Ausgabe 0903.pdf - Theater-Zytig
Ausgabe 0903.pdf - Theater-Zytig
Ausgabe 0903.pdf - Theater-Zytig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Dramaturgie im Amateurtheater ı Vorhang auf<br />
Brauchen wir das?<br />
Kaum jemand würde wohl ernsthaft<br />
bezweifeln, dass es für eine erfolgreiche<br />
<strong>Theater</strong>produktion eine Regie braucht.<br />
Dass man hingegen einen Dramaturgen<br />
oder eine Dramaturgin beschäftigt, ist<br />
wohl im Amateurtheater eine seltene Ausnahme.<br />
Aber auch beim Berufstheater ist<br />
es die Gattung, wo der Rotstift der allgemeinen<br />
Budgetkürzungen zuerst angesetzt<br />
wird.<br />
Im Amateurtheaer hat das Fehlen dramaturgischer<br />
Arbeit oft auch mit der<br />
Stückwahl zu tun, oder halt ganz allgemein<br />
mit der Art und Weise, wie man<br />
an eine Produktion herangeht, bzw. was<br />
man mit ihr bezweckt. Oft wird hier jede<br />
fähige Person auf der Bühne gebraucht,<br />
die Beschäftigung mit dem Text ereignet<br />
sich erstmals bei Probenbeginn oder man<br />
hofft auf die Klärung von Problemen und<br />
Fragestellungen durch die Regiearbeit.<br />
So werden inszenatorische und dramaturgische<br />
Aufgaben im Amateurtheater<br />
häufig in Personalunion erledigt, was die<br />
Unterscheidung der beiden Arbeitsbereiche<br />
schwierig macht und im schlimmsten<br />
Fall zur Vernachlässigung eines der beiden<br />
Arbeitsfelder führt.<br />
Es hilft daher vielleicht, die beiden Aufgabenbereiche<br />
vorerst einmal voneinander<br />
zu unterscheiden. Dann wird rasch einmal<br />
klar, dass dramaturgische Arbeit in jeder<br />
Inszenierung relevant sein kann, selbst<br />
wenn es um einen vermeintlich einfachen<br />
Schwank geht, auch wenn dort das Fehlen<br />
sicher weniger auffällt. Zur genauen<br />
Begriffsdefinition sei hierbei auch der<br />
Blick ins Berufstheater erlaubt.<br />
Dramaturgie versus Regie<br />
Der Dramaturg steht im Berufstheater<br />
am Anfang eines Produktionsprozesses.<br />
Er entscheidet mit der <strong>Theater</strong>leitung<br />
über den Spielplan und die Stückwahl<br />
und bereitet die ausgewählten Texte für<br />
die Probenarbeiten vor. Dabei geht er<br />
nicht nur literaturwissenschaftlich vor.<br />
Er beschäftigt sich vor allem auch mit der<br />
Bedeutung, die ein Text über die Leseebene<br />
hinaus, in erster Linie natürlich auf der<br />
Bühne, entfalten kann.<br />
Er analysiert also einen Text nicht nur rein<br />
auf seine sprachliche und aussagemässige<br />
Richtung hin. Er benutzt auch die Methoden<br />
der <strong>Theater</strong>wissenschaft, die sich<br />
neben der Erschliessung eines Textes mit<br />
dessen Umsetzung sowie mit den aussersprachlichen<br />
Möglichkeiten und Methoden<br />
des <strong>Theater</strong>spiels auseinandersetzt.<br />
Der Dramaturg analysiert, bearbeitet und<br />
interpretiert also vor einem eigentlichen<br />
Regiekonzept das Textmaterial. Dahingegen<br />
arrangiert der Regisseur die Mittel<br />
und Möglichkeiten der szenischen Umsetzung.<br />
Beide Bereiche sind aber nicht voneinander<br />
abzugrenzen, muss der Dramaturg<br />
doch die Regiearbeit mit im Hinterkopf<br />
haben und der Regisseur muss ebenfalls<br />
ein umfassendes Verständnis der Textgrundlage<br />
erlangen. Gerade aus diesem<br />
Grund werden wohl selbst bei ambitionierten<br />
Amateurbühnen die beiden Bereiche<br />
nicht getrennt.<br />
Das methodische Fragestellen<br />
Der Dramaturg stellt grundlegende Fragen<br />
an den Text. Ihn interessiert, welche Vorgänge<br />
in einem dramatischen Text ablaufen.<br />
Haupthandlungen stellt er gegenüber<br />
Nebenhandlungen heraus und schafft<br />
durch so genannte Szenare einen Überblick<br />
über die Vorgänge im Stück. In einem<br />
Szenar werden die Inhalte der Szenen in<br />
kurzen Sätzen skizziert, so dass ein Drama<br />
auf einem Blatt Papier zu überblicken ist.<br />
Alle Informationen eines <strong>Theater</strong>stücks<br />
werden –zumindest bei gedruckten Vorlagen<br />
– über den Haupttext (Dialoge<br />
und Monologe der Figuren) und über die<br />
Nebentexte (z.B. Regieanweisungen oder<br />
Beschreibungen des Bühnenbildes) ver-<br />
<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 0903<br />
05