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Matrix3000 History: Was wäre wenn... die Geschichte anders wäre? (Sonderheft) (Vorschau)

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könnte. Eine Nierenkrankheit – der<br />

Favorit von Aloys Greither – schloss<br />

<strong>die</strong> Internistin aus.<br />

Diese nachvollziehbare Ferndiagnose<br />

blieb weder <strong>die</strong> einzige noch<br />

<strong>die</strong> letzte, <strong>die</strong> es zum Tode des Publikumslieblings<br />

gibt. 2010 veröffentlichte<br />

ein Forscherteam um Richard<br />

Zegers (Amsterdam) in einer Stu<strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Meinung, Mozart sei an einer viralen<br />

Halsentzündung gestorben.<br />

Auch hierfür werden Streptokokken<br />

verantwortlich gemacht. Diese hätten<br />

auch eine Nierenerkrankung verursacht,<br />

<strong>die</strong> wiederum hätte Mozarts<br />

Körper so anschwellen lassen, dass<br />

er sich zuletzt nicht einmal mehr im<br />

Bett umdrehen konnte. Zegers hatte<br />

für seine Diagnose immerhin <strong>die</strong><br />

Leichenschau-Protokolle der Stadt<br />

Wien ausgewertet. Im selben Winter<br />

wie Mozart, so fand Richard Zegers<br />

heraus, starben 27 jüngere Männer<br />

an Ödemen (Schwellungen aufgrund<br />

von Flüssigkeitsanlagerungen, wie sie<br />

Mozart hatte). Der Arzt schließt aus<br />

<strong>die</strong>sen Hinweisen auf<br />

eine Streptokokken-<br />

Epidemie.<br />

„Darum lasst uns<br />

Menschen sein“<br />

Der Film „Amadeus“<br />

zeigte Mozart als kieksendes<br />

Depperl, durch<br />

das göttliche Musik<br />

gleichsam hindurch<br />

floss wie durch ein leeres<br />

Gefäß. „Channeling“<br />

nennt man <strong>die</strong>ses<br />

Phänomen wohl heute.<br />

War Mozart ein musikalisches<br />

Medium, seiner<br />

Inspiration eigentlich<br />

unwürdig? Dieses<br />

Bild ist wohl hollywoodesk<br />

verzerrt und teilweise<br />

dem berüchtigten<br />

Fäkalhumor in den<br />

„Bäsle-Briefen“ geschuldet.<br />

Mozart war<br />

sehr wohl zu ernsthaften<br />

Gedanken fähig<br />

wie einige bewegende<br />

Äußerungen in seinen<br />

Briefen zeigen. Z.B.<br />

<strong>die</strong>se: „Da der Tod der<br />

wahre Endzweck unseres<br />

Lebens ist, so habe<br />

ich mich mit <strong>die</strong>sem<br />

wahren, besten Freund<br />

des Menschen so bekannt<br />

gemacht, dass sein Bild allein<br />

nichts Schreckliches mehr für mich<br />

hat.“ Freilich hatte der Jahrtausend-<br />

Musiker auch irdische, banale Züge.<br />

Dies ist jedoch eine Binsenweisheit,<br />

<strong>die</strong> seiner Größe keinen Abbruch tut.<br />

„Den Himmel zu erringen ist etwas<br />

Herrliches und Erhabenes, aber<br />

auch auf der lieben Erde ist es unvergleichlich<br />

schön. Darum lasst uns<br />

Menschen sein“. Ist <strong>die</strong>s Oberflächlichkeit,<br />

oder nicht vielmehr Tiefe?<br />

Mein Klavierlehrer, ein großer<br />

Mozart-Verehrer, sagte einmal, der<br />

Komponist habe seine Opernfiguren<br />

in einer ähnlichen Weise betrachtet,<br />

wie Gott seine Geschöpfe: menschliche<br />

Schwächen hellsichtig aufdekkend,<br />

um sie im selben Atemzug<br />

zu vergeben. Nicht wenige Charaktermerkmale<br />

des Künstlers deuten<br />

darauf hin, dass seine Meisterschaft<br />

keine „Sumpfblüte“ war; vielmehr<br />

wuchs sie auf dem soliden Boden<br />

einer ganzheitlich reifen Persönlichkeit.<br />

Mozart war vielseitig gebildet<br />

Wollen wir nur nicht wahrhaben,<br />

dass uns durch einen dummen<br />

körperlichen Zufall<br />

(eine Virus-Infektion) Mozarts<br />

Spätwerk geraubt wurde?<br />

und vertrat im Rahmen dessen, was<br />

in der Ständegesellschaft möglich<br />

war, einen aufklärerischen Standpunkt.<br />

Er reagierte auf <strong>die</strong> Anmaßung<br />

des Adels, seine Schöpferkraft<br />

nach seinen Interessen zu lenken,<br />

teilweise mit widerständigem Stolz.<br />

„Figaros Hochzeit“ nach dem berüchtigten<br />

Stück von Beaumarchais<br />

war eine Provokation, selbst <strong>wenn</strong><br />

der berühmteste Satz daraus – „Sie,<br />

gnädiger Herr, haben sich <strong>die</strong> Mühe<br />

gemacht, geboren zu werden und<br />

weiter nichts“ – in der Oper fehlte.<br />

Wollen wir nur einfach nicht<br />

wahrhaben, dass uns durch<br />

einen dummen körperlichen<br />

Zufall (etwa eine Virus-Infektion)<br />

Mozarts Spätwerk geraubt wurde –<br />

Werke von vermutlich unfassbarer<br />

Schönheit und Qualität? Hinter dem<br />

Spruch „Nur <strong>die</strong> Besten sterben<br />

jung“ steht zumindest eine Teilwahrheit.<br />

Mozart lebte und komponierte<br />

in einer für Außenstehenden unbegreiflichen<br />

Geschwindigkeit.<br />

Zudem war er<br />

„beruflich“ schon als<br />

kleiner Junge erwachsen.<br />

Schon mit 12 Jahren<br />

hatte er drei Opern,<br />

sechs Symphonien und<br />

hunderte anderer Werke<br />

komponiert. War<br />

es nicht naheliegend,<br />

dass er, der so viel<br />

Leben, so viel Schöpferkraft<br />

in so wenige<br />

Jahre gepresst hatte,<br />

früher ausbrannte als<br />

Andere? Viele versuchen<br />

sich den frühen<br />

Tod des Genies mit<br />

solchen Überlegungen<br />

jedenfalls wohl leichter<br />

zu machen. „Requiem<br />

aeternam dona eis.“<br />

Ruhe auch du in Frieden,<br />

Wolferl. Deine Musik<br />

ist eh unsterblich. ▀<br />

W. A. Mozart im<br />

Alter von 21 mit<br />

dem Orden vom<br />

Goldenen Sporn<br />

<strong>History</strong> MATRIX 3000 55

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