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AnwBl_2013-04_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Strafrechtskommission 2012<br />

werden, die nur der Täter wissen kann. Die Namen der Personen,<br />

die das Geständnis mit angehört haben, sind zu vermerken.“<br />

Ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, dass der Inhalt<br />

des Protokolls vorläufig aufgezeichnet werden darf.<br />

Als Mittel der vorläufigen Aufzeichnung sieht die StPO<br />

eine „gebräuchliche Kurzschrift“, eine „Kurzschriftmaschine“,<br />

ein „Tonaufnahmegerät“ oder „verständliche<br />

Abkürzungen“ vor (§ 168 a Abs 2 StPO).<br />

Das Ganze klingt antiquiert. Moderne Dokumentationstechniken<br />

wie die digitale Bild-Ton-Aufnahme<br />

kommen im Gesetz im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung<br />

nicht vor. Es gibt noch nicht<br />

einmal eine Vorschrift, der ausdrücklich entnommen<br />

werden kann, dass Bild-Ton-Aufnahmen der Vernehmung<br />

des Beschuldigten zulässig sind. Man muss deshalb<br />

auf das Schrifttum zurückgreifen, wonach man<br />

sie de lege lata als zulässig wird ansehen können, wenn<br />

sie nicht heimlich erfolgt und der Beschuldigte einwilligt.<br />

Stimmt er nicht zu, ist dies nicht so eindeutig. Fakt<br />

ist, dass jedenfalls die Verwendung des Tonbands auch<br />

gegen den Willen des Beschuldigten möglich ist. 18) Ob<br />

man eine Parallele für die Bild-Ton-Aufnahme ziehen<br />

kann, ist streitig. 19)<br />

2. Vernehmung von Zeugen<br />

Etwas anders sieht die Rechtslage bei der Vernehmung<br />

von Zeugen aus. Die genannten Protokollierungsgrundsätze<br />

gelten zwar zunächst grundsätzlich auch<br />

für die Vernehmung von Zeugen. Zusätzlich kennt<br />

die deutsche Strafprozessordnung aber Sondervorschriften,<br />

die ausschließlich auf die Dokumentation<br />

von Zeugenaussagen Anwendung finden. 20) Damit hat<br />

die audiovisuelle Technik beim Zeugen Einzug in die<br />

Strafprozessordnung gehalten, wobei grundsätzlich<br />

zwischen der Simultanübertragung einer Vernehmung<br />

mit Hilfe von Videotechnik (§ 168 e Satz 2 StPO) und<br />

deren Aufzeichnung zum Zwecke der Konservierung<br />

und späteren Wiedergabe (§ 58 a StPO) zu unterscheiden<br />

ist. 21)<br />

Ich beschränke mich hier auf die Bild-Tonträger-<br />

Aufzeichnung zum Zwecke der Konservierung und<br />

späteren Wiedergabe. Die relevante Vorschrift des<br />

§ 58 a StPO kam erstmals mit dem sogenannten Zeugenschutzgesetz<br />

im Jahr 1998 ins Gesetz und wurde<br />

in der Folgezeit ausgebaut.<br />

Als Ermächtigungsgrundlage legitimiert § 58 a StPO<br />

die Aufzeichnung im Hinblick auf den mit ihr verbundenen<br />

Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />

des Zeugen. Betroffen sind das Recht am eigenen Bild<br />

und das Recht am eigenen Wort. Sie erweitert die Zeugenpflicht<br />

um die Pflicht zur Duldung der Bild-Ton-<br />

Aufzeichnung. 22) Zugleich gibt die Vorschrift des<br />

§ 58 a StPO einen abgestuften Anwendungsbereich<br />

vor, der in erster Linie die sog kindlichen Opferzeugen<br />

im Auge hat, bei denen Mehrfachvernehmungen im Interesse<br />

und zum Schutz der Zeugin oder des Zeugen<br />

verhindert werden sollen. Ausdrücklich fasst der Gesetzgeber<br />

die Videovernehmung eines Zeugen aber<br />

nicht als den Normalfall auf. 23)<br />

Der abgestufte Anwendungsbereich für die Videovernehmung<br />

von Zeugen sieht wie folgt aus:<br />

1. Zunächst eröffnet § 58 a StPO die Möglichkeit, die<br />

Vernehmung eines jeden Zeugen auf Bild-Ton-Träger<br />

aufzuzeichnen. Auf die Einwilligung des Zeugen<br />

kommt es nicht an (§ 58 a Abs 1 Satz 1 StPO).<br />

Mit dem am 1. 10. 2009 in Kraft getretenen 2. Opferrechtsreformgesetz<br />

hat der deutsche Gesetzgeber<br />

klargestellt, dass der Zeuge die Videoaufzeichnung seiner<br />

Vernehmung nicht nur bei einer Vernehmung<br />

durch den Richter oder Staatsanwalt, sondern ebenso<br />

bei einer Vernehmung durch die Polizei dulden muss<br />

(§ 163 Abs 3 Satz 1 StPO). 24) Weil der Zeuge nach<br />

deutschem Recht bei polizeilichen Vernehmungen allerdings<br />

– im Gegensatz zu Vernehmungen beim Richter<br />

oder Staatsanwalt – keine Präsenz- oder Zeugenpflicht<br />

hat, ergibt sich für ihn rein faktisch die Möglichkeit,<br />

sich der Bild-Ton-Aufzeichnung bei der Polizei zu<br />

entziehen. Hat sich der Zeuge bei der Polizei allerdings<br />

mit der Bild-Ton-Aufzeichnung einverstanden erklärt,<br />

so gelten im weiteren Verfahren die Verwendungsregelungen<br />

ohne Einschränkung wie bei einer Videovernehmung<br />

durch den Richter oder Staatsanwalt. 25)<br />

2. Bei Personen, die im Zeitpunkt der Vernehmung<br />

jünger als 18 Jahre alt sind und durch die Straftat verletzt<br />

wurden, ist die Aufzeichnung der Vernehmung<br />

auf Bild-Ton-Träger nicht nur nach dem Ermessen<br />

des Vernehmungsbeamten möglich, sondern eine<br />

Soll-Vorschrift gibt vor, dass sie hier regelmäßig geboten<br />

ist (§ 58 a Abs 1 Satz 2 Nr 1 StPO). Die Ermessensausübung<br />

des Vernehmungsbeamten kann also in Richtung<br />

eines „Muss“ gebunden sein. 26) Dasselbe gilt bei<br />

der Vernehmung von Zeugen, die in der Hauptverhandlung<br />

voraussichtlich nicht zur Verfügung stehen,<br />

wenn die Aufzeichnung der Aussage zur Erforschung<br />

der Wahrheit erforderlich ist (§ 58 a Abs 1 Satz 2<br />

Nr 2 StPO).<br />

Die Art des begangenen Delikts oder die Schwere<br />

der erlittenen Verletzung ist an sich unbeachtlich. Allerdings<br />

sind Verhältnismäßigkeitserwägungen anzu-<br />

18) BGHSt 34, 39, 52; Kurth, NJW 78, 2484 FN 40.<br />

19) Befürwortend wohl: Meyer-Goßner/Lutz, aaO § 163 Rn 42. Ablehnend:<br />

Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg (Hrsg), StPO 26 (2008)<br />

§ 58 a Rn 10.<br />

20) Leitner, 45.<br />

21) Leitner, 45.<br />

22) Karlsruher Kommentar zur StPO 6 /Senge (2008) § 58 a Rn 8;<br />

SK-StPO 4 /Rogall (<strong>2013</strong>) § 58 a Rn 8.<br />

23) BT-Drs 13/7165, 6; Leitner, 48.<br />

24) BT-Drs 16/12098, 27.<br />

25) SK-StPO 4 /Rogall (<strong>2013</strong>) § 58 a Rn 3; Leitner, 49.<br />

26) BGH NStZ-RR 20<strong>04</strong>, 336.<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>04</strong><br />

Videodokumentation im Strafverfahren<br />

Autor: Ministerialdirigent Achim Brauneisen, Baden-Württemberg<br />

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