02.11.2014 Aufrufe

Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann

Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann

Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Jan mischte sich ein und sagte: „Jedenfalls hat sich Egon über die Billigstrom-Affäre so aufgeregt, daß<br />

er an unsere Zeitung einen Leserbrief geschrieben hat, der ist aber nicht veröffentlicht worden; war<br />

wohl zu beleidigend gewesen.“<br />

„Egon hat einen Leserbrief geschrieben?“<br />

„Ja, letztes Jahr im August, da stand in der Zeitung: Stadtwerke-Spitze bestätigt: Wedemeier bekam<br />

Billigstrom. In der gleichen Zeitungsausgabe lag eine Beilage vom Musikfest Bremen drin, und in<br />

dieser Beilage war eine Anzeige der Bremer Stadtwerke, die das hell erleuchtete Bremer Rathaus<br />

zeigte. Die Kopfzeile der Anzeige lautete:<br />

Wir sorgen nicht nur im Rathaus für Licht. In der Fußzeile lief der Text weiter: Die rechte<br />

Erleuchtung ist weder an Orte noch an Zeiten gebunden. Da hat Egon in seinem Leserbrief<br />

vorgeschlagen, daß die Anzeige doch wesentlich werbewirksamer wäre und den Tatsachen <strong>mehr</strong><br />

entsprechen würde, wenn zwischen der Kopf- und der Fußzeile noch die Zeilen ‚Und da unser<br />

Bürgermeister und einige unserer Senatoren keine großen Leuchten <strong>sind</strong>, lassen wir es auch bei Ihnen<br />

zu Hause zum halben Preis leuchten‘ eingefügt werden.“<br />

Frieda lachte schallend. „Du bist aber auch ein schlagfertiger Kerl“, sagte sie in ihrem Lachen zu<br />

Egon. „Das kannst du doch nicht machen, einfach behaupten, daß unser Bürgermeister und einige<br />

unserer Senatoren keine großen Leuchten <strong>sind</strong>. Das ist eine Beleidigung. Solch einen Leserbrief kann<br />

die Zeitung nicht veröffentlichen.“<br />

„Kann <strong>schon</strong> sein, daß das beleidigend ist“, stellte Egon fest, sah auf seine Armbanduhr und lobte<br />

Frieda. „Dein Kaffee war mal wieder ausgezeichnet, aber jetzt muß ich los, die Kundschaft wartet.<br />

War mal wieder nett, mit euch zu klönen. In der Taxe führe ich mit meinen Fahrgästen den ganzen<br />

Tag solche Gespräche. Die denken alle so wie wir. Ich habe noch keinen Fahrgast in meinem Taxi<br />

gehabt, der mir widersprochen hat.“<br />

„Kannst du auch nicht“, sagte Jan., „denn die, die dir widersprechen würden, <strong>sind</strong> nicht auf euch<br />

Taxifahrer angewiesen., die haben ihren Dienstwagen mit Chauffeur.“<br />

„Auch wieder so eine Verschwendung“, ergänzte Frieda, und damit war die interessante morgendliche<br />

Frühstücksrunde aufgelöst.<br />

Zum Abschied streichelte Egon uns über den Kopf und sagte, daß wir gar nicht wüßten, wie gut wir es<br />

hätten. Doch das wußten wir. Bello und ich sahen ihm aus dem Fenster nach. Gemächlichen Schrittes<br />

ging er die Straße hinunter zu seinem Taxi. Schirmmütze, schwarze Lederjacke und blaue Jeans. In<br />

diesem Outfit würde ich ihn unter Hunderten sofort wiedererkennen. Ein. netter Kerl mit dem Herz am<br />

rechten Fleck.<br />

Von dem, was ich in den kommenden <strong>Jahre</strong>n in meinem neuen Zuhause bei Jan und Frieda zusammen<br />

mit Bello so erlebte, könnte ich vieles berichten, doch das würde zu umfangreich werden. So will ich<br />

nur die Diskussionen mit Egon schildern: Wenn Egon bei Jan und Frieda am Vormittag auf einen<br />

Kaffee vorbeischaute und über die guten alten Zeiten gesprochen wurde. Und auch davon nur, wenn<br />

vom Bremer Vulkan die Rede war; dann spitzten Bello und ich unsere Ohren. <strong>Es</strong> klang so unglaublich,<br />

was die drei da von sich gaben. Eigentlich mochten wir es kaum glauben, doch so stand es auch in der<br />

Zeitung, <strong>als</strong>o mußte es wahr sein.<br />

Ich erinnere mich noch genau - es war kurz nach dem ersten Besuch, <strong>als</strong> ich Egon kennengelernt hatteda<br />

war er an einem Vormittag wieder einmal auf einen Kaffee vorbeigekommen, und es wurden die<br />

neuesten. Nachrichten über meinen Geburtsort, dem Bremer Vulkan, ausgetauscht.<br />

„Nun will Herr Hennemann, der Chef vom Bremer Vulkan, auch der größte deutsche Reeder werden“,<br />

sagte Egon.<br />

„Nun ja“, meinte Jan, „der größte Werftherr ist er ja <strong>schon</strong>, ich glaube, der Mann ist<br />

größenwahnsinnig. Was der alles vorhat.“<br />

„Der hätte in seinem Beruf <strong>als</strong> Apotheker bleiben sollen“, knurrte Jan, „die werden sich noch<br />

wundern, wenn der große Knall kommt.<br />

„Und der kommt“, bestätigte Frieda. „Ist nur eine Frage der Zeit, dann kommt das große Erwachen.“<br />

„Tja“, sagte Egon gedehnt, „jedenfalls hat sich Hennemanns Traum, auch der größte deutsche Reeder<br />

zu werden, nicht erfüllt. Da haben ihm die beiden Hamburger Kaufleute Rahe und Nikolaus Schües<br />

einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Horst Rahe ist für seine dubiosen Geschäfte <strong>als</strong><br />

Abschreibungskünstler sprich für Steuersparmodelle bekannt. Wegen Untreue und Betrug wurde er<br />

von geprellten Geldgebern angeklagt und stand mit seinem ehemaligen Partner, Renatus Rüger,<br />

jahrelang vor Gericht. Dam<strong>als</strong> vernahmen die Kölner Staatsanwälte fast 700 Zeugen und die<br />

Anklageschrift war über 800 Seitenlang. Beide wurden verurteilt und <strong>sind</strong> trotzdem nicht ins<br />

Gefängnis gekommen.<br />

- 12 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!