Stephan Peter - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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um lancierte das Londoner Genossenschaftsförderungsgremium (LCEB) mit dem Zweck, die Bedürfnisse<br />
lokaler und regionaler Genossenschaften zu prüfen und zu unterstützen“ (<strong>Peter</strong>, <strong>Stephan</strong>. „Wirtschaftsdemokratie-europäische<br />
und amerikanische Praxisbeispiele“ 2010, S. 17). Das Experiment unter Bürgermeister<br />
Ken Livingstone wurde ein „Cause célèbre“ progressiver regionaler Strukturpolitik.<br />
4. „Von 1910 an, und beschleunigt mit der Gründung des jüdischen Staates 1948 kam es zur Entstehung<br />
verschiedener Wellen von Kibbuzim und ähnlicher, genossenschaftlich organisierter, landwirtschaftlicher<br />
Siedlungen. Heute existieren ungefähr 770 solcher Siedlungen mit bis zu 1.700 Bewohnern“ (<strong>Peter</strong>, <strong>Stephan</strong>.<br />
„Wirtschaftsdemokratie-europäische und amerikanische Praxisbeispiele“ 2010, S. 13, 15). Nach<br />
zwei Jahrzehnten der Krise und abnehmender Mitgliederzahlen nimmt in jüngerer Zeit das Interesse an<br />
der Kibbuzidee wieder zu, wobei auch das Selbstverständnis des Kibbuz eine Modifizierung erfährt.<br />
5. In der italienischen Region „Emilia Romagna“ kam es in den späten 1960er und dann wieder 1977 zur<br />
Gründung Dutzender Kooperativen durch junge Leute. Das „rote Bologna“ wurde als ein Zentrum der<br />
progressiven italienischen Genossenschaftsbewegung bekannt.<br />
Wie buchstabiert man „Erfolg“, wenn man an diese Geschichte denkt? Wurden Arbeitsplätze gerettet,<br />
zeitweise gerettet, das Selbstbewusstsein der Akteure gestärkt, die sich im Geiste Martin Luther King‘s<br />
sagen können „I Am A Man“, sind es Bausteine einer progressiven regionalen Strukturpolitik, wurde ein<br />
Beitrag zur Demokratisierung der Wirtschaft geleistet und selbst im Scheitern zumindest die Erinnerung<br />
an Transformation als Geschichte weitergeschrieben? Positiv gewendet lösen sich diese Fragen „in der<br />
Frage auf, ob eine gesellschaftliche Infrastruktur geschaffen werden kann, die die Lösung der zentralen<br />
und sich konkret stellenden Probleme erlaubt und sie auch gesellschaftlich absichert“ (Bierbaum, Heinz,<br />
Riege, Marlo. „Selbsthilfe, Genossenschaften, Vergesellschaftung“, VSA 1989, S. 57).<br />
1.3 SOZIALWISSENSCHAFTLICHE ANSÄTZE ZU PARTIZIPATIVER WIRTSCHAFTSDEMOKRATIE<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
Es gibt in Deutschland eine lange Debatte zu Formen partizipativer „grass-roots“ Demokratie in Wirtschaft<br />
und Arbeitsleben. Im Rückblick muss man eingestehen, dass sie im Gegensatz zum angelsächsischen<br />
Raum mit seiner Betonung von „community“ und lokaler Kontrolle oder zum Meidner Plan der<br />
1970er Jahre in Schweden in Deutschland überwiegend auf die programmatische Ebene beschränkt<br />
blieb. Nachhaltig durchsetzen in der Politik konnte sie sich nicht.<br />
In den 1920er Jahren setzt sich der Soziologe Eugen Rosenstock-Huessy mit der durch Fordismus und<br />
Taylorismus zunehmend fragmentierten industriellen Arbeitsorganisation auseinander. In seinem Buch<br />
„Werkstattaussiedlung“ empfiehlt er eine Auslagerung von Betriebseinheiten und eine gewisse Autonomie<br />
dieser dezentralisierten Arbeitseinheiten.<br />
In den 1970er Jahren wird der sogenannte sozial-technische Ansatz des britischen Tavistock Instituts<br />
rezipiert. Dieser Ansatz geht davon aus, dass betriebliche Technik und Arbeitsorganisation in verschiedener<br />
Weise miteinander verbunden werden können. So würden teilautonome Gruppenarbeit und eine<br />
Ausweitung und Bereicherung von Arbeitsinhalten möglich. Die sozialwissenschaftliche Diskussion beeinflusst<br />
das Forschungsprogramm „Humanisierung der Arbeit“, welches die deutsche Bundesregierung<br />
seit 1974 entwickelt.<br />
Mitte der 1970er Jahre formiert sich eine sogenannte „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ aus<br />
kritischen Wirtschaftswissenschaftlern und Gewerkschaftern. Die Gruppe, auch Memo-Gruppe genannt,<br />
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