Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
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„So ist das“, ergänzte Egon ironisch. „Weil er <strong>als</strong> Politiker auch noch Geld aus seinen Rücklagen<br />
nimmt, um uns regieren zu können, hat er <strong>als</strong> verdientes Mitglied der CDU seine Aufgabe <strong>als</strong><br />
Wirtschaftssenator der Großen Koalition hier in Bremen bekommen.“<br />
Zustimmend trommelten Jan und Frieda zu Egons Worten auf den Tisch, daß die Kaffeetassen<br />
klapperten und auch Bello machte seiner Empörung mit lautem Bellen Luft.<br />
Damit war das Jahr 1996 gelaufen. Die EU-Wettbewerbswächter aus Brüssel wollten die Protokolle<br />
des Vulkan-Untersuchungsausschusses einsehen. Sie interessierten sich für den Deal zwischen<br />
Bremen und dem Vulkan. Denn das Land Bremen hatte über die Hibeg, eine Gesellschaft, die<br />
hundertprozentig im Besitz des Landes Bremen war, dem Vulkan Schiffsbeteiigungen zu weit<br />
überhöhten Preisen abgekauft. Nach dem Motto: Hibeg, das sieht wie eine private Firma aus, wer<br />
dahintersteht, das geht die EU nichts an. So wurden versteckte Subventionen in Höhe von 250<br />
Millionen Mark gezahlt. Nicht der Wert der Schiffsbeteiligungen wurde bezahlt, sondern der<br />
Kreditbedarf des Vulkan. Mit dieser Masche wurde dem Vulkan aus seiner Finanzklemme zu neuer<br />
Liquidität verholfen. Das heißt:<br />
Durch versteckte Subventionen aus Steuergeldern wurde bei den Käufen die Differenz zwischen dem<br />
Herstellungspreis, der weit über dem Verkaufspreis lag, finanziert - volkseigener Betrieb Bremer<br />
Vulkan.<br />
Die Vulkan-Arbeiter stellten auf einer Betriebsversammlung dem Konkursverwalter und dem Senat<br />
ihre Forderungen: Die beiden Containerschiffe 1<strong>10</strong> und 111 müssen fertiggestellt werden, und die<br />
Laufzeit der Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft soll über den April 1997 hinaus verlängert<br />
werden. Unter diesen Voraussetzungen wollten sie die beiden Schiffe fertigbauen. Sie hatten nichts<br />
<strong>mehr</strong> zu verlieren, wohl aber der Bremer Senat und der Konkursverwalter, der auf Erlöse aus dem<br />
Verkauf der noch nicht fertiggestellten Containerschiffe hoffte. Als Schlachtlämmer wollten die<br />
Vulkan-Arbeiter nicht in die Bremer Wirtschaftsgeschichte eingehen, aber sie hatten das Gefühl, daß<br />
sie von vorn bis hinten durch den Kakao gezogen wurden.<br />
Frühjahr 1997<br />
Mitte Januar berichtete Frieda: „Gestern Vormittag war ich auf dem Domshof zum Einkaufen. Die<br />
haben dort immer einen schönen Markt. Wie ich da so einen Blick auf das Haus vom Vulkan werfe, da<br />
montierten sie gerade mit einer Hebebühne den Schriftzug ‚Bremer Vulkan Verbund AG‘ ab. Nun ist<br />
es aus, habe ich gedacht.“<br />
„Nun ist es aus und vorbei“, sagte Egon, während er genüßlich seinen Kaffee trank. „Die<br />
Aktiengesellschaft befindet sich in Konkurs. Wer jetzt immer noch Vulkan-Aktien hat, der sollte sie<br />
verkaufen, bald gibt es nichts <strong>mehr</strong> für das Papier.“<br />
„Innerhalb eines <strong>Jahre</strong>s ist der Kurs von 20 Mark auf 2 Mark gefallen“, sagte Jan.<br />
„<strong>Es</strong> ist noch gar nicht so lange her, da lag ihr Kurs über <strong>10</strong>0 Mark“, bemerkte Egon.<br />
„Das ist ein schwacher Trost“, meinte Frieda. „Wenn ich wüßte, daß es umgekehrt ist: von heute 2<br />
Mark auf <strong>10</strong>0 Mark, dann würde ich sofort welche kaufen.“<br />
Bei diesen Worten mußte ich an die empörten Aktionäre auf der Aktionärsversammlung im Schnoor<br />
denken. Die waren dam<strong>als</strong> noch in dem naiven Glauben, daß die Aktie schlecht geredet werde, damit<br />
sich ein Großaktionär billig einkaufen konnte. Inzwischen waren auch sie eines besseren belehrt<br />
worden.<br />
„<strong>Es</strong> soll unter den Vulkan-Aktionären Optimisten geben“, sagte Jan, „die glauben, sie würden aus den<br />
Erlösen der Konkursmasse befriedigt“<br />
Egon und Frieda lachten zu Jans Bemerkung, und Egon sagte: „<strong>Es</strong> gilt die Regelung: Schuldentilgung<br />
vor Eigenkapitalrückzahlung. Dies besagt nichts anderes, <strong>als</strong> daß im Konkursfall zunächst die<br />
Schulden aus dem verbliebenen Vermögen getilgt werden müssen. Erst dann kommen die Aktionäre<br />
zum Zug.“<br />
Jan bemerkte: „1994 waren noch 40.000 der 50.000 Anteilseigner beim Vulkan Privatleute.“<br />
„Die können sich jetzt mit ihren Aktien preiswert das Wohnzimmer tapezieren“, meinte Egon, „dann<br />
haben sie eine bleibende Erinnerung vor Augen.“<br />
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