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Magazin als PDF - Universitätsklinikum Leipzig

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POLITIK I WIRTSCHAFT 11<br />

Ausgabe 25 / 10. Dezember 2010<br />

Gesundheit und mehr...<br />

GESETZGEBUNG<br />

Wulff reicht heißes Eisen Atomkraft nach Karlsruhe weiter<br />

Kurz vor der historischen<br />

Entscheidung für die<br />

deutsche Energiepolitik<br />

gab sich Christian Wulff ziemlich<br />

entspannt. Am Nachmittag<br />

des 8. Dezember plauderte<br />

er mit Studenten der Berliner<br />

Kunsthochschule UdK. Interessiert<br />

schaute er sich eine Probe<br />

von angehenden Schauspielern<br />

an, die das Leben von Unternehmensberatern<br />

auf die Bühne<br />

brachten. Eine gute halbe<br />

Stunde später dominierte dann<br />

das Staatsoberhaupt selbst die<br />

politische Bühne in der Hauptstadt.<br />

Um 17.02 Uhr gab der Bundespräsident<br />

in einer nüchtern<br />

formulierten Erklärung grünes<br />

Licht für die längeren Atomlaufzeiten,<br />

die Atomsteuer, den<br />

Milliardenfonds zum Ausbau<br />

der Öko-Energie und das Energiekonzept<br />

der Bundesregierung.<br />

Während auf den Fluren<br />

im Kanzleramt und in den Vorstandsetagen<br />

der Stromriesen<br />

Eon, RWE, EnBW und Vattenfall<br />

wohl die Sektkorken geknallt<br />

haben, dürften sich die<br />

Atomgegner verständnislos die<br />

Haare raufen.<br />

Bis zuletzt hatten Umweltschützer,<br />

Opposition und Stadtwerke<br />

darauf gesetzt, dass Wulff die<br />

schwarz-gelben Atomgesetze<br />

doch nicht absegnet. Über<br />

127 000 Menschen stellten sich<br />

mit einem Online-Appell unter<br />

dem Motto „Wulff tu’s nicht“<br />

hinter die Forderung, „einen<br />

kalkulierten Verfassungsbruch<br />

zu stoppen“.<br />

Die Verschwörungstheorien<br />

gingen in die Richtung, dass<br />

der frühere CDU-Regierungschef<br />

in Hannover sich mit einer<br />

Ablehnung wirkungsvoll von<br />

Kanzlerin Angela Merkel hätte<br />

absetzen können, die ihn mit<br />

ins höchste Staatsamt gehievt<br />

hatte. Ein Fünkchen Hoffnung<br />

fanden die Atomkraftgegner<br />

auch darin, dass in Wulffs Regierungszeit<br />

in Niedersachsen<br />

sein Sprecher eine Zustimmung<br />

des Bundesrates für erforderlich<br />

hielt.<br />

Auch war von vielen erwartet<br />

worden, dass Wulff noch länger<br />

die heikle Angelegenheit prüfen<br />

würde, ob der Bundesrat das<br />

Atompaket mit den längeren<br />

Laufzeiten nur abnicken durfte<br />

und ob er nicht die Möglichkeit<br />

hätte bekommen müssen,<br />

es komplett zu stoppen. Die<br />

Länder sind für die Atomaufsicht<br />

zuständig. Auch millionenschwere<br />

Nachrüstungen<br />

der in die Jahre gekommenen<br />

Meiler müssen sie abnehmen.<br />

Die letzten der 17 AKW waren<br />

1988 ans Netz gegangen. Sie<br />

seien aber durch regelmäßige<br />

Revisionen auf dem modernsten<br />

Stand und gehörten weltweit zu<br />

den sichersten, argumentieren<br />

die Betreiber.<br />

Am 26. November hatte das<br />

Bundespräsident Christian Wulff hat die Gesetze der schwarz-gelben<br />

Regierung für längere Atomlaufzeiten unterschrieben. Foto: dpa<br />

Atompaket die Hürde Bundesrat<br />

genommen. Diese war aber von<br />

Schwarz-Gelb bewusst niedrig<br />

aufgestellt worden, weil Union<br />

und FDP nicht zustimmungspflichtige<br />

Gesetze ausformuliert<br />

hatten. Die Länderkammer<br />

hätte höchstens mit Mehrheit<br />

den Vermittlungsausschuss<br />

einschalten können, um das<br />

Inkrafttreten der Atomgesetze<br />

zum 1. Januar noch zu verhindern.<br />

Selbst in Unions-geführten<br />

Ländern gab es großen<br />

Unmut gegen die Atomsteuer,<br />

die große Lücken in die Kassen<br />

der Länder reißen könnte.<br />

Bis in die Morgenstunden<br />

feilschte seinerzeit Kanzlerin<br />

und CDU- Chefin Merkel mit ihren<br />

schwarzen Landesfürsten.<br />

Am Ende gaben die sich mit<br />

der Zusage zufrieden, dass sie<br />

möglicherweise einen Ausgleich<br />

erhalten werden. Der Bund will<br />

für die im Schnitt zwölf Jahre<br />

längeren Laufzeiten bis 2016<br />

von den Konzernen jährlich 2,3<br />

Milliarden Euro kassieren.<br />

Aber auch mit Wulffs Unterschrift<br />

haben die Atomkonzerne<br />

noch keine endgültige Planungssicherheit.<br />

Die SPD-geführten<br />

Länder haben die Klageschriften<br />

bereits fertig und müssen<br />

sie nur noch beim Verfassungsgericht<br />

in Karlsruhe einreichen.<br />

Fachleute erwarten, dass sich<br />

der Konflikt lange hinziehen<br />

könnte. Sollten die Richter am<br />

Ende die Atombeschlüsse kippen,<br />

wäre dies nun nicht mehr<br />

nur für Merkel, sondern auch<br />

für Wulff eine herbe Schlappe.<br />

Immerhin muss sich der Bundespräsident<br />

nun keine Gedanken<br />

mehr über das unmoralische<br />

Angebot von Charlotte<br />

Roche machen: Die Moderatorin<br />

und Buchautorin hatte Wulff<br />

medienwirksam offeriert, mit<br />

ihm ins Bett zu gehen, wenn er<br />

den „Atom-Deal“ nicht unterschreibt.<br />

Tim Braune<br />

DATENKLAU<br />

Wikileaks-Unterstützer machen mobil<br />

Nach der Verhaftung von<br />

Wikileaks-Chef Julian<br />

Assange gehen Hackergruppen<br />

massiv gegen seine<br />

Gegner vor. Cyber-Angriffe<br />

legten die Website des schwedischen<br />

Anwalts im Strafverfahren<br />

gegen Assange sowie<br />

Websites von Firmen lahm,<br />

die der Enthüllungsplattform<br />

die Zusammenarbeit aufgekündigt<br />

hatten. Derweil kündigte<br />

eine isländische Computerfirma<br />

Klage gegen das<br />

Kreditkarteninstitut Visa an.<br />

Assange hatte sich Anfang Dezember<br />

der Polizei in London<br />

gestellt, nachdem die schwedische<br />

Justiz ihn per europäischem<br />

Haftbefehl wegen des<br />

Vorwurfs der Vergewaltigung<br />

von zwei Frauen in Schweden<br />

gesucht hatte. Die Website der<br />

Kanzlei ihres Rechtsvertreters<br />

wurde nun Ziel von Hacker-<br />

Angriffen, wie der Anwalt der<br />

Frauen, Claes Borgström, in<br />

Stockholm sagte. Er beteuerte,<br />

das Vergewaltigungsverfahren<br />

Eine Demonstrantin protestiert vor dem Londoner Westminster-<br />

Gericht gegen die Inhaftierug von Julian Assange. Foto: AFP<br />

gegen Assange habe nichts mit<br />

den Wikileaks-Enthüllungen<br />

zu tun. Zuvor war bereits die<br />

Website der schwedischen<br />

Staatsanwaltschaft attackiert<br />

worden.<br />

Weiteres Ziel von Cyber-Attacken<br />

waren die Schweizer<br />

Postbank Postfinance, die<br />

Assanges Konto gesperrt<br />

hatte, sowie das US-Internet-<br />

Bezahlsystem Paypal, das<br />

nach der Veröffentlichung von<br />

Dokumenten des US-Außenministeriums<br />

durch Wikileaks<br />

dem Enthüllungsportal seine<br />

Dienste verwehrte. Eine Aktivistengruppe<br />

namens „AnonOps“<br />

teilte mit, sie habe auch<br />

die Website des Kreditkarteninstituts<br />

Mastercard lahmgelegt.<br />

Auch Mastercard und<br />

der Konkurrent Visa hatten<br />

alle Zahlungen an Wikileaks<br />

eingestellt. Wegen der Zahlungsblockade<br />

will die isländische<br />

Computerfirma DataCell<br />

jetzt den Kreditkartenriesen<br />

Visa verklagen, wie sie in einer<br />

Erklärung mitteilte.<br />

Ungeachtet der Verhaftung<br />

von Assange publizierte Wikileaks<br />

weiter geheime US-Dokumente.<br />

Wikileaks-Sprecher<br />

Kristinn Hrafnsson bekräftigte<br />

die Standfestigkeit des Enthüllungsport<strong>als</strong>:<br />

„Wir lassen uns keinen Maulkorb<br />

verpassen, weder durch<br />

rechtliche Schritte noch<br />

durch gemeinschaftliche Zensur.“<br />

Assange bekam seinerseits<br />

Unterstützung durch den<br />

britisch-australischen Staranwalt<br />

Geoffrey Robertson,<br />

der ihn vertreten will.<br />

In Deutschland stoßen die<br />

fortdauernden Enthüllungen<br />

durch Wikileaks derweil auf<br />

geteilte Meinungen. Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel<br />

(CDU) sagte in Berlin zu den<br />

wenig schmeichelhaften Beurteilungen<br />

deutscher Spitzenpolitiker<br />

in den US-Depeschen,<br />

dass ein großer Teil<br />

dessen, „das wir hier über<br />

uns in Deutschland erfahren<br />

haben, Bestandteil einer jeden<br />

besseren Party“ sei. Bundeswirtschaftsminister<br />

Rainer<br />

Brüderle (FDP) hielt nach<br />

Angaben einer Sprecherin an<br />

seinem Stasi-Vergleich fest.<br />

Brüderle hatte gesagt, Wikileaks’<br />

zwanghaftes Informationssammeln<br />

erinnere ihn an<br />

die ehemalige DDR-Staatssicherheit.<br />

AFP

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