Stephan Peter - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Vorwort<br />
Wer in dieser Zeit des Finanzkapitalismus von Demokratie redet, muss den Alltag im Blick haben. Dort übt<br />
sich Demokratie ein. Am Arbeitsplatz, in der Beschäftigung, der die Bürger Tag für Tag nachgehen, entscheidet<br />
sich, ob Hierarchien und Kontrolle Apathie und Zynismus verbreiten. Oder ob die Einsicht wachsen<br />
darf, dass der Mensch zählt, gebraucht wird und mitentscheiden kann. Wer von Demokratie redet,<br />
kann zur Wirtschaftsdemokratie nicht schweigen. Und wo Wirtschaftsdemokratie eine Chance hat, wird<br />
sich das Know-how für politische Teilhabe verbessern. Der Bürger wird zum „citoyen“, einem kritischen<br />
und engagierten Menschen, der von Demokratie als Lebensform nicht mehr zu trennen ist. Manchem<br />
mag diese optimistische Einschätzung zu weit gehen. Doch auch der Skeptiker wird zustimmen, dass<br />
gerade die Demokratie die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Menschen das Richtige tun. Churchill hat es<br />
richtig erfasst: „die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, abgesehen von all den anderen<br />
Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind“.<br />
Von dem französischen Romanautor Honoré de Balzac stammt der Satz: „Hinter jedem großen Vermögen<br />
steht ein großes Verbrechen“. Die entfesselten Finanzmärkte haben die Schere zwischen arm und reich<br />
dramatisch geöffnet, bei uns und anderswo. Die Superreichen werden noch reicher, die Mittelschicht<br />
stagniert und die Armen werden ärmer. Diese Kluft raubt einer immer größeren Zahl von Menschen nicht<br />
nur Lebenschancen, sondern sie unterminiert letztlich die Demokratie. Deshalb brauchen wir jetzt endlich<br />
die Wirtschaftsdemokratie. Gerade Parteien, die von sich behaupten, progressiv zu sein, müssen sich<br />
dieser Herausforderung stellen. Sonst hätten sie vergessen, weshalb sie gegründet wurden.<br />
Wirtschaftsdemokratie ist ein Traditionsbegriff, den es zu entstauben gilt. Heute meint er ganz Verschiedenes.<br />
Zum einen den aktiven Staat in Politik und Wirtschaft. Zum anderen, vor allem hier in Deutschland,<br />
die Mitbestimmung im Betrieb und Unternehmen. Das schließt Mitarbeiterbeteiligung und Belegschaftseigentum<br />
ein. Denn es ist die Belegschaft, die ein vorrangiges Interesse an Arbeitsplatz- und<br />
Standortsicherung hat. Schließlich gehört genossenschaftliches, staatliches und gemeinwirtschaftliches<br />
Eigentum an Unternehmen und Banken dazu. Gerade die Genossenschaften verdienen es, dass sie heute<br />
wieder in Erinnerung gerufen werden. Heute erfahren sie in der Form von Wohnungs- und erneuerbaren<br />
Energiegenossenschaften, als Interessen- und Wertegemeinschaften eine Renaissance.<br />
Das Thema Wirtschaftsdemokratie bedarf der Verstetigung, um wieder wahrgenommen zu werden.<br />
Ich begrüße deshalb die Regionalstudie der <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> <strong>Stiftung</strong> Saarland/<strong>Peter</strong> Imandt Gesellschaft.<br />
Sie ist ein wichtiger Teil von Erinnerungsarbeit, eine Bestandsaufnahme dessen, was war, was<br />
ist und gibt einen Ausblick auf das, was sein kann. Es werden deutsche und europäische Praxisbeispiele<br />
der Wirtschaftsdemokratie reflektiert. Vor allem aber beschäftigt sich die Studie ausführlich mit der<br />
Wirtschaftsdemokratie im Saarland gestern und heute. Das ist ein Stück Pionierarbeit, denn zu dieser<br />
Zukunftsperspektive gibt es zurzeit wenig Vergleichbares. Wichtig sind die konkreten Vorschläge gegen<br />
Ende der Studie zur gesellschaftlichen, also institutionellen und wissenschaftlichen Infrastruktur, die der<br />
Wirtschaftsdemokratie im Saarland den Boden bereiten können. Die Diskussion um sie ist unentbehrlich<br />
für jeden, der an einer nachhaltigen Verbreitung dieses zentralen Themas der saarländischen und deutschen<br />
Linken interessiert ist.<br />
Oskar Lafontaine<br />
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