Enterprise 2.0: Fortschritt durch Wissen
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ENTERPRISE <strong>2.0</strong><br />
Die Wikis dienen unter anderem dazu, die Projektarbeit zu strukturieren. In<br />
den kleinen Online-Nachschlagewerken, die nach und nach mit den Beiträgen<br />
von Mitarbeitern gefüllt werden, wird alles abgelegt, was für die<br />
Arbeit interessant sein könnte: Managementtipps, Studien, Hinweise auf<br />
die Aktivitäten der Konkurrenz oder technisches Fachwissen sind hier gesammelt.<br />
„Vor allem Projektgruppen, die bereichsübergreifend zusammengesetzt<br />
sind, nutzen die Wikis intensiv“, sagt Gaby Neujahr, Leiterin der<br />
Internen Kommunikation bei Otto.<br />
Wie bei den Wikis können auch bei den internen Foren alle Mitarbeiter als<br />
Autoren agieren. Registriert mit einem Nickname können sie Diskussionsstränge<br />
kommentieren, die andere eröffnet haben, und selbst neue Diskussionen<br />
eröffnen. „Wir schauen zwar, was thematisch passiert, aber wir regulieren<br />
die Foren nicht“, sagt Neujahr. Da<strong>durch</strong>, dass die Otto-Manager den<br />
Mitarbeitern keine Diskussionen vorgeben und keine Tabuthemen definieren<br />
– auch etwa die Kritik am eigenen Management nicht –, riskieren sie<br />
zwar, dass mitunter das blütenweiße Bild, das sich jedes Unternehmen<br />
gerne gibt, <strong>durch</strong> Kritiker befleckt werden kann. „Dafür gewinnen wir an<br />
Transparenz“, sagt Neujahr. „Wir sehen, welche Themen die Mitarbeiter bewegen.<br />
Und wir können natürlich auf Kritik reagieren und gegebenenfalls<br />
Entscheidungen erklären.“<br />
Trill – der Unternehmenstwitter bei CoreMedia<br />
Aufgrund der Tatsache, dass in den Foren jeder mit jedem diskutieren<br />
kann, gewinnt Otto noch auf einer anderen Ebene: Da<strong>durch</strong>, dass hier Menschen<br />
jenseits der Abteilungsgrenzen bei Themen, die sie gemeinsam interessieren,<br />
zueinander finden, ist eine unternehmensweite Kontaktbörse<br />
entstanden. Hier entdecken Experten einander. „Solche Foren führen dazu,<br />
dass sich auch Querdenker eher trauen, ihre Ansichten einzubringen, und<br />
insgesamt helfen sie uns, das <strong>Wissen</strong> des gesamten Unternehmens Otto<br />
anzuzapfen“, so Neujahr. Dass sich viele nun noch stärker mit dem Unternehmen<br />
identifizieren, weil sie über Foren und Wikis und eine gerade neu<br />
implementiere Videoplattform viel stärker als früher mitbekommen, wer<br />
noch so für Otto arbeitet und was die Kollegen rund um die Welt so treiben,<br />
ist ein weiterer – natürlich erwünschter – Nebeneffekt der <strong>Enterprise</strong>-<strong>2.0</strong>-<br />
Offensiven bei Otto.<br />
Gewinne und Gefahren des <strong>Enterprise</strong> <strong>2.0</strong><br />
Dass sich die Neuorganisation der internen Kommunikation irgendwann<br />
auch im Unternehmensergebnis niederschlägt, hofft man bei Otto wie bei<br />
CoreMedia, auch wenn die Macher der dortigen <strong>Enterprise</strong>-<strong>2.0</strong>-Projekte<br />
noch keine knallharten Wirtschaftlichkeitsrechnungen präsentieren können.<br />
Doch selbst die gibt es für den Einsatz von <strong>Enterprise</strong>-<strong>2.0</strong>-Technologie<br />
bereits: In Ostwestfalen, beim Computerhandelsunternehmens Synaxon<br />
AG. Die Bielefelder sind das Unternehmen, das den Weg in Richtung<br />
<strong>Enterprise</strong> <strong>2.0</strong> bislang in Deutschland am konsequentesten gegangen ist.<br />
Im Oktober 2006 führte Vorstandssprecher Frank Roebers auf Grundlage<br />
der Software MediaWiki das Firmen-Wiki ein. „Ich wollte versuchen, das<br />
Experiment Wikipedia, bei dem Menschen im Netz ohne autoritäre Führung<br />
<strong>Wissen</strong> austauschen, auf Unternehmen zu übertragen“, sagt er.<br />
10.000 Euro kostete der Aufbau. Über mehrere Wochen hinweg gaben alle<br />
Mitarbeiter und Manager alles <strong>Wissen</strong>swerte in einer gemeinsamen Kraftanstrengung<br />
in das System ein. Heute ist das digitale Gehirn des Unternehmens<br />
fast 25.000 Artikel groß. Dort findet man mit Hilfe von Suchbegriffen<br />
Verträge mit Kooperationspartnern und Lieferanten, Aufgabenbeschreibungen<br />
für alle Mitarbeiter, Dokumentationen aller laufenden Projekte<br />
und natürlich Nachschlagewerke, etwa für Fachbegriffe. Aber auch<br />
die Vorgaben, wie bestimmte Unternehmensprozesse aussehen, sind in<br />
dem Wiki abgelegt und können von jedem, nicht nur von den Topmana-<br />
Mit dem Modeblog<br />
„Two for Fashion“<br />
von Kathrin Leist und<br />
Mahret Kupka will<br />
Otto den persönlichen<br />
Dialog intensivieren.<br />
gern, bearbeitet werden. Die allermeisten Unternehmensentscheidungen<br />
kommen <strong>durch</strong> den vernetzten <strong>Wissen</strong>saustausch zustande – <strong>durch</strong> die<br />
Software ist ein neues Führungssystem entstanden, gewissermaßen das<br />
„Management <strong>2.0</strong>“ „Jeder kann alles ändern und die Änderung gilt ohne<br />
weitere Freigabe sofort“, erklärt Roebers. „Das gilt auch für alle Prozessbeschreibungen<br />
und Unternehmensregeln.“ Nur wer wieviel verdient oder<br />
wie Vorgesetze Mitarbeiter bewerten, ist nach wie vor Verschlusssache.<br />
Dass alle, und nicht nur die Führungskräfte, Prozesse definieren und<br />
verbessern, hat das Unternehmen effizienter gemacht. „Die Produktivität<br />
jedes Synaxon-Mitarbeiters hat sich vervierfacht“, sagt Roebers. „Das<br />
lässt sich aus unseren Bilanzen ablesen.“<br />
Mit den Ideen für derartige Projekte rennen Kommunikationsexperten<br />
allerdings nicht in den Chefetagen aller Unternehmen offene Türen ein.<br />
Ein unternehmensweites Wiki zu installieren, ist zwar für wenige tausend<br />
Euro möglich, und auch Blogsysteme kosten in der Regel keine fünfstelligen<br />
Beträge. Doch es sind nicht die Kosten, die in den Chefetagen bei<br />
dem Thema Sorgenfalten verursachen. Viele stört vielmehr, dass <strong>durch</strong><br />
das <strong>Enterprise</strong> <strong>2.0</strong> alte Hierarchien und Autoritätsmodelle in Frage gestellt<br />
werden. Sich auf das <strong>Enterprise</strong> <strong>2.0</strong> einzulassen bedeutet, dass<br />
Führungskräfte auch lernen müssen, mit unliebsamen Rückmeldungen<br />
12 ALWAYS ON I AUSGABE 9 I FEBRUAR 2009