AnwBl_2013-04_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...
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Strafrechtskommission 2012<br />
Grundsätze der Strafverteidigung –<br />
Gibt es Verbesserungsbedarf?<br />
VonRAMag.RenéHaumer,LL.M.,Linz.Der Autor ist Rechtsanwalt in Linz und Partner der Rechtsanwaltskanzlei Haslinger/Nagele<br />
& Partner Rechtsanwälte GmbH sowie Mitglied der Vereinigung <strong>Österreichischer</strong> StrafverteidigerInnen<br />
<strong>2013</strong>, 2<strong>04</strong><br />
Der Arbeitskreis Berufsrecht und die Arbeitsgruppe Strafrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages<br />
habensichimJahr2007auf13„Grundsätze der Strafverteidigung“ verständigt. Diese Grundsätze sollen – so die<br />
beiden Arbeitskreise – Kolleginnen und Kollegen eine Orientierungshilfe zur Verfügung stellen und Position zu<br />
umstrittenen Fragen beziehen, ohne dass dabei neue standesrechtliche Normen geschaffen werden.<br />
I. Vorbemerkungen<br />
Bereits vor 20 Jahren veröffentlichte der Strafrechtsausschuss<br />
der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer<br />
mit den „Thesen zur Strafverteidigung“ ein Grundsatzwerk,<br />
in dem Funktion und Rechtsstellung des Verteidigers/der<br />
Verteidigerin anhand einzelner Felder, Aktivitäten<br />
und Beziehungen verteidigender Tätigkeit in 64<br />
Leitsätzen beschrieben wurden. 1) Der Strafrechtsausschuss<br />
verstand diese „Thesen zur Strafverteidigung“ weder<br />
als berufsrechtliche Vorschriften noch als Ersatz für<br />
die „Grundsätze des Standesrechts“ und auch nicht als<br />
eine Art „Knigge“ des Strafverteidigers. Sie sollten eine<br />
Orientierungshilfe ohne Rechtsqualität sein, vor typischen<br />
Gefahren der Berufspraxis warnen und an die<br />
rechtliche Sensibilität und Aufmerksamkeit appellieren.<br />
2) Die „Thesen“ sollten aber auch einen Beitrag<br />
zur Diskussion über Grundlagen und Einzelausgestaltung<br />
einer „modernen“ Strafverteidigung liefern. 3)<br />
Sowohl die „Grundsätze der Strafverteidigung“ wie<br />
auch die „Thesen zur Strafverteidigung“ stellen somit<br />
eine einfach handhabbare Gebrauchsanweisung für<br />
die – konfliktbereite – Verteidigung dar. 4) Sie sind darüber<br />
hinaus aber auch Postulate, die zu umstrittenen<br />
Fragen der Strafverteidigung Diskussionen auslösen<br />
und ein kritisches Überdenken tradierter Auffassungen<br />
fördern wollen. 5)<br />
Wenn man nach einer generellen Beschreibung des<br />
hinter den „Grundsätzen“/„Thesen“ stehenden Strafverteidigerbildes<br />
sucht, so wird eine Grundhaltung deutlich,<br />
die Prof. Dr. Peter Rieß in seinem Geleitwort zu<br />
den „Thesen der Strafverteidigung“ der Bundesrechtsanwaltskammer<br />
– zu Recht – mit „Seriosität“ und „Professionalität“<br />
charakterisiert hat. 6) Diese beiden Eigenschaften<br />
bilden die Grundpfeiler, die das Vertrauen<br />
der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit und Integrität<br />
der Strafverteidigung aufrechterhalten.<br />
Als Rechtsanwalt ist der Verteidiger berufsrechtlich<br />
zur Seriosität verpflichtet. Er hat durch Redlichkeit<br />
und Ehrenhaftigkeit in seinem Verhalten die Ehre<br />
und die Würde des Standes zu wahren (§ 10 Abs 2<br />
RAO) und darf nur solche Mittel anwenden, die mit<br />
Gesetz, Anstand und Sitte vereinbar sind (§ 2 Satz 2<br />
der RL-BA). Für sonst zur gesetzlichen Vertretung in<br />
Strafverfahren berechtigte Personen oder Personen,<br />
die an einer inländischen Universität die Lehrbefugnis<br />
für Strafrecht und Strafprozessrecht erworben haben,<br />
gibt es keine solche Verhaltensvorgabe. Wohl ist aber<br />
jeder Verteidiger verpflichtet, die Interessen des Mandanten<br />
bestmöglich zu wahren (§ 9 Abs 1 RAO;<br />
§ 1009 ABGB).<br />
II. Problemstellung<br />
Aufgabe des heutigen Impulsreferats war es, die von<br />
den Arbeitskreisen Berufsrecht und Strafrecht des Österreichischen<br />
Rechtsanwaltskammertages verabschiedeten<br />
„Grundsätze zur Strafverteidigung“ einer kritischen<br />
Würdigung zu unterziehen. 7) Die hinter diesen<br />
Grundsätzen stehenden Problemfelder weisen aber<br />
eine solche Tiefe auf, dass der Versuch, sie auf einen<br />
allfälligen Verbesserungsbedarf hin zu untersuchen<br />
und die Ergebnisse in einem Vortrag von 20 bis<br />
30 Min darzustellen, schon von vornherein zum Scheitern<br />
verurteilt war.<br />
Ich habe daher versucht, nachfolgende zwei Themenkreise<br />
herauszugreifen, die im Spannungsfeld<br />
zum Anspruch der Verteidigung auf Professionalität<br />
und Seriosität stehen und habe untersucht, inwiefern<br />
sich daraus insofern ein Verbesserungsbedarf ergibt:<br />
„Interessenkollisionen/Doppelvertretung“<br />
„Missbrauch prozessualer Rechte“.<br />
1) Vgl Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK),<br />
Thesen zur Strafverteidigung, BRAK-Schriftenreihe VIII (1992).<br />
2) Vgl ders, Thesen, BRAK-Schriftenreihe VIII 21.<br />
3) Vgl ders, Thesen zur Strafverteidigung, BRAK-Schriftenreihe VIII 22.<br />
4) Vgl Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreis Berufsrecht des Österreichischen<br />
Rechtsanwaltskammertages, Grundsätze, <strong>AnwBl</strong> 2007,<br />
183 ff (183).<br />
5) Vgl Rieß, aaO.<br />
6) Vgl Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK),<br />
Thesen zur Strafverteidigung, BRAK-Schriftenreihe VIII (1992).<br />
7) Hingewiesen sei darauf, dass diese Grundsätze Gesamtrevision unterzogen<br />
werden.<br />
2<strong>04</strong><br />
Grundsätze der Strafverteidigung – Gibt es Verbesserungsbedarf?<br />
Autor: RA Mag. René Haumer, LL. M., Linz<br />
Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>04</strong>