08.06.2014 Aufrufe

AnwBl_2013-04_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

AnwBl_2013-04_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

AnwBl_2013-04_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Editorial<br />

Amtsgeheimnis versus Transparenz –<br />

Der Versuch einer Mediation<br />

Die Anwaltschaft begrüßt die aktuell geführte Diskussion<br />

um das Amtsgeheimnis. Die Anwaltschaft ist<br />

aber auch berufen, Rechte von Bürgern zu schützen.<br />

Dazu gehört auch, zu gewährleisten, dass hoheitliches<br />

Handeln ohne ungerechtfertigte Beeinflussung erfolgt,<br />

insbesondere im Strafverfahren. Eines muss klar sein:<br />

Das Amtsgeheimnis hat ausschließlich die Rechte der<br />

Bürger zu schützen und nicht amtliches Tun oder Unterlassen<br />

vor der Öffentlichkeit zu verschleiern. Das Amtsgeheimnis<br />

ist nicht dazu erdacht worden, um einen Behördenstaat<br />

zu konstruieren, sondern ausschließlich um<br />

den Rechtsstaat zu erhalten und zu fördern.<br />

Dass das Amtsgeheimnis in seiner aktuellen Fassung<br />

rechtsstaatliches Handeln behindern könnte, ist für den<br />

Bereich des Strafverfahrens generell nicht zu erkennen.<br />

Zu erkennen ist hingegen der Umstand, dass in nahezu<br />

jedem, sogenannten glamourösen Verfahren Dinge an<br />

die Öffentlichkeit geraten, die dort nichts verloren haben.<br />

Der Geheimnisschutz von Akteninhalten im Strafverfahren<br />

gründet in dem sich aus der EMRK ergebenden<br />

Vorrang der Grund- und Freiheitsrechte – wie<br />

etwa auf Achtung des Privat- und des Familienlebens<br />

und der Wahrung der Unschuldsvermutung – gegenüber<br />

dem allgemeinen Informationsinteresse. Werden<br />

Akteninhalte aus strafrechtlichen Ermittlungsakten der<br />

Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so ist dies konventionswidrig.<br />

Das Ermittlungsverfahren ist kein öffentliches<br />

Verfahren. Derartige Informationsweitergabe ist<br />

vielmehr potenziell geeignet, das Ansehen des Beschuldigten<br />

trotz Unschuldsvermutung nachhaltig zu beschädigen<br />

und seine Verfahrensstellung zu erschweren.<br />

Die Veröffentlichung von Akteninhalten aus noch nicht<br />

abgeschlossenen Verfahren hat schon vielfach leichtfertig<br />

Karrieren und auch Existenzen vernichtet. Eine bedenkliche<br />

Tendenz, die bei einer Diskussion über das<br />

Amtsgeheimnis in jedem Fall zu berücksichtigen ist.<br />

So sehr die Öffentlichkeit des gerichtlichen Hauptverfahrens<br />

eine im demokratischen Rechtsstaat nie in Frage<br />

gestandene Selbstverständlichkeit darstellt, so wenig dürfen<br />

Auskünfte zu bloßen Zwischenergebnissen oder zu<br />

selektierten Aktenteilen zur Verletzung von Grundrechten<br />

der Bürger führen. Bei einer Reform des Amtsgeheimnisses<br />

ist, im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen,<br />

in denen das Amtsgeheimnis tatsächlich nicht zu<br />

rechtfertigen ist, daher gerade für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren<br />

ein besser funktionierender Schutz<br />

der Persönlichkeitsrechte zu gewährleisten als bisher.<br />

Das Streben nach Einblick in behördliches Handeln ist<br />

verständlich. Trotzdem muss klar sein, dass der Staat<br />

kraft seiner gesetzlichen Vorgaben eine Menge Daten<br />

über seine Bürger besitzt, die zu Recht und zwar zum<br />

Schutz seiner Bürger, einer Geheimhaltung unterliegen.<br />

Gerade in der aktuellen Diskussion müssen alle Beteiligten<br />

das aufrichtig Beste tun, um zu beweisen, dass es bei<br />

der Forderung nach mehr Transparenz um Verbesserungen<br />

im Interesse der Bürger geht und nicht um die Schaffung<br />

einer Möglichkeit, Wissen zu erlangen, das zum<br />

Schaden Einzelner verwendet werden kann.<br />

Medien haben hierbei eine besondere Verantwortung.<br />

Wenngleich für jede demokratische Willensbildung eine<br />

ausreichende Information unabdingbar ist, bedarf es zur<br />

Führung rechtsstaatlicher Verfahren einer Willensbildung<br />

der Allgemeinheit nicht, deren Informationsanspruch<br />

jedenfalls kein den Persönlichkeitsrechten des<br />

Einzelnen vorrangiges Grundrecht darstellt. Der einmal<br />

beschädigte Ruf kann erfahrungsgemäß kaum wieder<br />

vollständig hergestellt werden, auch wenn sich die aus<br />

Amtsakten vorschnell gezogenen Schlussfolgerungen<br />

letztlich als unhaltbar erweisen.<br />

Die österreichischen Rechtsanwälte werden überschießende<br />

Beschränkungen des Amtsgeheimnisses, die nicht<br />

im Interesse der von ihnen vertretenen Bürger sind, jedenfalls<br />

nicht akzeptieren, zumal schon Art 17 EMRK<br />

Beschränkungen der garantierten Bürgerrechte und Freiheiten<br />

nur ausnahmsweise zulässt. In diesem Sinne wird<br />

der Gesetzgeber bei jeder Neuregelung des Amtsgeheimnisses<br />

das Verhältnismäßigkeitsgebot und den Nutzen für<br />

die Zivilgesellschaft zu beachten und Vorkehrungen zu<br />

treffen haben, welche den Missbrauch von schützenswerten<br />

Informationen über Einzelne verhindern.<br />

Die Anwaltschaft wird sich in die aktuelle Diskussion<br />

um das Amtsgeheimnis einbringen, um dafür Sorge zu<br />

tragen, dass dem Staat da und dort der Staub aus der Jacke<br />

geklopft wird, nicht aber den Bürgern ihre Grund- und<br />

Freiheitsrechte genommen werden. Ein Gutes hat die<br />

Diskussion in jedem Fall: Sie ruft mahnend in Erinnerung,<br />

dass das Amtsgeheimnis ausschließlich die Bürger<br />

und ihre Rechte zu schützen hat und nicht die Ämter!<br />

VP Dr. Josef Weixelbaum<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>04</strong><br />

181

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!