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Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann

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Freudig balgten wir uns zur Begrüßung auf der Mauer und liefen dann die Gangway zum Schiff<br />

hinunter. Im Schiff ging es im Treppenhaus auf das obere Deck. Von hier sprangen wir auf ein Dach,<br />

dann folgte ein weiteres Dach. <strong>Es</strong> war das Dach vom Steuermannshaus. Unter uns befand sich die Kapitänsbrücke.<br />

Hier oben konnten wir uns ungestört sonnen. Bald darauf legte das Schiff voll besetzt<br />

mit fröhlichen Ausflüglern ab. <strong>Es</strong> kam die erste Brücke, wir zogen unsere Köpfe ein. Gerade paßten<br />

wir noch drunter durch. Zur rechten Seite oder wie es in der Seemannssprache heißt, steuerbord, lag<br />

die Stephanikirche und gegenüber, backbord, die große Brauerei. Am Ufer war der Pferdestall zu<br />

sehen, und oben auf dem Dachfirst vom Pferdestall lag Garfield in der Morgensonne. Er winkte ans<br />

zu, und wir winkten zurück. Hinter ans lag die Silhouette der schönen Altstadt von Bremen mit ihren<br />

Kirchtürmen. <strong>Es</strong> folgten auf der Steuerbordseite die leeren Häfen, das brachliegende Gelände der<br />

ehemaligen AG „Weser“, die beinahe stillgelegte ehemalige Klöckner-Hütte, die jetzt Bremer<br />

Stahlwerke hieß, und backbord das Flugzeugwartungswerk in Lemwerder, das auch einmal<br />

geschlossen werden sollte. Vor uns, steuerbord, war <strong>schon</strong> der große Bockkran der Vulkan-Werft zu<br />

sehen, und bald darauf legte das Schiff in Vegesack an. So schnell wie wir vorher auf das Schiff<br />

gestürmt waren, so schnell liefen wir jetzt den gleichen Weg wieder zurück und dann die Gangway<br />

rauf. Heute abend sollte es wieder zurückgehen. Aber jetzt wartete unsere alte Mutter auf uns. Wir<br />

liefen an der Weser entlang zum Werftgelände und kletterten über die hohe Mauer, die das Areal<br />

einzäunte.<br />

<strong>Es</strong> war der 1. Mai, die Arbeit ruhte, die Werftarbeiter demonstrierten auf den Straßen für ihre Rechte.<br />

Kein dröhnendes Hämmern, kein Zischen von Schweißgeräten. Keine Kräne, die millimetergenau<br />

riesige Stahlplatten in den Schiffsrumpf einfügten. <strong>Es</strong> war absolute Ruhe auf dem Werftgelände. So<br />

wird es demnächst für immer sein. Genauso wie auf dem Betriebsgelände der AG „Weser“ <strong>schon</strong> seit<br />

14 <strong>Jahre</strong>n. Nie wieder Schiffstaufen mit Sirenengeheu1 vor einem begeisterten Publikum und<br />

anschließender Feier der Geschäftsleitung mit dem Reeder. Alles war vorbei! Nur die Erinnerung an<br />

die Tage des Großschiffbaues in Bremen blieb und würde im Laufe der Zeit auch verblassen.<br />

Auf einer Abschlußveranstaltung vor dem Werkstor nach ihrer allerletzten Schicht werden demnächst<br />

die Schiffbauer symbolisch ihr Werkzeug an den Nagel hängen, und kein Politiker wird sich auf dieser<br />

‚Trauerfeier‘ blicken lassen.<br />

Von der Weser wehte eine frische Brise herauf, wir drei rückten näher zusammen, und ich sagte zu<br />

meinen Schwestern: „<strong>Es</strong> ist kälter in Deutschland geworden.“<br />

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