Matrix3000 History: Was wäre wenn... die Geschichte anders wäre? (Sonderheft) (Vorschau)
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Direkt unter der Kuppel<br />
der St.Pauls-Kathedrale<br />
in London befindet sich<br />
<strong>die</strong> berühmte Whispering<br />
Gallery.<br />
<strong>die</strong> Vögel in der Luft tanzen. David<br />
Lubman hat das Vogelgeräusch auf<br />
den Stufen der Pyramide unzählige<br />
Male reproduzieren können, bis seine<br />
Hände ganz rot vom Klatschen waren.<br />
Und doch fanden seine Interpretationen<br />
anfangs bei den Archäologen nur<br />
wenig Anklang.<br />
Dann jedoch gelang es Lubman,<br />
seinen Kritikern den Wind aus den<br />
Segeln zu nehmen. So hatte man ihm<br />
etwa vorgeworfen, der Effekt sei erst<br />
durch <strong>die</strong> Rekonstruktion der Treppen<br />
entstanden und hätte daher den Mayas<br />
gar nicht bekannt sein können. Mittlerweile<br />
hat Lubman das Geräusch<br />
jedoch auch bei nicht rekonstruierten<br />
Stufen reproduzieren können.<br />
Auch an anderen Orten in Chichén<br />
Itzá konnte Lubman Beispiele von<br />
akustischer Architektur entdecken.<br />
So erzeugt ein Händeklatschen in der<br />
Mitte des rituellen Ballspielplatzes ein<br />
Echo, das dem Gebrüll eines Jaguars<br />
ähnelt. Auch <strong>die</strong>ses Tier war den Mayas<br />
heilig, wie zahlreiche erhaltene<br />
Statuen beweisen. Lubman fand sogar<br />
eine Flüstergalerie,<br />
mit deren Hilfe<br />
es möglich war, zwischen<br />
zwei Tempeln<br />
miteinander zu kommunizieren.<br />
Auf der „Whispering<br />
Gallery“<br />
Derartige Flüstergalerien<br />
sind<br />
auch aus der europäischen<br />
Architektur<br />
bekannt.<br />
Das berühmteste<br />
Beispiel ist <strong>die</strong><br />
„Whispering Gallery“ in der St. Paul’s<br />
Cathedral in London. In <strong>die</strong>ser bedeutenden<br />
Londoner Kirche, deren<br />
heutiger Bau aus dem Anfang des 18.<br />
Jahrhundert stammt (der Vorgängerbau<br />
war beim großen Brand von London<br />
1666 abgebrannt), sind zahlreiche<br />
berühmte Briten beigesetzt, darunter<br />
Lord Nelson. Prince Charles und Lady<br />
Diana wurden in St. Paul’s getraut.<br />
Die direkt unter der Kuppel liegende<br />
Galerie hat eine seltsame Eigenschaft:<br />
Wenn man sich der Wand<br />
zuwendet und flüsternd spricht, kann<br />
man das auf der gegenüberliegenden<br />
Seite hören, in 34 Metern Entfernung!<br />
Das Geheimnis ist reine Physik:<br />
Durch <strong>die</strong> gebogenen Wände wird<br />
der Schall auf <strong>die</strong> Gegenseite reflektiert,<br />
und da <strong>die</strong> Wand dort ebenfalls<br />
gebogen ist, fokussiert sie den Schall<br />
wie ein Hohlspiegel das Licht. Ob der<br />
Baumeister der Kathedrale, Sir Christopher<br />
Wren, das beabsichtigt hatte?<br />
Konkret ist dazu nichts überliefert,<br />
doch da er Freimaurer war, verfügte<br />
er sicherlich über altes Wissen, das<br />
heute nicht mehr allgemein bekannt<br />
ist.<br />
Ähnliche Effekte sind bekannt<br />
aus der Kuppel im Capitol in<br />
<strong>Was</strong>hington oder dem Wandelgang<br />
des Maurischen Gartens<br />
der Wilhelma, der historischen<br />
Schlossanlage in Stuttgart. Am Untermarkt<br />
in Görlitz befindet sich das<br />
spätgotische „Flüsterportal“ und in<br />
den Kerkern von Syrakus auf Sizilien<br />
das „Ohr des Dionysios“. In der<br />
Bibliothek des Klosters von Sagan<br />
in Polen nützt es nichts, <strong>die</strong> Benutzer<br />
zu leisem Reden aufzufordern.<br />
Selbst geflüsterte Gespräche können<br />
kreuz und quer durch <strong>die</strong> Bibliothek<br />
gehört werden.<br />
Stellt man sich dagegen auf den<br />
„Stein des Mittelpunkts der Erde“<br />
auf dem Gelände des Himmelstempels<br />
in Peking, so wird jede Stimme<br />
zum volltönenden Organ eines ausgebildeten<br />
Schauspielers verstärkt.<br />
Das ist um so erstaunlicher, als sich<br />
<strong>die</strong> Plattform im Freien befindet.<br />
Und damit <strong>wäre</strong>n wir wieder<br />
beim Theater gelandet. Akustik<br />
<strong>die</strong>nte, wie wir gesehen haben, zu<br />
allen Zeiten zu mehr als nur dazu,<br />
dass jeder alles gut hören soll. Akustische<br />
Tricks wurden zu kultischen<br />
Zwecken, zur Bewusstseinserweiterung<br />
oder sogar<br />
zur Manipulation der Bevölkerung<br />
verwendet – oder auch<br />
nur zum Spaß. Möglicherweise<br />
sogar zur Informationsspeicherung?<br />
Ein jahrtausendealtes<br />
Wissen, das wir Europäer erst<br />
seit kurzer Zeit wiederentdeckt<br />
haben. ▀<br />
Quelle: Fosar/Bludorf:<br />
Der Denver-Plan. Peiting 2014.<br />
10<br />
MATRIX 3000 <strong>History</strong><br />
Stein des Mittelpunkts der<br />
Erde, Himmelstempel,<br />
Peking