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AnwBl_2013-04_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Strafrechtskommission 2012<br />

Nicht ersichtlich ist jedoch, wie die ex-ante-Genehmigung<br />

auf europäischer Ebene bewerkstelligt werden<br />

kann; eine unmittelbare Zuständigkeit des EuGH lässt<br />

das Primärrecht nicht zu. 74)<br />

Die in den Modellbestimmungen vorgesehene Zweiteilung<br />

der gerichtlichen Kontrolle für Ermittlungsmaßnahmen<br />

(weniger eingriffsintensive Zwangsmaßnahmen<br />

ex post durch europäisches Gericht, die eingriffsintensivsten<br />

ex ante durch ein nationales Gericht)<br />

ist ein schlechter Kompromiss, der gleich mehrere<br />

Nachteile hat:<br />

" Eine einheitliche Rechtsanwendung und -auslegung<br />

durch den EuGH ist nicht möglich, wenn dieser<br />

nur über Teilbereiche urteilen kann.<br />

" Es ist paradox, dass die eingriffsintensiveren Maßnahmen<br />

einer Genehmigung auf nationaler Ebene<br />

bedürfen, die eingriffsärmeren aber auf EU-Ebene<br />

(ex-post) kontrolliert werden.<br />

" Es entstehen absurd unterschiedliche Rechtswege<br />

(zB Durchsuchungen: von Geschäftsräumen zum<br />

EuGH, von Privaträumen zum nationalen Richter;<br />

Lauschangriff: imöffentlichen Bereich EuGH, im<br />

privaten nationaler Richter; Lokalisierung von Personen<br />

über Mobilfunk EuGH, Kommunikationsüberwachung<br />

nationaler Richter); oder um ein Beispiel<br />

unter Einbeziehung der gerichtsunabhängigen<br />

Befugnisse der EStA zu wählen: gegen die Vorladung<br />

eines Zeugen (summoning) kann der EuGH angerufen<br />

werden, über Entschlagungsrechte entscheidet<br />

die EStA allein.<br />

" Es bleibt offen bzw dem nationalen Recht überlassen,<br />

welche Rechtsfolgen es hat, wenn der EuGH eine<br />

Ermittlungsmaßnahme ex post als nicht zulässig erklärt.<br />

Es rächt sich nun, dass die Kommission und das Europäische<br />

Parlament schon seit jeher immer nur die EStA<br />

im Blick hatten, nicht aber auch ein europäisches Strafgericht.<br />

Wenn daher Verfechter der EStA bisweilen darauf<br />

verweisen, dass es ja sogar auf internationaler Ebene<br />

Strafgerichte gibt und dass die EU bisher dahinter zurückbleibt,<br />

so muss dem entgegnet werden: Ja, es gibt<br />

den IStGH, aber samt einem dort tätigen Ankläger<br />

und nicht nur einen „Internationalen Strafankläger“.<br />

in ihrer Heimat durch die EStA abgeholfen werden<br />

könne.<br />

Nun besteht kein Zweifel, dass die Effizienz der<br />

Strafverfolgung in den MS der EU (in durchaus unterschiedlichem<br />

Ausmaß) steigerungsfähig ist. Allerdings<br />

bedeutet das oben skizzierte Modell einer EStA gerade<br />

nicht, dass diese unabhängig von den nationalen Verfolgungs-<br />

und Justizbehörden agieren könnte, im Gegenteil:<br />

sie wird auf deren Kooperation angewiesen<br />

sein.<br />

Die oben (3.a) bis c)) aufgezeigten drei ungelösten<br />

Grundsatzfragen lassen die Befürchtung entstehen,<br />

dass mit der EStA eine Institution geschaffen wird,<br />

die europäischen Standards der Justizförmigkeit nicht<br />

gerecht wird; dies wäre allerdings mit dem gerade international<br />

betonten Selbstverständnis der Union<br />

als Hort der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar.<br />

Eine rechtsstaatlich saubere Lösung kann jedenfalls<br />

nur darin bestehen, dass nicht bloß eine EStA, sondern<br />

zugleich ein europäisches Strafgericht eingerichtet<br />

wird.<br />

Das aktuelle Projekt einer EStA birgt die Gefahr<br />

in sich, hohe Erwartungen zu wecken, die dann nicht<br />

erfüllt werden. Vielleicht wird dann ähnliche Kritik<br />

erhoben werden, wie sie jetzt oft in Bezug auf den<br />

Euro geäußert wird: Dass ein weitreichender Integrationsschritt<br />

gesetzt wurde, ohne dass zuvor die<br />

dafür erforderlichen Grundlagen geschaffen worden<br />

waren.<br />

4. Schlussbemerkung<br />

Befürworter der EStA argumentieren, die aktuelle<br />

Finanz- und Budgetkrise mache die Einrichtung der<br />

EStA unabdingbar; der europäische Bürger habe<br />

ein Recht darauf, dass seine Steuermittel gegen Betrügereien<br />

geschützt werden. Hinzugefügt wird, dass<br />

Integrationsschritte der EU häufig durch Krisen herbeigeführt<br />

worden sind. Vielfach erwecken Befürworter<br />

einer EStA auch den Eindruck, sie hofften<br />

darauf, dass dem schlechten Funktionieren der Justiz<br />

74) Böse, Ein europäischer Ermittlungsrichter – Perspektiven des präventiven<br />

Rechtsschutzes bei Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft,<br />

RW 2012, 172, versucht hier Lösungen aufzuzeigen, die<br />

aber nicht überzeugen.<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>04</strong><br />

Neue Entwicklungen im Europäischen Straf- und Strafprozessrecht<br />

Autor: Hon.-Prof. Dr. Fritz Zeder, D.E.A. Strafrecht (Paris), Wien<br />

203

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