Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
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2. Mai 1993, Kater Max wird geboren<br />
und findet sein Zuhause in Bremen-Walle<br />
In der Ausbildungswerkstatt vom Bremer Vulkan bin ich mit zwei meiner Geschwister in<br />
einem Versteck am 1. Mai 1993 zur Welt gekommen. <strong>Es</strong> war ein Samstag, und da es ein<br />
Feiertag war, der Tag der Arbeit, wurde auf der Werft nicht gearbeitet. Kein lautes Klopfen<br />
und Hämmern, kein Zischen von Schweißgeräten. Ruhe herrschte auf der Werft, die Arbeiter<br />
demonstrierten mit Fahnen und Transparenten auf den Maikundgebungen. Die ersten Tage<br />
nach der Geburt waren wir drei, wie alle meiner Gattung, blind. <strong>Es</strong> dauerte einige Tage, ehe<br />
ich die Augen öffnete und meine Umwelt wahrnahm.<br />
Pia, unsere Mutter, erzählte mir später, <strong>als</strong> ich größer wurde, daß es unter den Menschen<br />
(Homo sapiens) Typen gibt, die sich Politiker nennen. Für die gibt es drei verschiedene<br />
lateinische Namen, die für viele Politiker zutreffen, behauptete sie. Homo monetus, Homo<br />
rafftikus und Homo lügitus. Die Politiker sagen ihren Mitmenschen, was richtig ist und was<br />
sie zu machen haben, da sie sich einbilden, bei allem zu wissen, wie es richtig ist. „Die<br />
Politiker bleiben meistens ihr Leben lang blind und nehmen ihre Umwelt nicht <strong>mehr</strong> wahr“,<br />
sagtePia. „Sie haben geschworen, zum Wohle des Volkes zu arbeiten und denken oft nur an<br />
ihr eigenes Wohl.“ Aber wie das gemeint war, das habe ich erst später begriffen, <strong>als</strong> ich in der<br />
Familie von Jan Meyerdirks in Bremen-Walle mein endgültiges Zuhause fand.<br />
Meine Gattung (Felis silvestris, forma domestica), die Hauskatze, kommt auch in einem<br />
Märchen vor, das <strong>als</strong> Symbol für die erfolgreiche Solidarität von Schwachen und Benachteiligten<br />
gilt. "Die Bremer Stadtmusikanten“ der Brüder Grimm. Die Geschichte, die ich<br />
berichte, ist kein Märchen, sondern bittere Wahrheit. Der Werftarbeiter Jan Meyerdirks der zu<br />
den Schwachen und Benachteiligten in unserer heutigen Zeit gehört und in dessenHaus ich<br />
wohne, ist 1996 solidarisch mit Tausenden seiner Kollegen auf die Bremer Straßen gegangen.<br />
Sie haben wenig erfolgreich gegen die soziale Ungerechtigkeit demonstriert. Zum zweiten<br />
Mal in seinem Arbeitsleben zog Jan Meyerdirks für seinen Arbeitsplatz demonstrierend durch die<br />
Bremer Straßen. Das erste Mal war es 1983, da lebte ich noch nicht, und Jan Meyerdirks kämpfte mit<br />
seinen Kollegen vergeblich um die Arbeitsplätze auf der größten und modernsten Werft Europas, der<br />
AG „Weser“, die, wie auch viele andere Firmen, nachdem sie mit vielen Millionen von Mark auf den<br />
technisch neuesten Stand gebracht war, nach 140 <strong>Jahre</strong>n ihres Bestehens geschlossen wurde. 140 <strong>Jahre</strong><br />
lang wurden auf der AG „Weser“ Schiffe gebaut, dann wurde ein Schlußstrich gezogen. Die<br />
Werftarbeiter und auch die Bevölkerung Bremens konnten es nicht fassen.<br />
„Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat <strong>schon</strong> verloren“, lautete dam<strong>als</strong> der Wahlspruch<br />
der Werftarbeiter, und sie hatten verloren. Jetzt, 1996/97 waren sie wieder die Verlierer und fühlten<br />
sich von den Politikern aberm<strong>als</strong> auf den Arm genommen. Darüber will ich, der Kater Max, berichten.<br />
Ungefähr zwei Wochen nach unserer Geburt wurden wir von den Azubis entdeckt, weil wir beim<br />
Spielen solch einen Krach machten. Die Freude der jungen Leute über uns drei kleine Katzenkinder<br />
mit der wachsamen Mutter war groß. Sie zimmerten uns eine Holzkiste <strong>als</strong> Wohn- und Schlafstube<br />
zurecht und legten sie mit Putzlappen aus. Nun hatten wir ein komfortables Heim und bedauerten., daß<br />
wir nicht <strong>schon</strong> früher von den Azubis entdeckt worden waren.<br />
<strong>Es</strong> war so bequem geworden: Pia, unsere Mutter, brauchte nicht <strong>mehr</strong> auf Nahrungssuche zu gehen,<br />
sie bekam allerlei Leckereien von den Azubis und den Werftarbeitern zugesteckt. So konnte sie sich<br />
ganz unserer Pflege und Erziehung widmen, und wir waren dankbar für die Wärme und Geborgenheit,<br />
die sie uns gab. Zufrieden schnurrten und quietschten wir drei Katzenkinder vor uns hin und wurden<br />
von unserer Mutter ständig mit köstlicher, warmer Milch versorgt. Unsere Mutter hat sich sehr für uns<br />
aufgeopfert. Gern schmiegten wir uns an sie, genossen die Wärme ihres Fells und die Zärtlichkeit, mit<br />
der sie uns leckte und uns damit Sauberkeit lehrte. Diese Geborgenheit blieb uns dreien auch 6<br />
Wochen nach unserer Geburt erhalten, <strong>als</strong> wir von unserer Mutter getrennt wurden und alle in gute<br />
Hände kamen. Mir hatte man den Namen Max gegeben; ich war Max, der getigerte Kater. Meine<br />
beiden Schwestern erhielten die Namen Babsy und Gaby. Die Trennung ging nach 6 Wochen<br />
ganz unproblematisch vor sich. Die Frühschicht hatte Feierabend und ich hörte die Stimme<br />
eines Azubis, der rief:<br />
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