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Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann

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Februar 1996<br />

„Wieso hat eigentlich der Hennemann seine Konzernzentrale für viel Geld von Vegesack zum<br />

Domshof verlegt?“ wollte Frieda wissen. „Die haben doch in Vegesack auf dem Werftgelände ein<br />

großes, modernes Verwaltungsgebäude!“<br />

„Das war ihm wohl nicht fein genug, so hatte er engeren Kontakt zum damaligen Bürgermeister<br />

Wedemeier, der saß ja gleich in seinem feinen Amtszimmer um die Ecke im Rathaus, und Bismarck<br />

guckte ihm von seinem Reiterstandbild direkt ins Fenster“, antwortete Jan.<br />

„Und wenn Wedemeier aus dem Fenster seines Arbeitszimmers guckte und seinen H<strong>als</strong> nach links<br />

drehte, dann konnte er Hennemann am Fenster sehen“, ergänzte Egon, „der guckte nämlich gern aus<br />

dem Fenster.“<br />

„Dann brauchten die ja gar nicht zu telefonieren“, meinte Frieda.<br />

„Nee“, sagte Egon, „die haben sich in Zeichensprache verständigt, so konnte keiner mithören, was da<br />

für Mauscheleien gelaufen <strong>sind</strong>, und der alte Bismarck auf seinem Gaul war Zeuge. Dem werden die<br />

Augen übergegangen sein.“<br />

Sie lachten über den Witz, und ich dachte, vielleicht war es wirklich so.<br />

„Jedenfalls haben wir gestern“, sagte Jan, „auf dem Domshhof vor der Konzernzentrale demonstriert.<br />

Das hat leider alles nichts gebracht, der Aufsichtsrat mußte Vergleich anmelden, aber meine Kollegen<br />

und ich waren doch erstaunt, <strong>als</strong> wir unter uns einen Demonstranten wahrnahmen, mit dem wir nicht<br />

gerechnet hätten. Der Vater dieses Demonstranten ist einmal Elektriker auf der Vulkan-Werft<br />

gewesen.“<br />

„Na und“, unterbrach ihn Egon, „mein Vater war auch Elektriker auf der AG ‚Weser“.<br />

„Ja“, antwortete Jan, „aber du bist nicht Chef der AG ‚Weser“ geworden.“<br />

„Was hat das denn damit zu tun?“ fragte Egon mißmutig. „Dieser Demonstrant, von dem ich erzähle,<br />

das war nämlich Hennemann. Sein Vater ist einmal Elektriker auf der Vulkan-Werft gewesen.“<br />

„Ach“, sagte Egon und war baff, „gegen was hat der denn demonstriert?“<br />

„Das haben wir uns auch gefragt. Henning Scherf hielt eine kämpferische Rede, zeigte auf die<br />

Konzernzentrale vom Vulkan und sagte: Wir werden die da oben nicht aus der Verantwortung<br />

lassen!“<br />

„Was sich Hennemann bei Scherfs Worten wohl gedacht hat“, sinnierte Frieda.<br />

„Wohl gar nichts“, antwortete Jan, „denn der hatte sich die Ohren zugebunden.“<br />

„Der hatte sich die Ohren zugebunden?“<br />

„Ja, der hatte sich ein blaues Stirnband um den Kopf gebunden und hat zu Scherfs Worten heftig<br />

Beifall geklatscht.“<br />

„Habe ich ja <strong>schon</strong> früher gesagt, daß der Mann krank ist“, deutete Egon das Verhalten von<br />

Hennemann. „Der Vulkan soll unter Hennemann 900 Millionen Mark zweckentfremdet haben, um im<br />

Mutterkonzern Finanzlöcher zu stopfen.“<br />

„Diese 900 Millionen hatte die damalige Treuhand-Anstalt ausschließlich für die Modernisierung der<br />

ostdeutschen Werften ausgezahlt“, ergänzte Jan.<br />

„Und nun“, sagte Frieda, „bittet der EU-Kommissar van Miert um Aufklärung.“<br />

Egon meinte: „Der van Miert wundert sich bestimmt, daß bei den Deutschen, die über Betrug in der<br />

EU immer am lautesten meckern, solch eine Sauerei passiert.“<br />

„Das wird für den Mann bestimmt ein Schock gewesen sein“, meinte Frieda, „mit den stets korrekten,<br />

ehrbaren Deutschen solch eine Erfahrung zu machen. Wie kann man Geld, das einzig und allein für<br />

die Ostwerften vorgesehen war, zweckentfremden? Das ist Betrug!“<br />

„Das gesamte Management der Vulkan-Werft hätte man zur Papenburger Meyer-Werft schicken<br />

sollen, um sich fehlende Kenntnisse anzueignen. Denn die können große Pötte mit schwarzen Zahlen<br />

bauen. Die <strong>sind</strong> mit ihren Schiffskonstruktionsprogrammen auf dem Computer absolut die<br />

Fortschrittlichsten“, meinte Jan.<br />

„Vor ein paar Tagen“, sagte Frieda, „da stand in der Zeitung, auf einer Aktionärsversammlung hätten<br />

50.000 Anteilseigner Anspruch auf Schadenersatz angekündigt.“<br />

Jan lachte. „Schadenersatz? Wer soll denen denn Schadenersatz zahlen? <strong>Es</strong> ist kein Geld <strong>mehr</strong><br />

vorhanden!“<br />

Egon winkte ab. „Das ist eben das Risiko der Börsenspekulanten“, sagte er. „Wird Geld gemacht, wird<br />

die Klappe gehalten und kassiert. Läuft es anders <strong>als</strong> gedacht, wird wehleidig geklagt und ein<br />

Schuldiger gesucht. Das Geld ist futsch! Irgendwann werden das auch die Aktionäre begreifen<br />

müssen.“<br />

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