Nebelhorn Februar 2009 - Rechtswissenschaftliche Fakultät
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<strong>Nebelhorn</strong> <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong><br />
gen beschäftigt, die nach der Wiedervereinigung in Deutschland<br />
begangen wurden. Diese haben damals für relativ großes<br />
Aufsehen gesorgt. Es sind schreckliche Taten darunter gewesen,<br />
durch die zahlreiche Menschen ums Leben gekommen<br />
sind. Ich habe über 100 Urteile ausgewertet, bei denen es um<br />
fremdenfeindliche Brandanschläge ging, die von Jugendlichen<br />
oder Heranwachsenden begangen worden sind. Es gab also<br />
weit mehr Taten, als die vollendeten Tötungsdelikte in Mölln<br />
und Solingen. Mein Interesse war es etwas über die Hintergründe<br />
dieser Taten herauszufinden. Damals gab es die Vorstellung<br />
die Täter seien desintegrierte Jugendliche und kämen<br />
aus haltlosen und schwierigen Verhältnissen. Ich habe das so<br />
nicht bestätigt gefunden. Zwar hatten die Täter überwiegend<br />
eher niedrige Bildungsabschlüsse, aber die meisten waren<br />
nicht arbeitslos und hatten eine Lehrstelle. Man konnte sie eigentlich<br />
nur zu einem Viertel wirklich als desintegriert bezeichnen.<br />
Die anderen drei Viertel waren aus relativ normalen<br />
Verhältnissen. Diese Brandanschläge wurden überwiegend am<br />
Wochenende verübt, was für Präventionsmaßnahmen von Bedeutung<br />
ist. Die Jugendlichen haben im weitesten Sinne aus einer<br />
politischen Motivation heraus gehandelt. Es waren keine<br />
Organisierten - der organisierte Neonazismus spielte keine<br />
große Rolle. Wenn das ausnahmsweise der Fall war, betraf es<br />
die NPD, die für mich klar verfassungsfeindlich ist. Die Jugendlichen<br />
handelten insofern politisch, als sie im Zusammenhang<br />
mit der Diskussion um die Änderung des Asylrechts vor<br />
Ort ein Zeichen gegen Fremde setzen wollten. Insofern ist das<br />
eine politische Motivation gewesen und nicht einfach völlige<br />
Gedankenlosigkeit oder ein schlechter Scherz. Die Justiz hat<br />
diese politischen Zusammenhänge nach dem Anschlag von<br />
Mölln deutlicher erkannt. Es ist ein interessantes Ergebnis der<br />
Untersuchung, dass die Tatverdächtigen bis November ’92 von<br />
der Justiz nur unter dem Vorwurf der Brandstiftung, nicht aber<br />
eines Tötungsdelikts verfolgt wurden. Danach hat sich das<br />
Bild dann umgekehrt. Das zeigt, wie auch justizielle Bewertungen<br />
umschlagen können. Trotzdem hat die Justiz insgesamt<br />
sehr besonnen reagiert. Es gab viele Forderungen nach harter,<br />
abschreckender Bestrafung der Täter. Das war jedoch ein Problem,<br />
weil die meisten Beschuldigten unter das Jugendstrafrecht<br />
fielen. In dieser Situation hat die Justiz den schwierigen<br />
Spagat hinbekommen das eigentliche Tatunrecht nicht zu bagatellisieren<br />
und trotzdem jugendstrafrechtlich angemessene<br />
und besonnene Reaktionen zu finden.<br />
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