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LINDE TECHNOLOGY - Linde Engineering

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Ausgabe<br />

#1.<br />

TITELTHEMA: Kraftwerk Natur<br />

<strong>LINDE</strong><br />

<strong>TECHNOLOGY</strong><br />

Wasserstoff aus Wind<br />

Regenerative Energien speichern<br />

Heisse Energiequellen<br />

Geothermie optimal nutzen<br />

Effizientere Sonnenfänger<br />

Stromausbeute von Solarzellen verbessern<br />

13<br />

An der Seite des Patienten<br />

Sauber auf See<br />

Hinter den Pixeln<br />

Hochreine Gase in der Display-Produktion<br />

innovative Technologien für mehr Nachhaltigkeit<br />

Kraftwerk<br />

Natur


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Impressum<br />

02<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Linde</strong> AG<br />

Klosterhofstraße 1, 80331 München<br />

Telefon +49.89.35757-01<br />

Telefax +49.89.35757-1398<br />

www.linde.com<br />

Redaktion:<br />

Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, <strong>Linde</strong> AG;<br />

wissen + konzepte, München<br />

#1.<br />

13<br />

Bildredaktion:<br />

Judith Schüller, Hamburg<br />

Layout:<br />

wissen + konzepte, München;<br />

Almut Jehn, Bremen<br />

Anfragen und Bestellungen an:<br />

<strong>Linde</strong> AG, Kommunikation<br />

Klosterhofstraße 1, 80331 München<br />

oder thomas.hagn@linde.com<br />

Diese Heftreihe sowie weitere Fachberichte<br />

stehen unter www.linde.com als Download<br />

zur Verfügung.<br />

Nachdrucke oder elektronische Verbreitung<br />

nur mit Zustimmung des Herausgebers.<br />

Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen<br />

Fälle (und bei vollständiger Quellenangabe)<br />

ist die Nutzung der Berichte aus<br />

„<strong>Linde</strong> Technology“ ohne Einwilligung des<br />

Herausgebers nicht gestattet.<br />

ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2013<br />

Natürliche Kräfte: Die Erde bietet vielfältige<br />

regenerative Energiequellen, die sich mit innovativen<br />

Technologien effizient nutzen lassen – für eine<br />

nachhaltigere Zukunft.<br />

Bildquellen:<br />

Titel: LatitudeStock – TTL/Getty Images // Seite 04/05: <strong>Linde</strong> AG (2), Fraunhofer, Siemens-<br />

Pressebild // Seite 06/07: <strong>Linde</strong> AG // Seite 08/09: <strong>Linde</strong> AG (2), Andy Le/Getty Images //<br />

Seite 10/11: <strong>Linde</strong> AG, plainpicture/Cultura, DLR (CC-BY-3.0) // Seite 13: Steger/SPL/Agentur<br />

Focus // Seite 14/15: <strong>Linde</strong> AG, Sean Gallup/Getty Images, Privat // Seite 16/17: <strong>Linde</strong> AG (2),<br />

look foto, Victor de Schwanberg/SPL/Agentur Focus // Seite 18: Bernhard Edmaier/SPL/Agentur<br />

Focus // Seite 21: Siemens AG // Seite 23: Stocktrek Images/Getty Images // Seite 25: <strong>Linde</strong> AG,<br />

Martin Bond/SPL/Agentur Focus // Seite 26/27: Privat, Arctic Images/Corbis // Seite 28: Lester Lefkowitz/Getty<br />

Images // Seite 30/31: <strong>Linde</strong> AG (2), Paul Rapson/SPL/Agentur Focus // Seite 32/33:<br />

Swiss Re, Getty Images // Seite 35: Sung-Il Kim/Corbis, Serghei Velusceac/Fotolia // Seite 36/37:<br />

Ed Young/SPL/Agentur Focus, <strong>Linde</strong> AG, Getty Images // Seite 38/39: <strong>Linde</strong> AG, dpa/picture-alliance<br />

// Seite 40/41: <strong>Linde</strong> AG, Dieter Klein/laif // Seite 42/43: <strong>Linde</strong> AG (2), Getty Images (2) //<br />

Seite 44: <strong>Linde</strong> AG // Seite 46/47/48/49: <strong>Linde</strong> AG, Christian Eisenberg // Seite 50: Frank Siemers/<br />

laif // Seite 52/53: <strong>Linde</strong> AG, dpa/picture-alliance, Engel & Gielen/Getty Images, Germanischer<br />

Lloyd // Seite 54: Tim Tadder/Corbis


editorial // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

03<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

noch immer haben wir die weitreichenden Auswirkungen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise nicht<br />

überwunden. Die Ereignisse haben einmal mehr gezeigt: Man muss bewährte Konzepte immer wieder in<br />

Frage stellen und an neue Anforderungen anpassen. Dies gilt auch für die Grundlagen unseres Wirtschaftssystems,<br />

das auf Wachstum ausgerichtet ist. Es muss uns gelingen, eine weltweite konjunkturelle Dynamik<br />

zu entfalten und gleichzeitig den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu begrenzen und die CO₂-Emissionen<br />

zu senken. Wir brauchen eine neue Art des Wachstums. Ein Wachstum, das auf Nachhaltigkeit gründet.<br />

Dieses Ziel lässt sich nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen. Um die Kräfte der Natur<br />

effizient nutzen zu können, sind innovative Technologien gefragt. Beispiel Windkraft: Die hierdurch erzeugten<br />

Energiemengen können beträchtlich sein. Da sie jedoch häufig stark schwanken, benötigen wir geeignete<br />

Speichermedien – wie zum Beispiel Wasserstoff: Mithilfe dieses gasförmigen Zwischenspeichers<br />

lassen sich die Energienetze stabilisieren, und der Windstrom lässt sich sogar auf die Straße bringen.<br />

Ein weiteres wichtiges Zukunftsfeld ist für uns auch die Geothermie: Im bayerischen Kirchweidach<br />

realisieren wir derzeit ein Kraftwerk, um die Erdwärme bestmöglich zu erschließen. Und auch Solarmodule<br />

werden mit <strong>Linde</strong>-Technologie effizienter – dank einer neuen Anti-Reflex-Beschichtung.<br />

In diesem Heft widmen wir uns neben dem Titelthema „Kraftwerk Natur“ noch einem weiteren globalen<br />

Megatrend: dem Gesundheitsmarkt. Die Bedeutung dieses Bereichs steigt insbesondere vor dem Hintergrund<br />

der demographischen Entwicklung stetig. <strong>Linde</strong> ist mit strategischen Akquisitionen zum weltweit<br />

führenden Healthcare-Anbieter der Gaseindustrie aufgestiegen. In unserem Themenspezial zeigen wir<br />

Ihnen, wo und mit welchen Produkten und Dienstleistungen wir in diesem Geschäftszweig vertreten<br />

sind: von Kliniken über Reha-Zentren bis in den Homecare-Bereich.<br />

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.<br />

Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni<br />

Mitglied des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // inhalt<br />

04<br />

_18<br />

_12<br />

Display-Technologie: Spezialgase für leistungsfähige Elektronik<br />

_50<br />

Schiffstreibstoff: LNG-Terminal für Hamburger Hafen<br />

_46<br />

Windstrom: Wasserstoff als effizienter Energiespeicher<br />

Gesundheit: Die Medizingase-Welt auf einen Blick


inhalt // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

05<br />

03 editorial<br />

06 Die Kunststoff-Schmiede<br />

08 news<br />

<strong>Linde</strong> baut größten Ethancracker-Komplex für Borouge<br />

12 Hinter den Pixeln<br />

Die Elektronikbranche baut auf hochreine Spezialgase<br />

Titelthema<br />

16 Kraftwerk Natur<br />

Innovative Anlagen- und Gasetechnologien von <strong>Linde</strong> helfen dabei, regenerative Quellen besser zu nutzen<br />

und die Energiezukunft nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.<br />

18 Wasserstoff aus Wind<br />

Power-to-Gas: Regenerative Energien<br />

flexibel und effizient speichern<br />

22 Heisse Energiequellen<br />

Geothermie: Die Urwärme der Erde<br />

bestmöglich erschließen<br />

28 Effizientere Sonnenfänger<br />

Anti-Reflex-Glas: Hochtransparente<br />

Beschichtungen für höhere Stromausbeute<br />

32 Essay: „Wege zu einer<br />

Nachhaltigen Energiezukunft“<br />

Harald Dimpflmaier, Chief Engineer,<br />

Swiss Reinsurance Company Ltd.<br />

34 Eiskalt unterwegs<br />

Flüssigstickstoff für sichere Lebensmitteltransporte<br />

38 Plastik unter Druck<br />

Stickstoff senkt Kosten in der Autoteile-Fertigung<br />

40 Sauerstoff-Turbo für Schmelzöfen<br />

Energieeffizienz in der Gießereitechnik steigern<br />

42 An der Seite des Patienten<br />

Umfassende Lösungen für den Gesundheitsbereich<br />

44 Interview: „es geht um ganzheitliche Gesundheitsversorgung“<br />

Dr. Christian Wojczewski, Leiter <strong>Linde</strong> Healthcare<br />

46 Die Medizingase-Welt<br />

<strong>Linde</strong> Healthcare: Partner für Ärzte, Patienten und Pflegekräfte<br />

50 sauber auf See<br />

LNG-Terminals: Maritime Infrastruktur für flüssiges Erdgas<br />

54 Die Gipfelschwimmer<br />

Hypoxie-Kanal für Profisportler


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Ethylenproduktion<br />

06<br />

<strong>Linde</strong> baut größten Ethancracker-Komplex für Borouge<br />

Bildquelle: <strong>Linde</strong> AG<br />

↳<br />

Die Kunststoff-<br />

Schmiede


Ethylenproduktion // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

07<br />

Polyethylen – kurz PE – ist ein Multitalent: Der Massenkunststoff eignet sich unter anderem für Flaschen,<br />

Folien, Rohre und Autobauteile. Der PE-Rohstoff Ethylen ist deshalb die am meisten produzierte Petrochemikalie.<br />

Ein führender Anbieter innovativer, hochwertiger PE-Kunststoffe ist das Unternehmen<br />

Borouge, ein Joint Venture der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und Borealis. Borouge betreibt<br />

am Standort Ruwais, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, mehrere Ethylen-Produktionsanlagen<br />

– gebaut von <strong>Linde</strong>. Bereits 2010 hat Borouge seine Jahresleistung dank eines zweiten<br />

Ethancrackers (im Bild) mit einer Kapazität von 1,5 Millionen Tonnen Ethylen verdreifacht. „Wir bei<br />

<strong>Linde</strong> <strong>Engineering</strong> sind stolz, der Ethylen-Technologiegeber für den Ruwais-Komplex zu sein“, sagt<br />

Prof. Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG. Und Borouge ist weiter auf Wachstumskurs<br />

– wieder mit <strong>Linde</strong>-Unterstützung: Der Anlagen- und Gasespezialist baut derzeit den dritten<br />

Ethancracker in Ruwais, der Ende 2013 in Betrieb gehen soll. Mit einer Jahreskapazität von 3,89 Millionen<br />

Jahrestonnen entsteht damit der weltweit größte ethanbasierte Polymerkomplex.<br />

Link:<br />

www.borouge.com


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // News<br />

08<br />

news<br />

Asien:<br />

Luftzerleger in Vietnam und Indien<br />

Die Stahlindustrie in Asien boomt – und damit auch die Nachfrage<br />

nach Luftzerlegern. In Vietnam wird die <strong>Linde</strong> AG das dort ansässige<br />

Stahlunternehmen POSCO SS-Vina künftig mit den notwendigen Industriegasen<br />

versorgen. Im Industriepark Phu My in Ba Ria, Vung Tau<br />

Provinz, wird <strong>Linde</strong> die größte Luftzerlegungsanlage des Landes<br />

errichten und dafür insgesamt rund 40 Millionen Euro investieren.<br />

„Wir freuen uns darüber, erneut bei einem On-site-Projekt mit unserem<br />

Kunden POSCO zusammenzuarbeiten.<br />

Dabei handelt es sich um<br />

die größte Einzelinvestition, die<br />

<strong>Linde</strong> in Vietnam bisher getätigt<br />

hat“, sagte Sanjiv Lamba, Mitglied<br />

des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG<br />

und verantwortlich für das Asien/<br />

Pazifik-Geschäft des Unternehmens.<br />

Damit stärkt der Konzern<br />

seine Position in der schnell<br />

wachsenden Region Südostasien.<br />

Die neue, hochmoderne Luftzerlegungsanlage<br />

wird über eine<br />

Produktionskapazität von 35.000<br />

Normkubikmeter Luftgase pro<br />

Stunde verfügen. Die Inbetriebnahme<br />

ist für 2014 vorgesehen.<br />

Des Weiteren wird <strong>Linde</strong> für<br />

Tata Steel Limited, eines der weltweit<br />

größten Stahlunternehmen,<br />

zwei große Luftzerlegungsanlagen<br />

in Indien errichten – eine<br />

Investition von rund 80 Millionen<br />

Euro. Der Bau der beiden<br />

Anlagen ist Teil eines Vertrags<br />

zur langfristigen On-site-Gaseversorgung<br />

für ein neues Stahlwerk<br />

von Tata Steel, das derzeit<br />

im Industriekomplex Kalinganagar<br />

im indischen Odisha<br />

entsteht. Jede der beiden Luftzerleger<br />

besitzt eine Produktionskapazität<br />

von 1.200 Tonnen<br />

Luftgase pro Tag. Nach der Inbetriebnahme,<br />

die für das Jahr<br />

2014 geplant ist, soll das derzeit im Bau befindliche Stahlwerk<br />

von Tata Steel mit gasförmigem Sauerstoff, Stickstoff und Argon versorgt<br />

werden. Zudem erzeugen die Luftzerleger Flüssiggase für den<br />

regionalen Markt. Darüber hinaus plant <strong>Linde</strong>, ein ausgedehntes<br />

Rohrleitungsnetz im Industriekomplex Kalinganagar einzurichten,<br />

um dort künftig auch weitere Stahlproduzenten mit Industriegasen<br />

versorgen zu können.


News // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

09<br />

Flüssigerdgas:<br />

Weitere LNG-Projekte<br />

verflüssigungsanlage für Malaysia<br />

Das Unternehmen Malaysia LNG Sdn. Bhd., eine Tochtergesellschaft<br />

des Öl- und Gaskonzerns PETRONAS, hat <strong>Linde</strong> mit dem Bau einer<br />

mittelgroßen Erdgasverflüssigungsanlage beauftragt. Die neue<br />

Anlage zur Rückverflüssigung von so genanntem Boil-off-Gas verfügt<br />

über eine Kapazität von 1.840 Tonnen Flüssigerdgas, kurz LNG<br />

für Liquefied Natural Gas, pro Tag. „Dieses Projekt ist das neueste in<br />

einer Reihe von mittelgroßen, technisch besonders anspruchsvollen<br />

LNG-Vorhaben, die wir in letzter Zeit für uns entscheiden konnten“,<br />

sagte Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands<br />

der <strong>Linde</strong> AG. Die neue Anlage entsteht im Bintulu-LNG-Komplex im<br />

Bundesstaat Sarawak im Osten Malaysias und soll Ende 2014 ihren<br />

Betrieb aufnehmen.<br />

LNG-Terminal in Schweden<br />

Für das norwegische Unternehmen Skangass AS wird <strong>Linde</strong> ein mittelgroßes<br />

LNG-Import-Terminal bauen. Die Anlage soll in Lysekil an<br />

der schwedischen Westküste entstehen. Neben den <strong>Engineering</strong>-,<br />

Beschaffungs-, Bau- und Inbetriebnahmeleistungen im Wert von rund<br />

44 Millionen Euro übernimmt <strong>Linde</strong> auch das Schnittstellen-Management<br />

mit dem Tankhersteller. Das neue LNG-Terminal soll im Frühjahr<br />

2014 in Betrieb gehen und die nahe gelegene Preem-Raffinerie,<br />

aber auch die Industrie und den Transportsektor mit Erdgas beliefern.<br />

Das neue Terminal besitzt eine Speicherkapazität von 30.000 Kubikmeter<br />

LNG und wird zusätzlich mit einer Lkw-Tankstelle ausgerüstet.<br />

Das Flüssigerdgas stammt aus der LNG-Anlage bei Stavanger.<br />

Russland:<br />

Auftrag für neue Ethylen-anlage<br />

Für das größte russische Petrochemie-Unternehmen SIBUR LLC hat<br />

<strong>Linde</strong> einen <strong>Engineering</strong>-Auftrag erhalten, um eine der weltweit<br />

größten Ethylen-Anlagen zu bauen. Die neue Anlage wird aus den<br />

Rohstoffen Ethan, Propan und n-Butan etwa 1,5 Millionen Jahrestonnen<br />

Ethylen, 500.000 Jahrestonnen Propylen und 100.000 Jahrestonnen<br />

Butadien herstellen. Diese Produkte sind wichtige<br />

Grundstoffe für die Kunststoff-Erzeugung.<br />

Die neue Ethylen-Anlage soll im geplanten Petrochemie-Komplex<br />

„ZapSibNeftekhim“ des Petrochemie-Unternehmens ZapsibNeftekhim,<br />

einer Tochtergesellschaft von SIBUR, im westsibirischen<br />

Tobolsk entstehen. <strong>Linde</strong> errichtet derzeit für SIBUR an diesem<br />

Standort bereits eine Polypropylen-Anlage mit einer Jahreskapazität<br />

von 500.000 Tonnen, die voraussichtlich 2013 in<br />

Betrieb gehen wird. Dieses Projekt zählt derzeit zu den Schlüsselinvestitionen<br />

in der petrochemischen Industrie Russlands.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // News<br />

10<br />

CO₂-Management:<br />

Klimahelfer im Gewächshaus<br />

Die <strong>Linde</strong> AG hat die verbleibenden Anteile im OCAP Joint Venture (Organisches<br />

CO 2 für die Assimilation in Pflanzen) von Volker Wessels Stevin Deelnemingen<br />

übernommen. OCAP liefert Kohlendioxid an Gewächshäuser im Raum Rotterdam<br />

und Amsterdam. Dort unterstützt die mit CO 2 angereicherte Atmosphäre das<br />

Wachstum der Pflanzen. Das Kohlendioxid stammt aus der größten europäischen<br />

Shell-Raffinerie und einer Abengoa-Bioethanol-Anlage im Industriehafen von<br />

Rotterdam. Eine 100 Kilometer lange Transportleitung liefert etwa 400.000 Tonnen<br />

des Gases an mehr als 580 umliegende Treibhäuser. Ein kleiner Teil geht in<br />

die Lebensmittelindustrie, um Produkte frisch zu halten. Durch die Weiterverwertung<br />

des Gases vermeidet OCAP die Verbrennung von 115 Millionen Kubikmeter<br />

Erdgas pro Jahr. Das entspricht in etwa dem Ausstoß einer westeuropäischen<br />

Stadt mit 150.000 Einwohnern. Mit der Übernahme stärkt <strong>Linde</strong> seine Position als<br />

einer der führenden Anbieter von sauberen Technologien.<br />

Saubere Mobilität:<br />

Wasserstoff-Betankungstechnik auf der Hannover Messe<br />

Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Energieträgern wächst.<br />

Besonders gefragt ist der emissionsfreie Kraftstoff Wasserstoff<br />

(H 2 ). Auf der Hannover Messe im April 2013 stellte <strong>Linde</strong> den<br />

neuesten Stand der Wasserstoff-Betankungstechnik vor: Die von<br />

der Clean Energy Partnership (CEP) auf der Messe eingesetzten<br />

Brennstoffzellen-Fahrzeuge wurden mithilfe einer mobilen, von<br />

<strong>Linde</strong> entwickelten Betankungseinheit mit grünem Wasserstoff<br />

versorgt. Dieser wird in Leuna aus Rohglycerin gewonnen. Auch<br />

bei den stationären Betankungslösungen wurden Fortschritte<br />

erzielt: In den letzten zwei Jahren entwickelte und baute <strong>Linde</strong><br />

drei H 2 -Tankstellen, die den Wasserstoff direkt vor Ort per Elektrolyse<br />

erzeugen. Elektrizität aus erneuerbaren Energien kann damit<br />

emissionsfrei in Wasserstoff umgewandelt werden. Mit der Powerto-Gas-Technologie<br />

lässt sich Wasserstoff als effizientes Speichermedium<br />

für regenerative Energiequellen nutzen.<br />

China:<br />

Sauerstoff für Kohleverflüssigung<br />

Kohle gewinnt als Energieträger an Bedeutung. Um den Rohstoff<br />

vielfältiger nutzen zu können, werden vermehrt Anlagen zur Kohleverflüssigung<br />

gebaut – auch Coal-to-Liquid genannt, kurz CTL. Das<br />

Verfahren benötigt unter anderem auch Sauerstoff, den <strong>Linde</strong> mit<br />

seinen Luftzerlegern liefert. Der Anlagen- und Gasespezialist wird<br />

sechs große Luftzerlegungsanlagen für Shenhua Ningxia Coal Industry<br />

Group Co. Ltd. und Shenhua Logistics Group Co. Ltd. in Yinchuan<br />

im Nordwesten Chinas errichten. Jede der sechs Anlagen produziert<br />

stündlich rund 100.000 Normkubikmeter gasförmigen Sauerstoff.<br />

Dieser wird im CTL-Komplex am Shenhua-Standort Ningdong Energy<br />

Chemical Base eingesetzt. Dort sollen vier Millionen Tonnen CTL-Produkte<br />

– vorwiegend flüssiger Kraftstoff aus Kohle – pro Jahr erzeugt<br />

werden. Damit handelt es sich um eines der derzeit größten Coal-to-<br />

Liquid-Vorhaben weltweit. <strong>Linde</strong> ist für das <strong>Engineering</strong>, die Lieferung<br />

der Maschinen und Ausrüstungen, die Montage- und Inbetriebnahmeüberwachung,<br />

die schlüsselfertige Erstellung der Cold-Boxen<br />

sowie die Schulung des Kundenpersonals verantwortlich. Die Inbetriebnahme<br />

der Luftzerleger ist im Jahr 2015 geplant.


News // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

11<br />

Deutschland:<br />

<strong>Linde</strong> unterstützt DLR-Gasturbinen-Prüfstand<br />

Die Mobilität der Zukunft muss sauberer werden. Auch Flugzeuge<br />

sollen effizienter und umweltfreundlicher fliegen. Zwar hat sich die<br />

Leistung der Triebwerke in den letzten Jahrzehnten bereits deutlich<br />

verbessert, während sich Schadstoffemissionen und Fluglärm verringerten.<br />

Doch die Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und<br />

Raumfahrt (DLR) in Köln sehen noch mehr Optimierungspotenzial.<br />

Deshalb baut das DLR seine Flugantriebs- und Kraftwerksforschung<br />

weiter aus – auch mit Unterstützung von <strong>Linde</strong>. Im April 2013 wurden<br />

zwei neue Anlagen eingeweiht: Ein von <strong>Linde</strong> entwickeltes System<br />

zur Wasserstoffversorgung sowie ein moderner Hochdruckverdichter<br />

sollen die Erforschung neuer, sparsamer und leistungsstarker Gasturbinen<br />

für die Luftfahrt und Energietechnik fördern.<br />

In den Brennkammerprüfständen forscht das DLR nach einer<br />

möglichst effizienten, flexiblen und schadstoffarmen Verbrennung<br />

von fossilen und alternativen Treibstoffen. Vor allem der Einsatz<br />

von Wasserstoff (H 2 ) verspricht große Fortschritte für eine umweltfreundliche<br />

Turbinentechnik: Das<br />

leichte Gas ist nicht nur kompatibel<br />

mit den leistungsstarken Verbrennungsmaschinen,<br />

sondern<br />

es besitzt auch eine hohe Energieeffizienz<br />

und verbrennt CO 2 -<br />

frei. „Das Projekt zeigt, dass Wasserstoff<br />

dank seiner positiven<br />

Eigenschaften für viele innovative<br />

Anwendungen geeignet ist“,<br />

sagt Dr. Andreas Opfermann, Leiter<br />

Clean Energy und Innovationsmanagement<br />

bei <strong>Linde</strong>. Die<br />

von <strong>Linde</strong> entwickelte H 2 -Versorgung<br />

umfasst unter anderem<br />

einen kryogenen Speichertank<br />

und ein höchst effizientes Kryopumpensystem,<br />

mit dem das bei<br />

minus 253 Grad Celsius flüssig<br />

gelagerte Gas in Hochdruckwasserstoff<br />

umgewandelt wird. Nach<br />

weniger als einem Jahr Bauzeit<br />

steht die H 2 -Versorgung jetzt den<br />

DLR-Ingenieuren und Partnern<br />

aus der Industrie zur Verfügung.<br />

Energieversorgung:<br />

Neues Erdgasterminal an der Nordseeküste<br />

Norwegen ist einer der wichtigsten Energielieferanten Deutschlands.<br />

Um die Belieferung mit Erdgas in Deutschland sicherzustellen,<br />

wird ein neues Erdgasterminal in Emden errichtet. <strong>Linde</strong> hat<br />

von dem norwegischen Unternehmen Gassco AS den Auftrag zum<br />

Bau erhalten. Das neue Terminal soll das seit mehr als 30 Jahren<br />

bestehende Norsea Gas Terminal ersetzen, das ebenfalls von<br />

Gassco betrieben wird. Das Auftragsvolumen beträgt rund 260<br />

Millionen Euro. <strong>Linde</strong> ist für das <strong>Engineering</strong>, die Beschaffung und<br />

den Bau des Erdgasterminals verantwortlich. „Mit unserer langjährigen<br />

Erfahrung auf dem Gebiet der Erdgasverarbeitung leisten<br />

wir damit einen weiteren Beitrag zur Nutzung dieses umweltfreundlichen<br />

fossilen Energieträgers“, sagte Professor Dr.-Ing. Aldo<br />

Belloni, Mitglied des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG. Die Anlage wird weitestgehend<br />

in Modulen vorgefertigt und dann am endgültigen<br />

Standort in Emden komplettiert. Die Inbetriebnahme des neuen<br />

Erdgasterminals ist für Ende 2015 vorgesehen.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Multimedia<br />

12<br />

Die Elektronikbranche baut auf hochreine Spezialgase<br />

Hinter den Pixeln<br />

Der Trend zu hochauflösenden Displays ist ungebrochen. Doch die Produktion<br />

der Hightech-Bildschirme stellt immer höhere technische Anforderungen.<br />

<strong>Linde</strong> versorgt die Hersteller mit einem breiten Spektrum hochreiner Elektronikgase<br />

und entwickelt umweltfreundliche Lösungen für die Multimedia-Branche.<br />

Autorin: Ute Kehse<br />

Bildquelle: Steger/SPL/Agentur Focus<br />

↲ ↳<br />

Im Pixel-Land herrscht Platznot. Immer mehr der winzigen Bildpunkte<br />

drängeln sich auf die modernen Displays der Fernsehgeräte: James-<br />

Bond-Actionszenen rauschen als gestochen scharfe Bildsequenzen<br />

über die schlanken Scheiben, die mit immer größeren Bildschirmdiagonalen<br />

begeistern. Und um die Hobbit-Trilogie, Olympiaspektakel<br />

oder Naturdokus noch plastischer auf die Screens zu zaubern,<br />

steht schon das nächste Multimedia-Highlight<br />

in den Startlöchern: dreidimensionales Fernsehen<br />

in höchster Auflösung – oder kurz UHD-3D.<br />

Die Abkürzung UHD steht für Ultra High Definition.<br />

Die Auflösung dieser Flachbildschirme ist<br />

viermal so hoch wie bei so genannten Full HD-<br />

Displays. Das bedeutet: Das Bild setzt sich aus<br />

mehr als acht Millionen Pixeln zusammen. Und<br />

mindestens 480-mal pro Sekunde erscheint ein neues Bild. Das ist<br />

viermal so oft wie beim normalen Fernsehen – aber nur so lässt sich<br />

der 3D-Effekt erzielen.<br />

Bei den Hochleistungs-Screens der nächsten Generation stößt<br />

die heutige Technik allerdings an ihre Grenzen: Jedes einzelne Pixel<br />

benötigt zur elektronischen Ansteuerung einen winzigen Transistor.<br />

Das bedeutet: Acht Millionen dieser Schaltelemente finden sich auf<br />

der Rückwand eines UHD-3D-Displays. „Um die gewünschte höhere<br />

Scharfe Screens:<br />

Spielwiese für<br />

Mehr als acht<br />

millionen Pixel.<br />

Auflösung zu erreichen, müssten die Transistoren verkleinert werden“,<br />

erklärt Andreas Weisheit, Leiter Marktentwicklung Flachbildschirme<br />

& Solar bei <strong>Linde</strong> in Schanghai. Doch die heutigen Schaltelemente<br />

sind nicht leistungsfähig genug für die Herausforderungen der neuen<br />

Display-Entwicklungen. Der Grund: Die Dünnschicht-Transistoren<br />

(Thin Film Transistor, kurz TFT) derzeitiger Flachbildschirme bestehen<br />

meist aus amorphem Silizium: Die einzelnen<br />

Silizium-Atome bilden also keine regelmäßige<br />

Kristallstruktur. „Deshalb können sich die leitenden<br />

Elektronen nicht schnell genug bewegen<br />

– und das verhindert die benötigte schnelle<br />

Bildrate“, so Weisheit.<br />

Die derzeit favorisierte Alternative: Dünnschicht-Transistoren<br />

aus polykristallinem Silizium.<br />

Dank der geordneten atomaren Struktur leitet das Material die Elektronen<br />

deutlich besser. Allerdings ist auch der Herstellungsprozess<br />

teurer, denn das amorphe Silizium muss dazu mit einem Laser in die<br />

kristalline Form umgewandelt werden. „Bei kleinen Displays, zum<br />

Beispiel in einem Smartphone, ist der höhere Preis noch vertretbar<br />

– bei großen Fernsehbildschirmen allerdings nicht“, sagt Weisheit.<br />

Hersteller wie Sharp oder LG steigen daher auf ein neues Transistor-<br />

Material um: Metalloxide. Die halbleitenden Verbindungen bestehen


Multimedia // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

13<br />

Leuchtende Moleküle: Organische<br />

Leuchtdioden – kurz OLEDs –<br />

versprechen brillantere, flachere<br />

und flexible Bildschirme.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Multimedia<br />

14<br />

aus Oxiden der Metalle Indium, Gallium und Zink. Die Kosten bewegen<br />

sich im Rahmen der herkömmlichen Silizium-Transistoren – aber<br />

die Leistung des Materials ist deutlich besser.<br />

Allerdings zieht der Materialwechsel weitere Veränderungen<br />

nach sich. „Die Herausforderung bei der Flachbildschirm-Produktion<br />

ist neben der geringen Größe der Transistoren<br />

Lachgas für<br />

die nächste<br />

Transistoren-<br />

Generation.<br />

auch die große Fläche“, sagt Weisheit. Die Schaltelemente<br />

selbst sind etwa einen Zehntel Millimeter<br />

groß. Die Kunst besteht darin, Millionen von<br />

qualitativ hochwertigen Dünnschicht-Transistoren<br />

gleichmäßig auf Glasplatten mit einer Fläche von<br />

mehr als fünf Quadratmetern aufzubringen.<br />

Bei solchen Prozessen spielen verschiedene<br />

hochreine Gase an ganz unterschiedlichen Stellen eine wichtige<br />

Rolle – beispielsweise Argon: Mit diesem Edelgas beschießt man<br />

die Materialien, aus denen die verschiedenen Komponenten eines<br />

Transistors bestehen – und verdampft sie. Anschließend werden<br />

die Substanzen auf der Rückseite der Glasplatte wieder abgeschieden.<br />

So bilden sich unter anderem die metallischen und halbleitenden<br />

Schichten, Isolatorfilme und Schutzschichten. Anschließend<br />

ätzt man das Material teilweise wieder weg, um zum Beispiel Leiterbahnen<br />

gezielt auf der Glasplatte herauszuarbeiten. Für diese Schritte<br />

benötigen die Hersteller wieder andere Gase. „Insgesamt werden bis zu<br />

zehn unterschiedliche Gase verwendet“, erklärt<br />

Weisheit. „Phosphin benötigt man beispielsweise<br />

zum Dotieren des Halbleiters – oder Stickstoff, um<br />

die Abgase zu verdünnen. Helium dient zur Kühlung<br />

der Glasplatte und fluorhaltige Gase zum Ätzen“,<br />

so der <strong>Linde</strong>-Experte. So wächst nach und nach<br />

der Transistor in seiner endgültigen Form heran:<br />

ein hochpräzises, elektronisches Bauelement aus<br />

sechs bis sieben hauchdünnen und speziell geformten Schichten.<br />

Die neuen, leistungsfähigeren Metalloxid-Transistoren erhalten<br />

eine Isolatorschicht aus Siliziumdioxid zum Schutz vor Feuchtigkeit.<br />

Um diese Verbindung herzustellen, benötigt man Distickstoffmonoxid<br />

(N₂O), auch Lachgas genannt. „Ohne eine sichere Versorgung<br />

Bann für Klimagase<br />

Es ist das stärkste Treibhausgas überhaupt: Schwefelhexafluorid<br />

(SF 6 ). Die langlebige Verbindung übertrifft<br />

die Wirkung von Kohlendioxid um den Faktor 23.900.<br />

Bei der Bildschirmherstellung kommt SF 6 seit Langem<br />

als Ätzgas zum Einsatz. Und dabei können kleine Mengen<br />

in die Umwelt entweichen. „Der Druck auf die Hersteller,<br />

die Substanz zu ersetzen, ist enorm“, sagt Andreas<br />

Weisheit, Leiter Marktentwicklung Flachbildschirme &<br />

Solar bei <strong>Linde</strong> in Schanghai. Auch in Asien werden<br />

Umweltfragen immer wichtiger. <strong>Linde</strong> hat zusammen<br />

mit einem koreanischen Anlagenbauer nach einem<br />

klimafreundlichen Ersatz gesucht – mit Erfolg: Reines<br />

Fluor-Gas (F₂) ist für das Ätzen von Transistor-Schichten<br />

sogar noch besser geeignet. Es löst das überschüssige<br />

Material schneller und gleichmäßiger, die Behandlung<br />

der entstehenden Abgase ist einfacher und der<br />

Stromverbrauch in der Produktion sinkt. Der Verband<br />

der koreanischen Display-Hersteller hat das <strong>Linde</strong>-<br />

Verfahren kürzlich offiziell anerkannt. <strong>Linde</strong> stellt kleine<br />

Anlagen – so genannte On-site-Generatoren – her, die<br />

F₂ vor Ort erzeugen. Einige Elektronikhersteller haben<br />

bereits Erfahrung mit diesen kleinen Fluor-Fabriken:<br />

Bereits 2003 entwickelte <strong>Linde</strong> ein Verfahren, um das<br />

Treibhausgas Stickstofftrifluorid (NF₃) ebenfalls<br />

durch F₂ zu ersetzen. Die Verbindung wird zur Reinigung<br />

der Reaktorkammern eingesetzt, in denen die Bildschirme<br />

bedampft werden.<br />

Verdampfen, abscheiden,<br />

wegätzen:<br />

Bis zu zehn verschiedene<br />

hochreine<br />

Gase werden gezielt<br />

eingesetzt (rechts), um<br />

feine Leiterbahnen auf<br />

die Transistoren zu<br />

bringen. Nur so lassen<br />

sich brillante Farben<br />

auf die flachen Bildschirme<br />

zaubern (unten).


Multimedia // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

15<br />

mit hochreinem Lachgas wäre die Umstellung von Silizium- auf<br />

Metalloxid-Transistoren nicht möglich“, betont Weisheit. <strong>Linde</strong> und<br />

<strong>Linde</strong> LienHwa, ein Joint Venture mit der LienHwa MiTAC Group aus<br />

Taiwan, betreiben bereits sechs Lachgas-Anlagen mit einer Kapazität<br />

von 3.000 Tonnen pro Jahr in Asien. Künftig soll die produzierte<br />

Jahresmenge auf 10.000 Tonnen Lachgas steigen. Dazu wird derzeit<br />

eine bestehende Anlage in Taiwan erweitert und in Südkorea<br />

eine weitere Produktionsstätte neu gebaut. Zudem erwarb <strong>Linde</strong><br />

LienHwa eine Anlage in der chinesischen Provinz Jiangsu. Denn der<br />

Bedarf ist groß: „Derzeit sind neun Metalloxid-Projekte in der Entwicklung.<br />

Neue Fabriken werden gebaut oder bestehende nachgerüstet“,<br />

berichtet Bruce Berkhoff, Vorsitzender der Handelsorganisation<br />

LCD TV Association. „Mit dem Ausbau der Kapazitäten etabliert <strong>Linde</strong><br />

in Asien seine Position als führender Anbieter von Elektronikgasen“,<br />

sagt Weisheit. „Wir investieren kontinuierlich und unterstützen so<br />

Innovationen auf diesem Zukunftsmarkt“, so der Ingenieur.<br />

Leistungsfähige Transistoren für OLED-Displays<br />

Die Verdreifachung der Lachgas-Produktion hält der <strong>Linde</strong>-Experte<br />

deswegen für unverzichtbar: „Eine einzige Display-Fabrik braucht<br />

bis zu tausend Tonnen dieses Gases pro Jahr“, so Weisheit. Metalloxid-Transistoren<br />

werden aber nicht nur für Flachbildschirme wichtig.<br />

Auch für Smartphones sind die leistungsfähigeren Schaltelemente<br />

eine interessante Option, weil sie den Stromhunger der Geräte verringern<br />

könnten. Denn vor allem das Display ist verantwortlich,<br />

wenn der Akku schon nach weniger als einem Tag schlapp macht.<br />

Die Leuchtdioden, die noch hinter den Transistoren verbaut sind und<br />

den Bildschirm von hinten anstrahlen, verbrauchen den Löwenanteil<br />

des Stroms. Da kleinere Transistoren mehr Licht durchlassen, könnte<br />

man durch die Metalloxid-Variante eine Menge Strom sparen. Und<br />

auch Bildschirme mit organischen Leuchtdioden – abgekürzt OLEDs –<br />

könnten von den leistungsfähigen Bauteilen profitieren. OLEDs versprechen<br />

noch brillantere Bilder und noch schmalere Bildschirme.<br />

Doch die OLED-Displays schafften es bislang nicht auf den breiten<br />

Markt (siehe Interview). Eine Hürde sind leistungsfähige Transistoren,<br />

denn die OLEDs benötigen eine hohe Stromstärke, um die<br />

organischen Substanzen zum Leuchten zu bringen. Metalloxid-Transistoren<br />

könnten diese Herausforderung meistern.<br />

Die Aussichten für Display-Hersteller sind insgesamt gut, wie<br />

eine Marktanalyse von <strong>Linde</strong> zeigt. Zwar stieg die Zahl verkaufter<br />

Flachbildschirme im Jahr 2012 wenig an. „Der Trend geht aber zu<br />

immer größeren Displays, sowohl bei Smartphones als auch bei Fernsehern“,<br />

sagt Weisheit. Daher rechnen Analysten für 2013 mit einem<br />

Umsatzwachstum der Branche um fünf Prozent. Auch für <strong>Linde</strong> sind<br />

die Aussichten erfreulich. Denn Spezialgase spielen bei der Entwicklung<br />

von neuen Elektronikgeräten eine wichtige Rolle. Weisheit: „Je<br />

größer die Display-Flächen, desto mehr Gase werden gebraucht“.<br />

↳<br />

↳<br />

↳<br />

↳<br />

Kurzinterview<br />

„Biegsame Bildschirme dank<br />

organischer FIlme“<br />

<strong>Linde</strong> Technology sprach mit<br />

Prof. Jianhua Zhang, Direktorin des<br />

Key Lab of Advanced Display<br />

and System an der Shanghai University,<br />

über die Display-Technologien<br />

der Zukunft. Das Institut ist<br />

Kooperationspartner von <strong>Linde</strong><br />

bei der Forschung an OLEDs, also<br />

organischen Leuchtdioden.<br />

Was sind die Vorteile von OLED-Displays?<br />

Organische Leuchtdioden bestehen aus einem dünnen organischen<br />

Film zwischen zwei Leitern. Wenn ein elektrischer<br />

Strom fließt, emittieren sie Licht. Es ist also keine Lichtquelle<br />

mehr hinter dem Bildschirm wie bei LCDs, also Flüssigkristall-Displays.<br />

OLED-Bildschirme sind dünner und effizienter.<br />

Zudem erzeugen sie brillante Farben und reagieren<br />

sehr schnell. In Zukunft könnten OLED-Displays auch biegsam<br />

und durchsichtig sein.<br />

Warum haben sie bislang den Durchbruch noch<br />

nicht geschafft?<br />

Einer der wichtigsten Gründe sind die hohen Kosten. OLEDs<br />

haben aber das Potenzial, günstiger zu werden als LCDs,<br />

weil ihre Struktur einfacher ist. Große Investitionen in die<br />

Massenproduktion könnten ein weiteres Hindernis sein.<br />

Inzwischen sind aber bereits einige OLED-Produkte auf dem<br />

Markt, zum Beispiel in der Samsung Galaxy-Reihe.<br />

Woran forschen die Shanghai University und <strong>Linde</strong>?<br />

Bei unserer Kooperation konzentrieren wir uns auf eine<br />

neue Technologie zur Einkapselung der dünnen Filme.<br />

Denn der organische Film ist extrem empfindlich gegenüber<br />

Sauerstoff und Feuchtigkeit. Das kann die Lebensdauer<br />

drastisch verkürzen. Die Einkapselung der OLEDs ist daher<br />

ein entscheidender Schritt bei der Produktion, insbesondere<br />

bei flexiblen Displays.<br />

Wie lange wird es dauern, bis OLED-Displays konventionelle<br />

Flachbildschirme vom Markt verdrängen?<br />

LINK:<br />

www.oled-info.com<br />

Das ist schwer zu sagen. Beide Technologien entwickeln<br />

sich weiter. Ich bin aber zuversichtlich, dass OLED-<br />

Bildschirme in fünf oder zehn Jahren eine wichtige Rolle<br />

spielen werden.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Titelthema<br />

16<br />

Innovative Technologien für mehr Nachhaltigkeit<br />

Kraftwerk<br />

Natur


TITELTHEMA // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

17<br />

Der Energiehunger wächst weltweit. Aber der Klimawandel und knappere fossile Ressourcen<br />

zwingen uns dazu, umzudenken und vermehrt erneuerbare Quellen zu nutzen. Doch für<br />

einen nachhaltigen Energiemix und eine umweltfreundliche Mobilität sind innovative<br />

Technologien gefragt. Die Anlagen- und Gasespezialisten von <strong>Linde</strong> entwickeln effiziente<br />

Prozesse für eine grünere Zukunft und setzen an Schlüsselstellen wichtige Impulse.<br />

Windstrom<br />

Mit Wasserstoff große Energiemengen<br />

effizient speichern.<br />

Geothermie<br />

Die globalen Erdwärme-<br />

Ressourcen besser nutzen.<br />

Solarenergie<br />

Mit Anti-Reflex-Glas mehr<br />

Sonnenstrom gewinnen.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Energiespeicher<br />

18<br />

Rotorblätter auf Windfang:<br />

Windparks können gigantische Energiemengen<br />

erzeugen. Um diese dem<br />

aktuellen Bedarf anzupassen, braucht es<br />

effiziente Speichertechnologien –<br />

wie Wasserstoff.


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Energiespeicher // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

19<br />

Power-to-Gas: Regenerative Energien flexibel und effizient speichern<br />

Bildquelle: Bernhard Edmaier/SPL/Agentur Focus<br />

Autor: Tim Schröder<br />

↲ ↳<br />

wasserstoff aus Wind<br />

Wind- und Sonnenstrom sollen helfen, die Energiezukunft zu sichern. Dazu benötigt man flexible<br />

Stromspeicher. Ein vielversprechender Ansatz ist Wasserstoff. Damit können die fluktuierenden<br />

Strommengen bis zur Nutzung gelagert werden: Das Gas lässt sich durch Elektrolyse von Wasser<br />

herstellen, effizient lagern und transportieren – und wieder in Strom umwandeln. Die Power-to-Gas-<br />

Technologie realisieren <strong>Linde</strong>-Ingenieure in einem Kooperationsprojekt mit Enertrag und Total.<br />

Sturmböen peitschen die Rotoren zu Höchstleistungen – eine reiche<br />

Ernte für das Stromnetz. Wenig später weht über den Windpark nur<br />

eine schwache Brise. Dann müssen Gas- oder Kohlekraftwerke einspringen,<br />

um den Strombedarf zu decken. Denn das Energienetz<br />

ist empfindlich: Um Strom sicher und zuverlässig bereitzustellen,<br />

müssen Energieerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander<br />

abgestimmt sein. Für die Netze ist der Umgang mit dem<br />

launenhaften Strom aus Wind und Sonne eine<br />

echte Herausforderung. Denn Angebot und<br />

Nachfrage klaffen zeitweilig weit auseinander:<br />

Nachts, wenn der Bedarf gering<br />

ist, gibt es kaum Abnehmer für den Ökostrom.<br />

Und tagsüber müssen die Netze<br />

sonnen- und windreiche Zeiten neben<br />

Flauten und Schattenphasen bewältigen.<br />

Die extremen Leistungsschwankungen,<br />

die innerhalb weniger Minuten<br />

entstehen und sich im Gigawatt-Bereich<br />

bewegen, muss das Stromnetz ausgleichen<br />

können. „Und dieser Effekt wächst mit dem<br />

steigenden Anteil von Wind- und Sonnenstrom“,<br />

erklärt Dr. Christoph Stiller, der im Bereich<br />

Clean Energy Technology bei <strong>Linde</strong> das Feld Energiespeicherung<br />

leitet. In den vergangenen Jahren mussten<br />

Windkraftanlagen regelmäßig gedrosselt werden, um die Netze<br />

vor Ort nicht zu überlasten – wertvolle Energie geht so verloren.<br />

Das Einspeisen des Ökostroms macht die Umgestaltung des<br />

Energiesystems zu einer Mammutaufgabe – mit vielen technologischen<br />

Herausforderungen.<br />

EnergieSpeicher<br />

In einem Kilogramm Wasserstoff<br />

steckt dreimal so viel Energie wie in<br />

einem Kilogramm Erdöl.<br />

„Neben dem Ausbau der Stromtrassen sind vor allem geeignete Speichertechnologien<br />

notwendig, die überschüssige Windenergie aufnehmen<br />

und auf Vorrat halten – über Stunden, Tage oder sogar Wochen – und<br />

dann wieder ins Netz einspeisen können“, sagt Stiller. Zwar sind aus<br />

heutiger Sicht Pumpspeicher eine effiziente Lösung, aber sie lassen<br />

sich nur in bestimmten geographischen Regionen errichten. In<br />

Deutschland zum Beispiel sind die Möglichkeiten nahezu erschöpft.<br />

Die installierte Gesamtspeicherkapazität<br />

beträgt hier derzeit rund 40 Gigawattstunden. Doch<br />

alleine könnten sie den erwarteten Bedarf an<br />

Stromspeichern bei Weitem nicht decken.<br />

Wollte man das Energiesystem zu 100 Prozent<br />

erneuerbar machen, wäre 2.000-mal<br />

so viel an Speicherkapazität notwendig,<br />

also 40 bis 80 Terawattstunden.<br />

Eine vielversprechende Lösung bietet<br />

der Power-to-Gas-Ansatz: Die Umwandlung<br />

von regenerativ erzeugtem Strom in<br />

Wasserstoff (H₂). „Das leichte Gas ist als<br />

Schwankungspuffer bestens geeignet – und<br />

lässt sich aus Wasser per Elektrolyse gewinnen“,<br />

so der <strong>Linde</strong>-Experte. Den dafür notwendigen<br />

Strom liefern regenerative Energiequellen wie zum Beispiel<br />

die Windkraft. Für den produzierten Wasserstoff öffnen<br />

sich dann viele Wege in das öffentliche Energienetz: So lässt sich H₂<br />

in Gaskraftwerken zurück in Strom verwandeln oder mit einem Anteil<br />

von derzeit bis zu fünf Prozent in das Erdgasnetz einspeisen. Eine<br />

weitere Option ist die so genannte Methanisierung. Stiller: „Dabei<br />

wird der Wasserstoff für die Produktion von synthetischem Erdgas


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Energiespeicher<br />

20<br />

Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Vernetzte Wasserstoff-Welt<br />

Windparks produzieren große Mengen regenerative Energie: Diese kann je nach Bedarf direkt ins Stromnetz fließen, aber auch Elektroautos antreiben –<br />

oder zur Wasserstoffproduktion genutzt werden. Für den erzeugten H₂ öffnen sich viele Wege: Dieser kann Brennstoffzellenfahrzeuge antreiben, anteilig ins<br />

Erdgasnetz gespeist oder für die Methanisierung zu SNG (Synthetic Natural Gas) genutzt werden. Auch Blockheizkraftwerke können H₂ als Brennstoff nutzen.<br />

Synthetisches Erdgas (SNG)<br />

Methanisierung<br />

Wasserstoff<br />

H₂-Abfüllanlage<br />

Wärme<br />

Strom<br />

H₂-Speicher<br />

Blockheizkraftwerk<br />

Biogas<br />

Windpark<br />

Elektrolyse/<br />

H₂-Produktion<br />

Ionischer<br />

Kompressor<br />

Erdgasnetz<br />

Elektro-Tankstelle<br />

Komprimiertes<br />

Erdgas (CNG)<br />

H₂<br />

CNG<br />

Wasserstoff-Tankstelle<br />

Erdgas-Tankstelle<br />

eingesetzt, das dann unbegrenzt in das öffentliche Erdgasnetz strömen<br />

könnte.“ Das dafür benötigte Kohlendioxid lässt sich ebenfalls aus<br />

erneuerbaren Quellen wie Biogas- oder Kläranlagen gewinnen. Auch<br />

Brennstoffzellen können die im Wasserstoff gespeicherte Energie<br />

in Form von Wärme und Strom wieder verfügbar machen – und so<br />

Heizungen befeuern, Haushaltsgeräte versorgen oder auch Elektrofahrzeuge<br />

antreiben. H₂-Energiespeichersysteme könnten eine<br />

wichtige Brücke zwischen den erneuerbaren Energien und dem Straßenverkehr<br />

bilden. Brennstoffzellenautos – mit H₂ betankt – ließen<br />

sich dann mit erneuerbarem Überschussstrom betreiben.<br />

Wie die H₂-Welt künftig Mobilität und Energieversorgung verbinden<br />

kann, soll jetzt das Kooperationsprojekt „H₂-BER“ von <strong>Linde</strong><br />

und den beiden Energieunternehmen Enertrag und Total zeigen, das<br />

von <strong>Linde</strong> Gas Deutschland in Zusammenarbeit mit <strong>Linde</strong>s Clean-<br />

Energy-Team koordiniert wird. Das Projekt wird vom Nationalen Innovationsprogramm<br />

Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP)<br />

gefördert. Derzeit errichten die Partner am künftigen Berliner Hauptstadtflughafen<br />

die weltweit erste Wasserstofftankstelle, die den<br />

Strom direkt aus einem Windpark bezieht. Mit dem H₂-Kraftstoff sollen<br />

dann Brennstoffzellen-Busse und -Pkw fahren. Das Unternehmen<br />

Enertrag hat den Windpark in der Nähe des Flughafens errichtet<br />

und betreibt mit dem dort erzeugten Strom eine große Elektrolyse-<br />

Anlage, die den Wasserstoff produziert. Und je nachdem, wie hoch die<br />

zur Verfügung stehenden Ökostrom-Mengen sind, kann die Elektrolyse-Leistung<br />

reguliert und die H₂-Produktion entsprechend angepasst<br />

werden. <strong>Linde</strong> liefert die komplette Technologie, mit der der


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Energiespeicher // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

21<br />

Wasserstoff vor Ort effizient gespeichert, verdichtet und abgefüllt<br />

werden kann sowie die Tankstellentechnik. Der Konzern Total investiert<br />

als Betreiber in die dazugehörige Wasserstofftankstelle, die mit<br />

<strong>Linde</strong>-Technologie Pkw und Busse versorgen soll.<br />

„Betrachtet man die technischen Komponenten einer H 2 -<br />

Tankstelle genauer, zeigt sich die Komplexität des gesamten Projekts“,<br />

sagt Tim Heisterkamp, Projektleiter für „H₂-BER“ bei <strong>Linde</strong> Gas<br />

Deutschland. „So benötigt man für ihren Betrieb neben Speichertechnologien<br />

auch leistungsstarke und verschleißarme Verdichtereinheiten,<br />

die den Wasserstoff komprimieren“, sagt Heisterkamp. Dieses<br />

Know-how gehört zu den Kernkompetenzen von <strong>Linde</strong>. „Dennoch ist<br />

dieses Projekt für uns sehr anspruchsvoll, weil wir verschiedenste<br />

neu entwickelte Technologien in einer Anlage vereinen.“ Weil zum<br />

Beispiel Kompressoren an einer Tankstelle im Dauereinsatz laufen,<br />

müssen sie besonders verschleißarm sein. Hierfür haben die <strong>Linde</strong>-<br />

Ingenieure den ionischen Verdichter entwickelt, der deutlich weniger<br />

Energie verbraucht als herkömmliche Kolben- oder Membrankompressoren.<br />

„Damit steht ein größerer Anteil des Windstroms für die<br />

Wasserstoff-Produktion zur Verfügung“, so Heisterkamp.<br />

Wasserstoff effizient speichern – und tanken<br />

Für die künftige H₂-Tankstelle am Hauptstadtflughafen wird der Wasserstoff<br />

zunächst in großen Tanks bei rund 45 Bar gespeichert. Denn<br />

eine Langzeitspeicherung bei höherem Druck wäre unwirtschaftlich.<br />

Die großen Tanks speisen die ionischen Verdichter, die das leichte<br />

Gas bei bis zu 900 Bar in kleinere Pufferspeicher pressen – dieser<br />

hohe Druck ist nötig, um die Autos später möglichst schnell mit<br />

700 Bar zu betanken. Das Gasvolumen in den Pufferspeichern reicht<br />

für etwa zehn Betankungen. Zum Konzept gehört auch eine Abfüllstation<br />

für Lkw, die überschüssigen H 2 in andere Verbrauchszentren<br />

und zu industriellen Abnehmern transportieren können – beispielsweise<br />

zu den Tankstellen der Clean Energy Partnership: Dieser Verbund<br />

von Automobil-, Energie- und Technologiekonzernen betreibt<br />

in Berlin bereits rund 50 Wasserstoffautos. Die Flotte soll in nächster<br />

Zeit auf etwa 100 Fahrzeuge wachsen – und die benötigen mehr<br />

Treibstoff. Generell will <strong>Linde</strong> für den Ferntransport von Wasserstoff<br />

künftig einen neu entwickelten Lkw-Auflieger einsetzen, in dem das<br />

H₂-Gas bei einem höheren Druck gespeichert wird. Bisher lassen sich<br />

solche Trailer bei einem Druck von 200 Bar mit etwa 6.000 Kubikmeter<br />

H 2 „beladen“. In Zukunft sollen die Auflieger mit 500 Bar arbeiten<br />

und dann mehr als die doppelte Menge transportieren können.<br />

Das Projekt geht aber weit über die Idee einer Tankstelle hinaus.<br />

Stiller: „Wir zeigen bei ‚H₂-BER’ exemplarisch eine vernetzte Wasserstoffwirtschaft.<br />

Denn wir verknüpfen die umweltfreundliche Erzeugung,<br />

die Versorgung von Fahrzeugen und die Weiterverteilung<br />

über größere Distanzen.“ Und das bundesweite H₂-Bündnis „Performing<br />

Energy“, in dem <strong>Linde</strong> neben 15 Partnern aus Wirtschaft<br />

und Forschung vertreten ist, erforscht und erprobt weitere Wasserstoffspeichersysteme<br />

für die Zukunft – beispielsweise wie gut sich<br />

riesige Salzkavernen als H₂-Speicher eignen würden. Diese könnten<br />

bis zu 200 Gigawattstunden an regenerativ erzeugtem Strom<br />

speichern. Das Projekt von <strong>Linde</strong>, Total und Enertrag ist also erst<br />

der Anfang – aber für eine Wasserstoff-Welt von morgen ein wichtiger<br />

Meilenstein.<br />

↳<br />

↳<br />

↳<br />

Kurzinterview<br />

„Regelleistung im<br />

Sekundentakt“<br />

<strong>Linde</strong> Technology sprach mit Gaelle<br />

Hotellier, Leiterin des Geschäftssegments<br />

Hydrogen Solutions bei<br />

Siemens in Erlangen, über die Rolle<br />

des Wasserstoffs als Baustein<br />

der künftigen Energieversorgung.<br />

Welches Potenzial hat H₂ für die Energieversorgung?<br />

Natürlich ist Wasserstoff nur eine Komponente der künftigen<br />

Energieversorgung – aber eine sehr wichtige. Der Charme der<br />

Technologie besteht darin, dass man mit Wasserstoff nicht<br />

nur regenerativ erzeugten Strom speichern kann, sondern ein<br />

Produkt schafft, das sich vielseitig nutzen lässt: als Grundstoff<br />

für die Industrie, Treibstoff für Fahrzeuge und Energieträger.<br />

Wie lässt sich die Energie zur H₂-Produktion<br />

nachhaltig und effizient bereitstellen?<br />

Wie Projekte der Industriekooperation Performing Energy<br />

zeigen, ist es im Hinblick auf den Klimaschutz ideal, Windund<br />

Sonnenstrom für die H₂-Produktion zu nutzen, da damit<br />

tatsächlich ein CO₂-freier Energieträger z. B. für die Mobilität<br />

entsteht. Wir fokussieren uns auf Hochdruck-Elektrolyseure<br />

mit der Proton-Exchange-Membrane-Technologie, kurz PEM:<br />

Diese eignen sich für hohe Stromdichten und können in Millisekunden<br />

auf große Leistungssprünge reagieren. Zudem<br />

brauchen sie keine Aufwärmphase wie herkömmliche Elektrolyseure<br />

und je nach Betriebsweise erreichen sie einen<br />

Wirkungsgrad von 65 bis 90 Prozent.<br />

Ist die Technik reif für eine industrielle Nutzung?<br />

Um die Technologie im großen Maßstab zu nutzen, muss sie<br />

robuster, kostengünstiger und für höhere Leistungen ausgelegt<br />

werden. Langfristig wollen wir Elektrolyse-Parks mit bis zu<br />

dreistelliger Megawatt-Leistung aufbauen, die dann z. B. den<br />

überschüssigen Strom großer Windparks in H₂ umwandeln<br />

und zum Gleichgewicht im Stromnetz beitragen können.<br />

LINK:<br />

www.cleanenergypartnership.de


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Geothermie<br />

22<br />

Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Erdwärme effizient nutzen<br />

HeiSSe<br />

Energiequellen<br />

Das Innere der Erde beherbergt unerschöpfliche Energieressourcen. Diese<br />

heiße Urkraft lässt Vulkane wachsen und Geysire sprudeln – und könnte<br />

die Welt mit Strom und Wärme versorgen. Mit innovativen Technologien helfen<br />

<strong>Linde</strong>-Ingenieure jetzt, die Geothermie effizient zu erschließen.<br />

Autor: Thomas H. Loewe<br />

Bildquelle: Stocktrek Images/Getty Images<br />

↲ ↳<br />

Über dem Feuerball spannt sich nur eine hauchdünne Hülle: Die Erdkruste<br />

ist ein Puzzle aus riesigen Gesteinsplatten, an deren Rändern<br />

flüssige Lava emporquillt. Feuerspeiende Vulkane und sprudelnde<br />

Thermalquellen sind die Zeichen des brodelnden Untergrunds. Sie<br />

lassen erahnen, welche Temperaturen im Erdinneren herrschen.<br />

Die natürliche Erdwärme, auch Geothermie<br />

genannt, ist in menschlichen Dimensionen unerschöpflich.<br />

„Und das macht sie so interessant<br />

für unsere Energieversorgung. Denn sie lässt<br />

sich bändigen und in Strom umwandeln –<br />

eine ideale Form der erneuerbaren Energie“,<br />

sagt Prof. Dr. Rolf Bracke, Leiter des<br />

Internationalen Geothermie-Zentrums<br />

(GZB) in Bochum.<br />

Unendliche Wärmereserven<br />

In vulkanisch aktiven Ländern wie beispielsweise<br />

Italien, Island oder Indonesien<br />

gehört die geothermische Energiegewinnung<br />

längst zum Alltag. „In einigen Ländern<br />

wie den Philippinen decken geothermische Quellen<br />

schon heute bis zu 30 Prozent des nationalen Strombedarfs“,<br />

so Bracke. Laut der Geothermal Energy Association (GEA)<br />

könnten 39 Länder ihre Energie sogar zu 100 Prozent mit der Geothermie<br />

gewinnen. Doch auch dort, wo die Zeichen der Erdglut an<br />

der Oberfläche nicht so sichtbar auftreten, ist Wärme zu holen.<br />

Geothermie<br />

39 Länder könnten ihre Energie zu 100 Prozent<br />

aus der Erdwärme beziehen,<br />

schätzt die Geothermal Energy Association.<br />

Denn grundsätzlich heizt sich die Erdkruste mit zunehmender<br />

Tiefe auf – pro Kilometer um etwa 30 Grad Celsius. „Ausgeklügelte<br />

Technologien sowie Verfahren der Wärmeübertragung machen die<br />

Geothermie weltweit immer attraktiver“, sagt Martin Weiß, Projektleiter<br />

Vertrieb Carbon and Energy Solutions bei <strong>Linde</strong>’s<br />

<strong>Engineering</strong> Division in Dresden. Mit der Erfahrung<br />

aus dem Chemie- und Gasanlagenbau und der<br />

innovativen Technik der Unternehmenstochter<br />

Cryostar bietet <strong>Linde</strong> umfassendes Knowhow<br />

für die effiziente Erschließung der<br />

tiefliegenden Wärmereserven.<br />

„Im Idealfall nutzt man Wasserdampf<br />

aus geringen Tiefen für den Antrieb stromerzeugender<br />

Turbinen“, so Weiß. Dieses<br />

so genannte „Flashverfahren“ setzt aber<br />

Wasserdampf mit Temperaturen von<br />

mehreren hundert Grad voraus. „Solche<br />

oberflächennahen und hochenergetischen<br />

Thermalfelder gibt es aber nur dort, wo eine<br />

Erdplatte an die andere grenzt“, sagt Weiß.<br />

So zum Beispiel in Kalifornien, nördlich von San<br />

Francisco in den Mayacamas Mountains. Dort liegt das<br />

derzeit produktivste Geothermie-Feld der Welt: „The Geysers“.<br />

Unterhalb der Hügelkette blubbert geschmolzenes Gestein in einer<br />

Kammer mit einem Durchmesser von etwa 14 Kilometern. Die<br />

abstrahlende Hitze überträgt sich in die höheren Gesteinsschichten


Geothermie // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

23<br />

Entfesselte Energie:<br />

Der isländische Geysir Strokkur –<br />

übersetzt Butterfass – spuckt<br />

etwa alle zehn Minuten eine<br />

20 Meter hohe Fontäne aus Wasser<br />

und Dampf in die Luft.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Geothermie<br />

24<br />

Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

und bringt dort das Grundwasser zum Kochen. Deshalb steigt im<br />

gesamten Gebiet unter hohem Druck dichter, heißer Dampf aus dem<br />

Boden. Schon seit 1960 nutzt man ihn zur Stromerzeugung. Allein<br />

die Kraftwerke des amerikanischen Energieversorgers Calpine produzieren<br />

damit etwa 725 Megawatt (MW). Das reicht aus, um eine<br />

Stadt wie San Francisco – mit immerhin 800.000 Einwohnern – mit<br />

Strom zu versorgen.<br />

Mit Erdwärme effizient Strom gewinnen<br />

Inzwischen ermöglichen neuere Verfahren die Erdwärmegewinnung<br />

auch fernab solcher hochaktiven Grenzgebiete. „Wir verwenden<br />

dafür anstelle der Direktdampflösung so genannte Binärsysteme“,<br />

erklärt Weiß. Diese heißen so, weil sich die Wärme von<br />

einem geschlossenen Kreislauf – dem Wärmezyklus – auf den zweiten<br />

Kreislauf, den so genannten Kältezyklus überträgt. Im Wärmezyklus<br />

fördert eine Hochleistungspumpe heißes Thermalwasser<br />

aus der Tiefe an die Oberfläche. Dort überträgt sich die Hitze des<br />

Wassers in einem Wärmetauscher auf ein Arbeitsmittel – meist eine<br />

Flüssigkeit – im zweiten Kreislauf. Danach pumpt man das Wasser<br />

wieder in die Tiefe. So bleibt der unterirdische Druck im Gleichgewicht,<br />

und die Wasserquelle versiegt nicht.<br />

Die Flüssigkeit im Kältezyklus – an der Oberfläche – wird durch<br />

die Wärme aus der Tiefe in Dampf umgewandelt. „Und das schon<br />

bei niedrigeren Temperaturen“, so Weiß. Dieser Dampf treibt dann<br />

eine Turbine an, die wiederum in einer Anlage sehr effizient Strom<br />

erzeugt. Die <strong>Linde</strong>-Ingenieure setzen dabei auf organische Arbeitsmittel<br />

wie Propan oder auf Kältemittel, die auch in Kühlschränken<br />

und Klimaanlagen zirkulieren. Die Substanzen sind für den Prozess –<br />

den so genannten Organic Rankine Cycle (ORC) – namensgebend.<br />

Die Cryostar-Experten haben sich aber nicht nur auf das Arbeitsmittel,<br />

sondern auch auf die thermodynamischen Aspekte des<br />

ORC-Verfahrens konzentriert und bieten eine Sonderform an: den<br />

überkritischen ORC-Prozess. Dabei unterliegt das Arbeitsmittel im<br />

Kältezyklus einem erhöhten Druck. Es befindet sich dann vollständig<br />

Die Geothermische Weltkarte<br />

Riesige Energiepotenziale: Die Restwärme stammt zwar aus der<br />

Zeit der Erdentstehung, dennoch könnte die Geothermie unseren<br />

Planeten viele tausend Jahre mit Energie versorgen.<br />

Hochaktive Regionen<br />

(Tektonisch bzw. vulkanisch)<br />

Derzeit installierte<br />

Kapazität in Megawatt<br />

Potenzielle Kapazität<br />

in Megawatt<br />

Nordamerikanische<br />

Platte<br />

4.300<br />

655<br />

43.000<br />

4.050<br />

Nordamerika<br />

Island<br />

4.200<br />

1.060<br />

Mittel- und Südeuropa<br />

Eurasische<br />

Platte<br />

Pazifische<br />

Platte<br />

28.600<br />

510<br />

Mittelamerika<br />

Südamerikanische<br />

Platte<br />

174 14.000<br />

Ostafrika<br />

3.900 74.300<br />

Westpazifik<br />

Australische<br />

Platte<br />

16.100<br />

0<br />

Anden<br />

Afrikanische<br />

Platte<br />

Antarktische<br />

Platte<br />

768 9.000<br />

Neuseeland<br />

Quelle: Íslandbanki, Geothermal Energy Association


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Geothermie // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

25<br />

in einer gasähnlichen Phase. „Das senkt den Energieverlust und steigert<br />

die Stromerzeugung. Und ein wichtiger Nebeneffekt ist eine längere<br />

Lebensdauer der Turbine“, sagt Weiß. Denn bei solch hohem Druck<br />

können schon feinste Tröpfchen das harte Metall der Turbinenblätter<br />

beschädigen und erodieren. Weiß: „Doch in dieser gasähnlichen<br />

Phase treten erst gar keine Tröpfchen auf.“<br />

Zusammen mit dem Tochter-Unternehmen Cryostar realisieren<br />

die Geothermie-Experten der <strong>Linde</strong> <strong>Engineering</strong> Division derzeit<br />

ihr erstes ORC-System im bayerischen Kirchweidach. „Seit einiger<br />

Zeit weiß man von riesigen Heißwasserreservoiren im Untergrund<br />

des Voralpenlandes“, sagt Weiß. Die Wassermassen lagern jedoch<br />

in porösen Jurakalken, die erst in einer Tiefe von drei bis fünf Kilometern<br />

anzutreffen sind. Und je tiefer, desto schwieriger ist auch die<br />

Suche nach den heißen Wassertaschen. „Im schlimmsten Fall muss<br />

man die Bohrung mehrmals umlenken, um überhaupt fündig zu<br />

werden“, so Weiß. Und das bedeutet natürlich auch ein wirtschaftliches<br />

Risiko: Denn der Preis für eine einzige Tiefbohrung kann bis<br />

zu zehn Millionen Euro betragen. „Deshalb betreuen wir unsere<br />

Kunden teilweise schon in den ganz frühen Phasen des Projekts –<br />

also bereits bei Konzeption und Finanzierung“, sagt Weiß. Denn er<br />

und sein Team verfügen über ein gutes Netzwerk an notwendigen<br />

Projektpartnern, die hier gemeinsam unterstützen können.<br />

Globaler Boom der Geothermie-Kraftwerke<br />

Beim Bau des Kraftwerks greifen die <strong>Linde</strong>-Ingenieure auf fundierte<br />

und langjährige Expertise aus dem Chemie- und Gasanlagenbau<br />

zurück. „Wir liefern das komplette Gerüst des Kältezyklus – vom Luftkühler<br />

und dem Wärmetauscher bis hin zu den Rohrleitungen und<br />

der Steuerungselektronik“, so Weiß. Und um das Herz der Anlage mitsamt<br />

der Turbine und dem Generator kümmern sich seine Kollegen<br />

von Cryostar. Weiß: „So bekommt der Auftraggeber eine schlüsselfertige<br />

Anlage aus einer Hand.“ Zudem bietet <strong>Linde</strong> auch einen Wartungs-<br />

und Betriebsservice: Der Kunde hat die Möglichkeit, das Kraftwerk<br />

an das Remote Operation Centre (ROC) am <strong>Linde</strong>-Standort in<br />

Leuna anzuschließen. So lässt sich die Anlage auch aus der Ferne<br />

überwachen und bei Bedarf ein Technikerteam losschicken.<br />

Die Nachfrage nach Geothermie-Kraftwerken wächst: „Inzwischen<br />

empfangen wir an unserem Forschungszentrum in Bochum regelmäßig<br />

Kollegen aus aller Welt – zuletzt aus Neuseeland, der Türkei<br />

oder Lateinamerika“, sagt GZB-Leiter Bracke. „An wenigen Plätzen<br />

erforscht man die Geothermie so intensiv und interdisziplinär wie<br />

wir in Bochum.“ Auch Studien der GEA zeigen, dass Investitionen<br />

in die Geothermie weltweit zunehmen: Die Philippinen wollen den<br />

Amerikanern den ersten Rang ablaufen und bis zum Jahr 2030 fast<br />

3.500 MW Strom aus Erdwärme erzeugen. Das Nachbarland Indonesien<br />

hat noch mehr vor: Denn es sitzt auf einem geothermischen<br />

Potenzial von 28.000 MW – das sind schätzungsweise 40 Prozent<br />

der globalen geothermischen Energiereserven. Und bis 2025 sollen<br />

dort bereits 5.000 MW aus geothermischen Anlagen fließen. Weitere<br />

aktive Zonen liegen in Afrika und in Süd- und Mittelamerika. Auch<br />

dort verfolgen zahlreiche Länder den Auf- beziehungsweise Ausbau<br />

ihrer geothermischen Ressourcen. Besonders Länder am Pazifik<br />

sind aufgrund ihrer Lage günstige Standorte für Geothermie. Unter<br />

den Küstenbereichen dieses Meeresbeckens stoßen und schrammen<br />

Die Erdwärme bändigen:<br />

Für das Geothermie-Kraftwerk im bayerischen Kirchweidach (oben)<br />

liefert <strong>Linde</strong> Luftkühler, Wärmetauscher, Rohrleitungen und Steuerungselektronik.<br />

Die Installation von Turbinen und Generatoren (unten)<br />

ist Aufgabe der Kollegen von Cryostar.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Geothermie<br />

26<br />

Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Kurzinterview<br />

„groSSe Potenziale für die Kraft-wÄrme-Kopplung“<br />

↳<br />

↳<br />

Professor Rolf Bracke leitet<br />

das Internationale Geothermie-<br />

Zentrum in Bochum (GZB).<br />

Neben dem wissenschaftlichen<br />

Forschungsauftrag dient<br />

das GZB auch als Kompetenzzentrum<br />

und Ansprechpartner<br />

in allen Fragen der Nutzung<br />

und Gewinnung von Erdwärme.<br />

Warum ist gerade Bochum zum neuen Internationalen<br />

Geothermiezentrum ernannt worden?<br />

Das Ruhrgebiet ist für die geothermische Forschung ein bevorzugter<br />

Standort, weil die Menschen hier den Bergbau kennen<br />

und viele Unternehmen mit bergbau- und energietechnischer<br />

Kompetenz seit über 100 Jahren tätig sind. Die Akzeptanz ist<br />

hoch. Inzwischen arbeiten hier regelmäßig Kollegen aus Auckland,<br />

Istanbul, Reykjavik oder San Salvador – und wir bekommen<br />

ein sehr positives Feedback. Anfang 2011 hat der Geothermie-<br />

Weltverband, die International Geothermal Association, kurz<br />

IGA, ihre Hauptgeschäftsstelle im Internationalen Geothermie-<br />

Zentrum an der Hochschule Bochum eröffnet. Seither werden die<br />

Tagesgeschäfte des IGA-Sekretariats hier abgewickelt. Bochum<br />

ist damit auch im globalen Maßstab zu einem Zentrum der Erdwärmeforschung<br />

geworden.<br />

Warum ist die Geothermie ein wichtiger Baustein für<br />

die Energiezukunft?<br />

↳<br />

↳<br />

Welche Voraussetzungen braucht es für eine umfangreiche<br />

Nutzung der Geothermie?<br />

Es müssen neue Technologien entstehen, die überall – auch<br />

außerhalb geologischer Vorzugsregionen – einsetzbar und gesellschaftlich<br />

akzeptiert sind wie Enhanced Geothermal Systems:<br />

Damit lässt sich Energie aus sehr tiefen warmen Gesteinsschichten<br />

mit geringer natürlicher Wegsamkeit gewinnen: Sie werden<br />

angebohrt und unter hohem Druck wird Wasser hinabgepumpt.<br />

Der Wasserdruck erweitert vorhandene Mikrorisse und schafft<br />

so eine Thermalwasserquelle. Das Wasser erwärmt sich schnell<br />

und wird dann zur Energiegewinnung zurück an die Oberfläche<br />

geholt. Die Entwicklung solcher Systeme ist weltweit noch in<br />

den Anfängen und soll in Bochum erforscht werden. Auf unserem<br />

7.000 Quadratmeter großen In-situ-Feldlabor können wir<br />

beispielsweise Referenzbohrungen zur Geräteentwicklung und<br />

Versuche unter produktionsnahen Bedingungen durchführen.<br />

Wie bewerten sie die gesellschaftliche Haltung gegenüber<br />

der Geothermie?<br />

Eine der größten Herausforderungen ist es, die Akzeptanz dieser<br />

erneuerbaren Energieform zu fördern und den Nutzen zu kommunizieren.<br />

Wir müssen die Möglichkeiten und Risiken offen erklären.<br />

Das ist wichtig, um die Geothermie in die Ballungsräume<br />

bringen zu können. Unsere Forschungsergebnisse und ein neues<br />

Kommunikationszentrum werden dazu beitragen.<br />

Die Erdwärme zeigt ihr großes Potenzial in der Kraft-Wärme-<br />

Kopplung. Aufgrund ihrer hohen Grundlastfähigkeit kann sie<br />

eine zentrale Rolle bei der Fernwärmeversorgung großer<br />

Ballungsräume spielen. 2050 werden etwa 80 Prozent der<br />

Menschen in Ballungsräumen und Megastädten leben. Gerade<br />

die Wärmeversorgung wird unterschätzt. Die Abschaltung fossiler<br />

Kraftwerke wird eine riesige Versorgungslücke auftun – und<br />

wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die dort gewonnene<br />

Abwärme ersetzen können. Mit der umweltfreundlichen<br />

Geothermie ließen sich viele Wohnungen und Gebäude mit<br />

Elektrizität und Wärme versorgen. Und auch die Industrie<br />

besitzt einen großen Wärmebedarf, der von dieser regenerativen<br />

Energiequelle gespeist werden könnte. Ein weiterer wichtiger<br />

Punkt: Mit Geothermie lässt sich auch kühlen. Mit der<br />

Wärmeenergie lassen sich beispielsweise Absorptionskältemaschinen<br />

betreiben: Klimaanlagen für Kühlhäuser, Hotels<br />

oder Messegelände könnten so mit umweltfreundlicher Erdwärme<br />

arbeiten.<br />

Was der Erde einheizt<br />

Die Wärme, die sich für die Geothermie nutzen lässt,<br />

resultiert zum Teil aus der Zeit der Erdentstehung.<br />

Zum anderen Teil ist natürliche Kernenergie durch<br />

den radioaktiven Zerfall verschiedener Elemente wie<br />

Uran, Thorium oder Kalium für die Hitze verantwortlich.<br />

Die Prozesse sorgen dafür, dass ein kontinuierlicher<br />

Wärmestrom aus der Tiefe an die Erdoberfläche<br />

aufsteigt. Zwar ist die Erdkruste zwischen fünf und<br />

70 Kilometer dick. Jedoch sind mehr als 99 Prozent<br />

des Planeten aufgrund des flüssigen Magmakerns<br />

heißer als 1.000 Grad Celsius. Nur ein Tausendstel der<br />

Erdmasse, die oberen drei Kilometer, sind kühler als<br />

100 Grad Celsius.


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Geothermie // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

27<br />

In VIELEN vulkanisch<br />

aktiven Regionen<br />

gehört Geothermie<br />

zum Alltag.<br />

systeme hydraulisch zu aktivieren“, erklärt Bracke. Die Wärme des<br />

Gesteins überträgt sich auf das Wasser, und es entsteht eine künstlich<br />

angelegte Thermalquelle.<br />

Um die Auswirkungen auf den Untergrund besser zu verstehen,<br />

richten Bracke und seine Kollegen in Bochum ein 7.000 Quadratmeter<br />

großes Feldlabor ein. Dort sollen neue Bohr- und Reservoirtechnologien<br />

unter realen Bedingungen erforscht und auch Kraftwerkstechnik<br />

erprobt werden. In einer Vielzahl von Überwachungsbohrungen messen<br />

Sensoren dann den Wasserchemismus und erfassen jede noch<br />

so kleine Erschütterung. „Wenn wir die verursachten Veränderungen<br />

im Untergrund verstehen und vorhersagen können, stellen wir auch<br />

die Umweltverträglichkeit und die öffentliche Akzeptanz sicher.“ Er<br />

glaubt deshalb an eine erfolgreiche Zukunft für die Geothermie –<br />

und an ihre Notwendigkeit, denn: „Durch die Abschaltung fossiler<br />

Kraftwerke wird eine riesige Versorgungslücke, insbesondere bei der<br />

Kraft-Wärmekopplung, entstehen. Geothermie kann einen wichtigen<br />

Beitrag leisten, diese zu schließen“, so Bracke.<br />

Rein regenerativ: Island deckt mit Erdwärme und Wasserkraft 100 Prozent<br />

seines Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen.<br />

mehrere Erdplatten auf- und aneinander vorbei. Rings um den Pazifik<br />

hat sich so eine 40.000 Kilometer lange Vulkankette mit den<br />

aktivsten Feuerkegeln der Erde gebildet. Und die hohen Temperaturen<br />

lassen sich bereits in geringen Tiefen anzapfen.<br />

Doch selbst in geologisch ruhigeren Teilen der Welt, beispielsweise<br />

in Deutschland, sehen Experten ein hohes geothermisches<br />

Potenzial. Aufgrund der fortschreitenden Technologie schätzt das<br />

Bundesumweltministerium das deutsche Geothermie-Potenzial auf<br />

bis zu 15.000 MW. Denn auch dort, wo in der Tiefe keine flüssigen<br />

Thermalreservoire vorhanden sind, ist effiziente Geothermie möglich.<br />

„Beim so genannten EGS-Verfahren (Enhanced Geothermal Systems)<br />

pumpt man Wasser in das Tiefengestein, um bestehende Bruch-<br />

Geothermie für die Grundlast<br />

Schon jetzt erzeugen Erdwärmekraftwerke mehr als doppelt soviel<br />

grundlastfähigen Strom wie die Solarbranche. Hinzu kommt ein vierbis<br />

fünffacher Anteil an Nutzwärme. Und weltweit wird die Förderung<br />

von Geothermie-Projekten zunehmen. Denn immer mehr Länder<br />

erkennen den wirtschaftlichen Wert ihrer geothermischen Ressourcen.<br />

Bracke: „Ab 2020 wird sich der Markt stark entwickeln – vor<br />

allem in den geologisch weniger aktiven Regionen.“ Und für Martin<br />

Weiß steht fest: „Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht<br />

scheint, kann Geothermie immer noch Strom produzieren.“ Vor allem<br />

aber ist sie praktisch unerschöpflich.<br />

LINK:<br />

www.geo-energy.org


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Photovoltaik<br />

28<br />

Wolkenkratzer bei der Sonnenernte:<br />

Solarmodule verwandeln Dächer und<br />

Fassaden in Stromerzeuger. Mit Anti-<br />

Reflex-Glas lässt sich die Energieausbeute<br />

der Solarzellen deutlich steigern.


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Photovoltaik // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

29<br />

Hochtransparentes Glas für eine bessere Stromausbeute<br />

Bildquelle: Lester Lefkowitz/Getty Images<br />

Autor: Tim Schröder<br />

↲ ↳<br />

Effizientere<br />

Sonnenfänger<br />

Solarmodule sind sensibel. Meist schützt eine Glasschicht die Sonnenfänger vor<br />

Umwelteinflüssen. Doch diese hält auch einen Teil der Lichtenergie zurück.<br />

Spezielle Oberflächenbeschichtungen sorgen dafür, dass mehr Sonnenstrahlen<br />

das Glas passieren, um so die Stromausbeute zu erhöhen. <strong>Linde</strong>-Experten<br />

haben jetzt mit dem Glasverarbeitungs-Maschinenhersteller LiSEC ein wegweisendes<br />

Beschichtungsverfahren entwickelt.<br />

Die Energie kommt aus dem All: Auf Millionen Dächern wandeln Photovoltaik-Anlagen<br />

Sonnenstrahlung zuverlässig in elektrischen Strom um –<br />

weltweit. Aber in Sachen Energieausbeute lässt sich die Photovoltaik<br />

immer noch weiter verbessern. Rund um den Globus versuchen<br />

Materialforscher und Physiker, den Wirkungsgrad<br />

der Module prozentpunktweise höher zu<br />

schrauben: Sie mischen neue Halbleitermaterialien<br />

und analysieren deren Atomstruktur<br />

mit Messgeräten, die ganze Labore füllen.<br />

Doch die Stromausbeute eines Photovoltaik-Moduls<br />

lässt sich auch sehr<br />

Solarenergie<br />

Experten schätzen, dass im Jahr 2015<br />

weltweit 190.000 Megawatt Strom durch<br />

die Sonne gewonnen werden.<br />

viel einfacher steigern: zum Beispiel<br />

durch Glasscheiben mit Anti-Reflexions-Beschichtungen.<br />

Diese schützen<br />

das Solarmodul und insbesondere die<br />

empfindlichen Solarzellen vor Umwelteinflüssen<br />

und Beschädigungen. Und je<br />

weniger die Scheiben spiegeln, desto mehr<br />

Sonnenlicht dringt in die Photovoltaik-Module<br />

– und erhöht deren Effizienz. Bis zu drei Prozent<br />

mehr Licht gelangt durch das Glas zu den Solarzellen,<br />

und das steigert die Stromausbeute. Nach Schätzungen einer Marktstudie<br />

von Glass Global werden heute aber nur etwa 20 Prozent aller<br />

Photovoltaik-Module mit Anti-Reflex-Glas – kurz AR-Glas – ausgestattet.<br />

Bis 2020 soll der Anteil auf rund 80 Prozent steigen.<br />

Doch die Sache hat einen Haken: Die Maschinen und Verfahren, mit denen<br />

AR-Glas hergestellt wird, sind entweder extrem teuer – das treibt die<br />

Kosten für Photovoltaik-Module nach oben. Oder sie liefern minderwertige<br />

Qualität in Bezug auf Haltbarkeit und Lichtdurchlässigkeit.<br />

In einem Kooperationsprojekt haben <strong>Linde</strong> und die<br />

Firma LiSEC in den vergangenen zwei Jahren deshalb<br />

eine alternative Methode für die AR-Glas-Produktion<br />

erarbeitet. Das österreichische Unternehmen<br />

LiSEC entwickelt Maschinen, mit<br />

denen Glas verarbeitet, geschnitten, gehärtet<br />

oder mit Kunststofffolien laminiert<br />

wird. In den Maschinen gleiten die Glasplatten<br />

auf einem Fließband von Station zu<br />

Station. Und das neue Verfahren fügt sich<br />

dort nahtlos in die Produktion ein. Dabei ist<br />

S-COAT® – wie <strong>Linde</strong> und LiSEC das neue Verfahren<br />

nennen – nicht nur kostengünstiger. Es<br />

erzeugt auch eine sehr gute Beständigkeit und<br />

Transmissionswerte, die führend auf dem Markt<br />

sind. Das Prinzip ist relativ einfach: Die Ingenieure<br />

sprühen die Beschichtung auf das Glas. Beim Trocknen bildet<br />

sich eine Schicht mit Nanoporen. Ein großer Vorteil des Verfahrens: Die<br />

Beschichtungsanlage kann als eigenständiges Modul in bereits<br />

bestehende Glasproduktionslinien integriert werden. „Wir kommen<br />

ohne große Umbauten aus“, sagt <strong>Linde</strong>-Projektleiter Steve Carney.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Photovoltaik<br />

30<br />

Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Bei herkömmlichen Verfahren sieht das anders aus. In vielen Fällen<br />

werden die Glasscheiben in ein Beschichtungsbad, eine so genannte<br />

Sol-Gel-Lösung, getaucht und anschließend getrocknet. Dazu muss man<br />

die Scheiben aber aus der Produktionslinie herausheben<br />

und zwischenlagern. Eine etablierte Alternative<br />

ist die Vakuumbedampfung. Die Glasscheiben<br />

rollen dabei auf dem Fließband in eine Vakuumkammer,<br />

in der das Glas mit dem Beschichtungsmaterial<br />

bedampft wird. Solche Anlagen kosten ein<br />

Vielfaches der S-COAT®-Lösung, weil sie mit Druckschleusen<br />

und aufwendiger Vakuumtechnik ausgestattet werden<br />

müssen. „Unser Fokus lag darauf, dass wir eine Lösung entwickeln,<br />

die technisch führend, aber deutlich günstiger ist als alle aktuell<br />

verfügbaren Verfahren“, sagt Ulrich Hanke, bei <strong>Linde</strong> zuständig für<br />

Marketing und Geschäftsentwicklung im Bereich Metalle & Glas.<br />

Besserer Durchlass für spezielle Wellenlängen<br />

Im Detail besteht das S-COAT®-Modul aus mehreren Stationen: Zunächst<br />

wird die Oberfläche der heranrollenden Glasscheiben aktiviert,<br />

damit sich die Beschichtung optimal verteilen kann. Anschließend<br />

besprüht man die Glasscheiben mit der von <strong>Linde</strong> entwickelten Spezialbeschichtung,<br />

bevor die Glasscheiben getrocknet werden – alles in<br />

einer definierten Gasatmosphäre. Um welche Substanzen es sich bei<br />

der Beschichtung handelt, will Carney nicht verraten. Nur so viel:<br />

Es gibt eine Hauptkomponente und mehrere Zusatzstoffe. „Wichtig<br />

ist, dass die Beschichtung ungiftig ist und sich später, wenn das Photovoltaik-Modul<br />

seinen Dienst getan hat, sehr gut recyceln lässt“, so<br />

der <strong>Linde</strong>-Experte. Was zunächst so simpel klingt, erfordert umfangreiches<br />

Prozess-Know-how, das durch mehrere umfassende Patentanmeldungen<br />

gegen Nachahmer geschützt wird: Denn die <strong>Linde</strong>-<br />

Ingenieure entwickeln eine Beschichtung, die robust ist und zugleich<br />

Nanoporen für<br />

gläsernes<br />

Schutzschild.<br />

eine exakt definierte Nanostruktur ausbildet. „Dabei kommt es<br />

sehr genau auf die Größe der Poren an, denn davon hängt ab,<br />

welche Wellenlängen die Glasscheibe passieren lässt“, erklärt<br />

Carney. Gefragt ist vor allem der Wellenlängenbereich<br />

zwischen 550 und etwa 800 Nanometer,<br />

denn in diesem Bereich ist die Stromausbeute der<br />

Solarzellen besonders gut.<br />

Anspruchsvoll war auch die Steuerung der<br />

Anlage. Damit sich in der aufgesprühten Schicht<br />

auch Poren mit exakt definierter Größe bilden,<br />

mussten die Werkstoffspezialisten verschiedene Parameter möglichst<br />

genau einstellen: „Dazu gehört die Trocknungszeit und die Temperatur.<br />

Auch die Zusammensetzung der Gasatmosphäre ist wichtig,<br />

um sowohl die richtigen Produkteigenschaften als auch ein fehlerfreies<br />

optisches Erscheinungsbild sicherzustellen“, erklärt Carney.<br />

„Es hat eine Zeit gedauert, bis wir den Prozess genau justiert<br />

hatten“, so der <strong>Linde</strong>-Experte. Doch die Mühen der Entwicklungs-<br />

weniger Reflexion, mehr Solarpower<br />

Dank Anti-Reflex-Glas erreichen drei Prozent mehr Sonnenenergie<br />

die Solarzelle. Das steigert die Stromausbeute.<br />

Normales Glas<br />

Anti-Reflex-Glas<br />

100%<br />

91%<br />

Solarzelle<br />

94%<br />

4% Reflexion Außenschicht<br />

1% Reflexion Außenschicht<br />

5% Reflexion (Innen + Glas)


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Photovoltaik // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

31<br />

ingenieure wurden belohnt: Verglichen mit unbehandeltem Glas<br />

verbessert die Beschichtung die so genannte Transmission – also den<br />

Einfall des Lichtes – um bis zu drei Prozent. Das klingt bescheiden,<br />

ist aber enorm. Carney: „Wenn man bedenkt, dass man bei der<br />

Effizienzverbesserung von Solarzellen und Modulen in der Regel um<br />

jedes Prozent kämpfen muss.“<br />

Das S-COAT®-Verfahren sorgt aber nicht nur für gute Anti-Reflex-<br />

Eigenschaften beim Glas, sondern kann auch den spezifischen<br />

Umweltbedingungen angepasst werden. Der Prozess lässt sich zum<br />

Beispiel so steuern, dass die Schicht dichter und damit kratzfester<br />

wird. Für Standorte in der Wüste oder am Meer ist das besonders<br />

wichtig, denn Sand und Salzkristalle in der Luft wirken auf Dauer wie<br />

feines Schmirgelpapier. Das Deckglas wird dadurch mit der Zeit stumpf<br />

und lichtundurchlässiger. Die neue AR-Deckschicht aber ist robust<br />

genug, um das andauernde Schmirgeln zu überstehen. Nach detaillierten<br />

Tests in der Klimakammer geben die Entwickler ihrer Beschichtung<br />

eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren. „Je nach Kundenwunsch<br />

stellen wir den Prozess entsprechend ein“, erklärt Carney.<br />

Momentan arbeiten die Experten daran, die Beschichtung sogar so zu<br />

modifizieren, dass sie biologisch aktiv wird und Bakterien, Algen oder<br />

Moose abwehren kann. Sie ist dann keineswegs giftig, verhindert<br />

durch ihre Nanostruktur aber, dass sich Ablagerungen bilden oder<br />

Mikroben darauf ansiedeln. Denn diese Biofilme würden ebenfalls<br />

die Transmission verringern – und damit die Stromausbeute.<br />

Bei LiSEC ist seit Mitte 2012 eine Pilotanlage in Betrieb. Für ausgewählte<br />

Kunden werden dort bereits Gläser beschichtet. 15 Meter<br />

Glas pro Minute kann das S-COAT®-Modul beschichten. Das ist schnell<br />

genug, um mit dem Takt der Glasproduktionslinie mitzuhalten. Die<br />

maximale Breite der Glasbahnen liegt bei 1,7 Metern. Damit lassen<br />

sich also leicht die üblichen Solarmodule fertigen, deren Standardmaß<br />

1,68 mal 1,1 Meter beträgt. „Unsere Anlage zeichnet sich auch<br />

Sonnige Zeiten:<br />

Immer mehr Gebäudefassaden<br />

erhalten<br />

Photovoltaikmodule<br />

wie zum Beispiel die<br />

City Hall in London<br />

(links, oben). Bei der<br />

Effizienzsteigerung<br />

von Solarzellen (links,<br />

unten) zählt heute<br />

jeder Prozentpunkt.<br />

Neue Beschichtungsprozesse<br />

müssen sich<br />

optimal in die Glasproduktionslinien<br />

integrieren<br />

lassen (rechts).<br />

Sonnenstrom weltweit<br />

Die global installierte Photovoltaik-Kapazität<br />

betrug 2011 rund 69 Gigawatt – und verteilte sich<br />

prozentual auf folgende Länder:<br />

Spanien<br />

18%<br />

Andere europäische<br />

6%<br />

•<br />

Staaten<br />

Japan<br />

USA<br />

• China<br />

36%<br />

Andere nichteuropäische<br />

Staaten<br />

• Deutschland<br />

Italien<br />

Quelle: Enerdata, EPIA<br />

10%<br />

durch eine hohe Flexibilität aus. Wir können sie ohne Umrüstzeit einfach<br />

an- oder abschalten“, sagt Johann Weixlberger, zuständig für die<br />

Geschäftsentwicklung bei LiSEC. Denn fertigt die Fabrik eine Charge<br />

Glas an, das unbeschichtet bleiben soll, dann gleiten die Gläser einfach<br />

durch das abgeschaltete Modul hindurch. Bei Bedarf kann der<br />

Sprühvorgang sofort starten. Lange Anfahrzeiten oder die Vorbereitung<br />

eines Beschichtungsbads entfallen.<br />

Auf der Messe Intersolar in München Mitte Juni 2013 erlebt die<br />

Beschichtungsanlage ihre öffentliche Premiere: „Wir werden den<br />

S-COAT®-Prozess einer ganzen Reihe von Glasproduzenten und Herstellern<br />

von Solarmodulen präsentieren“, erklärt Hanke. Er ist zuversichtlich,<br />

dass das Verfahren die Kunden überzeugt, denn S-COAT®<br />

adressiert genau das, was die Solarindustrie in ihrer aktuell schwierigen<br />

Phase erwartet: Spitzenleistung zu niedrigsten Kosten. Auch<br />

wenn die Schlagzeilen bezüglich Solarindustrie momentan im<br />

Wesentlichen durch Konsolidierung und Überkapazitäten geprägt<br />

sind, so entwickelt sich der Endverbrauchermarkt weltweit weiterhin<br />

sehr gut. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums stieg<br />

der Anteil des Solarstroms am Stromverbrauch allein in Deutschland<br />

zwischen 2004 und 2012 von weniger als einem auf 5,7 Prozent.<br />

Dieser Trend wird sich, so Experten, auch international fortsetzen:<br />

2010 waren weltweit Photovoltaik-Module mit einer Gesamtleistung<br />

von 39.531 Megawatt installiert, was in etwa der Leistung<br />

von 40 Atomkraftwerken entspricht. Für 2015 werden bereits rund<br />

190.000 Megawatt erwartet – mit besonders hohen Wachstumsraten<br />

in China und den USA.<br />

4%<br />

13%<br />

7%<br />

6%<br />

LINK:<br />

www.epia.org


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Essay<br />

32<br />

Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Harald Dimpflmaier, Chief Engineer,<br />

Swiss Reinsurance Company Ltd.<br />

Essay<br />

„Wege zu einer nachhaltigen<br />

Energiezukunft“<br />

Den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig für Energiesicherheit zu sorgen, ist eine<br />

der anspruchsvollsten Herausforderungen für unsere wachsende Weltbevölkerung. Mit<br />

den zunehmenden Investitionen in neue Technologien steigt auch die Nachfrage nach einem<br />

effizienten Risikomanagement und besseren Versicherungsmodellen.<br />

Seit mehr als hundert Jahren halten fossile Brennstoffe unsere Wirtschaft<br />

am Laufen und prägen unsere Lebensweise. Sie verhalfen<br />

mehr Menschen zu Wohlstand, als dies je zuvor möglich gewesen<br />

wäre, und ermöglichten ihnen ein längeres und produktiveres Leben.<br />

Parallel zu dieser wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte stieg die Weltbevölkerung<br />

in den vergangenen 200 Jahren von einer Milliarde<br />

Menschen auf sieben Milliarden an. Zum Vergleich: In den 800 Jahren<br />

davor ist die Bevölkerung gerade einmal um 700 Millionen<br />

Menschen gewachsen.<br />

Auch wenn die fossilen Brennstoffe viel Gutes bewirkt haben,<br />

dürfen die Schattenseiten natürlich nicht verschwiegen werden – insbesondere<br />

die von Erdöl und Kohle verursachten Treibhausgasemissionen.<br />

Diese Abgase binden die Wärme in der Erdatmosphäre und<br />

führen so zu einer Erhöhung der weltweiten, durchschnittlichen Temperatur.<br />

Und das wirkt sich wiederum negativ auf die Umwelt und<br />

das globale Klima aus. Die Welt von heute leidet an den Folgen des<br />

jahrzehntelangen, von fossilen Energieträgern getriebenen Wachstums<br />

– und den dadurch ausgelösten klimatischen Veränderungen.<br />

Mit dem zunehmenden Wirtschaftswachstum und der damit einhergehenden<br />

Bevölkerungszunahme wird aber die Nachfrage nach Energie<br />

weiterhin ansteigen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass<br />

die globale Energienachfrage bis 2035 um 40 Prozent zunimmt und<br />

90 Prozent dieser Nachfrage aus Nicht-OECD-Ländern stammen wird<br />

– vor allem aus China und Indien. Für den Bau und die Wartung einer<br />

adäquaten Infrastruktur, mit der sich dieser steigende Energiebedarf<br />

abdecken lässt, werden in den kommenden 25 Jahren globale Investitionen<br />

in Höhe von 38 Billionen US-Dollar notwendig sein.<br />

Die Welt steht an einem Scheideweg: Die vermehrte Nutzung<br />

fossiler Energieträger setzt immer größere Mengen von Treibhausgasen<br />

in die Atmosphäre frei. Wenn dieser Trend ungebrochen anhält,<br />

werden die Emissionen nicht nur den Klimawandel weiter beschleunigen,<br />

sondern bleibende Umweltschäden verursachen. Bereits der<br />

2009 am Kopenhagener Klimagipfel vereinbarte reduzierte Temperaturanstieg<br />

auf zwei Grad Celsius über dem Mittelwert im vorindustriellen<br />

Zeitalter – ein ohnehin ehrgeiziges und zunehmend<br />

unrealistisches Vorhaben – wird die Wettermuster signifikant beein-


Titelthema: Kraftwerk Natur<br />

Essay // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

33<br />

Bis 2035 wird sich<br />

Die globale ENergienachfrage<br />

um<br />

40 Prozent erhöhen.<br />

Bildquellen: Swiss Re, Getty Images<br />

↳<br />

Teamwork für Turbinen: Die Swiss Re hat das European Wind Turbine<br />

Committee initiiert. Es bietet europäischen Versicherungsunternehmen eine<br />

Plattform, um sich mit Vertretern der Windenergiebranche auszutauschen.<br />

flussen. Die Menschheit wird immer stärker unter ausgeprägteren<br />

Hitzeperioden, unregelmäßigen Niederschlägen, Stürmen und Überschwemmungen<br />

zu leiden haben.<br />

Den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig die Energiesicherheit<br />

für unsere wachsende und prosperierende<br />

Welt zu gewährleisten, ist denn auch eine unserer<br />

vordringlichsten Aufgaben. Eine Aufgabe, die<br />

gleichermaßen anspruchsvoll wie risikobehaftet<br />

ist. Es steht fest, dass sich die Art<br />

und Weise, mit der wir Energie gewinnen<br />

und verbrauchen, fundamental verändern<br />

muss. Und es steht auch fest, dass<br />

sich dieses Ziel nur dann erreichen lässt,<br />

wenn wir die Energieeffizienz verbessern<br />

und vermehrt auf CO₂-arme Energieträger<br />

setzen, wozu auch erneuerbare Energiequellen<br />

zählen. Mit den zunehmenden<br />

Investitionen in die entsprechenden Technologien<br />

steigt auch die Nachfrage nach<br />

einem effizienteren Risikomanagement und besseren<br />

Versicherungsmodellen.<br />

Risikoanalysen haben ergeben, dass grüne Szenarios,<br />

begleitet von konzertierten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels,<br />

das beste Marktpotenzial für erneuerbare Energiequellen<br />

bieten. Die Hauptgründe hierfür sind die rascher vonstattengehende<br />

Transformation zu einer grünen Ökonomie und ein koordiniertes Vorgehen<br />

zur Förderung kohlenstoffarmer Energieträger. Die speziellen,<br />

mit den erneuerbaren Energien verbundenen Risiken, erfordern<br />

indes entsprechende Versicherungslösungen.<br />

Während die fundamentalen Risikostrategien sowohl für erneuerbare<br />

als auch für nicht erneuerbare Energiequellen zutreffen, gilt es<br />

bei der regenerativen Energieversorgung überdies spezifische Heraus-<br />

Risiken<br />

Kontrollieren –<br />

Regenerative<br />

Energien erfordern<br />

neue Ansätze<br />

FÜR versicherungs-<br />

LÖSUNGEN.<br />

forderungen zu bewältigen, die bei den fossilen Energieträgern keine<br />

Rolle spielen: Erneuerbare Energiequellen erfordern neue, noch nicht<br />

ausgereifte Technologien, hängen von günstigen Witterungsverhältnissen<br />

ab, werden unter schwierigen geografischen Bedingungen<br />

produziert wie beispielsweise Offshore-Windfarmen. Und sie sind<br />

vorläufig noch von Subventionen der öffentlichen Hand sowie schützenden<br />

Wettbewerbsregeln abhängig, wenn sie konkurrenzfähig<br />

betrieben werden sollen.<br />

Die mit erneuerbaren Energiequellen verbundenen Risiken erfordern<br />

einen ganz spezifischen Risikomanagementansatz sowie innovative<br />

Risikotransfermethoden, die gegenüber den herkömmlichen Versicherungsprodukten<br />

alternative Möglichkeiten bieten. Diese Erkenntnis<br />

treibt die Versicherer dazu an, Partnerschaften mit Unternehmen,<br />

die im Bereich erneuerbare Energien tätig sind, einzugehen und<br />

Innovationen in der Solar-, Wind- und Wasserkrafttechnologie<br />

zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Beispiel einer<br />

solchen Zusammenarbeit ist das von Swiss Re<br />

initiierte European Wind Turbine Committee,<br />

kurz EWTC. Das EWTC bietet europäischen<br />

Versicherungsunternehmen eine Plattform,<br />

um sich mit Vertretern der Windenergiebranche<br />

wie Windturbinenherstellern,<br />

Projektentwicklern, Eigentümern<br />

und Betreibern von Windrädern, Kreditgebern<br />

und Ingenieuren, über die<br />

neuesten Trends und Technologien auszutauschen.<br />

Zentrales Anliegen einer<br />

solchen Partnerschaft ist die Vertiefung des<br />

Risiko-Know-hows und Entwicklung kostengünstiger<br />

maßgeschneiderter Versicherungsprodukte,<br />

welche die Möglichkeit schaffen, die für<br />

die Erforschung und Einführung erneuerbarer Energieträger<br />

notwendigen Risiken abzudecken. Darüber hinaus hat das EWTC eine<br />

Initiative ins Leben gerufen, mit dem Ziel, verbindliche Mindeststandards<br />

für das Risikomanagement von Offshore-Windenergieprojekten<br />

festzulegen. An diesem Projekt sind Versicherer, Rückversicherer und<br />

Vertreter des Offshore-Sektors beteiligt.<br />

LINK:<br />

www.swissre.com


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // TRANSPORTKÜHLUNG<br />

34<br />

Flüssigstickstoff für sichere Lebensmitteltransporte<br />

Eiskalt unterwegs<br />

Ananas oder Tomaten, Neuseeland-Lamm oder Pazifik-Garnelen: Zu jeder Jahreszeit<br />

füllen Lebensmittel aus der ganzen Welt unsere Supermarktregale. Dass die Waren möglichst<br />

frisch dort ankommen, erfordert eine ausgeklügelte Logistik – und vor allem eine sichere<br />

Kühlkette. <strong>Linde</strong>-Ingenieure haben jetzt ein effizientes und umweltfreundliches System für<br />

die Kühltransporter entwickelt, das mit flüssigem Stickstoff arbeitet.<br />

Autorin: Andrea Hoferichter<br />

Bildquellen: Sung-Il Kim/Corbis, S. Velusceac/Fotolia<br />

↲ ↳<br />

Tropenfrüchte kennen keinen Jetlag. Die Strapazen einer Tausende Kilometer<br />

langen Reise ist den Flugmangos nicht anzusehen. Sie wirken<br />

so frisch, als wären sie gerade erst vom Baum gepflückt worden.<br />

Doch nicht nur Aussehen und Geschmack sind wichtige Kriterien für<br />

qualitativ hochwertige Lebensmittel. Gerade bei Fisch und Fleisch<br />

stehen Hygiene und Gesundheit im Vordergrund: Denn bei unsachgemäßer<br />

Lagerung vermehren sich krankmachende Keime extrem<br />

schnell. Die Anforderungen der Lebensmittelbranche sind hoch –<br />

und sie gelten für Fünfsterne-Restaurants genauso wie für Schnellimbisse<br />

oder den Convenience-Food-Vermarkter.<br />

Eine Schlüsselrolle beim Transport spielt die<br />

niedrige Lagertemperatur: In der Kälte bleiben<br />

nicht nur Nährstoffe und Vitamine besser erhalten,<br />

auch Keime haben bei frostigen Temperaturen<br />

wenig Chancen. „Nur eine lückenlose Kühlkette<br />

kann die Ansprüche an Qualität und Frische erfüllen. Gerade bei<br />

langen Transportwegen oder beim Umladen der Ware vom Schiff<br />

zum Lkw ist das eine knifflige Aufgabe“, sagt Mark Ewig, bei <strong>Linde</strong><br />

weltweit zuständig für strategisches Marketing und Entwicklung im<br />

Bereich Lebensmittel und Getränke. Besonders wichtig sind daher<br />

Fahrzeuge, die die Waren stets gut gekühlt transportieren – vom<br />

Containerhafen zum Großmarkt, zu den Händlern oder in die Restaurants.<br />

Ewig und sein Team haben jetzt für die Lebensmittel-Laster ein<br />

raffiniertes Kühlsystem entwickelt, das mit flüssigem Stickstoff arbeitet –<br />

kurz LIN genannt, abgeleitet von Liquid Nitrogen. Die Idee, das minus<br />

Mehr als 170.000<br />

fahrende<br />

Kältekammern.<br />

196 Grad Celsius kalte Flüssiggas für die Lebensmittelkühlung zu nutzen,<br />

beschäftigte die <strong>Linde</strong>-Ingenieure schon länger. Und mit dem<br />

Kältesystem FROSTCRUISE® ist es ihnen jetzt gelungen.<br />

Die innovative LIN-Kühlung kommt genau zum richtigen Zeitpunkt:<br />

Der Markt für die frostigen Transporte wächst rasant. Allein<br />

in Großbritannien wuchs die Zahl der fahrenden Kältekammern im<br />

Jahr 2012 auf über 170.000, heißt es in einer Studie des Londoner<br />

Marktforschungsinstituts TechNavio. Gegenüber 2010 ist das eine<br />

Steigerung um fast 30 Prozent. FROSTCRUISE® kann zudem mit einem<br />

großen Vorteil punkten: Im Vergleich zu den bekannten<br />

dieselbetriebenen Kühlaggregaten ist das<br />

System umweltfreundlicher, leiser und schneller.<br />

Ein Schlüsselschritt in der Entwicklungsarbeit<br />

war es, die LIN-Kühlung bestmöglich in den Transporter<br />

zu integrieren. Denn die naheliegende<br />

Variante, den Flüssigstickstoff direkt in den Laderaum zu sprühen,<br />

schied aus, weil das Gas den Sauerstoff verdrängt. Die Lieferanten<br />

müssten sonst vor dem Entladen der Ware sehr gründlich lüften,<br />

damit der Sauerstoffgehalt wieder auf erträgliche 18 Prozent steigt.<br />

„Dadurch würde aber viel warme Umgebungsluft in den Transporter<br />

gelangen – und der Frosteffekt wäre schnell dahin“, so Ewig.<br />

Die <strong>Linde</strong>-Ingenieure haben eine bessere Lösung entwickelt:<br />

Der Flüssigstickstoff wird aus einem doppelt isolierten Stahlbehälter<br />

gepumpt, der sich unter dem Lkw-Boden befindet und strömt dann<br />

durch einen Wärmetauscher im Laderaum. „Dadurch kühlt die Luft im


Gut gekühlt auf Reisen:<br />

Mit Flüssigstickstoff sind Fisch und<br />

Fleisch, Obst und Gemüse im Bauch der<br />

Laster vor Wärme bestens geschützt.<br />

TRANSPORTKÜHLUNG // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

35


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // TRANSPORTKÜHLUNG<br />

36<br />

Laderaum ab, ohne sich mit dem Stickstoff zu vermischen“, erklärt<br />

Ewig. Damit sich die Kälte auch bis in den letzten Winkel ausdehnen<br />

kann, sind sechs Hochleistungsgebläse im Laderaum integriert,<br />

die die Luft ständig umwälzen. Drei Geräte sorgen permanent für eine<br />

gemäßigte Zirkulation, die restlichen Gebläse werden – gesteuert<br />

über Sensoren – je nach Bedarf zugeschaltet. In herkömmlichen Kühlsystemen<br />

bringt dagegen nur ein Ventilator Bewegung in die Luft.<br />

Ewig: „Dadurch besteht immer das Risiko, dass nicht alle Produkte<br />

gleichmäßig gekühlt werden – und Schaden nehmen können.“<br />

Füllstationen von <strong>Linde</strong>-Partnern beliefern die Transporter mit<br />

dem notwendigen Flüssigstickstoff. Der LIN-Tank der Kältelaster fasst<br />

maximal 530 Liter. „Wie lange der Vorrat reicht, hängt von mehreren<br />

Faktoren ab – beispielsweise davon, welche Lebensmittel überhaupt<br />

transportiert werden“, erklärt Ewig. Für Eiscreme etwa sind minus<br />

25 Grad Celsius ideal. Tiefgefrorene Fertiggerichte oder Gemüsemischungen<br />

benötigen eine Temperatur von minus 18 Grad – und<br />

frisches Fleisch darf bei maximal vier Grad Celsius transportiert werden.<br />

Sogar Äpfel reisen auf dem Weg zum Kunden bei Kühlschranktemperatur.<br />

Zudem ist für den Stickstoffverbrauch ausschlaggebend,<br />

wie kalt die Produkte beim Einladen sind, und natürlich haben die<br />

Isolierung des Transporters sowie die Außentemperatur Einfluss auf<br />

die erforderliche Gasmenge. Und auch, wie oft der Lkw zum Entladen<br />

geöffnet wird, spielt eine wichtige Rolle. Der <strong>Linde</strong>-Experte<br />

schätzt aber, dass „ein Truck von achteinhalb Metern Länge bei einer<br />

Kühltemperatur von zwei Grad Celsius durchschnittlich zwischen<br />

28 und 40 Liter Stickstoff pro Stunde verbraucht. Eine Tankfüllung<br />

reicht dann also für mindestens zwölf Stunden“, so Ewig.<br />

Weniger Energieverbrauch, bessere CO 2 -Bilanz<br />

Bislang sind fast alle Lebensmitteltransporter mit mechanischen Kühlanlagen<br />

ausgestattet. Dabei treibt ein Dieselgenerator eine Kältemaschine<br />

an, die ähnlich wie der Gefrierschrank zu Hause arbeitet:<br />

Ein Kältemittel wird abwechselnd komprimiert und wieder entspannt.<br />

Dehnt es sich blitzschnell aus, kühlt es ab – und entzieht so seiner<br />

Umgebung die Wärme. Doch die Kombination von Dieselaggregaten,<br />

Kompressoren, Öl und Filter macht die konventionellen Kühlanlagen<br />

auch störanfällig. Das FROSTCRUISE®-System kann auf diese Komponenten<br />

verzichten, ist einfacher aufgebaut und deshalb auch leichter<br />

und kostengünstiger zu warten.<br />

Der entscheidende Vorteil ist aber die verbesserte Klimaverträglichkeit<br />

des neuen Kühlsystems. „Die CO₂-Bilanz fällt deutlich niedriger<br />

aus. Und das ist ein immer wichtigeres Kriterium für unsere Kunden“,<br />

betont Ewig. Zwar benötigt die Produktion von LIN elektrische Energie,<br />

und auch der Transport zu den Stickstofftankstellen schlägt in der CO₂-<br />

Bilanz zu Buche. Doch sobald die flüssige Kälte im Kühlsystem kreist,<br />

sinkt der Energieverbrauch auf Null – und damit auch die Kohlendioxidemissionen.<br />

Konventionelle Aggregate für Lebensmitteltransporte<br />

setzen jeden Tag sogar zwischen 20 und 50 Prozent mehr Treibhausgas<br />

frei als die LIN-Kühlung. Hinzu kommen die Stickoxid- und<br />

rußpartikelhaltigen Emissionen des Dieselgenerators. Das <strong>Linde</strong>-System<br />

benötigt keine klimaschädlichen Kältemittel wie halogenierte Kohlenwasserstoffe,<br />

die in herkömmlichen Anlagen verwendet werden. Ein<br />

wichtiger Aspekt, denn: „Trotz geschlossener Kreisläufe können durch<br />

winzige Leckagen beachtliche Mengen der konventionellen Kühlmittel<br />

in die Umgebung gelangen. „Bis zu einem Liter der Substanzen<br />

kann im Verlauf eines Jahres entweichen“, sagt Ewig: Im Falle<br />

der Stickstoffkühlung sind Leckagen kein Problem, denn als Hauptbestandteil<br />

der Luft ist Stickstoff für die Umwelt völlig unbedenklich.<br />

Vor allem in extrem heißen Gegenden ist das LIN-System vorteilhaft:<br />

Der Flüssigstickstoff kühlt die Waren deutlich schneller herunter<br />

als die herkömmlichen Kältemethoden. Das haben Tests des<br />

Lebensmitteltransporteurs McFood gezeigt, der beispielsweise die<br />

McDonalds-Filialen im tropisch-warmen Malaysia beliefert. Tagsüber<br />

zeigt das Thermometer hier über 30 Grad Celsius im Schatten an, und<br />

nachts fällt es selten unter 20 Grad. Auch bei diesen Temperaturen<br />

müssen Rinderbuletten, Hühnchenflügel und Fischfilets bis zur Verarbeitung<br />

in den Fastfood-Restaurants frisch und genießbar bleiben.<br />

Eine weitere Herausforderung für die Kühlsysteme: „Jedes Mal, wenn<br />

die Tür beim Entladen der Ware geöffnet wird, strömt sehr warme<br />

Luft hinein – und das mehrfach in kurzer Zeit“, beschreibt Ewig


TRANSPORTKÜHLUNG // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

37<br />

Lückenlose Kühlkette:<br />

Damit Lebensmittel bei ihrem<br />

Transport von den Kühlhallen<br />

und Großmärkten (links)<br />

zum Supermarkt (unten<br />

rechts) immer frisch bleiben,<br />

braucht es gut gekühlte<br />

Fahrzeuge. Die <strong>Linde</strong>-Entwicklung<br />

FROSTCRUISE® für Lkw<br />

(unten, links) basiert auf<br />

Flüssigstickstoff – und ist effizient<br />

und umweltfreundlich.<br />

FRost im Frachtraum<br />

Füllstationen von <strong>Linde</strong>-Partnern beliefern die Transporter mit Flüssigstickstoff. Der LIN-Tank eines Kühl-Lkw<br />

umfasst maximal 530 Liter. Im Laderaum sorgen sechs Hochleistungsgebläse für eine gleichmäßige Kälte.<br />

LIN-Tank<br />

Regelventil und<br />

Kontrolleinheit<br />

Temperatursensor<br />

Wärmetauscher<br />

Kältekreislauf<br />

LIN-<br />

Füllstation<br />

Kontrolleinheit<br />

in Fahrerkabine<br />

Kontroll- und<br />

Auffülleinheit<br />

Isolierter Tank für<br />

Flüssigstickstoff (LIN)<br />

die Herausforderung. Denn die Filialen der Fastfood-Kette liegen<br />

nicht weit voneinander entfernt. Beim konventionellen Kühlsystem<br />

kann es nach einer Auslieferung bis zu einer Stunde dauern, um<br />

den Laderaum wieder auf die gewünschte Temperatur abzukühlen.<br />

FROSTCRUISE® braucht dafür selbst bei tropischer Hitze nur knapp<br />

20 Minuten. Und dieser Zeitvorteil ist auch in gemäßigten Klimazonen<br />

wertvoll: In Großbritannien beliefert das <strong>Linde</strong>-Logistikunternehmen<br />

Gist bereits eine der größten Supermarktketten des Landes.<br />

„Vor allem das Potenzial von FROSTCRUISE® begeistert unsere Kunden“,<br />

erklärt Sam de Beaux, <strong>Engineering</strong> Director von Gist. „Die Fahrzeuge,<br />

die wir derzeit einsetzen, sind zwar noch im Entwicklungsprozess<br />

des Vor-Produktionsstadiums. Aber die bisherigen Ergebnisse für den<br />

Einzelbetrieb zeigen, dass das System konkurrenzfähig ist und gleichzeitig<br />

Umweltvorteile bietet“, so de Beaux.<br />

Die neue <strong>Linde</strong>-Entwicklung ist aber nicht nur umweltfreundlich,<br />

sondern auch besonders leise: Das Aggregat läuft mit weniger als<br />

55 Dezibel, also etwa Gesprächslautstärke. Selbst moderne, dieselbetriebene<br />

Systeme sind deutlich lauter. Und ältere Modelle können<br />

laut Ewig durchaus 95 Dezibel erreichen – das entspricht etwa Diskolautstärke.<br />

Die hohen Schallemissionen sind für viele Transporteure<br />

ein echtes Problem: „Denn die meisten Speditionen beliefern ihre<br />

Kunden nachts, um das Verkehrschaos vor allem in großen Städten zu<br />

umgehen. Doch dann gelten in vielen Metropolen strenge Lautstärke-<br />

Grenzen von 60 Dezibel“, erklärt Ewig. Diese Entwicklung begann in<br />

Europa beispielsweise in Paris, London, Amsterdam und Stockholm.<br />

Mittlerweile ist der Lärmschutz aber auch in vielen weiteren europäischen<br />

Großstädten vorgeschrieben. Deshalb müssen Unternehmen,<br />

die auf Dieselaggregate setzen, ihre lärmenden Maschinen aufwendig<br />

mit schallschluckendem Kunststoff ummanteln.<br />

Die <strong>Linde</strong>-Ingenieure um Ewig verfolgen in der Zwischenzeit<br />

schon wieder ganz neue Ideen, um die frostigen Technologien immer<br />

weiter zu verbessern. Wie das neue Konzept allerdings genau funktioniert<br />

und ob flüssiger Stickstoff dabei eine Rolle spielen wird, will<br />

der <strong>Linde</strong>-Manager im Detail noch nicht verraten. „Wenn wir das<br />

System noch effizienter machen können, senkt das den Energieverbrauch,<br />

reduziert die Emissionen und spart zudem bares Geld. Das ist<br />

sicher der überzeugendste Mehrwert für den Kunden“, so Ewig. Aber<br />

auch noch klimafreundlichere Methoden stehen auf dem Plan der<br />

Kälte-Experten. Denn für immer mehr Menschen gilt: Nicht nur das<br />

Auge, sondern auch das Umweltgewissen isst mit.<br />

LINK:<br />

www.linde-gas.com


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // KUNSTSTOFFVERARBEITUNG<br />

38<br />

Stickstoff senkt Kosten in der Autoteile-Fertigung<br />

Plastik unter Druck<br />

Immer öfter setzen Autobauer ihre Fahrzeuge auf Diät und nutzen Kunststoff statt Stahl oder Glas.<br />

Das spart Gewicht und damit Sprit – und bietet auch den Designern neue Freiheiten. <strong>Linde</strong>-<br />

Experten haben innovative Produktionssysteme entwickelt, die mit Hochdruck-Stickstoff arbeiten.<br />

Die Pfunde müssen weichen: Nicht nur die Elektromobilität stellt<br />

neue Anforderungen an die Autobauer. Bereits heute zahlt sich jedes<br />

Kilogramm weniger an der Tankstelle aus. Autoingenieure setzen<br />

auf eine extreme Material-Diät, und Hightech-Kunststoffe verwandeln<br />

Fahrzeuge in Leichtgewichte. Komponenten aus diesen<br />

Materialien wiegen durchschnittlich etwa 50 Prozent weniger als<br />

Materialien aus Glas oder Metall. Ob Armaturen, Stoßstangen oder<br />

Autositze: Robuste Plastikbauteile machen mittlerweile bis zu 15 Prozent<br />

des Gesamtgewichts eines Autos aus – Tendenz steigend. Nur<br />

so lassen sich Treibstoffverbrauch und CO₂-Ausstoß drosseln und die<br />

Reichweite von Batterie- oder Brennstoffzellenautos steigern.<br />

Kunststoffe haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie lassen<br />

sich im Spritzgießverfahren leicht verarbeiten und die Werkstoffeigenschaften<br />

sehr gut auf die Anwendung abstimmen. Die Autoindustrie<br />

arbeitet immer häufiger mit der Gas-Innendruck-Technik: Dabei<br />

spritzt ein so genannter Extruder den verflüssigten Kunststoff unter<br />

hohem Druck in eine Spritzgussform, die Kavität. Anschließend presst<br />

man gasförmigen Stickstoff in die Schmelze und verdrängt so einen<br />

Teil des Kunststoffs, beispielsweise in eine Nebenkavität. Der Gasdruck<br />

wird aufrechterhalten, bis das Bauteil ausgehärtet ist und aus<br />

der Form genommen wird. Das fertige Kunststoffelement ist also<br />

innen hohl. Das spart Material und Gewicht. „Dennoch ist das spätere<br />

Bauteil ausreichend steif und formstabil“, erklärt Rolf Heninger, Leiter<br />

des Bereichs Plastics & Cryogenics bei der <strong>Linde</strong> Gases Division.<br />

„Zudem sorgt der hohe Gasdruck dafür, dass die Kunststoffmasse<br />

die Form präzise ausfüllt – und beim Abkühlen nicht schrumpft“, so<br />

Heninger. Er und seine Kollegen haben die Versorgung mit Hochdruck-Stickstoff<br />

jetzt mit einem neuartigen Gasversorgungssystem<br />

noch effizienter gestaltet. Denn die Gas-Innendruck-Technik<br />

benötigt oft Drücke von mehr als 300 Bar. Für konventionelle Kompressoren<br />

bedeutet das, physikalisch bedingt, einen enormen<br />

Energieaufwand. <strong>Linde</strong> geht mit seiner Druckerhöhungsanlage<br />

PRESUS® N10 einen anderen Weg: Anstatt das Gas zu verdichten,<br />

fördert das System flüssigen Stickstoff mit Drücken von bis zu 350 Bar


KUNSTSTOFFVERARBEITUNG // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

39<br />

Werkstoffmix auf vier Rädern<br />

Ein typischer Mittelklassewagen ist heute eine<br />

bunte Mischung aus verschiedenen Materialien,<br />

die leicht und trotzdem stabil sind.<br />

13 %<br />

14 % 6 %<br />

2 %<br />

Stahl<br />

Gusseisen<br />

Fluide<br />

Elastomere<br />

Glas<br />

Aluminium<br />

• Kunststoffe<br />

Sonstige<br />

5 %<br />

3 %<br />

4 %<br />

53 %<br />

Quelle: polymotive<br />

Autor: Sven Titz<br />

↳ Bildquellen: <strong>Linde</strong> AG, dpa/picture-alliance<br />

↲<br />

Hightech-Karossen: Kunststoffe machen Fahrzeuge nicht nur stabil<br />

und spritsparend, sondern ermöglichen auch futuristische Designs.<br />

zu Hochdruck-Verdampfern. „Dort wird das Gas bei unverändertem<br />

Druck über die Umgebungswärme verdampft“, erklärt Heninger. Und<br />

das senkt die Kosten für Kunststoff-Verarbeiter: PRESUS® N10 spart so<br />

rund 90 Prozent Energie im Vergleich zu üblichen Gaskompressoren.<br />

Kühler Stickstoff für kürzere Taktzeiten<br />

Zu der hohen Energieeffizienz tragen noch weitere Faktoren bei.<br />

So muss die Kolbenpumpe für die Gasverdichtung nicht permanent<br />

arbeiten: „Sobald die Pumpe den benötigten Arbeitsdruck des Stickstoffs<br />

erreicht hat, bleibt sie einfach stehen. Das wirkt sich auch positiv<br />

auf die Wartungsintervalle aus“, sagt Heninger. Darüber hinaus ist<br />

PRESUS® N10 sehr robust. „Im Prinzip könnte das System ein Jahr<br />

lang ununterbrochen laufen – das ist für unsere Kunden natürlich ein<br />

großer Vorteil“, so der <strong>Linde</strong>-Experte. Denn beim harten Wettbewerb,<br />

dem die Automobilzulieferer ausgesetzt sind, zählt jede Produktionsminute.<br />

Und auch die Qualität des Stickstoffs erhöht sich, denn konzeptbedingt<br />

kommt er an keiner Stelle mit Schmieröl in Kontakt. So<br />

entstehen keine Verunreinigungen wie bei herkömmlichen Kompressoren.<br />

Die PRESUS® N10-Anlage hat zudem bei vergleichbaren<br />

Investitionskosten eine vielfach höhere Förderleistung. Und sie deckt<br />

einen Bereich ab, für den Kryopumpen meist zu groß sind.<br />

Leichte und trotzdem stabile Kunststoffe sind auch in der Luftfahrt-<br />

und Elektronikindustrie gefragt. Mit dem Gasversorgungsystem<br />

PRESUS® N10 lassen sich auch die Gehäuse von Laptops effizienter<br />

per Gas-Innendruck-Technik herstellen. Zudem bietet es für weitere<br />

Hochdruckanwendungen eine vielversprechende Alternative: So liefert<br />

das System bereits Hochdruck-Stickstoff für das so genannte<br />

thermische Spritzen, ein Oberflächenbeschichtungsverfahren. Auch<br />

beim eigentlichen Herstellungsprozess, dem Abkühlungsprozess<br />

der Plastikmasse, steigert die <strong>Linde</strong>-Lösung die Wirtschaftlichkeit:<br />

Die Taktzeiten in der Kunststoffproduktion können mehrere Minuten<br />

betragen, bevor das Spritzguss-Bauteil aus der Form entnommen<br />

werden kann. Das neue System zur Innenkühlung, das so genannte<br />

Inner Cooling, verkürzt diese Zeiten dank eines zusätzlichen Gasinjektors:<br />

Durch einen zweiten Einlass strömt kühler Stickstoff in den<br />

Hohlraum des heißen Plastikteils. Das vorhandene, warme Gas entweicht<br />

durch den ursprünglichen Injektor. „Mit der Innenkühlung<br />

härtet der Kunststoff viel schneller aus und senkt die Taktzeit um<br />

bis zu 50 Prozent“, erklärt Heninger. Zudem werden die Innenseiten<br />

der Bauteile dadurch glatter. Um die Innenkühlung auch mit herkömmlichen<br />

Gas-Innendruck-Regelmodulen zu betreiben, hat <strong>Linde</strong><br />

ein Zusatzelement zum Umschalten und Spülen entwickelt.<br />

Jetzt wollen die <strong>Linde</strong>-Ingenieure die Effizienz des Spritzgießprozesses<br />

noch weiter verbessern – beispielsweise mit einem Verfahren<br />

zum „Inertisieren“ der Formen: Das Einleiten von Stickstoff soll verhindern,<br />

dass der flüssige Kunststoff beim Befüllen der Form mit dem<br />

Sauerstoff der Luft reagiert und störende Rückstände bildet. „Das<br />

Ziel ist, über die Inertisierung den Wartungsbedarf zu verringern<br />

und die Produktivität zu steigern“, erklärt Heninger. Eine weitere<br />

neue Entwicklung: „Wir sehen CO₂ als attraktive Alternative zur verbreiteten<br />

Innendruck-Technik mit Wasser“, sagt Heninger. Denn CO 2<br />

besitzt ähnlich gute thermodynamische Eigenschaften, vermindert<br />

aber die Gefahr, dass die Spritzguss-Werkzeuge durch Feuchtigkeit<br />

beeinträchtigt werden. Ein Serieneinsatz steht kurz bevor. „Die entwickelten<br />

Verfahren machen die Herstellung von Kunststoffbauteilen<br />

einfacher, schneller, präziser und kostengünstiger“, so Heninger.<br />

Vor allem aber sparen die <strong>Linde</strong>-Lösungen eine Menge Energie.<br />

LINK:<br />

www.lindeplastics.com


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Gusseisen<br />

40<br />

Energieeffizienz in der Gießereitechnik steigern<br />

Sauerstoff-Turbo<br />

für Schmelzöfen<br />

Zur Produktion von Gusseisen wird viel Energie benötigt. Aber seine besonderen Eigenschaften<br />

machen den bewährten Werkstoff unverzichtbar für Wasserrohre, Autos und Maschinenteile.<br />

<strong>Linde</strong>-Ingenieure haben jetzt zusammen mit Gießerei-Experten das Herstellungsverfahren mit<br />

innovativer Sauerstofftechnik verbessert. Das schont Ressourcen und Geldbeutel.<br />

Durch diese Pipelines fließt unser Lebenselixier: Gusseiserne Wasserleitungen<br />

durchziehen die Böden der Welt. Ohne das flüssige Nass<br />

würden nicht nur ganze Industriezweige stillstehen, auch Privathaushalte<br />

säßen auf dem Trockenen ohne eine sichere Versorgung<br />

mit sauberem Trinkwasser. Und für die Rohre zu dessen Transport<br />

behauptet sich der jahrtausendealte Werkstoff Gusseisen heute<br />

immer noch – trotz starker Konkurrenz durch moderne Hightech-<br />

Materialien. Die Industrie nutzt diese kohlenstoff- und siliziumreiche<br />

Eisenlegierung aber auch für andere Erzeugnisse wie Kanaldeckel,<br />

Eisenbahn-Bremsbacken, Getriebegehäuse, Fahrwerkskomponenten<br />

oder Maschinenteile. Denn Gusseisen<br />

besitzt eine hohe Festigkeit und Dichtheit, lange<br />

Lebensdauer, gute Korrosionsbeständigkeit und<br />

Formbarkeit sowie eine außergewöhnlich hohe<br />

Druckfestigkeit. „Deshalb eignet sich Gusseisen<br />

besonders für Rohre zur Versorgung mit Wasser,<br />

Gasen und Chemikalien“, erklärt Heinz Kadelka,<br />

Leiter des Gießereiteams bei <strong>Linde</strong> Gas Deutschland.<br />

Aber die Produktion der Mini-Pipelines ist<br />

extrem energieintensiv. Angesichts steigender Energiepreise und<br />

der CO₂-Problematik hat das Thema Energieeffizienz in den letzten<br />

Jahren stark an Bedeutung gewonnen.<br />

Zur Herstellung des Gusseisens setzen viele Gießereien auf die<br />

bewährte Technik der Schachtöfen – auch Kupolöfen genannt. Rund<br />

tausend dieser Schmelzöfen gibt es auf der Welt. Die Technologie ist<br />

zwar einfach und weit verbreitet, aber seit jeher auch ressourcenintensiv.<br />

„Erst in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Forschung<br />

eingehender mit Kupolöfen beschäftigt“, erklärt Kadelka. Zusammen<br />

mit seinen Kollegen und Experten der Fusoris <strong>Engineering</strong><br />

GmbH sowie der Gießerei Düker im bayerischen Karlstadt hat der<br />

50 Prozent<br />

weniger<br />

Abgase bei der<br />

Gusseisen-<br />

Produktion.<br />

<strong>Linde</strong>-Ingenieur jetzt eine Technologie entwickelt, die bei Gießerei-<br />

Schachtöfen in puncto Energieeffizienz neue Standards setzt: Das<br />

Verfahren High Efficiency Furnace, kurz HEF genannt, reduziert die<br />

Abgas-Emissionen sowie den Energie- und Materialverbrauch des<br />

Düker-Kupolofens deutlich – ohne negative Auswirkungen auf die<br />

Werkstoffgüte. „Zum Teil konnten wir die Qualität des hergestellten<br />

Gusseisens sogar noch erhöhen“, sagt Kadelka.<br />

Geschafft haben die <strong>Linde</strong>-Experten diese Einsparungen durch<br />

den innovativen Einsatz von Sauerstoff. Üblicherweise wird nur<br />

gewöhnliche Luft, der so genannte „Wind“, durch mehrere Düsen in<br />

den unteren Teil eines Kupolofens geblasen. Wenn<br />

sich der Koks entzündet, entstehen Kohlendioxid<br />

und Kohlenmonoxid. Die heißen Gase strömen<br />

nach oben und erwärmen dabei das abwechselnd<br />

mit Koks im Kupolofen geschichtete Eisen. Zusammen<br />

mit dem Stickstoff (N₂) aus der Luft bilden<br />

Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO₂) das<br />

so genannte Gichtgas. Um schädliche Emissionen<br />

zu vermeiden, saugen die meisten Gießereien das<br />

Abgas im oberen Teil des Kupolofens ab und leiten es in eine separate<br />

Brennkammer. Dort wird zum einen das Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid<br />

nachverbrannt, zum anderen werden möglicherweise vorhandene<br />

organische Schadstoffe zerstört. Die Hitze dieses Verbrennungsprozesses<br />

wird wiederum genutzt, um den „Wind“ vorzuwärmen.<br />

Beim HEF-Verfahren nutzen die <strong>Linde</strong>-Ingenieure das Gichtgas auf<br />

andere Weise. Der Trick ist ein geschickter Gas-Kreislauf, der die chemische<br />

Energie der Abgase besonders effizient nutzt: Denn einen Teil<br />

des heißen Gases saugt man ab und bläst diesen dann erneut in den<br />

Ofen. Vor dieser so genannten Eindüsung wird das Gichtgas in einer<br />

Mischkammer mit reinem Sauerstoff aus einem Tank angereichert.


Gusseisen // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

41<br />

Autorin: Ute Kehse<br />

Bildquellen: <strong>Linde</strong> AG, Dieter Klein/laif<br />

↲<br />

↳<br />

Das Gemisch gelangt dann über drei wassergekühlte Kupferdüsen –<br />

einer Spezialentwicklung von Kadelka und seinen Kollegen sowie<br />

Fusoris <strong>Engineering</strong> – direkt in die Koksschicht. „Neben einer optimierten<br />

Ausnutzung der thermischen Energie verbessert sich so auch<br />

die technische Nachverbrennung“, sagt Kadelka. Denn die benötigte<br />

Windmenge sinkt um etwa 50 Prozent. Weil weniger Luft in den Ofen<br />

geleitet wird, reduziert sich zum einen die Wärmemenge, um die Luft<br />

– vor allem den nicht an der Verbrennung beteiligten Stickstoff – erst<br />

einmal aufzuwärmen. Die Effizienz der Verbrennung wird sogar noch<br />

gesteigert, weil das mit Sauerstoff angereicherte Gichtgas bis zu<br />

30 Prozent des brennbaren Gases Kohlenmonoxid enthält. „Kohlenmonoxid<br />

ist im Grunde reine Energie“, sagt Kadelka. Aber die ideale Verbrennungsatmosphäre<br />

in einem Kupolofen einzustellen, ist durchaus<br />

eine Kunst. „Man kann Koks zum Beispiel nicht beliebig reduzieren<br />

oder durch ein anderes Brennmaterial ersetzen, weil er den Kohlenstoff<br />

für das Gusseisen liefert“, sagt Heinz Kadelka. Das Gichtgas<br />

muss genau die richtige Mischung aus Kohlendioxid und Kohlenmonoxid<br />

aufweisen. Je nach Temperatur zerfällt ein gewisser Teil des<br />

CO₂ zu CO – ein Prozess, der Energie verbraucht. „Entsteht zu viel<br />

Kohlenmonoxid, wird der Ofen kalt“, sagt Kadelka.<br />

Kosten sparen – mit umweltschonenden Prozessen<br />

Diese Gefahr sieht Kadelka allerdings beim HEF-Verfahren nicht.<br />

Und nach einjähriger erfolgreicher Testphase ging die Düker-<br />

Anlage Mitte 2012 in Betrieb. Im Probelauf konnten die <strong>Linde</strong>-<br />

Experten beeindruckende Einsparungen erzielen: Der Verbrauch an<br />

Koks reduzierte sich um 27 Prozent und der CO₂-Ausstoß sank um<br />

20 Prozent. Die Abgasmenge verringerte sich insgesamt um mehr<br />

als die Hälfte – und der gesamte Schmelzprozess konnte deutlich<br />

beschleunigt werden.<br />

Aber das HEF-Verfahren schont nicht nur die Umwelt, sondern<br />

auch den Geldbeutel, betont Kadelka: Bei einer Gießerei, die<br />

30.000 Tonnen Koks im Jahr verbraucht, bedeuten zwei Prozent weniger<br />

bereits eine Einsparung von 300.000 Euro. Bei einem bestimmten<br />

Ofentyp, dem so genannten Kaltwind-Ofen, kann das HEF-Verfahren<br />

zudem die Betriebsdauer erheblich verlängern. „Diese Öfen müssen<br />

normalerweise nach einem Tag aufwendig gereinigt werden. Viele Gießereien<br />

haben daher zwei Öfen, die im Wechsel laufen“, sagt Kadelka.<br />

Wie sich gezeigt hat, können Kaltwind-Öfen mit HEF-Verfahren<br />

fünf, vielleicht sogar sieben Tage am Stück arbeiten. „So können die<br />

Gießereien ihre Produktionsleistung ohne Neuinvestition steigern“,<br />

sagt Kadelka. Die Gießereien haben großes Interesse – und eine<br />

Modernisierung des Schmelzverfahrens würde dann gleich auf vielfache<br />

Weise zur Ressourcenschonung beitragen.<br />

LINK:<br />

www.thewfo.com<br />

Heiße Schmelze: Die Gusseisen-Produktion (links)<br />

lässt sich mit dem HEF-Verfahren (High Efficiency<br />

Furnace) deutlich effizienter und umweltschonender<br />

gestalten. Der robuste Werkstoff ist vor allem für<br />

Trinkwasserrohre (oben) unverzichtbar.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Healthcare<br />

42<br />

Arzneimittel:<br />

Medizinische Gase werden im<br />

Operationssaal eingesetzt.<br />

Ersthelfer: Medizingase<br />

im Notfallkoffer.<br />

Umfassende Lösungen für den Gesundheitsbereich<br />

An der Seite des Patienten<br />

Wer Patienten mit Medizingasen versorgt, trägt eine große Verantwortung. Denn an den<br />

Atemmasken und Schläuchen hängt nicht nur ein Sauerstoffgerät, sondern oft auch ein<br />

Menschenleben. <strong>Linde</strong> Healthcare bietet Patienten ebenso wie Ärzten und Therapeuten<br />

individuelle Lösungen, die weit über die reine Medizingase-Versorgung hinausreichen.<br />

Atmen heißt Leben – und läuft meist unterbewusst. Doch sobald sich<br />

ein Engegefühl in der Brust ausbreitet, bekommen Lunge und Atemwege<br />

die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht. Genau hier setzt <strong>Linde</strong><br />

Healthcare an: Wenn Menschen, egal welchen Alters, Hilfe beim Atmen<br />

oder eine andere Atemwegstherapie brauchen. Die <strong>Linde</strong>-Experten<br />

kennen die Not der Patienten und versorgen zum Beispiel Menschen<br />

mit einer chronischen Atemwegserkrankung wie der chronisch obstruktiven<br />

Bronchitis (COPD) mit medizinischem Sauerstoff oder verabreichen<br />

ihnen während eines schmerzvollen Eingriffs ein inhalierbares,<br />

schmerzlinderndes Medizingasegemisch. Doch die Patienten<br />

und das medizinische Umfeld mit Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften<br />

benötigen oft mehr als die reinen Medizingase. „Wir begleiten<br />

alle Akteure entlang der kompletten medizinischen Versorgungs-<br />

kette: vom Notfalleinsatz über Untersuchungen beim Haus- oder<br />

Facharzt und die Behandlung im Akutkrankenhaus bis hin zur Nachsorge<br />

in einer Rehaklinik oder bei der Langzeittherapie zuhause“,<br />

sagt Kenth Drott, Leiter Hospital Care bei <strong>Linde</strong> Healthcare.<br />

Die Experten von <strong>Linde</strong> Healthcare beraten auch individuell bei<br />

der Auswahl der passenden Geräte. Ein Service, den insbesondere<br />

große Krankenhäuser zu schätzen wissen: „Wir Ärzte müssen uns<br />

nicht nur darauf verlassen können, dass die medizinischen Gase von<br />

höchster Qualität und Reinheit sind, sondern auch auf die technische<br />

Ausstattung, mit der die Gase den Patienten verabreicht werden“,<br />

sagt Dr. Francisco López, Leiter der Clínica Pichincha in Quito, Ecuador.<br />

Mit den QI (Quality Improvement) Medical Gas Services bietet <strong>Linde</strong><br />

Healthcare Komplettlösungen im Management von Medizingasen. Denn<br />

Autorin: Clara Steffens<br />

↳ Bildquellen: <strong>Linde</strong> AG (2), Getty Images (2)<br />


Healthcare // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

43<br />

Intensivpflege:<br />

Das medizinische REMEO®-Center ist<br />

auf Langzeitbeatmung spezialisiert<br />

und hilft Patienten, wieder selbständig<br />

atmen zu lernen.<br />

Reisebegleiter:<br />

Tragbare Sauerstoffgeräte<br />

ermöglichen<br />

dem Patienten, mobil<br />

zu sein.<br />

auch das Personal muss zum Beispiel im korrekten Umgang mit den<br />

Gasen geschult werden. <strong>Linde</strong> Healthcare geht daher noch einen<br />

Schritt weiter und hat das gesamte Medizingasesystem und alle damit<br />

verbundenen Prozesse seiner Kunden im Blick. Diese unterliegen<br />

oft strengen Anforderungen im Hinblick auf Sicherheitsvorschriften.<br />

Das breite Angebot der QI Medical Gas Services garantiert deshalb<br />

nicht nur beste Qualität. Die Experten von <strong>Linde</strong> Healthcare beraten<br />

ihre Kunden auch und eröffnen ihnen Möglichkeiten, wie sich Sicherheit,<br />

Verlässlichkeit und Effizienz in der Gaseversorgung etwa in der Krankenhausumgebung<br />

verbessern lassen. Die Kunden wissen dieses Angebot<br />

zu schätzen: „<strong>Linde</strong> Healthcare ist für uns nicht nur Lieferant, sondern<br />

ein verlässlicher Partner“, so López. <strong>Linde</strong> Healthcare arbeitet seit Langem<br />

auf diesem Gebiet. Und die Mitarbeiter wissen, dass es gerade<br />

bei Notfällen zum Beispiel keine Verzögerungen oder Engpässe<br />

geben darf. Die <strong>Linde</strong>-Experten kommen deshalb in die Klinik, um<br />

die besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden zunächst genau<br />

zu ermitteln – und entwickeln dann individuelle Lösungen.<br />

<strong>Linde</strong> Healthcare hat alle Patienten im Fokus, die eine Atemwegserkrankung<br />

haben. Während COPD-Patienten noch lange Zeit<br />

aus eigener Kraft atmen können und lediglich mit zusätzlichem<br />

Sauerstoff versorgt werden müssen, haben Menschen mit Muskeldystrophie,<br />

Multipler Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose<br />

häufig schon in jungen Jahren nicht mehr die Kraft, ihren Brustkorb<br />

zu heben und damit einen Unterdruck für den Gasaustausch<br />

zu erzeugen. Sie müssen mit Überdruck künstlich beatmet<br />

werden. Unfallopfer können oftmals von der Atemhilfe „entwöhnt“<br />

werden, doch dieser Prozess dauert mehrere Wochen. <strong>Linde</strong> Healthcare<br />

errichtet weltweit so genannte REMEO®-Center, in denen die<br />

Patienten und ihre Familien auf eine Heimkehr nach Hause vorbereitet<br />

werden. Auch Patienten mit einer Sauerstofftherapie können außerhalb<br />

der Klinik auf Angebote von <strong>Linde</strong> Healthcare zurückgreifen:<br />

„In Großbritannien haben wir zum Beispiel ein neues Rehabilitationsangebot<br />

etabliert, das die Lebensqualität von Patienten mit<br />

COPD verbessert“, erklärt Heike Thiele, Leiterin Homecare bei <strong>Linde</strong><br />

Healthcare. In einem achtwöchigen Übungs- und Schulungsprogramm<br />

treffen die Teilnehmer andere Betroffene, treiben Sport und erhalten<br />

Tipps zur richtigen Ernährung. „Das senkt die Wahrscheinlichkeit für<br />

einen erneuten stationären Aufenthalt“, so Thiele. „Mit einer Sauerstofftherapie<br />

gewinnen viele Patienten wieder Bewegungsfreiheit<br />

und vor allem Sicherheit zurück.“<br />

Ob in der Gymnastikhalle einer Reha-Einrichtung, auf der Intensivstation,<br />

im Notarztwagen oder bei der Lieferung einer Sauerstoffflasche<br />

oder eines -konzentrators: „Überall wo <strong>Linde</strong> Healthcare unterwegs<br />

ist, steht die Sicherheit für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal an<br />

oberster Stelle“, betont Drott. Denn er und seine Kollegen wissen: Die<br />

Betroffenen sind auf die Versorgung mit den Medizingasen angewiesen<br />

– und können so erst wieder ein selbstbestimmtes Leben führen.<br />

LINK:<br />

www.Blindtext.com<br />

LINK:<br />

www.linde-healthcare.com


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Interview<br />

44<br />

Dr. Christian Wojczewski, Leiter der globalen<br />

Geschäftseinheit Healthcare, <strong>Linde</strong> AG<br />

Interview<br />

„Es geht um ganzheitliche<br />

Gesundheitsversorgung“<br />

Dr. Christian Wojczewski, Leiter der globalen Geschäftseinheit Healthcare bei der <strong>Linde</strong> AG,<br />

erläutert, wie das Unternehmen sein Geschäft mit medizinischen Gasen, Geräten, Dienstleistungen<br />

und medizinischer Versorgung in dem vom demografischen Wandel geprägten<br />

Wachstumsmarkt aufstellt.<br />

↳<br />

Worin unterscheidet sich das Geschäft mit medizinischen<br />

Gasen vom Handel mit Industriegasen?<br />

Der entscheidende Unterschied ist der Patient. Unsere Medizingase<br />

werden nahezu täglich direkt von Menschen genutzt<br />

– bei Therapien für Neugeborene ebenso wie für Langzeitpatienten.<br />

Oft sind diese Therapien für die Betroffenen sogar<br />

überlebenswichtig. Das hat für unsere Produkte, Dienstleistungen<br />

und unsere Arbeit weitreichende Konsequenzen:<br />

Wir müssen bei den jeweils zuständigen Gesundheitsbehörden<br />

eine Zulassung für unsere Medizinprodukte beantragen.<br />

Auch nach der Markteinführung werden sie auf Arzneimittelsicherheit<br />

sowie auf andere Standards wie etwa die<br />

„Good Manufacturing Practice (GMP)“ überprüft. Das hat<br />

seine Berechtigung. Denn bei einem medizinischen Notfall<br />

dürfen die eingesetzten Produkte keine Qualitätsmängel<br />

↳<br />

aufweisen. Ärzte und Pflegepersonal zählen in diesen Momenten<br />

auf uns. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst.<br />

Die Arbeit von <strong>Linde</strong> Healthcare geht also weit über<br />

die reine Bereitstellung von Medizingasen hinaus?<br />

Auf alle Fälle. Wir haben viele Dienstleistungen und<br />

Therapien im Angebot, die sich entweder an die Mitarbeiter<br />

im Gesundheitswesen oder direkt an die Patienten<br />

richten. Zum Beispiel kümmern wir uns um alle praktischen<br />

Einzelheiten beim Monitoring und der Instandhaltung<br />

der Gaseleitungen in einem Krankenhaus. Außerdem<br />

schulen wir das medizinische Fachpersonal im Umgang<br />

mit den Medizingasen und in der korrekten Anwendung<br />

der Therapien. Auch bei der häuslichen Versorgung<br />

können sich Patienten, die eine Sauerstofftherapie benöti-


Interview // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

45<br />

gen oder die eine andere Atemwegserkrankung haben – wie<br />

beispielsweise Schlafapnoe – auf uns verlassen: Wir beraten<br />

bei der Auswahl der passenden Therapie, bei der Bedienung<br />

der technischen Geräte und liefern Medizingase. Wir helfen<br />

aber auch bei Fragen rund um Ernährung oder Bewegung<br />

weiter. In Zukunft werden wir unsere medizinischen Kompetenzen<br />

noch weiter entwickeln. Wir wollen vom reinen Gaselieferanten<br />

zum Anbieter kompletter Healthcare-Lösungen<br />

werden.<br />

↳ Welche Innovationen gibt es bei <strong>Linde</strong> Healthcare?<br />

Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung neuer Produkte,<br />

Apparate und Dienstleistungen, die zu unserem Klinik- und<br />

Homecare-Geschäft passen. Unser Produkt INOmax® war<br />

beispielsweise das erste medizinische Gas, das 2001 als<br />

Medikament zur Behandlung von Neugeborenen mit Lungenfunktionsstörung<br />

von der Europäischen Arzneimittelagentur<br />

EMA zugelassen wurde. Im März 2011 haben wir eine weitere<br />

Zulassung der EMA erhalten: INOmax® kann seither auch<br />

bei peri- und postoperativem Lungenhochdruck in Verbindung<br />

mit einer Herzoperation eingesetzt werden. Das Gasmischgerät<br />

für Distickstoffmonoxid SEDARA® ist von der amerikanischen<br />

Arzneimittelbehörde FDA zugelassen und in den<br />

USA auf den Markt gebracht worden. Und mit der <strong>Linde</strong>-Integrated-Valve-Technologie<br />

– kurz LIV® – haben wir zudem ein<br />

mobiles Flaschensystem entwickelt, das sehr bedienungsfreundlich<br />

ist und zudem ein hohes Maß an Sicherheit für<br />

Ärzte, Krankenschwestern sowie Patienten gewährleistet.<br />

Und mit QI Medical Gas Services bieten wir Audits und Dienstleistungen<br />

zur technischen Instandhaltung der Gaseversorgung<br />

in Krankenhäusern an. Auch Kryobanken zum Einfrieren<br />

von biologischem Material gehören zu unserem Produktportfolio.<br />

REMEO® – unser Versorgungskonzept für langzeitbeatmete<br />

Patienten – eröffnet darüber hinaus für <strong>Linde</strong> Healthcare<br />

ein völlig neues Geschäftsmodell. Es bietet beatmeten Patienten<br />

die Möglichkeit, außerhalb der akutmedizinischen Versorgung<br />

sowie zu Hause weiter betreut und gepflegt zu werden.<br />

↳ Welche Trends beobachten Sie im Bereich Healthcare?<br />

Der Gesundheitssektor wird hauptsächlich vom demografischen<br />

Wandel geprägt. Die Zahl an älteren Menschen<br />

wächst stetig – und damit auch der Pflegebedarf. Zudem<br />

haben sich die Diagnoseverfahren und Therapien für chronische<br />

Erkrankungen erheblich weiterentwickelt. Daraus<br />

ergeben sich für uns viele neue Geschäftsmöglichkeiten.<br />

Andererseits ist der Kostendruck auf Klinikbetreiber, vor allem<br />

in den westlichen Märkten, enorm. Sie müssen ihre Häuser<br />

immer effizienter und kostendeckender aufstellen. Das<br />

bekommen auch wir zu spüren. Viele Kliniken konzentrieren<br />

sich zudem verstärkt auf die akute Patientenversorgung.<br />

Doch nicht jeder Patient kann nach einer Akutbehandlung<br />

sofort nach Hause.<br />

↳ Wie wirken sich diese verschärften Rahmenbedingungen<br />

auf <strong>Linde</strong> Healthcare aus?<br />

↳<br />

Wir haben immer mehr Kunden jenseits des Klinikgeschäfts<br />

– mit veränderten Anforderungen. So beobachten wir, dass<br />

sich viele Gesundheitsleistungen jetzt auf Bereiche außerhalb<br />

der Kliniken verlagern. Zudem sehen wir einen immer<br />

größer werdenden Bedarf an Übergangseinrichtungen für<br />

Patienten mit Atemwegserkrankungen. Die Nachfrage nach<br />

Rehabilitationsangeboten, Pflegeeinrichtungen und Ärztezentren<br />

steigt. Unsere REMEO®-Center zielen in diese Richtung.<br />

Zunehmend wichtiger werden auch ambulante OP-Zentren,<br />

die sich auf kleinere Eingriffe, die früher nur im Krankenhaus<br />

durchgeführt wurden, spezialisiert haben. Insgesamt<br />

bedeutet dies, dass wir die Patienten mit all ihren Bedürfnissen<br />

immer ganzheitlicher im Blick haben müssen. Zudem<br />

werden neue Entwicklungen wie auf dem Gebiet der Telemedizin<br />

den Patienten ganz neue Freiheiten eröffnen. Sie<br />

können zu Hause bleiben – und wissen dennoch, dass Parameter<br />

wie Blutdruck und Sauerstoffsättigung medizinisch<br />

überwacht werden.<br />

Welche Ziele haben Sie sich in diesem dynamischen<br />

Umfeld gesetzt?<br />

Wir wollen in den kommenden Jahren unsere Position in den<br />

großen Healthcare-Regionen Europa und Amerika weiter<br />

stärken – mit verlässlicher Qualität und als Partner Nummer<br />

eins für Patienten, Kostenträger und Beschäftigte im Gesundheitswesen.<br />

Dank strategischer Zukäufe sind wir im Bereich<br />

Homecare jetzt auch global bestens aufgestellt: Mit der Übernahme<br />

des kontinental-europäischen Homecare-Geschäfts<br />

von Air Products können sich jetzt mehr als 250.000 weitere<br />

Patienten auf uns als Partner verlassen. Und mit der Akquisition<br />

des US-amerikanischen Homecare-Unternehmens Lincare<br />

ist uns ein noch größerer Vorstoß in den mit Abstand größten<br />

Homecare-Markt der Welt gelungen. <strong>Linde</strong> Healthcare betreut<br />

heute mehr als 1,3 Millionen Patienten weltweit. Auch in den<br />

aufstrebenden Volkswirtschaften nehmen wir eine führende<br />

Stellung ein. Dabei konzentrieren wir uns zum Beispiel auf<br />

neue Märkte in Ländern wie Brasilien, Russland, Indien und<br />

China. Wir sind weltweit die Nummer eins im Bereich medizinischer<br />

Gase sowie der entsprechenden Service- und Beratungsleistungen.<br />

Und auch auf dem Gebiet der Atemwegstherapien<br />

im häuslichen Bereich sind wir der weltweit<br />

größte Anbieter. Diese Position wollen wir weiter ausbauen.<br />

LINK:<br />

www.linde-healthcare.com


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Healthcare<br />

46<br />

<strong>Linde</strong> Healthcare: Partner für Ärzte, Patienten und Pflegekräfte<br />

Die Medizingase-Welt<br />

Notärzte verabreichen<br />

medizinischen<br />

Sauerstoff<br />

aus Gasflaschen in<br />

einem kompakten<br />

Notfallrucksack.<br />

Ein Arzt überprüft die Atemfunktion<br />

einer Patientin mithilfe eines Lungenfunktionstests.<br />

20.000 Atemzüge: So oft holt ein gesunder Erwachsender täglich Luft, die<br />

hauptsächlich aus Sauerstoff und Stickstoff besteht. Aber auch andere Gase<br />

sind im Gesundheitsbereich von Bedeutung. <strong>Linde</strong> Healthcare sorgt für eine<br />

sichere Versorgung: in Kliniken und Arztpraxen, in Pflegeeinrichtungen<br />

und Remeo®-Centern und auch zu Hause.<br />

In der Klinik betreibt REMEO®<br />

Rehabilitations-Einrichtungen<br />

für langzeitbeatmete Patienten.<br />

Inhalierbares medizinisches<br />

Lachgas-Sauerstoff-Gemisch wird<br />

auch in der Unfallmedizin zur<br />

Schmerzlinderung eingesetzt.<br />

Ärzte in einem ambulanten Operationszentrum<br />

verwenden medizinisches<br />

Kohlendioxid während einer Bauchspiegelung,<br />

um die Bauchdecke anzuheben.<br />

Im Kreißsaal: Schwangere<br />

inhaliert ein schmerzlinderndes<br />

medizinisches Lachgas-Sauerstoff-Gemisch.<br />

Schlafapnoe-<br />

Patient im<br />

Schlaflabor.<br />

Patient erhält<br />

Sauerstoff aus<br />

einer tragbaren<br />

Gasflasche – ausgestattet<br />

mit LIV®-<br />

Ventil von <strong>Linde</strong>.<br />

Einsatz von<br />

medizinischem<br />

Stickstoffmonoxid<br />

auf Säuglingsintensivstation.<br />

CRYOBOX-<br />

Einheit zur<br />

Lagerung<br />

von Proben.<br />

<strong>Linde</strong> liefert<br />

schlüsselfertige<br />

Lösungen für<br />

die Kryokonservierung.<br />

Operationssaal<br />

mit Anschlüssen<br />

für medizinischen<br />

Sauerstoff (weiß),<br />

medizinisches Distickstoffmonoxid<br />

(blau), medizinische<br />

Luft (schwarz) und<br />

Vakuum (gelb).<br />

<strong>Linde</strong> QI Services<br />

bietet Vor-<br />

Ort-Versorgung<br />

mit flüssigem<br />

Stickstoff für<br />

die Kryokonservierung<br />

von<br />

medizinischen<br />

Proben.<br />

Kernspin-Tomographie<br />

benötigt Flüssighelium<br />

zur Kühlung der Magnetspulen.<br />

Krankenschwester gibt verletztem<br />

Kind schmerzlinderndes<br />

medizinisches Lachgas-<br />

Sauerstoff-Gemisch.<br />

Tragbare Sauerstoffgeräte<br />

helfen<br />

Menschen mit Atemwegserkrankungen,<br />

mobil zu sein.<br />

QI Monitoring der medizinischen Gaseversorgungsanlage<br />

mit Echtzeit-Alarm, QI Nachverfolgung von<br />

Gasflaschen und Kontrollzentrum zur automatischen<br />

Gase-Nachfüllung.<br />

QI Medical Gas Services<br />

unterstützt die gesamte<br />

Medizingase-Versorgung:<br />

Design, Konstruktion,<br />

Logistik, Vor-Ort-Dienst<br />

und Verwaltung.<br />

<strong>Linde</strong>-Lkw befüllt Tank mit<br />

medizinischem Sauerstoff.<br />

QI Services unterstützen im Umgang mit medizinischen<br />

Gaseversorgungsanlagen. Ein <strong>Linde</strong>-Healthcare-Techniker<br />

kontrolliert die sichere Lagerung der Gasflaschen und<br />

gewährleistet die Sicherheit aller damit verbundenen<br />

Gaseinstallationen.<br />

QI Medair und QI Medvac bieten<br />

Servicelösungen – vom Design<br />

über die Versorgung und Installation<br />

bis zur Bereitstellung der<br />

On-site-Anlage.<br />

QI Training: <strong>Linde</strong>-Experten schulen medizinisches<br />

Fachpersonal im Umgang mit Gasen<br />

in der Medizin. Lehrvideos zeigen, wie das<br />

mobile LIV®-Flaschensystem genutzt wird.<br />

Die Gasflaschen mit dem LIV®-System<br />

von <strong>Linde</strong> besitzen einen eingebauten<br />

Druckminderer, so dass Patienten<br />

direkt über eine Atemmaske versorgt<br />

werden können. Das LIV®-System ist<br />

zudem kompatibel mit den Wandanschlüssen<br />

in Kliniken.


Healthcare // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

49<br />

Dank der CPAP-Beatmung (Continuous<br />

Positive Airway Pressure)<br />

können Schlafapnoe-Patienten<br />

besser schlafen und leiden weniger<br />

an Folgeerkrankungen wie<br />

Herz-Kreislauf-Problemen.<br />

Patient erhält während einer<br />

Zahnbehandlung ein inhalierbares<br />

medizinisches Lachgas-Sauerstoff-<br />

Gemisch.<br />

Ein Patient wird in<br />

Therapiefragen beraten.<br />

Das medizinische Beatmungs-<br />

Center REMEO® ist auf Langzeitbeatmung<br />

spezialisiert<br />

und hilft Patienten, wieder<br />

selbständig atmen zu lernen.<br />

Ein Arzt erhält per<br />

Telehealth medizinische<br />

Daten eines<br />

seiner Patienten<br />

auf den Monitor.<br />

Ein <strong>Linde</strong>-Experte berät<br />

einen Patienten in<br />

Ernährungsfragen.<br />

In einem Bürgerzentrum zeigen<br />

<strong>Linde</strong>-Healthcare-Physiotherapeuten<br />

Patienten mit Atemwegserkrankungen<br />

gymnastische Übungen.<br />

Ein Therapeut führt Rehabilitation<br />

mit beatmetem<br />

Patienten durch.<br />

Professionelle Pflege für langzeitbeatmete<br />

Patienten zu Hause. Krankenpflege<br />

und Geräte-Management<br />

sind 24 Stunden am Tag verfügbar.<br />

Ein Patient, der auf eine Sauerstofftherapie<br />

angewiesen ist, übermittelt<br />

per Telehealth medizinische Daten<br />

an seinen Arzt.<br />

Diese Grafik ist eine vereinfachte Darstellung, die<br />

keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.


Flüssigerdgas für Hamburgs Frachter:<br />

Der Schiffsverkehr muss umweltfreundlicher<br />

werden. Mit LNG lassen sich schädliche<br />

Emissionen deutlich eindämmen.


LNG-INFRASTRUKTUR // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

51<br />

LNG-Terminals: Maritime Infrastruktur für flüssiges Erdgas<br />

Sauber auf See<br />

Bildquelle: Frank Siemers/laif<br />

Autorin: Andrea Hoferichter<br />

↲ ↳<br />

Häfen sind wichtige Drehscheiben für die Weltwirtschaft. Doch der zunehmende<br />

Schiffsverkehr macht der Luft in den Hafenregionen und über den Meeren zu<br />

schaffen. Ab 2015 sollen strengere Grenzwerte die Schadstoffemissionen eindämmen.<br />

Damit sind auch umweltfreundlichere Treibstoffe gefragt. Flüssigerdgas, kurz LNG,<br />

würde die neuen Auflagen mehr als erfüllen. Damit der Durchbruch gelingt, arbeitet<br />

<strong>Linde</strong> mit Hochdruck an einem Netzwerk neuer LNG-Terminals in Europa.<br />

Maschinen soweit das Auge blickt: Am Containerterminal Altenwerder<br />

des Hamburger Hafens trifft man kaum Menschen – dafür<br />

umso mehr Kräne. Ferngesteuert hieven sie die tonnenschweren<br />

Stahlboxen aus den Schiffen und laden diese auf führerlose Fahrzeuge.<br />

Der Hamburger Hafen zählt zu den wichtigsten europäischen<br />

Ports: Über 130 Millionen Tonnen Güter werden hier pro Jahr umgeschlagen.<br />

Mehr als 10.000 Schiffe fahren den Hafen jedes Jahr<br />

an – und sie alle tanken Treibstoffe, die eine<br />

Ab 2020: Weltweit<br />

strengere<br />

Grenzwerte<br />

für Emissionen.<br />

Menge Abgase freisetzen. „Die Schifffahrt ist<br />

zwar, gemessen an den Emissionen je Tonnenkilometer,<br />

sehr umweltfreundlich“, sagt Hamburgs<br />

Wirtschaftssenator Frank Horch. „Doch die Anforderungen<br />

an den Umweltschutz steigen auch<br />

hier.“ Im Fokus der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation<br />

stehen vor allem die Schwefeldioxidemissionen.<br />

Diese müssen nach den neuen Richtlinien<br />

deutlich sinken. In den so genannten Emissionskontrollgebieten<br />

(Emission Control Areas, ECA), zu denen die Nord- und Ostsee<br />

und ein Areal vor den Küsten der USA zählen, dürfen Schiffstreibstoffe<br />

schon ab Januar 2015 nur noch 0,1 Prozent Schwefelverunreinigungen<br />

enthalten. Weltweit werden die Grenzwerte schrittweise<br />

herabgesetzt – von derzeit 3,5 auf 0,5 Prozent im Jahr 2020.<br />

Und für neue Schiffe werden auch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen<br />

ab 2016 drastisch gedrosselt.<br />

„Das klingt im ersten Moment hart, ist aber etwa im Vergleich<br />

zum erlaubten Schwefeldioxidausstoß im Straßenverkehr, der schon<br />

seit Jahrzehnten bei maximal 0,001 Prozent liegt, noch moderat“,<br />

erklärt Dr. Thomas Tork, der bei <strong>Linde</strong> im Bereich<br />

Clean Energy für die LNG-Geschäftsentwicklung<br />

zuständig ist. Und das Durchgreifen der Schifffahrtsbehörde<br />

ist berechtigt. Die Luftschadstoffe<br />

versauern Wasser und Böden, und sie können<br />

Atembeschwerden auslösen sowie das Herz-<br />

Kreislaufsystem schwächen. Wissenschaftler des<br />

dänischen Zentrums für Energie, Umwelt und<br />

Gesundheit haben errechnet, dass EU-weit etwa sieben Prozent der<br />

Kosten für emissionsbedingte Krankheiten auf das Konto der Schifffahrt<br />

gehen. Im Jahr 2000 etwa waren es 60 Milliarden Euro. „Die<br />

Schifffahrtsindustrie muss jetzt über einen Wechsel zu schadstoffärmeren<br />

Treibstoffen nachdenken“, sagt Tork. Ein Favorit für den


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // LNG-INFRASTRUKTUR<br />

52<br />

Umstieg ist verflüssigtes Erdgas, kurz LNG für Liquefied Natural Gas.<br />

Seine Hauptkomponente ist Methan, das im Wesentlichen zu Wasser<br />

und Kohlendioxid verbrennt.<br />

Das erst kürzlich gegründete Joint Venture Bomin <strong>Linde</strong> LNG GmbH<br />

& Co. KG – ein Zusammenschluss von <strong>Linde</strong> und Bomin, einem Tochterunternehmen<br />

von Marquard und Bahls – will den Umstieg auf LNG<br />

jetzt vorantreiben und die dafür erforderliche Infrastruktur aufbauen.<br />

Schließlich waren fehlende Tankmöglichkeiten bislang ein starkes<br />

Argument vieler Reedereien gegen einen Wechsel. Das erste Projekt<br />

von Bomin <strong>Linde</strong>: ein LNG-Terminal am Hamburger<br />

Hafen. „<strong>Linde</strong> und die Hamburg Port Authority<br />

haben schon in einer Machbarkeitsstudie gezeigt,<br />

dass das Projekt technisch zu meistern und sowohl<br />

ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll ist“, berichtet<br />

Tork. So könnten bereits in zwei Jahren mehrere<br />

tausend Tonnen Flüssigerdgas in haushohen, weiß<br />

lackierten Stahltürmen am Hamburger Hafen lagern<br />

– gut gekühlt bei minus 161 Grad Celsius, denn nur<br />

dann bleibt es flüssig. Bunkerschiffe, die mit <strong>Linde</strong>-Technologie ausgerüstet<br />

sind, bringen es zu den ankernden Schiffen und betanken<br />

deren Treibstoffspeicher.<br />

Mit dem neuen Schiffskraftstoff können Reedereien die kommenden<br />

Auflagen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation<br />

mehr als erfüllen. Schließlich entstehen bei der Verbrennung<br />

von Flüssigerdgas fast keine Schwefeloxide und etwa 80 Prozent<br />

weniger Stickoxide. Die Emissionen enthalten weder Ruß noch<br />

LNG-BEdarf<br />

steigt: bis 2020<br />

geschätzt auf<br />

fünf Millionen<br />

Tonnen.<br />

Schwermetalle. Betrieben mit LNG fahren die Schiffe auch energieeffizienter<br />

und pusten bis zu 25 Prozent weniger klimaschädliches<br />

Kohlendioxid in die Luft. Zudem laufen die Erdgas-Motoren<br />

leiser – für Matrosen und Hafenanlieger ein positiver Nebeneffekt.<br />

Zwar können auch Schiffe, die mit schwefelarmem Marine-Gasöl<br />

(MGO) fahren oder Anlagen zur Treibstoffaufbereitung und Abgasbehandlung<br />

an Bord haben, die künftigen Grenzwerte einhalten.<br />

Tork zufolge sind diese Lösungen jedoch bei weitem nicht so<br />

sauber wie der LNG-Betrieb, deutlich aufwendiger – und auch<br />

ökonomisch die schlechteren Alternativen. „Die<br />

Vorlaufkosten für eine Umrüstung auf LNG-Betrieb<br />

sind heute zwar noch höher als die Investition in<br />

eine vergleichbare Abgasnachbehandlung für<br />

herkömmliche Schiffe“, räumt er ein. „Auf lange<br />

Sicht aber rechnet sich der Umstieg, denn LNG ist<br />

der preisgünstigere Treibstoff.“<br />

Das Flüssigerdgas für das neue Terminal der<br />

Hamburger Hafenstadt soll vor allem von den großen<br />

internationalen LNG-Importterminals geliefert werden, zum Beispiel<br />

aus Rotterdam und Zeebrugge. Als Verteilerstation für Teile der Ostsee<br />

könnte <strong>Linde</strong>s Mid-Scale-Terminal im schwedischen Nynäshamn<br />

mit einer Kapazität von 20.000 Kubikmetern fungieren, gebaut und<br />

betrieben von den <strong>Linde</strong>-Töchtern Cryo AB und AGA AB. „Gemeinsam<br />

mit Bomin decken wir also die gesamte Wertschöpfungskette ab. Das<br />

Flüssigerdgas, die Speicher, weitere Kryotechnik und der Bunkerservice<br />

stammen aus einer Hand“, betont der <strong>Linde</strong>-Manager.<br />

Treibstoff tanken: Küstennahe LNG-Terminals<br />

speichern das Flüssigerdgas in großen Tanks – und<br />

verteilen es von dort in die Welt (ganz oben). Die<br />

Verteilstationen werden von Verflüssigungsanlagen<br />

wie zum Beispiel in Stavanger mit LNG beliefert<br />

(oben). Bereits in zwei Jahren könnte der Hamburger<br />

Hafen (rechts) über eine LNG-Infrastruktur verfügen<br />

– mithilfe von <strong>Linde</strong>-Technologie.


LNG-INFRASTRUKTUR // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />

53<br />

Und das Vorhaben am Hamburger Hafen ist nur ein erster Meilenstein<br />

auf dem Weg zur LNG-betriebenen Schifffahrt. Bomin <strong>Linde</strong><br />

plant bereits Terminals in weiteren strategisch wichtigen Häfen,<br />

etwa in Bremerhaven, Kiel und Rotterdam. Recht weit gediehen ist<br />

zudem ein LNG-Terminal, das zurzeit in Lysekil an der schwedischen<br />

Westküste für das norwegische Unternehmen Skangass entsteht<br />

– unter der Federführung von Ingenieuren der <strong>Linde</strong> Kältetechnik-<br />

Tochter Cryo AB. Das Terminal soll bereits 2013 den Betrieb aufnehmen.<br />

„Es wird zunächst vorrangig eine Raffinerie und die Industrie<br />

vor Ort beliefern, aber wir sehen die Schifffahrt als ein riesiges<br />

Zukunftsthema“, sagt Lars Persson von der Cryo AB in Götheburg.<br />

Flüssigerdgas für Hafenfahrzeuge<br />

Olof Källgren, der die LNG-Handelsaktivitäten bei <strong>Linde</strong> leitet, ist<br />

ohnehin überzeugt, dass Flüssigerdgas als Schiffstreibstoff schnell<br />

Karriere machen wird. „Nordsee, Ostsee und die Gebiete vor der USamerikanischen<br />

Küste werden wegen der besonders strengen Auflagen<br />

Vorreiter sein“, schätzt der <strong>Linde</strong>-Experte. Einer Studie der<br />

dänischen Schifffahrtsbehörde Danish Maritime Authority zufolge<br />

wird sich der LNG-Bedarf für den maritimen Bereich in Nordsee, Ostsee<br />

und Ärmelkanal bis 2020 sogar verfünfzigfachen: von zurzeit<br />

etwa 100.000 Tonnen auf bis zu fünf Millionen Tonnen Flüssigerdgas.<br />

2030 könnten es bis zu acht Millionen Tonnen sein. Treffen die Prognosen<br />

zu, würden schon in gut 15 Jahren mehr als die Hälfte aller<br />

Schiffe mit Flüssigerdgas fahren. Ein aktuelles Beispiel für ein LNGbetriebenes<br />

Schiff ist die „Viking Grace“, die größte LNG-betriebene<br />

Fähre der Welt. Seit Januar 2013 verkehrt sie zwischen Stockholm<br />

und dem finnischen Turku. Sie hat Platz für 2.800 Passagiere, Autos<br />

und Lkw. Betankt wird sie mit LNG aus Nynäshamn und über ein mit<br />

<strong>Linde</strong>-Technik bestücktes Bunkerschiff.<br />

Um in den Häfen internationaler Metropolen für gute Luft zu sorgen,<br />

reicht es aber nicht, nur die Schiffe mit LNG zu versorgen. „Die<br />

Schadstoffkonzentrationen in der Hamburger Hafenluft zum Beispiel<br />

stammen zu einem Drittel auch von Lkw, Rangierlokomotiven und<br />

Schleppern – und liegen damit gleichauf mit den Schiffsabgasen“, sagt<br />

Tork. Am Hamburger Hafen soll deshalb eine LNG-Tankstelle entstehen,<br />

die die Hafenfahrzeuge mit dem sauberen Treibstoff versorgt.<br />

Ob nun für den Verkehr auf See oder auf der Straße – die neue<br />

LNG-Infrastruktur ist Tork zufolge auch auf lange Sicht eine zuverlässige<br />

Alternative und taugt sogar für regenerative Brennstoffe. „Die<br />

LNG-Systeme und -Technologien lassen sich direkt für Biomethan,<br />

also für aufbereitetes Biogas, nutzen“, sagt der <strong>Linde</strong>-Experte. Auch<br />

auf diesem Gebiet ist <strong>Linde</strong> ein Pionier: Im US-amerikanischen Altamont<br />

betreibt das Unternehmen gemeinsam mit den Abfallspezialisten<br />

von Waste Management eine Methanverflüssigungsanlage, die<br />

mit Deponiegas arbeitet. So kann selbst aus Müll ein sauberer Brennstoff<br />

werden, mit dem voraussichtlich schon in den kommenden<br />

Jahren ganze Lkw-Flotten betankt werden – und von dem in Zukunft<br />

auch die Schifffahrt profitieren könnte.<br />

LINK:<br />

www.naturalgas.org<br />

↳<br />

↳<br />

↳<br />

Kurzinterview<br />

„Es hilft zu wissen, Wo neue<br />

LNG-Terminals entstehen“<br />

<strong>Linde</strong> Technology sprach<br />

mit Dr. Pierre Sames,<br />

Leiter der Forschung und<br />

Vorschriftenentwicklung<br />

beim Germanischen Lloyd<br />

in Hamburg, über die<br />

Zukunft von Flüssigerdgas<br />

als Schiffstreibstoff.<br />

Wie aufwendig ist es, Schiffe auf LNG umzurüsten?<br />

Prinzipiell können alle Schiffstypen Flüssigerdgas als Brennstoff<br />

nutzen. Wie beim Schiffsneubau müssen dafür spezielle<br />

LNG-Tanks, Antriebe und Versorgungssysteme installiert<br />

werden. Die meisten Motoren, die heute in Schiffen eingebaut<br />

sind, lassen sich aufrüsten. Andere müssen dagegen komplett<br />

ersetzt werden. Die Umrüstung ist also mit zusätzlichen<br />

Investitionen verbunden. Am teuersten sind die Tanks. Deshalb<br />

werden in den nächsten Jahren vor allem Schiffe mit<br />

kürzeren, küstennahen Routen LNG als Treibstoff nutzen.<br />

Was sind die Herausforderungen für den Umstieg?<br />

Zurzeit wird LNG als Schiffsbrennstoff nur in Norwegen<br />

angeboten. Die Versorgung in anderen nordeuropäischen<br />

Häfen wird erst in ein bis zwei Jahren etabliert sein. Erst<br />

dann werden mehr Reedereien ihre Schiffe umrüsten beziehungsweise<br />

neu bestellen. Ankündigungen, wo neue LNG-<br />

Terminals geplant sind, helfen sehr. Denn es zeigt den<br />

Reedereien, dass die Versorgungsbranche willens ist, den<br />

Anfang zu machen und bei steigender Nachfrage die entsprechende<br />

Infrastruktur bereitzustellen.<br />

Welche Rolle spielt LNG für den Germanischen Lloyd?<br />

Der Germanische Lloyd hat die Umrüstung des Produkttankers<br />

Bit Viking unterstützt. Dieses Schiff fährt seit Herbst 2011<br />

mit LNG. Und wir haben weitere Aufträge für LNG-betriebene<br />

Schiffe und sind in vielen Vorprojekten zu Schiffssystemen,<br />

Schiffsentwürfen und Betankung aktiv. In einer gemeinsamen<br />

Studie mit MAN haben wir uns mit den Kostenund<br />

Nutzenaspekten LNG-betriebener Containerschiffe<br />

beschäftigt. Daraus geht unter anderem hervor: Die wichtigsten<br />

Faktoren für die Amortisierungsdauer sind der Preisunterschied<br />

zwischen Schweröl und LNG sowie die Zeit, die<br />

das Schiff in ECA-Zonen – also den Emissionsüberwachungsgebieten<br />

– verbringt.


<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Höhentraining<br />

54<br />

Hypoxie-Kanal für Profisportler<br />

Die Gipfelschwimmer<br />

Höhentraining macht fit. Leistungssportler<br />

nutzen den Effekt. Jetzt können Schwimmer davon<br />

profitieren – dank Gasetechnologie von <strong>Linde</strong>.<br />

Die Luft in den Pyrenäen ist dünn. Mit jedem Höhenmeter sinkt der<br />

Luftdruck – und damit das Sauerstoffangebot. Doch für Sportler sind<br />

das ideale Bedingungen. Das Höhentraining auf zwei- bis dreitausend<br />

Metern bringt ihnen einen Leistungskick. Bekannt ist das Phänomen<br />

seit den olympischen Spielen 1968 in Mexiko, die auf 2.240 Metern<br />

Höhe stattfanden. Das Sportereignis war ein Festival der Rekorde –<br />

und die Geburt des Höhentrainings: Sportler, die sich länger dort aufgehalten<br />

hatten, brachten zurück im Flachland bessere Leistungen.<br />

Der Grund: Der Körper gleicht den Sauerstoffmangel aus, indem er<br />

mehr rote Blutkörperchen produziert, die das Gas in die Muskelzellen<br />

bringen und den Sportler leistungsfähiger machen. Hypoxiegestütztes<br />

Training heißt diese gezielte Sauerstoffunterversorgung.<br />

Profischwimmer des Deutschen Schwimmverbandes müssen dafür<br />

aber nicht mehr in die Höhentrainingslager der Pyrenäen oder Sierra<br />

Nevada reisen: Denn die Experten von <strong>Linde</strong> bringen das Hochgebirge<br />

jetzt zum Olympiastützpunkt Brandenburg in Ostdeutschland. Dessen<br />

Schwimmkanal ist seit April 2012 mit einer Hypoxie-Anlage ausgerüstet,<br />

die den Sauerstoffgehalt herabsetzt, ohne den Luftdruck zu verändern.<br />

Fachleute sprechen von der normobaren<br />

Hypoxie. „Nach Expertenmeinung kommt diese<br />

Art der gezielten Sauerstoffunterversorgung dem<br />

normalen Empfinden des Sportlers eher entgegen<br />

als die hypobare, also einem niedrigen Luftdruck“,<br />

erklärt Johann Kaltenegger aus der Marktentwicklung<br />

Chemie der <strong>Linde</strong> Gases Division in Unterschleißheim. „Und es<br />

gibt Hinweise, dass ein niedrigerer Druck schneller höhenkrank machen<br />

kann“, so der <strong>Linde</strong>-Experte. In Potsdam verändert man deshalb<br />

die Zusammensetzung der Luft: Ein Dosiersystem mischt Frischluft<br />

mit zusätzlichem Stickstoff von <strong>Linde</strong>, bevor das Gasegemisch in die<br />

Schwimmhalle geleitet wird. Dadurch sinkt der Sauerstoffanteil, der<br />

normalerweise 21 Prozent beträgt. Kaltenegger: „Bei einer simulierten<br />

Höhe von 4.500 Metern, auf die die Anlage in Potsdam aus Sicherheitsgründen<br />

begrenzt ist, liegt die Konzentration bei etwa zwölf Prozent.“<br />

Die Schwimmer trainieren im Extremfall auf Matterhorn-Niveau.<br />

<strong>Linde</strong> liefert aber nicht nur den Stickstoff, sondern das gesamte<br />

verfahrenstechnische Konzept einschließlich der komplexen Mess-,<br />

Steuer- und Regeltechnik: Empfindliche Sensoren kontrollieren<br />

Autorin: Kathrin Wildemann<br />

Bildquelle: Tim Tadder/Corbis<br />

↲ ↳<br />

Matterhorn-<br />

Niveau für die<br />

Schwimmhalle.<br />

permanent Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchte sowie Sauerstoff- und<br />

Kohlendioxid-Gehalt. Acht- bis zehnmal pro Stunde wird die Atmosphäre<br />

in der Schwimmhalle von 3.000 Kubikmetern komplett ausgetauscht:<br />

„So sichern wir die nötige Luftgüte auch unter schwierigsten<br />

Bedingungen und halten die simulierte Höhe – also die Luftzusammensetzung<br />

– konstant“, erklärt Jörg Steinke, Anwendungstechniker<br />

und Produktmanager Hypoxie bei <strong>Linde</strong>. Hohe Luftfeuchtigkeit und<br />

Chlor sind in Schwimmbädern allgegenwärtig – und das macht es der<br />

Mess- und Anlagentechnik nicht einfach, für eine stabile Raumluft<br />

zu sorgen. Eine besondere Herausforderung, die<br />

die <strong>Linde</strong>-Ingenieure gemeistert haben, waren vor<br />

allem die strengen Richtlinien der Schwimmbäder<br />

im Hinblick auf Luftgüte und Hygiene. Steinke:<br />

„Unsere Hypoxie-Anlage bietet einen nahezu hundertprozentigen<br />

Schutz gegen die Anreicherung<br />

von Bakterien oder Legionellen.“ Die Schwimmprofis können dank<br />

einer benutzerfreundlichen Software sogar selbst steuern, auf welcher<br />

Höhe sie trainieren. „Nach unseren Informationen ist die Anlagentechnik,<br />

wie sie jetzt in Potsdam steht, in Europa bisher einmalig“,<br />

so Steinke. Zwar sind die olympischen Spiele in Rio de Janeiro<br />

erst in drei Jahren, aber dann will das Schwimmteam auch bei der<br />

Medaillenverteilung die Gipfel stürmen.<br />

LINK:<br />

www.high-altitude-medicine.com


– 45.000<br />

Tonnen CO 2 .<br />

LNG-Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen: Aus Deponieabfällen wird wertvoller Biokraftstoff!<br />

Gemeinsam mit Waste Management Inc. haben wir in Kalifornien die weltweit größte Anlage<br />

zur Umwandlung von Deponiegas gebaut. Inzwischen werden die Müllentsorgungsfahrzeuge von<br />

Waste Management mit verflüssigtem Biogas betrieben. Dies entspricht einer Einsparung von jährlich<br />

circa 20 Millionen Liter Benzin bzw. Diesel, oder anders ausgedrückt: 45.000 Tonnen CO 2 . Das ist nur<br />

eines von vielen Beispielen, wie wir mit unseren „Clean Technology”-Lösungen zu einer sauberen und<br />

nachhaltigen Energiewirtschaft beitragen.<br />

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website www.linde.com/cleantechnology


Herausgeber<br />

<strong>Linde</strong> AG<br />

Klosterhofstraße 1<br />

80331 München<br />

Telefon +49.89.35757-01<br />

Telefax +49.89.35757-1398<br />

www.linde.com

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