1<br />
Laborsystem, 78, 87<br />
Ladung, 21<br />
laminar, 26<br />
Laplace Operator ∆, 148<br />
Leistung, 39, 40<br />
Lenard-Methode, 160<br />
Lichtgeschwindigkeit, 2<br />
Lilienthal-Diagramm, 158<br />
Linienintegral, 42<br />
Lotabweichung, 84<br />
Magnus-Effekt, 157<br />
Masse, 2, 11, 13, 77, 94<br />
reduzierte, 59<br />
schwere, 19<br />
totale, 94<br />
träge, 11, 19<br />
Massenelement, 94<br />
Massenmittelpunkt, 16<br />
Massenpunkt, 1<br />
Beschleunigung des, 5<br />
Bewegung eines (Beispiel), 10<br />
Geschwindigkeit des, 4<br />
Kinematik des, 3<br />
Ort des, 3<br />
System von, 15<br />
Mathematische Hilfsmittel, 174<br />
<strong>Mechanik</strong>, 1<br />
die Grundgesetze der, 11<br />
Methode von Lenard, 160<br />
Metrik des Raumes, 13<br />
Mohrscher Spannungskreis, 127, 137<br />
Momentangeschwindigkeit, 4<br />
Mondfinsternis, 120<br />
Nabla-Operator (Fussnote), 44<br />
neutrale Faser, 132, 133<br />
Newtonsche <strong>Mechanik</strong><br />
Gültigkeitsbereich der, 15<br />
Newtonsche Prinzipien, 12<br />
Anwendungsbeispiele, 27<br />
Newtonsches Gravitationsgesetz, 48<br />
Newtonsches Reibungsgesetz, 152<br />
Nicht-Inertialsystem, 77<br />
Noether Theorem (Fussnote), 122<br />
Normal-Luftdruck, 139<br />
Normalbeschleunigung, 7<br />
Normaldruck, 161<br />
Normalkraft, 24, 26, 33<br />
Normalspannung, 24, 125<br />
Nutation, 116<br />
der Erdachse, 121<br />
Nutationskegel, 113<br />
Oberflächenenergie, 159<br />
Oberflächenkraft, 23, 24<br />
Oberflächenspannung α, 159<br />
Ort, 3<br />
Ortskoordinaten, 3<br />
Ortsvektor, 3, 77, 78<br />
des Schwerpunktes, 16<br />
Oszillator<br />
Eigenfrequenz, 72<br />
Energie des schwach gedämpften, 69<br />
gedämpft, 66<br />
Grad der Dämpfung, 70<br />
linearer, harmonischer, 64<br />
ungedämpft, 64<br />
Parameter der Ellipse, 62<br />
partikuläre Lösung, 31<br />
Pendel<br />
ballistisches, 54<br />
Foucaultpendel, 84<br />
konisches, 36<br />
Kreispendel, 36<br />
mathematisches, 33, 81<br />
physisches, 102<br />
Reversionspendel, 103<br />
Torsionspendel, 135<br />
Phasenübergang, 37<br />
Phasengrenze, 162<br />
Phasenkonstante, 34, 65<br />
Phasenraum des Pendels, 36<br />
Pitotrohr, 149<br />
Planetenbewegungen, 61<br />
plastischer Körper, 125<br />
Plastizität, 124<br />
Poissonsche Zahl m, 129<br />
Polarkoordinaten, 4, 14<br />
Polarvektor, 9<br />
Potential, 46<br />
184
Potentialgleichung, 148<br />
Potentialströmung, 147<br />
potentielle Energie, 43<br />
Präzession, 115<br />
der Erdachse, 120<br />
Präzessionsfrequenz, 115, 116<br />
Präzessionskegel, 115<br />
Präzessionszyklus des Mondes, 119<br />
Prandtlrohr, 150<br />
Prinzip des Archimedes, 142<br />
Proportionalitätsgrenze, Verformung, 128<br />
Pseudovektor, 9, 44, 57<br />
Punkt,mathematischer, 1<br />
Punktladung, 22<br />
Q-Faktor, 70, 73<br />
Querdehnung β, 129<br />
Querzahl ν, 129<br />
Radialbeschleunigung, 32<br />
Raketenantrieb, 37–38<br />
Randwiderstand, 158<br />
Rastpolkegel, 113<br />
rattleback, 117<br />
Raum, 1, 77<br />
Homogenität, 122<br />
Isotropie, 122<br />
Raum-Zeit-Symmetrie, 122<br />
Reaktionsprinzip, 15<br />
reduzierte Masse, 59<br />
Reflexionsgesetz, 54<br />
Reibung, 24<br />
Gleitreibung, 25, 30<br />
Haftreibung, 25, 30<br />
trockene, 24<br />
viskose, 24, 26, 137<br />
Reibungsgesetz von Stokes, 26<br />
Reibungskraft, 23, 66<br />
innere, 151<br />
Reibungswiderstand, 26<br />
Relativbewegung, 77<br />
Relativitätsprinzip der <strong>Mechanik</strong>, 77, 78<br />
Relativitätstheorie, 14<br />
Relativkoordinate, 58<br />
Resonanz, 71, 72<br />
Resonanzamplitude, 72<br />
Resonanzbreite, 73<br />
Resonanzfrequenz, 72<br />
Reynoldsche Zahl R e , 154<br />
Rollbedingung, 104<br />
rot, 44<br />
Rotation, 44, 78, 99<br />
Ruhemasse, 14<br />
Ruhesystem, 78<br />
Rutherfords Streuformel, 93<br />
Saros-Zyklus, 119<br />
Satz<br />
Drallsatz, 57, 95<br />
Drehimpulssatz, 57, 95<br />
Energiesatz der <strong>Mechanik</strong>, 40<br />
Impulssatz, 95<br />
Keplersche Flächensatz, 60<br />
Schwerpunktssatz, 95<br />
von Steiner, 99, 100<br />
von Viëta, 103<br />
Scheinkraft, 80<br />
schiefe Ebene, 30<br />
schiefer Wurf, 29<br />
Schmiegungsebene, 7<br />
Schubmodul G, 131<br />
Schubspannung, 24, 125, 128<br />
Schwerpunkt, 16<br />
Schwerpunktsatz, 15, 16<br />
Schwerpunktsbeschleunigung, 16, 29<br />
Schwerpunktsgeschwindigkeit, 16<br />
Schwerpunktssatz, 95<br />
Schwerpunktsvektor, 94<br />
Schwerpunktsystem, 87<br />
Schwingung<br />
erzwungene, 71<br />
gedämpfte, 67<br />
Schwingungsdauer, 34, 65<br />
SI-Einheiten, 3, 170<br />
siderisches Jahr, 2<br />
Sonnenfinsternis, 120<br />
Sonnentag, 2<br />
Spannung, 24, 125<br />
Druckspannung, 127<br />
innere, 125<br />
Normalspannung, 125<br />
Oberflächenspannung, 159<br />
Schubspannung, 125, 128<br />
Zugspannung, 127<br />
Spannungstensor, 125<br />
Spannungszustand<br />
ebener, 125, 126<br />
185
hydrostatischer, 128<br />
linearer, 128<br />
stabile Drehachsen, 115<br />
Stabilität, 114<br />
statischer Druck, 149<br />
Stokes-Widerstand, 153<br />
Stoss, 52<br />
elastisch, 52<br />
gerader-zentraler, 53<br />
inelastisch, 52<br />
Kraftstoss, 53<br />
Stossparameter, 88, 93<br />
Strömung, Hagen Poiseuille Gesetz, 152<br />
Strömung, 143<br />
ebene, 143, 155<br />
laminare, 26, 143<br />
Potentialströmung, 147<br />
stationäre, 143<br />
turbulente, 143, 154<br />
wirbelfreie, 147<br />
Zirkulationsströmung, 156<br />
Streuformel von Rutherford, 93<br />
Streuproblem, 87<br />
Streuung<br />
Coulombpotential, 93<br />
Isotropie, 92<br />
rein elastische, 87<br />
Stromlinien, 143<br />
Stromröhre, 144<br />
Superpositionsprinzip, 14<br />
Symmetrie-Axiom, 122<br />
System<br />
abgeschlossenes, 17<br />
Systeme International d’Unitès, 3<br />
Tangentialbeschleunigung, 7, 32<br />
Tangentialkraft, 33<br />
Taylor-Reihe, 64<br />
Tensor, 109<br />
Spannungstensor, 125<br />
Trägheitstensor, 109, 111<br />
Theorem<br />
von Noether, 122<br />
Torkeln, 115<br />
Torricellisches Ausflussgesetz, 140, 151<br />
Torsion, 132, 135<br />
Torsionspendel, 135<br />
Torsionswaage, 18<br />
träge Masse, 11<br />
Trägheit, 11<br />
Trägheitseffekte, 84<br />
Trägheitskraft, 80<br />
Trägheitsmoment, 98, 100<br />
Trägheitsprinzip, 12<br />
Trägheitstensor, 109, 111<br />
Transformation<br />
Galilei-Transformation, 78<br />
SS → LS, 90<br />
Translation, 78<br />
Turbulenz, 154<br />
Umlaufzeit, 8<br />
Unitaritätsrelation, 75<br />
Urkilogramm, 2<br />
Urmeter, 2<br />
Van der Waals Kraft, 124<br />
Vektor, 3<br />
axialer oder Pseudovektor, 9, 44, 57<br />
Einheitsvektor, 3<br />
Ortsvektor, 3, 77, 78<br />
polarer, 9<br />
Schwerpunktsvektor, 94<br />
Winkelgeschwindigkeit, 8<br />
Venturirohr, 150<br />
Verformung<br />
Kaltverformung, 129<br />
plastische, 128<br />
Viskosität, 26, 32, 152<br />
Volumenelement, 94<br />
Volumenkraft, 21, 138<br />
Wechselwirkung<br />
elektromagnetische, 17, 21<br />
elektroschwache, 17<br />
schwache, 17, 23<br />
starke, 17, 23<br />
Widerstand<br />
dynamischer, 158<br />
Hagen-Poiseuille-Widerstand, 153<br />
Randwiderstand, 158<br />
Stokes-Widerstand, 153<br />
viskoser, 153<br />
Widerstandsziffer K W , 158<br />
Winkelbeschleunigung, 8<br />
Winkelgeschwindigkeit, 8, 78<br />
Wirbelfeld, 46<br />
186
Wirbelstrasse, 159<br />
Zähigkeit η, 152<br />
Zeit, 2, 77<br />
Homogenität, 122<br />
Zentralfeld, 21, 22, 45, 58<br />
Zentrifugalkraft, 80, 82<br />
Zentripetalbeschleunigung, 7, 8<br />
Zentripetalkraft, 33, 40<br />
scheinbare, 83<br />
Zirkulation Z, 148<br />
Zirkulationsströmung, 156<br />
Zugkraft, 158<br />
Zugspannung, 127<br />
Zwei-Körper-Problem, 58<br />
Zylinderkoordinaten, 4<br />
187