LINDE TECHNOLOGY - Linde Engineering
LINDE TECHNOLOGY - Linde Engineering
LINDE TECHNOLOGY - Linde Engineering
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ausgabe<br />
#1.<br />
TITELTHEMA: Kraftwerk Natur<br />
<strong>LINDE</strong><br />
<strong>TECHNOLOGY</strong><br />
Wasserstoff aus Wind<br />
Regenerative Energien speichern<br />
Heisse Energiequellen<br />
Geothermie optimal nutzen<br />
Effizientere Sonnenfänger<br />
Stromausbeute von Solarzellen verbessern<br />
13<br />
An der Seite des Patienten<br />
Sauber auf See<br />
Hinter den Pixeln<br />
Hochreine Gase in der Display-Produktion<br />
innovative Technologien für mehr Nachhaltigkeit<br />
Kraftwerk<br />
Natur
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Impressum<br />
02<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Linde</strong> AG<br />
Klosterhofstraße 1, 80331 München<br />
Telefon +49.89.35757-01<br />
Telefax +49.89.35757-1398<br />
www.linde.com<br />
Redaktion:<br />
Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, <strong>Linde</strong> AG;<br />
wissen + konzepte, München<br />
#1.<br />
13<br />
Bildredaktion:<br />
Judith Schüller, Hamburg<br />
Layout:<br />
wissen + konzepte, München;<br />
Almut Jehn, Bremen<br />
Anfragen und Bestellungen an:<br />
<strong>Linde</strong> AG, Kommunikation<br />
Klosterhofstraße 1, 80331 München<br />
oder thomas.hagn@linde.com<br />
Diese Heftreihe sowie weitere Fachberichte<br />
stehen unter www.linde.com als Download<br />
zur Verfügung.<br />
Nachdrucke oder elektronische Verbreitung<br />
nur mit Zustimmung des Herausgebers.<br />
Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen<br />
Fälle (und bei vollständiger Quellenangabe)<br />
ist die Nutzung der Berichte aus<br />
„<strong>Linde</strong> Technology“ ohne Einwilligung des<br />
Herausgebers nicht gestattet.<br />
ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2013<br />
Natürliche Kräfte: Die Erde bietet vielfältige<br />
regenerative Energiequellen, die sich mit innovativen<br />
Technologien effizient nutzen lassen – für eine<br />
nachhaltigere Zukunft.<br />
Bildquellen:<br />
Titel: LatitudeStock – TTL/Getty Images // Seite 04/05: <strong>Linde</strong> AG (2), Fraunhofer, Siemens-<br />
Pressebild // Seite 06/07: <strong>Linde</strong> AG // Seite 08/09: <strong>Linde</strong> AG (2), Andy Le/Getty Images //<br />
Seite 10/11: <strong>Linde</strong> AG, plainpicture/Cultura, DLR (CC-BY-3.0) // Seite 13: Steger/SPL/Agentur<br />
Focus // Seite 14/15: <strong>Linde</strong> AG, Sean Gallup/Getty Images, Privat // Seite 16/17: <strong>Linde</strong> AG (2),<br />
look foto, Victor de Schwanberg/SPL/Agentur Focus // Seite 18: Bernhard Edmaier/SPL/Agentur<br />
Focus // Seite 21: Siemens AG // Seite 23: Stocktrek Images/Getty Images // Seite 25: <strong>Linde</strong> AG,<br />
Martin Bond/SPL/Agentur Focus // Seite 26/27: Privat, Arctic Images/Corbis // Seite 28: Lester Lefkowitz/Getty<br />
Images // Seite 30/31: <strong>Linde</strong> AG (2), Paul Rapson/SPL/Agentur Focus // Seite 32/33:<br />
Swiss Re, Getty Images // Seite 35: Sung-Il Kim/Corbis, Serghei Velusceac/Fotolia // Seite 36/37:<br />
Ed Young/SPL/Agentur Focus, <strong>Linde</strong> AG, Getty Images // Seite 38/39: <strong>Linde</strong> AG, dpa/picture-alliance<br />
// Seite 40/41: <strong>Linde</strong> AG, Dieter Klein/laif // Seite 42/43: <strong>Linde</strong> AG (2), Getty Images (2) //<br />
Seite 44: <strong>Linde</strong> AG // Seite 46/47/48/49: <strong>Linde</strong> AG, Christian Eisenberg // Seite 50: Frank Siemers/<br />
laif // Seite 52/53: <strong>Linde</strong> AG, dpa/picture-alliance, Engel & Gielen/Getty Images, Germanischer<br />
Lloyd // Seite 54: Tim Tadder/Corbis
editorial // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
03<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
noch immer haben wir die weitreichenden Auswirkungen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise nicht<br />
überwunden. Die Ereignisse haben einmal mehr gezeigt: Man muss bewährte Konzepte immer wieder in<br />
Frage stellen und an neue Anforderungen anpassen. Dies gilt auch für die Grundlagen unseres Wirtschaftssystems,<br />
das auf Wachstum ausgerichtet ist. Es muss uns gelingen, eine weltweite konjunkturelle Dynamik<br />
zu entfalten und gleichzeitig den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu begrenzen und die CO₂-Emissionen<br />
zu senken. Wir brauchen eine neue Art des Wachstums. Ein Wachstum, das auf Nachhaltigkeit gründet.<br />
Dieses Ziel lässt sich nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen. Um die Kräfte der Natur<br />
effizient nutzen zu können, sind innovative Technologien gefragt. Beispiel Windkraft: Die hierdurch erzeugten<br />
Energiemengen können beträchtlich sein. Da sie jedoch häufig stark schwanken, benötigen wir geeignete<br />
Speichermedien – wie zum Beispiel Wasserstoff: Mithilfe dieses gasförmigen Zwischenspeichers<br />
lassen sich die Energienetze stabilisieren, und der Windstrom lässt sich sogar auf die Straße bringen.<br />
Ein weiteres wichtiges Zukunftsfeld ist für uns auch die Geothermie: Im bayerischen Kirchweidach<br />
realisieren wir derzeit ein Kraftwerk, um die Erdwärme bestmöglich zu erschließen. Und auch Solarmodule<br />
werden mit <strong>Linde</strong>-Technologie effizienter – dank einer neuen Anti-Reflex-Beschichtung.<br />
In diesem Heft widmen wir uns neben dem Titelthema „Kraftwerk Natur“ noch einem weiteren globalen<br />
Megatrend: dem Gesundheitsmarkt. Die Bedeutung dieses Bereichs steigt insbesondere vor dem Hintergrund<br />
der demographischen Entwicklung stetig. <strong>Linde</strong> ist mit strategischen Akquisitionen zum weltweit<br />
führenden Healthcare-Anbieter der Gaseindustrie aufgestiegen. In unserem Themenspezial zeigen wir<br />
Ihnen, wo und mit welchen Produkten und Dienstleistungen wir in diesem Geschäftszweig vertreten<br />
sind: von Kliniken über Reha-Zentren bis in den Homecare-Bereich.<br />
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.<br />
Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni<br />
Mitglied des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // inhalt<br />
04<br />
_18<br />
_12<br />
Display-Technologie: Spezialgase für leistungsfähige Elektronik<br />
_50<br />
Schiffstreibstoff: LNG-Terminal für Hamburger Hafen<br />
_46<br />
Windstrom: Wasserstoff als effizienter Energiespeicher<br />
Gesundheit: Die Medizingase-Welt auf einen Blick
inhalt // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
05<br />
03 editorial<br />
06 Die Kunststoff-Schmiede<br />
08 news<br />
<strong>Linde</strong> baut größten Ethancracker-Komplex für Borouge<br />
12 Hinter den Pixeln<br />
Die Elektronikbranche baut auf hochreine Spezialgase<br />
Titelthema<br />
16 Kraftwerk Natur<br />
Innovative Anlagen- und Gasetechnologien von <strong>Linde</strong> helfen dabei, regenerative Quellen besser zu nutzen<br />
und die Energiezukunft nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.<br />
18 Wasserstoff aus Wind<br />
Power-to-Gas: Regenerative Energien<br />
flexibel und effizient speichern<br />
22 Heisse Energiequellen<br />
Geothermie: Die Urwärme der Erde<br />
bestmöglich erschließen<br />
28 Effizientere Sonnenfänger<br />
Anti-Reflex-Glas: Hochtransparente<br />
Beschichtungen für höhere Stromausbeute<br />
32 Essay: „Wege zu einer<br />
Nachhaltigen Energiezukunft“<br />
Harald Dimpflmaier, Chief Engineer,<br />
Swiss Reinsurance Company Ltd.<br />
34 Eiskalt unterwegs<br />
Flüssigstickstoff für sichere Lebensmitteltransporte<br />
38 Plastik unter Druck<br />
Stickstoff senkt Kosten in der Autoteile-Fertigung<br />
40 Sauerstoff-Turbo für Schmelzöfen<br />
Energieeffizienz in der Gießereitechnik steigern<br />
42 An der Seite des Patienten<br />
Umfassende Lösungen für den Gesundheitsbereich<br />
44 Interview: „es geht um ganzheitliche Gesundheitsversorgung“<br />
Dr. Christian Wojczewski, Leiter <strong>Linde</strong> Healthcare<br />
46 Die Medizingase-Welt<br />
<strong>Linde</strong> Healthcare: Partner für Ärzte, Patienten und Pflegekräfte<br />
50 sauber auf See<br />
LNG-Terminals: Maritime Infrastruktur für flüssiges Erdgas<br />
54 Die Gipfelschwimmer<br />
Hypoxie-Kanal für Profisportler
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Ethylenproduktion<br />
06<br />
<strong>Linde</strong> baut größten Ethancracker-Komplex für Borouge<br />
Bildquelle: <strong>Linde</strong> AG<br />
↳<br />
Die Kunststoff-<br />
Schmiede
Ethylenproduktion // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
07<br />
Polyethylen – kurz PE – ist ein Multitalent: Der Massenkunststoff eignet sich unter anderem für Flaschen,<br />
Folien, Rohre und Autobauteile. Der PE-Rohstoff Ethylen ist deshalb die am meisten produzierte Petrochemikalie.<br />
Ein führender Anbieter innovativer, hochwertiger PE-Kunststoffe ist das Unternehmen<br />
Borouge, ein Joint Venture der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und Borealis. Borouge betreibt<br />
am Standort Ruwais, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, mehrere Ethylen-Produktionsanlagen<br />
– gebaut von <strong>Linde</strong>. Bereits 2010 hat Borouge seine Jahresleistung dank eines zweiten<br />
Ethancrackers (im Bild) mit einer Kapazität von 1,5 Millionen Tonnen Ethylen verdreifacht. „Wir bei<br />
<strong>Linde</strong> <strong>Engineering</strong> sind stolz, der Ethylen-Technologiegeber für den Ruwais-Komplex zu sein“, sagt<br />
Prof. Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG. Und Borouge ist weiter auf Wachstumskurs<br />
– wieder mit <strong>Linde</strong>-Unterstützung: Der Anlagen- und Gasespezialist baut derzeit den dritten<br />
Ethancracker in Ruwais, der Ende 2013 in Betrieb gehen soll. Mit einer Jahreskapazität von 3,89 Millionen<br />
Jahrestonnen entsteht damit der weltweit größte ethanbasierte Polymerkomplex.<br />
Link:<br />
www.borouge.com
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // News<br />
08<br />
news<br />
Asien:<br />
Luftzerleger in Vietnam und Indien<br />
Die Stahlindustrie in Asien boomt – und damit auch die Nachfrage<br />
nach Luftzerlegern. In Vietnam wird die <strong>Linde</strong> AG das dort ansässige<br />
Stahlunternehmen POSCO SS-Vina künftig mit den notwendigen Industriegasen<br />
versorgen. Im Industriepark Phu My in Ba Ria, Vung Tau<br />
Provinz, wird <strong>Linde</strong> die größte Luftzerlegungsanlage des Landes<br />
errichten und dafür insgesamt rund 40 Millionen Euro investieren.<br />
„Wir freuen uns darüber, erneut bei einem On-site-Projekt mit unserem<br />
Kunden POSCO zusammenzuarbeiten.<br />
Dabei handelt es sich um<br />
die größte Einzelinvestition, die<br />
<strong>Linde</strong> in Vietnam bisher getätigt<br />
hat“, sagte Sanjiv Lamba, Mitglied<br />
des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG<br />
und verantwortlich für das Asien/<br />
Pazifik-Geschäft des Unternehmens.<br />
Damit stärkt der Konzern<br />
seine Position in der schnell<br />
wachsenden Region Südostasien.<br />
Die neue, hochmoderne Luftzerlegungsanlage<br />
wird über eine<br />
Produktionskapazität von 35.000<br />
Normkubikmeter Luftgase pro<br />
Stunde verfügen. Die Inbetriebnahme<br />
ist für 2014 vorgesehen.<br />
Des Weiteren wird <strong>Linde</strong> für<br />
Tata Steel Limited, eines der weltweit<br />
größten Stahlunternehmen,<br />
zwei große Luftzerlegungsanlagen<br />
in Indien errichten – eine<br />
Investition von rund 80 Millionen<br />
Euro. Der Bau der beiden<br />
Anlagen ist Teil eines Vertrags<br />
zur langfristigen On-site-Gaseversorgung<br />
für ein neues Stahlwerk<br />
von Tata Steel, das derzeit<br />
im Industriekomplex Kalinganagar<br />
im indischen Odisha<br />
entsteht. Jede der beiden Luftzerleger<br />
besitzt eine Produktionskapazität<br />
von 1.200 Tonnen<br />
Luftgase pro Tag. Nach der Inbetriebnahme,<br />
die für das Jahr<br />
2014 geplant ist, soll das derzeit im Bau befindliche Stahlwerk<br />
von Tata Steel mit gasförmigem Sauerstoff, Stickstoff und Argon versorgt<br />
werden. Zudem erzeugen die Luftzerleger Flüssiggase für den<br />
regionalen Markt. Darüber hinaus plant <strong>Linde</strong>, ein ausgedehntes<br />
Rohrleitungsnetz im Industriekomplex Kalinganagar einzurichten,<br />
um dort künftig auch weitere Stahlproduzenten mit Industriegasen<br />
versorgen zu können.
News // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
09<br />
Flüssigerdgas:<br />
Weitere LNG-Projekte<br />
verflüssigungsanlage für Malaysia<br />
Das Unternehmen Malaysia LNG Sdn. Bhd., eine Tochtergesellschaft<br />
des Öl- und Gaskonzerns PETRONAS, hat <strong>Linde</strong> mit dem Bau einer<br />
mittelgroßen Erdgasverflüssigungsanlage beauftragt. Die neue<br />
Anlage zur Rückverflüssigung von so genanntem Boil-off-Gas verfügt<br />
über eine Kapazität von 1.840 Tonnen Flüssigerdgas, kurz LNG<br />
für Liquefied Natural Gas, pro Tag. „Dieses Projekt ist das neueste in<br />
einer Reihe von mittelgroßen, technisch besonders anspruchsvollen<br />
LNG-Vorhaben, die wir in letzter Zeit für uns entscheiden konnten“,<br />
sagte Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands<br />
der <strong>Linde</strong> AG. Die neue Anlage entsteht im Bintulu-LNG-Komplex im<br />
Bundesstaat Sarawak im Osten Malaysias und soll Ende 2014 ihren<br />
Betrieb aufnehmen.<br />
LNG-Terminal in Schweden<br />
Für das norwegische Unternehmen Skangass AS wird <strong>Linde</strong> ein mittelgroßes<br />
LNG-Import-Terminal bauen. Die Anlage soll in Lysekil an<br />
der schwedischen Westküste entstehen. Neben den <strong>Engineering</strong>-,<br />
Beschaffungs-, Bau- und Inbetriebnahmeleistungen im Wert von rund<br />
44 Millionen Euro übernimmt <strong>Linde</strong> auch das Schnittstellen-Management<br />
mit dem Tankhersteller. Das neue LNG-Terminal soll im Frühjahr<br />
2014 in Betrieb gehen und die nahe gelegene Preem-Raffinerie,<br />
aber auch die Industrie und den Transportsektor mit Erdgas beliefern.<br />
Das neue Terminal besitzt eine Speicherkapazität von 30.000 Kubikmeter<br />
LNG und wird zusätzlich mit einer Lkw-Tankstelle ausgerüstet.<br />
Das Flüssigerdgas stammt aus der LNG-Anlage bei Stavanger.<br />
Russland:<br />
Auftrag für neue Ethylen-anlage<br />
Für das größte russische Petrochemie-Unternehmen SIBUR LLC hat<br />
<strong>Linde</strong> einen <strong>Engineering</strong>-Auftrag erhalten, um eine der weltweit<br />
größten Ethylen-Anlagen zu bauen. Die neue Anlage wird aus den<br />
Rohstoffen Ethan, Propan und n-Butan etwa 1,5 Millionen Jahrestonnen<br />
Ethylen, 500.000 Jahrestonnen Propylen und 100.000 Jahrestonnen<br />
Butadien herstellen. Diese Produkte sind wichtige<br />
Grundstoffe für die Kunststoff-Erzeugung.<br />
Die neue Ethylen-Anlage soll im geplanten Petrochemie-Komplex<br />
„ZapSibNeftekhim“ des Petrochemie-Unternehmens ZapsibNeftekhim,<br />
einer Tochtergesellschaft von SIBUR, im westsibirischen<br />
Tobolsk entstehen. <strong>Linde</strong> errichtet derzeit für SIBUR an diesem<br />
Standort bereits eine Polypropylen-Anlage mit einer Jahreskapazität<br />
von 500.000 Tonnen, die voraussichtlich 2013 in<br />
Betrieb gehen wird. Dieses Projekt zählt derzeit zu den Schlüsselinvestitionen<br />
in der petrochemischen Industrie Russlands.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // News<br />
10<br />
CO₂-Management:<br />
Klimahelfer im Gewächshaus<br />
Die <strong>Linde</strong> AG hat die verbleibenden Anteile im OCAP Joint Venture (Organisches<br />
CO 2 für die Assimilation in Pflanzen) von Volker Wessels Stevin Deelnemingen<br />
übernommen. OCAP liefert Kohlendioxid an Gewächshäuser im Raum Rotterdam<br />
und Amsterdam. Dort unterstützt die mit CO 2 angereicherte Atmosphäre das<br />
Wachstum der Pflanzen. Das Kohlendioxid stammt aus der größten europäischen<br />
Shell-Raffinerie und einer Abengoa-Bioethanol-Anlage im Industriehafen von<br />
Rotterdam. Eine 100 Kilometer lange Transportleitung liefert etwa 400.000 Tonnen<br />
des Gases an mehr als 580 umliegende Treibhäuser. Ein kleiner Teil geht in<br />
die Lebensmittelindustrie, um Produkte frisch zu halten. Durch die Weiterverwertung<br />
des Gases vermeidet OCAP die Verbrennung von 115 Millionen Kubikmeter<br />
Erdgas pro Jahr. Das entspricht in etwa dem Ausstoß einer westeuropäischen<br />
Stadt mit 150.000 Einwohnern. Mit der Übernahme stärkt <strong>Linde</strong> seine Position als<br />
einer der führenden Anbieter von sauberen Technologien.<br />
Saubere Mobilität:<br />
Wasserstoff-Betankungstechnik auf der Hannover Messe<br />
Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Energieträgern wächst.<br />
Besonders gefragt ist der emissionsfreie Kraftstoff Wasserstoff<br />
(H 2 ). Auf der Hannover Messe im April 2013 stellte <strong>Linde</strong> den<br />
neuesten Stand der Wasserstoff-Betankungstechnik vor: Die von<br />
der Clean Energy Partnership (CEP) auf der Messe eingesetzten<br />
Brennstoffzellen-Fahrzeuge wurden mithilfe einer mobilen, von<br />
<strong>Linde</strong> entwickelten Betankungseinheit mit grünem Wasserstoff<br />
versorgt. Dieser wird in Leuna aus Rohglycerin gewonnen. Auch<br />
bei den stationären Betankungslösungen wurden Fortschritte<br />
erzielt: In den letzten zwei Jahren entwickelte und baute <strong>Linde</strong><br />
drei H 2 -Tankstellen, die den Wasserstoff direkt vor Ort per Elektrolyse<br />
erzeugen. Elektrizität aus erneuerbaren Energien kann damit<br />
emissionsfrei in Wasserstoff umgewandelt werden. Mit der Powerto-Gas-Technologie<br />
lässt sich Wasserstoff als effizientes Speichermedium<br />
für regenerative Energiequellen nutzen.<br />
China:<br />
Sauerstoff für Kohleverflüssigung<br />
Kohle gewinnt als Energieträger an Bedeutung. Um den Rohstoff<br />
vielfältiger nutzen zu können, werden vermehrt Anlagen zur Kohleverflüssigung<br />
gebaut – auch Coal-to-Liquid genannt, kurz CTL. Das<br />
Verfahren benötigt unter anderem auch Sauerstoff, den <strong>Linde</strong> mit<br />
seinen Luftzerlegern liefert. Der Anlagen- und Gasespezialist wird<br />
sechs große Luftzerlegungsanlagen für Shenhua Ningxia Coal Industry<br />
Group Co. Ltd. und Shenhua Logistics Group Co. Ltd. in Yinchuan<br />
im Nordwesten Chinas errichten. Jede der sechs Anlagen produziert<br />
stündlich rund 100.000 Normkubikmeter gasförmigen Sauerstoff.<br />
Dieser wird im CTL-Komplex am Shenhua-Standort Ningdong Energy<br />
Chemical Base eingesetzt. Dort sollen vier Millionen Tonnen CTL-Produkte<br />
– vorwiegend flüssiger Kraftstoff aus Kohle – pro Jahr erzeugt<br />
werden. Damit handelt es sich um eines der derzeit größten Coal-to-<br />
Liquid-Vorhaben weltweit. <strong>Linde</strong> ist für das <strong>Engineering</strong>, die Lieferung<br />
der Maschinen und Ausrüstungen, die Montage- und Inbetriebnahmeüberwachung,<br />
die schlüsselfertige Erstellung der Cold-Boxen<br />
sowie die Schulung des Kundenpersonals verantwortlich. Die Inbetriebnahme<br />
der Luftzerleger ist im Jahr 2015 geplant.
News // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
11<br />
Deutschland:<br />
<strong>Linde</strong> unterstützt DLR-Gasturbinen-Prüfstand<br />
Die Mobilität der Zukunft muss sauberer werden. Auch Flugzeuge<br />
sollen effizienter und umweltfreundlicher fliegen. Zwar hat sich die<br />
Leistung der Triebwerke in den letzten Jahrzehnten bereits deutlich<br />
verbessert, während sich Schadstoffemissionen und Fluglärm verringerten.<br />
Doch die Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und<br />
Raumfahrt (DLR) in Köln sehen noch mehr Optimierungspotenzial.<br />
Deshalb baut das DLR seine Flugantriebs- und Kraftwerksforschung<br />
weiter aus – auch mit Unterstützung von <strong>Linde</strong>. Im April 2013 wurden<br />
zwei neue Anlagen eingeweiht: Ein von <strong>Linde</strong> entwickeltes System<br />
zur Wasserstoffversorgung sowie ein moderner Hochdruckverdichter<br />
sollen die Erforschung neuer, sparsamer und leistungsstarker Gasturbinen<br />
für die Luftfahrt und Energietechnik fördern.<br />
In den Brennkammerprüfständen forscht das DLR nach einer<br />
möglichst effizienten, flexiblen und schadstoffarmen Verbrennung<br />
von fossilen und alternativen Treibstoffen. Vor allem der Einsatz<br />
von Wasserstoff (H 2 ) verspricht große Fortschritte für eine umweltfreundliche<br />
Turbinentechnik: Das<br />
leichte Gas ist nicht nur kompatibel<br />
mit den leistungsstarken Verbrennungsmaschinen,<br />
sondern<br />
es besitzt auch eine hohe Energieeffizienz<br />
und verbrennt CO 2 -<br />
frei. „Das Projekt zeigt, dass Wasserstoff<br />
dank seiner positiven<br />
Eigenschaften für viele innovative<br />
Anwendungen geeignet ist“,<br />
sagt Dr. Andreas Opfermann, Leiter<br />
Clean Energy und Innovationsmanagement<br />
bei <strong>Linde</strong>. Die<br />
von <strong>Linde</strong> entwickelte H 2 -Versorgung<br />
umfasst unter anderem<br />
einen kryogenen Speichertank<br />
und ein höchst effizientes Kryopumpensystem,<br />
mit dem das bei<br />
minus 253 Grad Celsius flüssig<br />
gelagerte Gas in Hochdruckwasserstoff<br />
umgewandelt wird. Nach<br />
weniger als einem Jahr Bauzeit<br />
steht die H 2 -Versorgung jetzt den<br />
DLR-Ingenieuren und Partnern<br />
aus der Industrie zur Verfügung.<br />
Energieversorgung:<br />
Neues Erdgasterminal an der Nordseeküste<br />
Norwegen ist einer der wichtigsten Energielieferanten Deutschlands.<br />
Um die Belieferung mit Erdgas in Deutschland sicherzustellen,<br />
wird ein neues Erdgasterminal in Emden errichtet. <strong>Linde</strong> hat<br />
von dem norwegischen Unternehmen Gassco AS den Auftrag zum<br />
Bau erhalten. Das neue Terminal soll das seit mehr als 30 Jahren<br />
bestehende Norsea Gas Terminal ersetzen, das ebenfalls von<br />
Gassco betrieben wird. Das Auftragsvolumen beträgt rund 260<br />
Millionen Euro. <strong>Linde</strong> ist für das <strong>Engineering</strong>, die Beschaffung und<br />
den Bau des Erdgasterminals verantwortlich. „Mit unserer langjährigen<br />
Erfahrung auf dem Gebiet der Erdgasverarbeitung leisten<br />
wir damit einen weiteren Beitrag zur Nutzung dieses umweltfreundlichen<br />
fossilen Energieträgers“, sagte Professor Dr.-Ing. Aldo<br />
Belloni, Mitglied des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG. Die Anlage wird weitestgehend<br />
in Modulen vorgefertigt und dann am endgültigen<br />
Standort in Emden komplettiert. Die Inbetriebnahme des neuen<br />
Erdgasterminals ist für Ende 2015 vorgesehen.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Multimedia<br />
12<br />
Die Elektronikbranche baut auf hochreine Spezialgase<br />
Hinter den Pixeln<br />
Der Trend zu hochauflösenden Displays ist ungebrochen. Doch die Produktion<br />
der Hightech-Bildschirme stellt immer höhere technische Anforderungen.<br />
<strong>Linde</strong> versorgt die Hersteller mit einem breiten Spektrum hochreiner Elektronikgase<br />
und entwickelt umweltfreundliche Lösungen für die Multimedia-Branche.<br />
Autorin: Ute Kehse<br />
Bildquelle: Steger/SPL/Agentur Focus<br />
↲ ↳<br />
Im Pixel-Land herrscht Platznot. Immer mehr der winzigen Bildpunkte<br />
drängeln sich auf die modernen Displays der Fernsehgeräte: James-<br />
Bond-Actionszenen rauschen als gestochen scharfe Bildsequenzen<br />
über die schlanken Scheiben, die mit immer größeren Bildschirmdiagonalen<br />
begeistern. Und um die Hobbit-Trilogie, Olympiaspektakel<br />
oder Naturdokus noch plastischer auf die Screens zu zaubern,<br />
steht schon das nächste Multimedia-Highlight<br />
in den Startlöchern: dreidimensionales Fernsehen<br />
in höchster Auflösung – oder kurz UHD-3D.<br />
Die Abkürzung UHD steht für Ultra High Definition.<br />
Die Auflösung dieser Flachbildschirme ist<br />
viermal so hoch wie bei so genannten Full HD-<br />
Displays. Das bedeutet: Das Bild setzt sich aus<br />
mehr als acht Millionen Pixeln zusammen. Und<br />
mindestens 480-mal pro Sekunde erscheint ein neues Bild. Das ist<br />
viermal so oft wie beim normalen Fernsehen – aber nur so lässt sich<br />
der 3D-Effekt erzielen.<br />
Bei den Hochleistungs-Screens der nächsten Generation stößt<br />
die heutige Technik allerdings an ihre Grenzen: Jedes einzelne Pixel<br />
benötigt zur elektronischen Ansteuerung einen winzigen Transistor.<br />
Das bedeutet: Acht Millionen dieser Schaltelemente finden sich auf<br />
der Rückwand eines UHD-3D-Displays. „Um die gewünschte höhere<br />
Scharfe Screens:<br />
Spielwiese für<br />
Mehr als acht<br />
millionen Pixel.<br />
Auflösung zu erreichen, müssten die Transistoren verkleinert werden“,<br />
erklärt Andreas Weisheit, Leiter Marktentwicklung Flachbildschirme<br />
& Solar bei <strong>Linde</strong> in Schanghai. Doch die heutigen Schaltelemente<br />
sind nicht leistungsfähig genug für die Herausforderungen der neuen<br />
Display-Entwicklungen. Der Grund: Die Dünnschicht-Transistoren<br />
(Thin Film Transistor, kurz TFT) derzeitiger Flachbildschirme bestehen<br />
meist aus amorphem Silizium: Die einzelnen<br />
Silizium-Atome bilden also keine regelmäßige<br />
Kristallstruktur. „Deshalb können sich die leitenden<br />
Elektronen nicht schnell genug bewegen<br />
– und das verhindert die benötigte schnelle<br />
Bildrate“, so Weisheit.<br />
Die derzeit favorisierte Alternative: Dünnschicht-Transistoren<br />
aus polykristallinem Silizium.<br />
Dank der geordneten atomaren Struktur leitet das Material die Elektronen<br />
deutlich besser. Allerdings ist auch der Herstellungsprozess<br />
teurer, denn das amorphe Silizium muss dazu mit einem Laser in die<br />
kristalline Form umgewandelt werden. „Bei kleinen Displays, zum<br />
Beispiel in einem Smartphone, ist der höhere Preis noch vertretbar<br />
– bei großen Fernsehbildschirmen allerdings nicht“, sagt Weisheit.<br />
Hersteller wie Sharp oder LG steigen daher auf ein neues Transistor-<br />
Material um: Metalloxide. Die halbleitenden Verbindungen bestehen
Multimedia // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
13<br />
Leuchtende Moleküle: Organische<br />
Leuchtdioden – kurz OLEDs –<br />
versprechen brillantere, flachere<br />
und flexible Bildschirme.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Multimedia<br />
14<br />
aus Oxiden der Metalle Indium, Gallium und Zink. Die Kosten bewegen<br />
sich im Rahmen der herkömmlichen Silizium-Transistoren – aber<br />
die Leistung des Materials ist deutlich besser.<br />
Allerdings zieht der Materialwechsel weitere Veränderungen<br />
nach sich. „Die Herausforderung bei der Flachbildschirm-Produktion<br />
ist neben der geringen Größe der Transistoren<br />
Lachgas für<br />
die nächste<br />
Transistoren-<br />
Generation.<br />
auch die große Fläche“, sagt Weisheit. Die Schaltelemente<br />
selbst sind etwa einen Zehntel Millimeter<br />
groß. Die Kunst besteht darin, Millionen von<br />
qualitativ hochwertigen Dünnschicht-Transistoren<br />
gleichmäßig auf Glasplatten mit einer Fläche von<br />
mehr als fünf Quadratmetern aufzubringen.<br />
Bei solchen Prozessen spielen verschiedene<br />
hochreine Gase an ganz unterschiedlichen Stellen eine wichtige<br />
Rolle – beispielsweise Argon: Mit diesem Edelgas beschießt man<br />
die Materialien, aus denen die verschiedenen Komponenten eines<br />
Transistors bestehen – und verdampft sie. Anschließend werden<br />
die Substanzen auf der Rückseite der Glasplatte wieder abgeschieden.<br />
So bilden sich unter anderem die metallischen und halbleitenden<br />
Schichten, Isolatorfilme und Schutzschichten. Anschließend<br />
ätzt man das Material teilweise wieder weg, um zum Beispiel Leiterbahnen<br />
gezielt auf der Glasplatte herauszuarbeiten. Für diese Schritte<br />
benötigen die Hersteller wieder andere Gase. „Insgesamt werden bis zu<br />
zehn unterschiedliche Gase verwendet“, erklärt<br />
Weisheit. „Phosphin benötigt man beispielsweise<br />
zum Dotieren des Halbleiters – oder Stickstoff, um<br />
die Abgase zu verdünnen. Helium dient zur Kühlung<br />
der Glasplatte und fluorhaltige Gase zum Ätzen“,<br />
so der <strong>Linde</strong>-Experte. So wächst nach und nach<br />
der Transistor in seiner endgültigen Form heran:<br />
ein hochpräzises, elektronisches Bauelement aus<br />
sechs bis sieben hauchdünnen und speziell geformten Schichten.<br />
Die neuen, leistungsfähigeren Metalloxid-Transistoren erhalten<br />
eine Isolatorschicht aus Siliziumdioxid zum Schutz vor Feuchtigkeit.<br />
Um diese Verbindung herzustellen, benötigt man Distickstoffmonoxid<br />
(N₂O), auch Lachgas genannt. „Ohne eine sichere Versorgung<br />
Bann für Klimagase<br />
Es ist das stärkste Treibhausgas überhaupt: Schwefelhexafluorid<br />
(SF 6 ). Die langlebige Verbindung übertrifft<br />
die Wirkung von Kohlendioxid um den Faktor 23.900.<br />
Bei der Bildschirmherstellung kommt SF 6 seit Langem<br />
als Ätzgas zum Einsatz. Und dabei können kleine Mengen<br />
in die Umwelt entweichen. „Der Druck auf die Hersteller,<br />
die Substanz zu ersetzen, ist enorm“, sagt Andreas<br />
Weisheit, Leiter Marktentwicklung Flachbildschirme &<br />
Solar bei <strong>Linde</strong> in Schanghai. Auch in Asien werden<br />
Umweltfragen immer wichtiger. <strong>Linde</strong> hat zusammen<br />
mit einem koreanischen Anlagenbauer nach einem<br />
klimafreundlichen Ersatz gesucht – mit Erfolg: Reines<br />
Fluor-Gas (F₂) ist für das Ätzen von Transistor-Schichten<br />
sogar noch besser geeignet. Es löst das überschüssige<br />
Material schneller und gleichmäßiger, die Behandlung<br />
der entstehenden Abgase ist einfacher und der<br />
Stromverbrauch in der Produktion sinkt. Der Verband<br />
der koreanischen Display-Hersteller hat das <strong>Linde</strong>-<br />
Verfahren kürzlich offiziell anerkannt. <strong>Linde</strong> stellt kleine<br />
Anlagen – so genannte On-site-Generatoren – her, die<br />
F₂ vor Ort erzeugen. Einige Elektronikhersteller haben<br />
bereits Erfahrung mit diesen kleinen Fluor-Fabriken:<br />
Bereits 2003 entwickelte <strong>Linde</strong> ein Verfahren, um das<br />
Treibhausgas Stickstofftrifluorid (NF₃) ebenfalls<br />
durch F₂ zu ersetzen. Die Verbindung wird zur Reinigung<br />
der Reaktorkammern eingesetzt, in denen die Bildschirme<br />
bedampft werden.<br />
Verdampfen, abscheiden,<br />
wegätzen:<br />
Bis zu zehn verschiedene<br />
hochreine<br />
Gase werden gezielt<br />
eingesetzt (rechts), um<br />
feine Leiterbahnen auf<br />
die Transistoren zu<br />
bringen. Nur so lassen<br />
sich brillante Farben<br />
auf die flachen Bildschirme<br />
zaubern (unten).
Multimedia // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
15<br />
mit hochreinem Lachgas wäre die Umstellung von Silizium- auf<br />
Metalloxid-Transistoren nicht möglich“, betont Weisheit. <strong>Linde</strong> und<br />
<strong>Linde</strong> LienHwa, ein Joint Venture mit der LienHwa MiTAC Group aus<br />
Taiwan, betreiben bereits sechs Lachgas-Anlagen mit einer Kapazität<br />
von 3.000 Tonnen pro Jahr in Asien. Künftig soll die produzierte<br />
Jahresmenge auf 10.000 Tonnen Lachgas steigen. Dazu wird derzeit<br />
eine bestehende Anlage in Taiwan erweitert und in Südkorea<br />
eine weitere Produktionsstätte neu gebaut. Zudem erwarb <strong>Linde</strong><br />
LienHwa eine Anlage in der chinesischen Provinz Jiangsu. Denn der<br />
Bedarf ist groß: „Derzeit sind neun Metalloxid-Projekte in der Entwicklung.<br />
Neue Fabriken werden gebaut oder bestehende nachgerüstet“,<br />
berichtet Bruce Berkhoff, Vorsitzender der Handelsorganisation<br />
LCD TV Association. „Mit dem Ausbau der Kapazitäten etabliert <strong>Linde</strong><br />
in Asien seine Position als führender Anbieter von Elektronikgasen“,<br />
sagt Weisheit. „Wir investieren kontinuierlich und unterstützen so<br />
Innovationen auf diesem Zukunftsmarkt“, so der Ingenieur.<br />
Leistungsfähige Transistoren für OLED-Displays<br />
Die Verdreifachung der Lachgas-Produktion hält der <strong>Linde</strong>-Experte<br />
deswegen für unverzichtbar: „Eine einzige Display-Fabrik braucht<br />
bis zu tausend Tonnen dieses Gases pro Jahr“, so Weisheit. Metalloxid-Transistoren<br />
werden aber nicht nur für Flachbildschirme wichtig.<br />
Auch für Smartphones sind die leistungsfähigeren Schaltelemente<br />
eine interessante Option, weil sie den Stromhunger der Geräte verringern<br />
könnten. Denn vor allem das Display ist verantwortlich,<br />
wenn der Akku schon nach weniger als einem Tag schlapp macht.<br />
Die Leuchtdioden, die noch hinter den Transistoren verbaut sind und<br />
den Bildschirm von hinten anstrahlen, verbrauchen den Löwenanteil<br />
des Stroms. Da kleinere Transistoren mehr Licht durchlassen, könnte<br />
man durch die Metalloxid-Variante eine Menge Strom sparen. Und<br />
auch Bildschirme mit organischen Leuchtdioden – abgekürzt OLEDs –<br />
könnten von den leistungsfähigen Bauteilen profitieren. OLEDs versprechen<br />
noch brillantere Bilder und noch schmalere Bildschirme.<br />
Doch die OLED-Displays schafften es bislang nicht auf den breiten<br />
Markt (siehe Interview). Eine Hürde sind leistungsfähige Transistoren,<br />
denn die OLEDs benötigen eine hohe Stromstärke, um die<br />
organischen Substanzen zum Leuchten zu bringen. Metalloxid-Transistoren<br />
könnten diese Herausforderung meistern.<br />
Die Aussichten für Display-Hersteller sind insgesamt gut, wie<br />
eine Marktanalyse von <strong>Linde</strong> zeigt. Zwar stieg die Zahl verkaufter<br />
Flachbildschirme im Jahr 2012 wenig an. „Der Trend geht aber zu<br />
immer größeren Displays, sowohl bei Smartphones als auch bei Fernsehern“,<br />
sagt Weisheit. Daher rechnen Analysten für 2013 mit einem<br />
Umsatzwachstum der Branche um fünf Prozent. Auch für <strong>Linde</strong> sind<br />
die Aussichten erfreulich. Denn Spezialgase spielen bei der Entwicklung<br />
von neuen Elektronikgeräten eine wichtige Rolle. Weisheit: „Je<br />
größer die Display-Flächen, desto mehr Gase werden gebraucht“.<br />
↳<br />
↳<br />
↳<br />
↳<br />
Kurzinterview<br />
„Biegsame Bildschirme dank<br />
organischer FIlme“<br />
<strong>Linde</strong> Technology sprach mit<br />
Prof. Jianhua Zhang, Direktorin des<br />
Key Lab of Advanced Display<br />
and System an der Shanghai University,<br />
über die Display-Technologien<br />
der Zukunft. Das Institut ist<br />
Kooperationspartner von <strong>Linde</strong><br />
bei der Forschung an OLEDs, also<br />
organischen Leuchtdioden.<br />
Was sind die Vorteile von OLED-Displays?<br />
Organische Leuchtdioden bestehen aus einem dünnen organischen<br />
Film zwischen zwei Leitern. Wenn ein elektrischer<br />
Strom fließt, emittieren sie Licht. Es ist also keine Lichtquelle<br />
mehr hinter dem Bildschirm wie bei LCDs, also Flüssigkristall-Displays.<br />
OLED-Bildschirme sind dünner und effizienter.<br />
Zudem erzeugen sie brillante Farben und reagieren<br />
sehr schnell. In Zukunft könnten OLED-Displays auch biegsam<br />
und durchsichtig sein.<br />
Warum haben sie bislang den Durchbruch noch<br />
nicht geschafft?<br />
Einer der wichtigsten Gründe sind die hohen Kosten. OLEDs<br />
haben aber das Potenzial, günstiger zu werden als LCDs,<br />
weil ihre Struktur einfacher ist. Große Investitionen in die<br />
Massenproduktion könnten ein weiteres Hindernis sein.<br />
Inzwischen sind aber bereits einige OLED-Produkte auf dem<br />
Markt, zum Beispiel in der Samsung Galaxy-Reihe.<br />
Woran forschen die Shanghai University und <strong>Linde</strong>?<br />
Bei unserer Kooperation konzentrieren wir uns auf eine<br />
neue Technologie zur Einkapselung der dünnen Filme.<br />
Denn der organische Film ist extrem empfindlich gegenüber<br />
Sauerstoff und Feuchtigkeit. Das kann die Lebensdauer<br />
drastisch verkürzen. Die Einkapselung der OLEDs ist daher<br />
ein entscheidender Schritt bei der Produktion, insbesondere<br />
bei flexiblen Displays.<br />
Wie lange wird es dauern, bis OLED-Displays konventionelle<br />
Flachbildschirme vom Markt verdrängen?<br />
LINK:<br />
www.oled-info.com<br />
Das ist schwer zu sagen. Beide Technologien entwickeln<br />
sich weiter. Ich bin aber zuversichtlich, dass OLED-<br />
Bildschirme in fünf oder zehn Jahren eine wichtige Rolle<br />
spielen werden.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Titelthema<br />
16<br />
Innovative Technologien für mehr Nachhaltigkeit<br />
Kraftwerk<br />
Natur
TITELTHEMA // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
17<br />
Der Energiehunger wächst weltweit. Aber der Klimawandel und knappere fossile Ressourcen<br />
zwingen uns dazu, umzudenken und vermehrt erneuerbare Quellen zu nutzen. Doch für<br />
einen nachhaltigen Energiemix und eine umweltfreundliche Mobilität sind innovative<br />
Technologien gefragt. Die Anlagen- und Gasespezialisten von <strong>Linde</strong> entwickeln effiziente<br />
Prozesse für eine grünere Zukunft und setzen an Schlüsselstellen wichtige Impulse.<br />
Windstrom<br />
Mit Wasserstoff große Energiemengen<br />
effizient speichern.<br />
Geothermie<br />
Die globalen Erdwärme-<br />
Ressourcen besser nutzen.<br />
Solarenergie<br />
Mit Anti-Reflex-Glas mehr<br />
Sonnenstrom gewinnen.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Energiespeicher<br />
18<br />
Rotorblätter auf Windfang:<br />
Windparks können gigantische Energiemengen<br />
erzeugen. Um diese dem<br />
aktuellen Bedarf anzupassen, braucht es<br />
effiziente Speichertechnologien –<br />
wie Wasserstoff.
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Energiespeicher // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
19<br />
Power-to-Gas: Regenerative Energien flexibel und effizient speichern<br />
Bildquelle: Bernhard Edmaier/SPL/Agentur Focus<br />
Autor: Tim Schröder<br />
↲ ↳<br />
wasserstoff aus Wind<br />
Wind- und Sonnenstrom sollen helfen, die Energiezukunft zu sichern. Dazu benötigt man flexible<br />
Stromspeicher. Ein vielversprechender Ansatz ist Wasserstoff. Damit können die fluktuierenden<br />
Strommengen bis zur Nutzung gelagert werden: Das Gas lässt sich durch Elektrolyse von Wasser<br />
herstellen, effizient lagern und transportieren – und wieder in Strom umwandeln. Die Power-to-Gas-<br />
Technologie realisieren <strong>Linde</strong>-Ingenieure in einem Kooperationsprojekt mit Enertrag und Total.<br />
Sturmböen peitschen die Rotoren zu Höchstleistungen – eine reiche<br />
Ernte für das Stromnetz. Wenig später weht über den Windpark nur<br />
eine schwache Brise. Dann müssen Gas- oder Kohlekraftwerke einspringen,<br />
um den Strombedarf zu decken. Denn das Energienetz<br />
ist empfindlich: Um Strom sicher und zuverlässig bereitzustellen,<br />
müssen Energieerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander<br />
abgestimmt sein. Für die Netze ist der Umgang mit dem<br />
launenhaften Strom aus Wind und Sonne eine<br />
echte Herausforderung. Denn Angebot und<br />
Nachfrage klaffen zeitweilig weit auseinander:<br />
Nachts, wenn der Bedarf gering<br />
ist, gibt es kaum Abnehmer für den Ökostrom.<br />
Und tagsüber müssen die Netze<br />
sonnen- und windreiche Zeiten neben<br />
Flauten und Schattenphasen bewältigen.<br />
Die extremen Leistungsschwankungen,<br />
die innerhalb weniger Minuten<br />
entstehen und sich im Gigawatt-Bereich<br />
bewegen, muss das Stromnetz ausgleichen<br />
können. „Und dieser Effekt wächst mit dem<br />
steigenden Anteil von Wind- und Sonnenstrom“,<br />
erklärt Dr. Christoph Stiller, der im Bereich<br />
Clean Energy Technology bei <strong>Linde</strong> das Feld Energiespeicherung<br />
leitet. In den vergangenen Jahren mussten<br />
Windkraftanlagen regelmäßig gedrosselt werden, um die Netze<br />
vor Ort nicht zu überlasten – wertvolle Energie geht so verloren.<br />
Das Einspeisen des Ökostroms macht die Umgestaltung des<br />
Energiesystems zu einer Mammutaufgabe – mit vielen technologischen<br />
Herausforderungen.<br />
EnergieSpeicher<br />
In einem Kilogramm Wasserstoff<br />
steckt dreimal so viel Energie wie in<br />
einem Kilogramm Erdöl.<br />
„Neben dem Ausbau der Stromtrassen sind vor allem geeignete Speichertechnologien<br />
notwendig, die überschüssige Windenergie aufnehmen<br />
und auf Vorrat halten – über Stunden, Tage oder sogar Wochen – und<br />
dann wieder ins Netz einspeisen können“, sagt Stiller. Zwar sind aus<br />
heutiger Sicht Pumpspeicher eine effiziente Lösung, aber sie lassen<br />
sich nur in bestimmten geographischen Regionen errichten. In<br />
Deutschland zum Beispiel sind die Möglichkeiten nahezu erschöpft.<br />
Die installierte Gesamtspeicherkapazität<br />
beträgt hier derzeit rund 40 Gigawattstunden. Doch<br />
alleine könnten sie den erwarteten Bedarf an<br />
Stromspeichern bei Weitem nicht decken.<br />
Wollte man das Energiesystem zu 100 Prozent<br />
erneuerbar machen, wäre 2.000-mal<br />
so viel an Speicherkapazität notwendig,<br />
also 40 bis 80 Terawattstunden.<br />
Eine vielversprechende Lösung bietet<br />
der Power-to-Gas-Ansatz: Die Umwandlung<br />
von regenerativ erzeugtem Strom in<br />
Wasserstoff (H₂). „Das leichte Gas ist als<br />
Schwankungspuffer bestens geeignet – und<br />
lässt sich aus Wasser per Elektrolyse gewinnen“,<br />
so der <strong>Linde</strong>-Experte. Den dafür notwendigen<br />
Strom liefern regenerative Energiequellen wie zum Beispiel<br />
die Windkraft. Für den produzierten Wasserstoff öffnen<br />
sich dann viele Wege in das öffentliche Energienetz: So lässt sich H₂<br />
in Gaskraftwerken zurück in Strom verwandeln oder mit einem Anteil<br />
von derzeit bis zu fünf Prozent in das Erdgasnetz einspeisen. Eine<br />
weitere Option ist die so genannte Methanisierung. Stiller: „Dabei<br />
wird der Wasserstoff für die Produktion von synthetischem Erdgas
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Energiespeicher<br />
20<br />
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Vernetzte Wasserstoff-Welt<br />
Windparks produzieren große Mengen regenerative Energie: Diese kann je nach Bedarf direkt ins Stromnetz fließen, aber auch Elektroautos antreiben –<br />
oder zur Wasserstoffproduktion genutzt werden. Für den erzeugten H₂ öffnen sich viele Wege: Dieser kann Brennstoffzellenfahrzeuge antreiben, anteilig ins<br />
Erdgasnetz gespeist oder für die Methanisierung zu SNG (Synthetic Natural Gas) genutzt werden. Auch Blockheizkraftwerke können H₂ als Brennstoff nutzen.<br />
Synthetisches Erdgas (SNG)<br />
Methanisierung<br />
Wasserstoff<br />
H₂-Abfüllanlage<br />
Wärme<br />
Strom<br />
H₂-Speicher<br />
Blockheizkraftwerk<br />
Biogas<br />
Windpark<br />
Elektrolyse/<br />
H₂-Produktion<br />
Ionischer<br />
Kompressor<br />
Erdgasnetz<br />
Elektro-Tankstelle<br />
Komprimiertes<br />
Erdgas (CNG)<br />
H₂<br />
CNG<br />
Wasserstoff-Tankstelle<br />
Erdgas-Tankstelle<br />
eingesetzt, das dann unbegrenzt in das öffentliche Erdgasnetz strömen<br />
könnte.“ Das dafür benötigte Kohlendioxid lässt sich ebenfalls aus<br />
erneuerbaren Quellen wie Biogas- oder Kläranlagen gewinnen. Auch<br />
Brennstoffzellen können die im Wasserstoff gespeicherte Energie<br />
in Form von Wärme und Strom wieder verfügbar machen – und so<br />
Heizungen befeuern, Haushaltsgeräte versorgen oder auch Elektrofahrzeuge<br />
antreiben. H₂-Energiespeichersysteme könnten eine<br />
wichtige Brücke zwischen den erneuerbaren Energien und dem Straßenverkehr<br />
bilden. Brennstoffzellenautos – mit H₂ betankt – ließen<br />
sich dann mit erneuerbarem Überschussstrom betreiben.<br />
Wie die H₂-Welt künftig Mobilität und Energieversorgung verbinden<br />
kann, soll jetzt das Kooperationsprojekt „H₂-BER“ von <strong>Linde</strong><br />
und den beiden Energieunternehmen Enertrag und Total zeigen, das<br />
von <strong>Linde</strong> Gas Deutschland in Zusammenarbeit mit <strong>Linde</strong>s Clean-<br />
Energy-Team koordiniert wird. Das Projekt wird vom Nationalen Innovationsprogramm<br />
Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP)<br />
gefördert. Derzeit errichten die Partner am künftigen Berliner Hauptstadtflughafen<br />
die weltweit erste Wasserstofftankstelle, die den<br />
Strom direkt aus einem Windpark bezieht. Mit dem H₂-Kraftstoff sollen<br />
dann Brennstoffzellen-Busse und -Pkw fahren. Das Unternehmen<br />
Enertrag hat den Windpark in der Nähe des Flughafens errichtet<br />
und betreibt mit dem dort erzeugten Strom eine große Elektrolyse-<br />
Anlage, die den Wasserstoff produziert. Und je nachdem, wie hoch die<br />
zur Verfügung stehenden Ökostrom-Mengen sind, kann die Elektrolyse-Leistung<br />
reguliert und die H₂-Produktion entsprechend angepasst<br />
werden. <strong>Linde</strong> liefert die komplette Technologie, mit der der
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Energiespeicher // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
21<br />
Wasserstoff vor Ort effizient gespeichert, verdichtet und abgefüllt<br />
werden kann sowie die Tankstellentechnik. Der Konzern Total investiert<br />
als Betreiber in die dazugehörige Wasserstofftankstelle, die mit<br />
<strong>Linde</strong>-Technologie Pkw und Busse versorgen soll.<br />
„Betrachtet man die technischen Komponenten einer H 2 -<br />
Tankstelle genauer, zeigt sich die Komplexität des gesamten Projekts“,<br />
sagt Tim Heisterkamp, Projektleiter für „H₂-BER“ bei <strong>Linde</strong> Gas<br />
Deutschland. „So benötigt man für ihren Betrieb neben Speichertechnologien<br />
auch leistungsstarke und verschleißarme Verdichtereinheiten,<br />
die den Wasserstoff komprimieren“, sagt Heisterkamp. Dieses<br />
Know-how gehört zu den Kernkompetenzen von <strong>Linde</strong>. „Dennoch ist<br />
dieses Projekt für uns sehr anspruchsvoll, weil wir verschiedenste<br />
neu entwickelte Technologien in einer Anlage vereinen.“ Weil zum<br />
Beispiel Kompressoren an einer Tankstelle im Dauereinsatz laufen,<br />
müssen sie besonders verschleißarm sein. Hierfür haben die <strong>Linde</strong>-<br />
Ingenieure den ionischen Verdichter entwickelt, der deutlich weniger<br />
Energie verbraucht als herkömmliche Kolben- oder Membrankompressoren.<br />
„Damit steht ein größerer Anteil des Windstroms für die<br />
Wasserstoff-Produktion zur Verfügung“, so Heisterkamp.<br />
Wasserstoff effizient speichern – und tanken<br />
Für die künftige H₂-Tankstelle am Hauptstadtflughafen wird der Wasserstoff<br />
zunächst in großen Tanks bei rund 45 Bar gespeichert. Denn<br />
eine Langzeitspeicherung bei höherem Druck wäre unwirtschaftlich.<br />
Die großen Tanks speisen die ionischen Verdichter, die das leichte<br />
Gas bei bis zu 900 Bar in kleinere Pufferspeicher pressen – dieser<br />
hohe Druck ist nötig, um die Autos später möglichst schnell mit<br />
700 Bar zu betanken. Das Gasvolumen in den Pufferspeichern reicht<br />
für etwa zehn Betankungen. Zum Konzept gehört auch eine Abfüllstation<br />
für Lkw, die überschüssigen H 2 in andere Verbrauchszentren<br />
und zu industriellen Abnehmern transportieren können – beispielsweise<br />
zu den Tankstellen der Clean Energy Partnership: Dieser Verbund<br />
von Automobil-, Energie- und Technologiekonzernen betreibt<br />
in Berlin bereits rund 50 Wasserstoffautos. Die Flotte soll in nächster<br />
Zeit auf etwa 100 Fahrzeuge wachsen – und die benötigen mehr<br />
Treibstoff. Generell will <strong>Linde</strong> für den Ferntransport von Wasserstoff<br />
künftig einen neu entwickelten Lkw-Auflieger einsetzen, in dem das<br />
H₂-Gas bei einem höheren Druck gespeichert wird. Bisher lassen sich<br />
solche Trailer bei einem Druck von 200 Bar mit etwa 6.000 Kubikmeter<br />
H 2 „beladen“. In Zukunft sollen die Auflieger mit 500 Bar arbeiten<br />
und dann mehr als die doppelte Menge transportieren können.<br />
Das Projekt geht aber weit über die Idee einer Tankstelle hinaus.<br />
Stiller: „Wir zeigen bei ‚H₂-BER’ exemplarisch eine vernetzte Wasserstoffwirtschaft.<br />
Denn wir verknüpfen die umweltfreundliche Erzeugung,<br />
die Versorgung von Fahrzeugen und die Weiterverteilung<br />
über größere Distanzen.“ Und das bundesweite H₂-Bündnis „Performing<br />
Energy“, in dem <strong>Linde</strong> neben 15 Partnern aus Wirtschaft<br />
und Forschung vertreten ist, erforscht und erprobt weitere Wasserstoffspeichersysteme<br />
für die Zukunft – beispielsweise wie gut sich<br />
riesige Salzkavernen als H₂-Speicher eignen würden. Diese könnten<br />
bis zu 200 Gigawattstunden an regenerativ erzeugtem Strom<br />
speichern. Das Projekt von <strong>Linde</strong>, Total und Enertrag ist also erst<br />
der Anfang – aber für eine Wasserstoff-Welt von morgen ein wichtiger<br />
Meilenstein.<br />
↳<br />
↳<br />
↳<br />
Kurzinterview<br />
„Regelleistung im<br />
Sekundentakt“<br />
<strong>Linde</strong> Technology sprach mit Gaelle<br />
Hotellier, Leiterin des Geschäftssegments<br />
Hydrogen Solutions bei<br />
Siemens in Erlangen, über die Rolle<br />
des Wasserstoffs als Baustein<br />
der künftigen Energieversorgung.<br />
Welches Potenzial hat H₂ für die Energieversorgung?<br />
Natürlich ist Wasserstoff nur eine Komponente der künftigen<br />
Energieversorgung – aber eine sehr wichtige. Der Charme der<br />
Technologie besteht darin, dass man mit Wasserstoff nicht<br />
nur regenerativ erzeugten Strom speichern kann, sondern ein<br />
Produkt schafft, das sich vielseitig nutzen lässt: als Grundstoff<br />
für die Industrie, Treibstoff für Fahrzeuge und Energieträger.<br />
Wie lässt sich die Energie zur H₂-Produktion<br />
nachhaltig und effizient bereitstellen?<br />
Wie Projekte der Industriekooperation Performing Energy<br />
zeigen, ist es im Hinblick auf den Klimaschutz ideal, Windund<br />
Sonnenstrom für die H₂-Produktion zu nutzen, da damit<br />
tatsächlich ein CO₂-freier Energieträger z. B. für die Mobilität<br />
entsteht. Wir fokussieren uns auf Hochdruck-Elektrolyseure<br />
mit der Proton-Exchange-Membrane-Technologie, kurz PEM:<br />
Diese eignen sich für hohe Stromdichten und können in Millisekunden<br />
auf große Leistungssprünge reagieren. Zudem<br />
brauchen sie keine Aufwärmphase wie herkömmliche Elektrolyseure<br />
und je nach Betriebsweise erreichen sie einen<br />
Wirkungsgrad von 65 bis 90 Prozent.<br />
Ist die Technik reif für eine industrielle Nutzung?<br />
Um die Technologie im großen Maßstab zu nutzen, muss sie<br />
robuster, kostengünstiger und für höhere Leistungen ausgelegt<br />
werden. Langfristig wollen wir Elektrolyse-Parks mit bis zu<br />
dreistelliger Megawatt-Leistung aufbauen, die dann z. B. den<br />
überschüssigen Strom großer Windparks in H₂ umwandeln<br />
und zum Gleichgewicht im Stromnetz beitragen können.<br />
LINK:<br />
www.cleanenergypartnership.de
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Geothermie<br />
22<br />
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Erdwärme effizient nutzen<br />
HeiSSe<br />
Energiequellen<br />
Das Innere der Erde beherbergt unerschöpfliche Energieressourcen. Diese<br />
heiße Urkraft lässt Vulkane wachsen und Geysire sprudeln – und könnte<br />
die Welt mit Strom und Wärme versorgen. Mit innovativen Technologien helfen<br />
<strong>Linde</strong>-Ingenieure jetzt, die Geothermie effizient zu erschließen.<br />
Autor: Thomas H. Loewe<br />
Bildquelle: Stocktrek Images/Getty Images<br />
↲ ↳<br />
Über dem Feuerball spannt sich nur eine hauchdünne Hülle: Die Erdkruste<br />
ist ein Puzzle aus riesigen Gesteinsplatten, an deren Rändern<br />
flüssige Lava emporquillt. Feuerspeiende Vulkane und sprudelnde<br />
Thermalquellen sind die Zeichen des brodelnden Untergrunds. Sie<br />
lassen erahnen, welche Temperaturen im Erdinneren herrschen.<br />
Die natürliche Erdwärme, auch Geothermie<br />
genannt, ist in menschlichen Dimensionen unerschöpflich.<br />
„Und das macht sie so interessant<br />
für unsere Energieversorgung. Denn sie lässt<br />
sich bändigen und in Strom umwandeln –<br />
eine ideale Form der erneuerbaren Energie“,<br />
sagt Prof. Dr. Rolf Bracke, Leiter des<br />
Internationalen Geothermie-Zentrums<br />
(GZB) in Bochum.<br />
Unendliche Wärmereserven<br />
In vulkanisch aktiven Ländern wie beispielsweise<br />
Italien, Island oder Indonesien<br />
gehört die geothermische Energiegewinnung<br />
längst zum Alltag. „In einigen Ländern<br />
wie den Philippinen decken geothermische Quellen<br />
schon heute bis zu 30 Prozent des nationalen Strombedarfs“,<br />
so Bracke. Laut der Geothermal Energy Association (GEA)<br />
könnten 39 Länder ihre Energie sogar zu 100 Prozent mit der Geothermie<br />
gewinnen. Doch auch dort, wo die Zeichen der Erdglut an<br />
der Oberfläche nicht so sichtbar auftreten, ist Wärme zu holen.<br />
Geothermie<br />
39 Länder könnten ihre Energie zu 100 Prozent<br />
aus der Erdwärme beziehen,<br />
schätzt die Geothermal Energy Association.<br />
Denn grundsätzlich heizt sich die Erdkruste mit zunehmender<br />
Tiefe auf – pro Kilometer um etwa 30 Grad Celsius. „Ausgeklügelte<br />
Technologien sowie Verfahren der Wärmeübertragung machen die<br />
Geothermie weltweit immer attraktiver“, sagt Martin Weiß, Projektleiter<br />
Vertrieb Carbon and Energy Solutions bei <strong>Linde</strong>’s<br />
<strong>Engineering</strong> Division in Dresden. Mit der Erfahrung<br />
aus dem Chemie- und Gasanlagenbau und der<br />
innovativen Technik der Unternehmenstochter<br />
Cryostar bietet <strong>Linde</strong> umfassendes Knowhow<br />
für die effiziente Erschließung der<br />
tiefliegenden Wärmereserven.<br />
„Im Idealfall nutzt man Wasserdampf<br />
aus geringen Tiefen für den Antrieb stromerzeugender<br />
Turbinen“, so Weiß. Dieses<br />
so genannte „Flashverfahren“ setzt aber<br />
Wasserdampf mit Temperaturen von<br />
mehreren hundert Grad voraus. „Solche<br />
oberflächennahen und hochenergetischen<br />
Thermalfelder gibt es aber nur dort, wo eine<br />
Erdplatte an die andere grenzt“, sagt Weiß.<br />
So zum Beispiel in Kalifornien, nördlich von San<br />
Francisco in den Mayacamas Mountains. Dort liegt das<br />
derzeit produktivste Geothermie-Feld der Welt: „The Geysers“.<br />
Unterhalb der Hügelkette blubbert geschmolzenes Gestein in einer<br />
Kammer mit einem Durchmesser von etwa 14 Kilometern. Die<br />
abstrahlende Hitze überträgt sich in die höheren Gesteinsschichten
Geothermie // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
23<br />
Entfesselte Energie:<br />
Der isländische Geysir Strokkur –<br />
übersetzt Butterfass – spuckt<br />
etwa alle zehn Minuten eine<br />
20 Meter hohe Fontäne aus Wasser<br />
und Dampf in die Luft.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Geothermie<br />
24<br />
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
und bringt dort das Grundwasser zum Kochen. Deshalb steigt im<br />
gesamten Gebiet unter hohem Druck dichter, heißer Dampf aus dem<br />
Boden. Schon seit 1960 nutzt man ihn zur Stromerzeugung. Allein<br />
die Kraftwerke des amerikanischen Energieversorgers Calpine produzieren<br />
damit etwa 725 Megawatt (MW). Das reicht aus, um eine<br />
Stadt wie San Francisco – mit immerhin 800.000 Einwohnern – mit<br />
Strom zu versorgen.<br />
Mit Erdwärme effizient Strom gewinnen<br />
Inzwischen ermöglichen neuere Verfahren die Erdwärmegewinnung<br />
auch fernab solcher hochaktiven Grenzgebiete. „Wir verwenden<br />
dafür anstelle der Direktdampflösung so genannte Binärsysteme“,<br />
erklärt Weiß. Diese heißen so, weil sich die Wärme von<br />
einem geschlossenen Kreislauf – dem Wärmezyklus – auf den zweiten<br />
Kreislauf, den so genannten Kältezyklus überträgt. Im Wärmezyklus<br />
fördert eine Hochleistungspumpe heißes Thermalwasser<br />
aus der Tiefe an die Oberfläche. Dort überträgt sich die Hitze des<br />
Wassers in einem Wärmetauscher auf ein Arbeitsmittel – meist eine<br />
Flüssigkeit – im zweiten Kreislauf. Danach pumpt man das Wasser<br />
wieder in die Tiefe. So bleibt der unterirdische Druck im Gleichgewicht,<br />
und die Wasserquelle versiegt nicht.<br />
Die Flüssigkeit im Kältezyklus – an der Oberfläche – wird durch<br />
die Wärme aus der Tiefe in Dampf umgewandelt. „Und das schon<br />
bei niedrigeren Temperaturen“, so Weiß. Dieser Dampf treibt dann<br />
eine Turbine an, die wiederum in einer Anlage sehr effizient Strom<br />
erzeugt. Die <strong>Linde</strong>-Ingenieure setzen dabei auf organische Arbeitsmittel<br />
wie Propan oder auf Kältemittel, die auch in Kühlschränken<br />
und Klimaanlagen zirkulieren. Die Substanzen sind für den Prozess –<br />
den so genannten Organic Rankine Cycle (ORC) – namensgebend.<br />
Die Cryostar-Experten haben sich aber nicht nur auf das Arbeitsmittel,<br />
sondern auch auf die thermodynamischen Aspekte des<br />
ORC-Verfahrens konzentriert und bieten eine Sonderform an: den<br />
überkritischen ORC-Prozess. Dabei unterliegt das Arbeitsmittel im<br />
Kältezyklus einem erhöhten Druck. Es befindet sich dann vollständig<br />
Die Geothermische Weltkarte<br />
Riesige Energiepotenziale: Die Restwärme stammt zwar aus der<br />
Zeit der Erdentstehung, dennoch könnte die Geothermie unseren<br />
Planeten viele tausend Jahre mit Energie versorgen.<br />
Hochaktive Regionen<br />
(Tektonisch bzw. vulkanisch)<br />
Derzeit installierte<br />
Kapazität in Megawatt<br />
Potenzielle Kapazität<br />
in Megawatt<br />
Nordamerikanische<br />
Platte<br />
4.300<br />
655<br />
43.000<br />
4.050<br />
Nordamerika<br />
Island<br />
4.200<br />
1.060<br />
Mittel- und Südeuropa<br />
Eurasische<br />
Platte<br />
Pazifische<br />
Platte<br />
28.600<br />
510<br />
Mittelamerika<br />
Südamerikanische<br />
Platte<br />
174 14.000<br />
Ostafrika<br />
3.900 74.300<br />
Westpazifik<br />
Australische<br />
Platte<br />
16.100<br />
0<br />
Anden<br />
Afrikanische<br />
Platte<br />
Antarktische<br />
Platte<br />
768 9.000<br />
Neuseeland<br />
Quelle: Íslandbanki, Geothermal Energy Association
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Geothermie // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
25<br />
in einer gasähnlichen Phase. „Das senkt den Energieverlust und steigert<br />
die Stromerzeugung. Und ein wichtiger Nebeneffekt ist eine längere<br />
Lebensdauer der Turbine“, sagt Weiß. Denn bei solch hohem Druck<br />
können schon feinste Tröpfchen das harte Metall der Turbinenblätter<br />
beschädigen und erodieren. Weiß: „Doch in dieser gasähnlichen<br />
Phase treten erst gar keine Tröpfchen auf.“<br />
Zusammen mit dem Tochter-Unternehmen Cryostar realisieren<br />
die Geothermie-Experten der <strong>Linde</strong> <strong>Engineering</strong> Division derzeit<br />
ihr erstes ORC-System im bayerischen Kirchweidach. „Seit einiger<br />
Zeit weiß man von riesigen Heißwasserreservoiren im Untergrund<br />
des Voralpenlandes“, sagt Weiß. Die Wassermassen lagern jedoch<br />
in porösen Jurakalken, die erst in einer Tiefe von drei bis fünf Kilometern<br />
anzutreffen sind. Und je tiefer, desto schwieriger ist auch die<br />
Suche nach den heißen Wassertaschen. „Im schlimmsten Fall muss<br />
man die Bohrung mehrmals umlenken, um überhaupt fündig zu<br />
werden“, so Weiß. Und das bedeutet natürlich auch ein wirtschaftliches<br />
Risiko: Denn der Preis für eine einzige Tiefbohrung kann bis<br />
zu zehn Millionen Euro betragen. „Deshalb betreuen wir unsere<br />
Kunden teilweise schon in den ganz frühen Phasen des Projekts –<br />
also bereits bei Konzeption und Finanzierung“, sagt Weiß. Denn er<br />
und sein Team verfügen über ein gutes Netzwerk an notwendigen<br />
Projektpartnern, die hier gemeinsam unterstützen können.<br />
Globaler Boom der Geothermie-Kraftwerke<br />
Beim Bau des Kraftwerks greifen die <strong>Linde</strong>-Ingenieure auf fundierte<br />
und langjährige Expertise aus dem Chemie- und Gasanlagenbau<br />
zurück. „Wir liefern das komplette Gerüst des Kältezyklus – vom Luftkühler<br />
und dem Wärmetauscher bis hin zu den Rohrleitungen und<br />
der Steuerungselektronik“, so Weiß. Und um das Herz der Anlage mitsamt<br />
der Turbine und dem Generator kümmern sich seine Kollegen<br />
von Cryostar. Weiß: „So bekommt der Auftraggeber eine schlüsselfertige<br />
Anlage aus einer Hand.“ Zudem bietet <strong>Linde</strong> auch einen Wartungs-<br />
und Betriebsservice: Der Kunde hat die Möglichkeit, das Kraftwerk<br />
an das Remote Operation Centre (ROC) am <strong>Linde</strong>-Standort in<br />
Leuna anzuschließen. So lässt sich die Anlage auch aus der Ferne<br />
überwachen und bei Bedarf ein Technikerteam losschicken.<br />
Die Nachfrage nach Geothermie-Kraftwerken wächst: „Inzwischen<br />
empfangen wir an unserem Forschungszentrum in Bochum regelmäßig<br />
Kollegen aus aller Welt – zuletzt aus Neuseeland, der Türkei<br />
oder Lateinamerika“, sagt GZB-Leiter Bracke. „An wenigen Plätzen<br />
erforscht man die Geothermie so intensiv und interdisziplinär wie<br />
wir in Bochum.“ Auch Studien der GEA zeigen, dass Investitionen<br />
in die Geothermie weltweit zunehmen: Die Philippinen wollen den<br />
Amerikanern den ersten Rang ablaufen und bis zum Jahr 2030 fast<br />
3.500 MW Strom aus Erdwärme erzeugen. Das Nachbarland Indonesien<br />
hat noch mehr vor: Denn es sitzt auf einem geothermischen<br />
Potenzial von 28.000 MW – das sind schätzungsweise 40 Prozent<br />
der globalen geothermischen Energiereserven. Und bis 2025 sollen<br />
dort bereits 5.000 MW aus geothermischen Anlagen fließen. Weitere<br />
aktive Zonen liegen in Afrika und in Süd- und Mittelamerika. Auch<br />
dort verfolgen zahlreiche Länder den Auf- beziehungsweise Ausbau<br />
ihrer geothermischen Ressourcen. Besonders Länder am Pazifik<br />
sind aufgrund ihrer Lage günstige Standorte für Geothermie. Unter<br />
den Küstenbereichen dieses Meeresbeckens stoßen und schrammen<br />
Die Erdwärme bändigen:<br />
Für das Geothermie-Kraftwerk im bayerischen Kirchweidach (oben)<br />
liefert <strong>Linde</strong> Luftkühler, Wärmetauscher, Rohrleitungen und Steuerungselektronik.<br />
Die Installation von Turbinen und Generatoren (unten)<br />
ist Aufgabe der Kollegen von Cryostar.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Geothermie<br />
26<br />
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Kurzinterview<br />
„groSSe Potenziale für die Kraft-wÄrme-Kopplung“<br />
↳<br />
↳<br />
Professor Rolf Bracke leitet<br />
das Internationale Geothermie-<br />
Zentrum in Bochum (GZB).<br />
Neben dem wissenschaftlichen<br />
Forschungsauftrag dient<br />
das GZB auch als Kompetenzzentrum<br />
und Ansprechpartner<br />
in allen Fragen der Nutzung<br />
und Gewinnung von Erdwärme.<br />
Warum ist gerade Bochum zum neuen Internationalen<br />
Geothermiezentrum ernannt worden?<br />
Das Ruhrgebiet ist für die geothermische Forschung ein bevorzugter<br />
Standort, weil die Menschen hier den Bergbau kennen<br />
und viele Unternehmen mit bergbau- und energietechnischer<br />
Kompetenz seit über 100 Jahren tätig sind. Die Akzeptanz ist<br />
hoch. Inzwischen arbeiten hier regelmäßig Kollegen aus Auckland,<br />
Istanbul, Reykjavik oder San Salvador – und wir bekommen<br />
ein sehr positives Feedback. Anfang 2011 hat der Geothermie-<br />
Weltverband, die International Geothermal Association, kurz<br />
IGA, ihre Hauptgeschäftsstelle im Internationalen Geothermie-<br />
Zentrum an der Hochschule Bochum eröffnet. Seither werden die<br />
Tagesgeschäfte des IGA-Sekretariats hier abgewickelt. Bochum<br />
ist damit auch im globalen Maßstab zu einem Zentrum der Erdwärmeforschung<br />
geworden.<br />
Warum ist die Geothermie ein wichtiger Baustein für<br />
die Energiezukunft?<br />
↳<br />
↳<br />
Welche Voraussetzungen braucht es für eine umfangreiche<br />
Nutzung der Geothermie?<br />
Es müssen neue Technologien entstehen, die überall – auch<br />
außerhalb geologischer Vorzugsregionen – einsetzbar und gesellschaftlich<br />
akzeptiert sind wie Enhanced Geothermal Systems:<br />
Damit lässt sich Energie aus sehr tiefen warmen Gesteinsschichten<br />
mit geringer natürlicher Wegsamkeit gewinnen: Sie werden<br />
angebohrt und unter hohem Druck wird Wasser hinabgepumpt.<br />
Der Wasserdruck erweitert vorhandene Mikrorisse und schafft<br />
so eine Thermalwasserquelle. Das Wasser erwärmt sich schnell<br />
und wird dann zur Energiegewinnung zurück an die Oberfläche<br />
geholt. Die Entwicklung solcher Systeme ist weltweit noch in<br />
den Anfängen und soll in Bochum erforscht werden. Auf unserem<br />
7.000 Quadratmeter großen In-situ-Feldlabor können wir<br />
beispielsweise Referenzbohrungen zur Geräteentwicklung und<br />
Versuche unter produktionsnahen Bedingungen durchführen.<br />
Wie bewerten sie die gesellschaftliche Haltung gegenüber<br />
der Geothermie?<br />
Eine der größten Herausforderungen ist es, die Akzeptanz dieser<br />
erneuerbaren Energieform zu fördern und den Nutzen zu kommunizieren.<br />
Wir müssen die Möglichkeiten und Risiken offen erklären.<br />
Das ist wichtig, um die Geothermie in die Ballungsräume<br />
bringen zu können. Unsere Forschungsergebnisse und ein neues<br />
Kommunikationszentrum werden dazu beitragen.<br />
Die Erdwärme zeigt ihr großes Potenzial in der Kraft-Wärme-<br />
Kopplung. Aufgrund ihrer hohen Grundlastfähigkeit kann sie<br />
eine zentrale Rolle bei der Fernwärmeversorgung großer<br />
Ballungsräume spielen. 2050 werden etwa 80 Prozent der<br />
Menschen in Ballungsräumen und Megastädten leben. Gerade<br />
die Wärmeversorgung wird unterschätzt. Die Abschaltung fossiler<br />
Kraftwerke wird eine riesige Versorgungslücke auftun – und<br />
wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die dort gewonnene<br />
Abwärme ersetzen können. Mit der umweltfreundlichen<br />
Geothermie ließen sich viele Wohnungen und Gebäude mit<br />
Elektrizität und Wärme versorgen. Und auch die Industrie<br />
besitzt einen großen Wärmebedarf, der von dieser regenerativen<br />
Energiequelle gespeist werden könnte. Ein weiterer wichtiger<br />
Punkt: Mit Geothermie lässt sich auch kühlen. Mit der<br />
Wärmeenergie lassen sich beispielsweise Absorptionskältemaschinen<br />
betreiben: Klimaanlagen für Kühlhäuser, Hotels<br />
oder Messegelände könnten so mit umweltfreundlicher Erdwärme<br />
arbeiten.<br />
Was der Erde einheizt<br />
Die Wärme, die sich für die Geothermie nutzen lässt,<br />
resultiert zum Teil aus der Zeit der Erdentstehung.<br />
Zum anderen Teil ist natürliche Kernenergie durch<br />
den radioaktiven Zerfall verschiedener Elemente wie<br />
Uran, Thorium oder Kalium für die Hitze verantwortlich.<br />
Die Prozesse sorgen dafür, dass ein kontinuierlicher<br />
Wärmestrom aus der Tiefe an die Erdoberfläche<br />
aufsteigt. Zwar ist die Erdkruste zwischen fünf und<br />
70 Kilometer dick. Jedoch sind mehr als 99 Prozent<br />
des Planeten aufgrund des flüssigen Magmakerns<br />
heißer als 1.000 Grad Celsius. Nur ein Tausendstel der<br />
Erdmasse, die oberen drei Kilometer, sind kühler als<br />
100 Grad Celsius.
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Geothermie // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
27<br />
In VIELEN vulkanisch<br />
aktiven Regionen<br />
gehört Geothermie<br />
zum Alltag.<br />
systeme hydraulisch zu aktivieren“, erklärt Bracke. Die Wärme des<br />
Gesteins überträgt sich auf das Wasser, und es entsteht eine künstlich<br />
angelegte Thermalquelle.<br />
Um die Auswirkungen auf den Untergrund besser zu verstehen,<br />
richten Bracke und seine Kollegen in Bochum ein 7.000 Quadratmeter<br />
großes Feldlabor ein. Dort sollen neue Bohr- und Reservoirtechnologien<br />
unter realen Bedingungen erforscht und auch Kraftwerkstechnik<br />
erprobt werden. In einer Vielzahl von Überwachungsbohrungen messen<br />
Sensoren dann den Wasserchemismus und erfassen jede noch<br />
so kleine Erschütterung. „Wenn wir die verursachten Veränderungen<br />
im Untergrund verstehen und vorhersagen können, stellen wir auch<br />
die Umweltverträglichkeit und die öffentliche Akzeptanz sicher.“ Er<br />
glaubt deshalb an eine erfolgreiche Zukunft für die Geothermie –<br />
und an ihre Notwendigkeit, denn: „Durch die Abschaltung fossiler<br />
Kraftwerke wird eine riesige Versorgungslücke, insbesondere bei der<br />
Kraft-Wärmekopplung, entstehen. Geothermie kann einen wichtigen<br />
Beitrag leisten, diese zu schließen“, so Bracke.<br />
Rein regenerativ: Island deckt mit Erdwärme und Wasserkraft 100 Prozent<br />
seines Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen.<br />
mehrere Erdplatten auf- und aneinander vorbei. Rings um den Pazifik<br />
hat sich so eine 40.000 Kilometer lange Vulkankette mit den<br />
aktivsten Feuerkegeln der Erde gebildet. Und die hohen Temperaturen<br />
lassen sich bereits in geringen Tiefen anzapfen.<br />
Doch selbst in geologisch ruhigeren Teilen der Welt, beispielsweise<br />
in Deutschland, sehen Experten ein hohes geothermisches<br />
Potenzial. Aufgrund der fortschreitenden Technologie schätzt das<br />
Bundesumweltministerium das deutsche Geothermie-Potenzial auf<br />
bis zu 15.000 MW. Denn auch dort, wo in der Tiefe keine flüssigen<br />
Thermalreservoire vorhanden sind, ist effiziente Geothermie möglich.<br />
„Beim so genannten EGS-Verfahren (Enhanced Geothermal Systems)<br />
pumpt man Wasser in das Tiefengestein, um bestehende Bruch-<br />
Geothermie für die Grundlast<br />
Schon jetzt erzeugen Erdwärmekraftwerke mehr als doppelt soviel<br />
grundlastfähigen Strom wie die Solarbranche. Hinzu kommt ein vierbis<br />
fünffacher Anteil an Nutzwärme. Und weltweit wird die Förderung<br />
von Geothermie-Projekten zunehmen. Denn immer mehr Länder<br />
erkennen den wirtschaftlichen Wert ihrer geothermischen Ressourcen.<br />
Bracke: „Ab 2020 wird sich der Markt stark entwickeln – vor<br />
allem in den geologisch weniger aktiven Regionen.“ Und für Martin<br />
Weiß steht fest: „Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht<br />
scheint, kann Geothermie immer noch Strom produzieren.“ Vor allem<br />
aber ist sie praktisch unerschöpflich.<br />
LINK:<br />
www.geo-energy.org
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Photovoltaik<br />
28<br />
Wolkenkratzer bei der Sonnenernte:<br />
Solarmodule verwandeln Dächer und<br />
Fassaden in Stromerzeuger. Mit Anti-<br />
Reflex-Glas lässt sich die Energieausbeute<br />
der Solarzellen deutlich steigern.
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Photovoltaik // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
29<br />
Hochtransparentes Glas für eine bessere Stromausbeute<br />
Bildquelle: Lester Lefkowitz/Getty Images<br />
Autor: Tim Schröder<br />
↲ ↳<br />
Effizientere<br />
Sonnenfänger<br />
Solarmodule sind sensibel. Meist schützt eine Glasschicht die Sonnenfänger vor<br />
Umwelteinflüssen. Doch diese hält auch einen Teil der Lichtenergie zurück.<br />
Spezielle Oberflächenbeschichtungen sorgen dafür, dass mehr Sonnenstrahlen<br />
das Glas passieren, um so die Stromausbeute zu erhöhen. <strong>Linde</strong>-Experten<br />
haben jetzt mit dem Glasverarbeitungs-Maschinenhersteller LiSEC ein wegweisendes<br />
Beschichtungsverfahren entwickelt.<br />
Die Energie kommt aus dem All: Auf Millionen Dächern wandeln Photovoltaik-Anlagen<br />
Sonnenstrahlung zuverlässig in elektrischen Strom um –<br />
weltweit. Aber in Sachen Energieausbeute lässt sich die Photovoltaik<br />
immer noch weiter verbessern. Rund um den Globus versuchen<br />
Materialforscher und Physiker, den Wirkungsgrad<br />
der Module prozentpunktweise höher zu<br />
schrauben: Sie mischen neue Halbleitermaterialien<br />
und analysieren deren Atomstruktur<br />
mit Messgeräten, die ganze Labore füllen.<br />
Doch die Stromausbeute eines Photovoltaik-Moduls<br />
lässt sich auch sehr<br />
Solarenergie<br />
Experten schätzen, dass im Jahr 2015<br />
weltweit 190.000 Megawatt Strom durch<br />
die Sonne gewonnen werden.<br />
viel einfacher steigern: zum Beispiel<br />
durch Glasscheiben mit Anti-Reflexions-Beschichtungen.<br />
Diese schützen<br />
das Solarmodul und insbesondere die<br />
empfindlichen Solarzellen vor Umwelteinflüssen<br />
und Beschädigungen. Und je<br />
weniger die Scheiben spiegeln, desto mehr<br />
Sonnenlicht dringt in die Photovoltaik-Module<br />
– und erhöht deren Effizienz. Bis zu drei Prozent<br />
mehr Licht gelangt durch das Glas zu den Solarzellen,<br />
und das steigert die Stromausbeute. Nach Schätzungen einer Marktstudie<br />
von Glass Global werden heute aber nur etwa 20 Prozent aller<br />
Photovoltaik-Module mit Anti-Reflex-Glas – kurz AR-Glas – ausgestattet.<br />
Bis 2020 soll der Anteil auf rund 80 Prozent steigen.<br />
Doch die Sache hat einen Haken: Die Maschinen und Verfahren, mit denen<br />
AR-Glas hergestellt wird, sind entweder extrem teuer – das treibt die<br />
Kosten für Photovoltaik-Module nach oben. Oder sie liefern minderwertige<br />
Qualität in Bezug auf Haltbarkeit und Lichtdurchlässigkeit.<br />
In einem Kooperationsprojekt haben <strong>Linde</strong> und die<br />
Firma LiSEC in den vergangenen zwei Jahren deshalb<br />
eine alternative Methode für die AR-Glas-Produktion<br />
erarbeitet. Das österreichische Unternehmen<br />
LiSEC entwickelt Maschinen, mit<br />
denen Glas verarbeitet, geschnitten, gehärtet<br />
oder mit Kunststofffolien laminiert<br />
wird. In den Maschinen gleiten die Glasplatten<br />
auf einem Fließband von Station zu<br />
Station. Und das neue Verfahren fügt sich<br />
dort nahtlos in die Produktion ein. Dabei ist<br />
S-COAT® – wie <strong>Linde</strong> und LiSEC das neue Verfahren<br />
nennen – nicht nur kostengünstiger. Es<br />
erzeugt auch eine sehr gute Beständigkeit und<br />
Transmissionswerte, die führend auf dem Markt<br />
sind. Das Prinzip ist relativ einfach: Die Ingenieure<br />
sprühen die Beschichtung auf das Glas. Beim Trocknen bildet<br />
sich eine Schicht mit Nanoporen. Ein großer Vorteil des Verfahrens: Die<br />
Beschichtungsanlage kann als eigenständiges Modul in bereits<br />
bestehende Glasproduktionslinien integriert werden. „Wir kommen<br />
ohne große Umbauten aus“, sagt <strong>Linde</strong>-Projektleiter Steve Carney.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Photovoltaik<br />
30<br />
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Bei herkömmlichen Verfahren sieht das anders aus. In vielen Fällen<br />
werden die Glasscheiben in ein Beschichtungsbad, eine so genannte<br />
Sol-Gel-Lösung, getaucht und anschließend getrocknet. Dazu muss man<br />
die Scheiben aber aus der Produktionslinie herausheben<br />
und zwischenlagern. Eine etablierte Alternative<br />
ist die Vakuumbedampfung. Die Glasscheiben<br />
rollen dabei auf dem Fließband in eine Vakuumkammer,<br />
in der das Glas mit dem Beschichtungsmaterial<br />
bedampft wird. Solche Anlagen kosten ein<br />
Vielfaches der S-COAT®-Lösung, weil sie mit Druckschleusen<br />
und aufwendiger Vakuumtechnik ausgestattet werden<br />
müssen. „Unser Fokus lag darauf, dass wir eine Lösung entwickeln,<br />
die technisch führend, aber deutlich günstiger ist als alle aktuell<br />
verfügbaren Verfahren“, sagt Ulrich Hanke, bei <strong>Linde</strong> zuständig für<br />
Marketing und Geschäftsentwicklung im Bereich Metalle & Glas.<br />
Besserer Durchlass für spezielle Wellenlängen<br />
Im Detail besteht das S-COAT®-Modul aus mehreren Stationen: Zunächst<br />
wird die Oberfläche der heranrollenden Glasscheiben aktiviert,<br />
damit sich die Beschichtung optimal verteilen kann. Anschließend<br />
besprüht man die Glasscheiben mit der von <strong>Linde</strong> entwickelten Spezialbeschichtung,<br />
bevor die Glasscheiben getrocknet werden – alles in<br />
einer definierten Gasatmosphäre. Um welche Substanzen es sich bei<br />
der Beschichtung handelt, will Carney nicht verraten. Nur so viel:<br />
Es gibt eine Hauptkomponente und mehrere Zusatzstoffe. „Wichtig<br />
ist, dass die Beschichtung ungiftig ist und sich später, wenn das Photovoltaik-Modul<br />
seinen Dienst getan hat, sehr gut recyceln lässt“, so<br />
der <strong>Linde</strong>-Experte. Was zunächst so simpel klingt, erfordert umfangreiches<br />
Prozess-Know-how, das durch mehrere umfassende Patentanmeldungen<br />
gegen Nachahmer geschützt wird: Denn die <strong>Linde</strong>-<br />
Ingenieure entwickeln eine Beschichtung, die robust ist und zugleich<br />
Nanoporen für<br />
gläsernes<br />
Schutzschild.<br />
eine exakt definierte Nanostruktur ausbildet. „Dabei kommt es<br />
sehr genau auf die Größe der Poren an, denn davon hängt ab,<br />
welche Wellenlängen die Glasscheibe passieren lässt“, erklärt<br />
Carney. Gefragt ist vor allem der Wellenlängenbereich<br />
zwischen 550 und etwa 800 Nanometer,<br />
denn in diesem Bereich ist die Stromausbeute der<br />
Solarzellen besonders gut.<br />
Anspruchsvoll war auch die Steuerung der<br />
Anlage. Damit sich in der aufgesprühten Schicht<br />
auch Poren mit exakt definierter Größe bilden,<br />
mussten die Werkstoffspezialisten verschiedene Parameter möglichst<br />
genau einstellen: „Dazu gehört die Trocknungszeit und die Temperatur.<br />
Auch die Zusammensetzung der Gasatmosphäre ist wichtig,<br />
um sowohl die richtigen Produkteigenschaften als auch ein fehlerfreies<br />
optisches Erscheinungsbild sicherzustellen“, erklärt Carney.<br />
„Es hat eine Zeit gedauert, bis wir den Prozess genau justiert<br />
hatten“, so der <strong>Linde</strong>-Experte. Doch die Mühen der Entwicklungs-<br />
weniger Reflexion, mehr Solarpower<br />
Dank Anti-Reflex-Glas erreichen drei Prozent mehr Sonnenenergie<br />
die Solarzelle. Das steigert die Stromausbeute.<br />
Normales Glas<br />
Anti-Reflex-Glas<br />
100%<br />
91%<br />
Solarzelle<br />
94%<br />
4% Reflexion Außenschicht<br />
1% Reflexion Außenschicht<br />
5% Reflexion (Innen + Glas)
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Photovoltaik // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
31<br />
ingenieure wurden belohnt: Verglichen mit unbehandeltem Glas<br />
verbessert die Beschichtung die so genannte Transmission – also den<br />
Einfall des Lichtes – um bis zu drei Prozent. Das klingt bescheiden,<br />
ist aber enorm. Carney: „Wenn man bedenkt, dass man bei der<br />
Effizienzverbesserung von Solarzellen und Modulen in der Regel um<br />
jedes Prozent kämpfen muss.“<br />
Das S-COAT®-Verfahren sorgt aber nicht nur für gute Anti-Reflex-<br />
Eigenschaften beim Glas, sondern kann auch den spezifischen<br />
Umweltbedingungen angepasst werden. Der Prozess lässt sich zum<br />
Beispiel so steuern, dass die Schicht dichter und damit kratzfester<br />
wird. Für Standorte in der Wüste oder am Meer ist das besonders<br />
wichtig, denn Sand und Salzkristalle in der Luft wirken auf Dauer wie<br />
feines Schmirgelpapier. Das Deckglas wird dadurch mit der Zeit stumpf<br />
und lichtundurchlässiger. Die neue AR-Deckschicht aber ist robust<br />
genug, um das andauernde Schmirgeln zu überstehen. Nach detaillierten<br />
Tests in der Klimakammer geben die Entwickler ihrer Beschichtung<br />
eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren. „Je nach Kundenwunsch<br />
stellen wir den Prozess entsprechend ein“, erklärt Carney.<br />
Momentan arbeiten die Experten daran, die Beschichtung sogar so zu<br />
modifizieren, dass sie biologisch aktiv wird und Bakterien, Algen oder<br />
Moose abwehren kann. Sie ist dann keineswegs giftig, verhindert<br />
durch ihre Nanostruktur aber, dass sich Ablagerungen bilden oder<br />
Mikroben darauf ansiedeln. Denn diese Biofilme würden ebenfalls<br />
die Transmission verringern – und damit die Stromausbeute.<br />
Bei LiSEC ist seit Mitte 2012 eine Pilotanlage in Betrieb. Für ausgewählte<br />
Kunden werden dort bereits Gläser beschichtet. 15 Meter<br />
Glas pro Minute kann das S-COAT®-Modul beschichten. Das ist schnell<br />
genug, um mit dem Takt der Glasproduktionslinie mitzuhalten. Die<br />
maximale Breite der Glasbahnen liegt bei 1,7 Metern. Damit lassen<br />
sich also leicht die üblichen Solarmodule fertigen, deren Standardmaß<br />
1,68 mal 1,1 Meter beträgt. „Unsere Anlage zeichnet sich auch<br />
Sonnige Zeiten:<br />
Immer mehr Gebäudefassaden<br />
erhalten<br />
Photovoltaikmodule<br />
wie zum Beispiel die<br />
City Hall in London<br />
(links, oben). Bei der<br />
Effizienzsteigerung<br />
von Solarzellen (links,<br />
unten) zählt heute<br />
jeder Prozentpunkt.<br />
Neue Beschichtungsprozesse<br />
müssen sich<br />
optimal in die Glasproduktionslinien<br />
integrieren<br />
lassen (rechts).<br />
Sonnenstrom weltweit<br />
Die global installierte Photovoltaik-Kapazität<br />
betrug 2011 rund 69 Gigawatt – und verteilte sich<br />
prozentual auf folgende Länder:<br />
Spanien<br />
18%<br />
Andere europäische<br />
6%<br />
•<br />
Staaten<br />
Japan<br />
USA<br />
• China<br />
36%<br />
Andere nichteuropäische<br />
Staaten<br />
• Deutschland<br />
Italien<br />
Quelle: Enerdata, EPIA<br />
10%<br />
durch eine hohe Flexibilität aus. Wir können sie ohne Umrüstzeit einfach<br />
an- oder abschalten“, sagt Johann Weixlberger, zuständig für die<br />
Geschäftsentwicklung bei LiSEC. Denn fertigt die Fabrik eine Charge<br />
Glas an, das unbeschichtet bleiben soll, dann gleiten die Gläser einfach<br />
durch das abgeschaltete Modul hindurch. Bei Bedarf kann der<br />
Sprühvorgang sofort starten. Lange Anfahrzeiten oder die Vorbereitung<br />
eines Beschichtungsbads entfallen.<br />
Auf der Messe Intersolar in München Mitte Juni 2013 erlebt die<br />
Beschichtungsanlage ihre öffentliche Premiere: „Wir werden den<br />
S-COAT®-Prozess einer ganzen Reihe von Glasproduzenten und Herstellern<br />
von Solarmodulen präsentieren“, erklärt Hanke. Er ist zuversichtlich,<br />
dass das Verfahren die Kunden überzeugt, denn S-COAT®<br />
adressiert genau das, was die Solarindustrie in ihrer aktuell schwierigen<br />
Phase erwartet: Spitzenleistung zu niedrigsten Kosten. Auch<br />
wenn die Schlagzeilen bezüglich Solarindustrie momentan im<br />
Wesentlichen durch Konsolidierung und Überkapazitäten geprägt<br />
sind, so entwickelt sich der Endverbrauchermarkt weltweit weiterhin<br />
sehr gut. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums stieg<br />
der Anteil des Solarstroms am Stromverbrauch allein in Deutschland<br />
zwischen 2004 und 2012 von weniger als einem auf 5,7 Prozent.<br />
Dieser Trend wird sich, so Experten, auch international fortsetzen:<br />
2010 waren weltweit Photovoltaik-Module mit einer Gesamtleistung<br />
von 39.531 Megawatt installiert, was in etwa der Leistung<br />
von 40 Atomkraftwerken entspricht. Für 2015 werden bereits rund<br />
190.000 Megawatt erwartet – mit besonders hohen Wachstumsraten<br />
in China und den USA.<br />
4%<br />
13%<br />
7%<br />
6%<br />
LINK:<br />
www.epia.org
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Essay<br />
32<br />
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Harald Dimpflmaier, Chief Engineer,<br />
Swiss Reinsurance Company Ltd.<br />
Essay<br />
„Wege zu einer nachhaltigen<br />
Energiezukunft“<br />
Den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig für Energiesicherheit zu sorgen, ist eine<br />
der anspruchsvollsten Herausforderungen für unsere wachsende Weltbevölkerung. Mit<br />
den zunehmenden Investitionen in neue Technologien steigt auch die Nachfrage nach einem<br />
effizienten Risikomanagement und besseren Versicherungsmodellen.<br />
Seit mehr als hundert Jahren halten fossile Brennstoffe unsere Wirtschaft<br />
am Laufen und prägen unsere Lebensweise. Sie verhalfen<br />
mehr Menschen zu Wohlstand, als dies je zuvor möglich gewesen<br />
wäre, und ermöglichten ihnen ein längeres und produktiveres Leben.<br />
Parallel zu dieser wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte stieg die Weltbevölkerung<br />
in den vergangenen 200 Jahren von einer Milliarde<br />
Menschen auf sieben Milliarden an. Zum Vergleich: In den 800 Jahren<br />
davor ist die Bevölkerung gerade einmal um 700 Millionen<br />
Menschen gewachsen.<br />
Auch wenn die fossilen Brennstoffe viel Gutes bewirkt haben,<br />
dürfen die Schattenseiten natürlich nicht verschwiegen werden – insbesondere<br />
die von Erdöl und Kohle verursachten Treibhausgasemissionen.<br />
Diese Abgase binden die Wärme in der Erdatmosphäre und<br />
führen so zu einer Erhöhung der weltweiten, durchschnittlichen Temperatur.<br />
Und das wirkt sich wiederum negativ auf die Umwelt und<br />
das globale Klima aus. Die Welt von heute leidet an den Folgen des<br />
jahrzehntelangen, von fossilen Energieträgern getriebenen Wachstums<br />
– und den dadurch ausgelösten klimatischen Veränderungen.<br />
Mit dem zunehmenden Wirtschaftswachstum und der damit einhergehenden<br />
Bevölkerungszunahme wird aber die Nachfrage nach Energie<br />
weiterhin ansteigen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass<br />
die globale Energienachfrage bis 2035 um 40 Prozent zunimmt und<br />
90 Prozent dieser Nachfrage aus Nicht-OECD-Ländern stammen wird<br />
– vor allem aus China und Indien. Für den Bau und die Wartung einer<br />
adäquaten Infrastruktur, mit der sich dieser steigende Energiebedarf<br />
abdecken lässt, werden in den kommenden 25 Jahren globale Investitionen<br />
in Höhe von 38 Billionen US-Dollar notwendig sein.<br />
Die Welt steht an einem Scheideweg: Die vermehrte Nutzung<br />
fossiler Energieträger setzt immer größere Mengen von Treibhausgasen<br />
in die Atmosphäre frei. Wenn dieser Trend ungebrochen anhält,<br />
werden die Emissionen nicht nur den Klimawandel weiter beschleunigen,<br />
sondern bleibende Umweltschäden verursachen. Bereits der<br />
2009 am Kopenhagener Klimagipfel vereinbarte reduzierte Temperaturanstieg<br />
auf zwei Grad Celsius über dem Mittelwert im vorindustriellen<br />
Zeitalter – ein ohnehin ehrgeiziges und zunehmend<br />
unrealistisches Vorhaben – wird die Wettermuster signifikant beein-
Titelthema: Kraftwerk Natur<br />
Essay // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
33<br />
Bis 2035 wird sich<br />
Die globale ENergienachfrage<br />
um<br />
40 Prozent erhöhen.<br />
Bildquellen: Swiss Re, Getty Images<br />
↳<br />
Teamwork für Turbinen: Die Swiss Re hat das European Wind Turbine<br />
Committee initiiert. Es bietet europäischen Versicherungsunternehmen eine<br />
Plattform, um sich mit Vertretern der Windenergiebranche auszutauschen.<br />
flussen. Die Menschheit wird immer stärker unter ausgeprägteren<br />
Hitzeperioden, unregelmäßigen Niederschlägen, Stürmen und Überschwemmungen<br />
zu leiden haben.<br />
Den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig die Energiesicherheit<br />
für unsere wachsende und prosperierende<br />
Welt zu gewährleisten, ist denn auch eine unserer<br />
vordringlichsten Aufgaben. Eine Aufgabe, die<br />
gleichermaßen anspruchsvoll wie risikobehaftet<br />
ist. Es steht fest, dass sich die Art<br />
und Weise, mit der wir Energie gewinnen<br />
und verbrauchen, fundamental verändern<br />
muss. Und es steht auch fest, dass<br />
sich dieses Ziel nur dann erreichen lässt,<br />
wenn wir die Energieeffizienz verbessern<br />
und vermehrt auf CO₂-arme Energieträger<br />
setzen, wozu auch erneuerbare Energiequellen<br />
zählen. Mit den zunehmenden<br />
Investitionen in die entsprechenden Technologien<br />
steigt auch die Nachfrage nach<br />
einem effizienteren Risikomanagement und besseren<br />
Versicherungsmodellen.<br />
Risikoanalysen haben ergeben, dass grüne Szenarios,<br />
begleitet von konzertierten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels,<br />
das beste Marktpotenzial für erneuerbare Energiequellen<br />
bieten. Die Hauptgründe hierfür sind die rascher vonstattengehende<br />
Transformation zu einer grünen Ökonomie und ein koordiniertes Vorgehen<br />
zur Förderung kohlenstoffarmer Energieträger. Die speziellen,<br />
mit den erneuerbaren Energien verbundenen Risiken, erfordern<br />
indes entsprechende Versicherungslösungen.<br />
Während die fundamentalen Risikostrategien sowohl für erneuerbare<br />
als auch für nicht erneuerbare Energiequellen zutreffen, gilt es<br />
bei der regenerativen Energieversorgung überdies spezifische Heraus-<br />
Risiken<br />
Kontrollieren –<br />
Regenerative<br />
Energien erfordern<br />
neue Ansätze<br />
FÜR versicherungs-<br />
LÖSUNGEN.<br />
forderungen zu bewältigen, die bei den fossilen Energieträgern keine<br />
Rolle spielen: Erneuerbare Energiequellen erfordern neue, noch nicht<br />
ausgereifte Technologien, hängen von günstigen Witterungsverhältnissen<br />
ab, werden unter schwierigen geografischen Bedingungen<br />
produziert wie beispielsweise Offshore-Windfarmen. Und sie sind<br />
vorläufig noch von Subventionen der öffentlichen Hand sowie schützenden<br />
Wettbewerbsregeln abhängig, wenn sie konkurrenzfähig<br />
betrieben werden sollen.<br />
Die mit erneuerbaren Energiequellen verbundenen Risiken erfordern<br />
einen ganz spezifischen Risikomanagementansatz sowie innovative<br />
Risikotransfermethoden, die gegenüber den herkömmlichen Versicherungsprodukten<br />
alternative Möglichkeiten bieten. Diese Erkenntnis<br />
treibt die Versicherer dazu an, Partnerschaften mit Unternehmen,<br />
die im Bereich erneuerbare Energien tätig sind, einzugehen und<br />
Innovationen in der Solar-, Wind- und Wasserkrafttechnologie<br />
zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Beispiel einer<br />
solchen Zusammenarbeit ist das von Swiss Re<br />
initiierte European Wind Turbine Committee,<br />
kurz EWTC. Das EWTC bietet europäischen<br />
Versicherungsunternehmen eine Plattform,<br />
um sich mit Vertretern der Windenergiebranche<br />
wie Windturbinenherstellern,<br />
Projektentwicklern, Eigentümern<br />
und Betreibern von Windrädern, Kreditgebern<br />
und Ingenieuren, über die<br />
neuesten Trends und Technologien auszutauschen.<br />
Zentrales Anliegen einer<br />
solchen Partnerschaft ist die Vertiefung des<br />
Risiko-Know-hows und Entwicklung kostengünstiger<br />
maßgeschneiderter Versicherungsprodukte,<br />
welche die Möglichkeit schaffen, die für<br />
die Erforschung und Einführung erneuerbarer Energieträger<br />
notwendigen Risiken abzudecken. Darüber hinaus hat das EWTC eine<br />
Initiative ins Leben gerufen, mit dem Ziel, verbindliche Mindeststandards<br />
für das Risikomanagement von Offshore-Windenergieprojekten<br />
festzulegen. An diesem Projekt sind Versicherer, Rückversicherer und<br />
Vertreter des Offshore-Sektors beteiligt.<br />
LINK:<br />
www.swissre.com
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // TRANSPORTKÜHLUNG<br />
34<br />
Flüssigstickstoff für sichere Lebensmitteltransporte<br />
Eiskalt unterwegs<br />
Ananas oder Tomaten, Neuseeland-Lamm oder Pazifik-Garnelen: Zu jeder Jahreszeit<br />
füllen Lebensmittel aus der ganzen Welt unsere Supermarktregale. Dass die Waren möglichst<br />
frisch dort ankommen, erfordert eine ausgeklügelte Logistik – und vor allem eine sichere<br />
Kühlkette. <strong>Linde</strong>-Ingenieure haben jetzt ein effizientes und umweltfreundliches System für<br />
die Kühltransporter entwickelt, das mit flüssigem Stickstoff arbeitet.<br />
Autorin: Andrea Hoferichter<br />
Bildquellen: Sung-Il Kim/Corbis, S. Velusceac/Fotolia<br />
↲ ↳<br />
Tropenfrüchte kennen keinen Jetlag. Die Strapazen einer Tausende Kilometer<br />
langen Reise ist den Flugmangos nicht anzusehen. Sie wirken<br />
so frisch, als wären sie gerade erst vom Baum gepflückt worden.<br />
Doch nicht nur Aussehen und Geschmack sind wichtige Kriterien für<br />
qualitativ hochwertige Lebensmittel. Gerade bei Fisch und Fleisch<br />
stehen Hygiene und Gesundheit im Vordergrund: Denn bei unsachgemäßer<br />
Lagerung vermehren sich krankmachende Keime extrem<br />
schnell. Die Anforderungen der Lebensmittelbranche sind hoch –<br />
und sie gelten für Fünfsterne-Restaurants genauso wie für Schnellimbisse<br />
oder den Convenience-Food-Vermarkter.<br />
Eine Schlüsselrolle beim Transport spielt die<br />
niedrige Lagertemperatur: In der Kälte bleiben<br />
nicht nur Nährstoffe und Vitamine besser erhalten,<br />
auch Keime haben bei frostigen Temperaturen<br />
wenig Chancen. „Nur eine lückenlose Kühlkette<br />
kann die Ansprüche an Qualität und Frische erfüllen. Gerade bei<br />
langen Transportwegen oder beim Umladen der Ware vom Schiff<br />
zum Lkw ist das eine knifflige Aufgabe“, sagt Mark Ewig, bei <strong>Linde</strong><br />
weltweit zuständig für strategisches Marketing und Entwicklung im<br />
Bereich Lebensmittel und Getränke. Besonders wichtig sind daher<br />
Fahrzeuge, die die Waren stets gut gekühlt transportieren – vom<br />
Containerhafen zum Großmarkt, zu den Händlern oder in die Restaurants.<br />
Ewig und sein Team haben jetzt für die Lebensmittel-Laster ein<br />
raffiniertes Kühlsystem entwickelt, das mit flüssigem Stickstoff arbeitet –<br />
kurz LIN genannt, abgeleitet von Liquid Nitrogen. Die Idee, das minus<br />
Mehr als 170.000<br />
fahrende<br />
Kältekammern.<br />
196 Grad Celsius kalte Flüssiggas für die Lebensmittelkühlung zu nutzen,<br />
beschäftigte die <strong>Linde</strong>-Ingenieure schon länger. Und mit dem<br />
Kältesystem FROSTCRUISE® ist es ihnen jetzt gelungen.<br />
Die innovative LIN-Kühlung kommt genau zum richtigen Zeitpunkt:<br />
Der Markt für die frostigen Transporte wächst rasant. Allein<br />
in Großbritannien wuchs die Zahl der fahrenden Kältekammern im<br />
Jahr 2012 auf über 170.000, heißt es in einer Studie des Londoner<br />
Marktforschungsinstituts TechNavio. Gegenüber 2010 ist das eine<br />
Steigerung um fast 30 Prozent. FROSTCRUISE® kann zudem mit einem<br />
großen Vorteil punkten: Im Vergleich zu den bekannten<br />
dieselbetriebenen Kühlaggregaten ist das<br />
System umweltfreundlicher, leiser und schneller.<br />
Ein Schlüsselschritt in der Entwicklungsarbeit<br />
war es, die LIN-Kühlung bestmöglich in den Transporter<br />
zu integrieren. Denn die naheliegende<br />
Variante, den Flüssigstickstoff direkt in den Laderaum zu sprühen,<br />
schied aus, weil das Gas den Sauerstoff verdrängt. Die Lieferanten<br />
müssten sonst vor dem Entladen der Ware sehr gründlich lüften,<br />
damit der Sauerstoffgehalt wieder auf erträgliche 18 Prozent steigt.<br />
„Dadurch würde aber viel warme Umgebungsluft in den Transporter<br />
gelangen – und der Frosteffekt wäre schnell dahin“, so Ewig.<br />
Die <strong>Linde</strong>-Ingenieure haben eine bessere Lösung entwickelt:<br />
Der Flüssigstickstoff wird aus einem doppelt isolierten Stahlbehälter<br />
gepumpt, der sich unter dem Lkw-Boden befindet und strömt dann<br />
durch einen Wärmetauscher im Laderaum. „Dadurch kühlt die Luft im
Gut gekühlt auf Reisen:<br />
Mit Flüssigstickstoff sind Fisch und<br />
Fleisch, Obst und Gemüse im Bauch der<br />
Laster vor Wärme bestens geschützt.<br />
TRANSPORTKÜHLUNG // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
35
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // TRANSPORTKÜHLUNG<br />
36<br />
Laderaum ab, ohne sich mit dem Stickstoff zu vermischen“, erklärt<br />
Ewig. Damit sich die Kälte auch bis in den letzten Winkel ausdehnen<br />
kann, sind sechs Hochleistungsgebläse im Laderaum integriert,<br />
die die Luft ständig umwälzen. Drei Geräte sorgen permanent für eine<br />
gemäßigte Zirkulation, die restlichen Gebläse werden – gesteuert<br />
über Sensoren – je nach Bedarf zugeschaltet. In herkömmlichen Kühlsystemen<br />
bringt dagegen nur ein Ventilator Bewegung in die Luft.<br />
Ewig: „Dadurch besteht immer das Risiko, dass nicht alle Produkte<br />
gleichmäßig gekühlt werden – und Schaden nehmen können.“<br />
Füllstationen von <strong>Linde</strong>-Partnern beliefern die Transporter mit<br />
dem notwendigen Flüssigstickstoff. Der LIN-Tank der Kältelaster fasst<br />
maximal 530 Liter. „Wie lange der Vorrat reicht, hängt von mehreren<br />
Faktoren ab – beispielsweise davon, welche Lebensmittel überhaupt<br />
transportiert werden“, erklärt Ewig. Für Eiscreme etwa sind minus<br />
25 Grad Celsius ideal. Tiefgefrorene Fertiggerichte oder Gemüsemischungen<br />
benötigen eine Temperatur von minus 18 Grad – und<br />
frisches Fleisch darf bei maximal vier Grad Celsius transportiert werden.<br />
Sogar Äpfel reisen auf dem Weg zum Kunden bei Kühlschranktemperatur.<br />
Zudem ist für den Stickstoffverbrauch ausschlaggebend,<br />
wie kalt die Produkte beim Einladen sind, und natürlich haben die<br />
Isolierung des Transporters sowie die Außentemperatur Einfluss auf<br />
die erforderliche Gasmenge. Und auch, wie oft der Lkw zum Entladen<br />
geöffnet wird, spielt eine wichtige Rolle. Der <strong>Linde</strong>-Experte<br />
schätzt aber, dass „ein Truck von achteinhalb Metern Länge bei einer<br />
Kühltemperatur von zwei Grad Celsius durchschnittlich zwischen<br />
28 und 40 Liter Stickstoff pro Stunde verbraucht. Eine Tankfüllung<br />
reicht dann also für mindestens zwölf Stunden“, so Ewig.<br />
Weniger Energieverbrauch, bessere CO 2 -Bilanz<br />
Bislang sind fast alle Lebensmitteltransporter mit mechanischen Kühlanlagen<br />
ausgestattet. Dabei treibt ein Dieselgenerator eine Kältemaschine<br />
an, die ähnlich wie der Gefrierschrank zu Hause arbeitet:<br />
Ein Kältemittel wird abwechselnd komprimiert und wieder entspannt.<br />
Dehnt es sich blitzschnell aus, kühlt es ab – und entzieht so seiner<br />
Umgebung die Wärme. Doch die Kombination von Dieselaggregaten,<br />
Kompressoren, Öl und Filter macht die konventionellen Kühlanlagen<br />
auch störanfällig. Das FROSTCRUISE®-System kann auf diese Komponenten<br />
verzichten, ist einfacher aufgebaut und deshalb auch leichter<br />
und kostengünstiger zu warten.<br />
Der entscheidende Vorteil ist aber die verbesserte Klimaverträglichkeit<br />
des neuen Kühlsystems. „Die CO₂-Bilanz fällt deutlich niedriger<br />
aus. Und das ist ein immer wichtigeres Kriterium für unsere Kunden“,<br />
betont Ewig. Zwar benötigt die Produktion von LIN elektrische Energie,<br />
und auch der Transport zu den Stickstofftankstellen schlägt in der CO₂-<br />
Bilanz zu Buche. Doch sobald die flüssige Kälte im Kühlsystem kreist,<br />
sinkt der Energieverbrauch auf Null – und damit auch die Kohlendioxidemissionen.<br />
Konventionelle Aggregate für Lebensmitteltransporte<br />
setzen jeden Tag sogar zwischen 20 und 50 Prozent mehr Treibhausgas<br />
frei als die LIN-Kühlung. Hinzu kommen die Stickoxid- und<br />
rußpartikelhaltigen Emissionen des Dieselgenerators. Das <strong>Linde</strong>-System<br />
benötigt keine klimaschädlichen Kältemittel wie halogenierte Kohlenwasserstoffe,<br />
die in herkömmlichen Anlagen verwendet werden. Ein<br />
wichtiger Aspekt, denn: „Trotz geschlossener Kreisläufe können durch<br />
winzige Leckagen beachtliche Mengen der konventionellen Kühlmittel<br />
in die Umgebung gelangen. „Bis zu einem Liter der Substanzen<br />
kann im Verlauf eines Jahres entweichen“, sagt Ewig: Im Falle<br />
der Stickstoffkühlung sind Leckagen kein Problem, denn als Hauptbestandteil<br />
der Luft ist Stickstoff für die Umwelt völlig unbedenklich.<br />
Vor allem in extrem heißen Gegenden ist das LIN-System vorteilhaft:<br />
Der Flüssigstickstoff kühlt die Waren deutlich schneller herunter<br />
als die herkömmlichen Kältemethoden. Das haben Tests des<br />
Lebensmitteltransporteurs McFood gezeigt, der beispielsweise die<br />
McDonalds-Filialen im tropisch-warmen Malaysia beliefert. Tagsüber<br />
zeigt das Thermometer hier über 30 Grad Celsius im Schatten an, und<br />
nachts fällt es selten unter 20 Grad. Auch bei diesen Temperaturen<br />
müssen Rinderbuletten, Hühnchenflügel und Fischfilets bis zur Verarbeitung<br />
in den Fastfood-Restaurants frisch und genießbar bleiben.<br />
Eine weitere Herausforderung für die Kühlsysteme: „Jedes Mal, wenn<br />
die Tür beim Entladen der Ware geöffnet wird, strömt sehr warme<br />
Luft hinein – und das mehrfach in kurzer Zeit“, beschreibt Ewig
TRANSPORTKÜHLUNG // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
37<br />
Lückenlose Kühlkette:<br />
Damit Lebensmittel bei ihrem<br />
Transport von den Kühlhallen<br />
und Großmärkten (links)<br />
zum Supermarkt (unten<br />
rechts) immer frisch bleiben,<br />
braucht es gut gekühlte<br />
Fahrzeuge. Die <strong>Linde</strong>-Entwicklung<br />
FROSTCRUISE® für Lkw<br />
(unten, links) basiert auf<br />
Flüssigstickstoff – und ist effizient<br />
und umweltfreundlich.<br />
FRost im Frachtraum<br />
Füllstationen von <strong>Linde</strong>-Partnern beliefern die Transporter mit Flüssigstickstoff. Der LIN-Tank eines Kühl-Lkw<br />
umfasst maximal 530 Liter. Im Laderaum sorgen sechs Hochleistungsgebläse für eine gleichmäßige Kälte.<br />
LIN-Tank<br />
Regelventil und<br />
Kontrolleinheit<br />
Temperatursensor<br />
Wärmetauscher<br />
Kältekreislauf<br />
LIN-<br />
Füllstation<br />
Kontrolleinheit<br />
in Fahrerkabine<br />
Kontroll- und<br />
Auffülleinheit<br />
Isolierter Tank für<br />
Flüssigstickstoff (LIN)<br />
die Herausforderung. Denn die Filialen der Fastfood-Kette liegen<br />
nicht weit voneinander entfernt. Beim konventionellen Kühlsystem<br />
kann es nach einer Auslieferung bis zu einer Stunde dauern, um<br />
den Laderaum wieder auf die gewünschte Temperatur abzukühlen.<br />
FROSTCRUISE® braucht dafür selbst bei tropischer Hitze nur knapp<br />
20 Minuten. Und dieser Zeitvorteil ist auch in gemäßigten Klimazonen<br />
wertvoll: In Großbritannien beliefert das <strong>Linde</strong>-Logistikunternehmen<br />
Gist bereits eine der größten Supermarktketten des Landes.<br />
„Vor allem das Potenzial von FROSTCRUISE® begeistert unsere Kunden“,<br />
erklärt Sam de Beaux, <strong>Engineering</strong> Director von Gist. „Die Fahrzeuge,<br />
die wir derzeit einsetzen, sind zwar noch im Entwicklungsprozess<br />
des Vor-Produktionsstadiums. Aber die bisherigen Ergebnisse für den<br />
Einzelbetrieb zeigen, dass das System konkurrenzfähig ist und gleichzeitig<br />
Umweltvorteile bietet“, so de Beaux.<br />
Die neue <strong>Linde</strong>-Entwicklung ist aber nicht nur umweltfreundlich,<br />
sondern auch besonders leise: Das Aggregat läuft mit weniger als<br />
55 Dezibel, also etwa Gesprächslautstärke. Selbst moderne, dieselbetriebene<br />
Systeme sind deutlich lauter. Und ältere Modelle können<br />
laut Ewig durchaus 95 Dezibel erreichen – das entspricht etwa Diskolautstärke.<br />
Die hohen Schallemissionen sind für viele Transporteure<br />
ein echtes Problem: „Denn die meisten Speditionen beliefern ihre<br />
Kunden nachts, um das Verkehrschaos vor allem in großen Städten zu<br />
umgehen. Doch dann gelten in vielen Metropolen strenge Lautstärke-<br />
Grenzen von 60 Dezibel“, erklärt Ewig. Diese Entwicklung begann in<br />
Europa beispielsweise in Paris, London, Amsterdam und Stockholm.<br />
Mittlerweile ist der Lärmschutz aber auch in vielen weiteren europäischen<br />
Großstädten vorgeschrieben. Deshalb müssen Unternehmen,<br />
die auf Dieselaggregate setzen, ihre lärmenden Maschinen aufwendig<br />
mit schallschluckendem Kunststoff ummanteln.<br />
Die <strong>Linde</strong>-Ingenieure um Ewig verfolgen in der Zwischenzeit<br />
schon wieder ganz neue Ideen, um die frostigen Technologien immer<br />
weiter zu verbessern. Wie das neue Konzept allerdings genau funktioniert<br />
und ob flüssiger Stickstoff dabei eine Rolle spielen wird, will<br />
der <strong>Linde</strong>-Manager im Detail noch nicht verraten. „Wenn wir das<br />
System noch effizienter machen können, senkt das den Energieverbrauch,<br />
reduziert die Emissionen und spart zudem bares Geld. Das ist<br />
sicher der überzeugendste Mehrwert für den Kunden“, so Ewig. Aber<br />
auch noch klimafreundlichere Methoden stehen auf dem Plan der<br />
Kälte-Experten. Denn für immer mehr Menschen gilt: Nicht nur das<br />
Auge, sondern auch das Umweltgewissen isst mit.<br />
LINK:<br />
www.linde-gas.com
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // KUNSTSTOFFVERARBEITUNG<br />
38<br />
Stickstoff senkt Kosten in der Autoteile-Fertigung<br />
Plastik unter Druck<br />
Immer öfter setzen Autobauer ihre Fahrzeuge auf Diät und nutzen Kunststoff statt Stahl oder Glas.<br />
Das spart Gewicht und damit Sprit – und bietet auch den Designern neue Freiheiten. <strong>Linde</strong>-<br />
Experten haben innovative Produktionssysteme entwickelt, die mit Hochdruck-Stickstoff arbeiten.<br />
Die Pfunde müssen weichen: Nicht nur die Elektromobilität stellt<br />
neue Anforderungen an die Autobauer. Bereits heute zahlt sich jedes<br />
Kilogramm weniger an der Tankstelle aus. Autoingenieure setzen<br />
auf eine extreme Material-Diät, und Hightech-Kunststoffe verwandeln<br />
Fahrzeuge in Leichtgewichte. Komponenten aus diesen<br />
Materialien wiegen durchschnittlich etwa 50 Prozent weniger als<br />
Materialien aus Glas oder Metall. Ob Armaturen, Stoßstangen oder<br />
Autositze: Robuste Plastikbauteile machen mittlerweile bis zu 15 Prozent<br />
des Gesamtgewichts eines Autos aus – Tendenz steigend. Nur<br />
so lassen sich Treibstoffverbrauch und CO₂-Ausstoß drosseln und die<br />
Reichweite von Batterie- oder Brennstoffzellenautos steigern.<br />
Kunststoffe haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie lassen<br />
sich im Spritzgießverfahren leicht verarbeiten und die Werkstoffeigenschaften<br />
sehr gut auf die Anwendung abstimmen. Die Autoindustrie<br />
arbeitet immer häufiger mit der Gas-Innendruck-Technik: Dabei<br />
spritzt ein so genannter Extruder den verflüssigten Kunststoff unter<br />
hohem Druck in eine Spritzgussform, die Kavität. Anschließend presst<br />
man gasförmigen Stickstoff in die Schmelze und verdrängt so einen<br />
Teil des Kunststoffs, beispielsweise in eine Nebenkavität. Der Gasdruck<br />
wird aufrechterhalten, bis das Bauteil ausgehärtet ist und aus<br />
der Form genommen wird. Das fertige Kunststoffelement ist also<br />
innen hohl. Das spart Material und Gewicht. „Dennoch ist das spätere<br />
Bauteil ausreichend steif und formstabil“, erklärt Rolf Heninger, Leiter<br />
des Bereichs Plastics & Cryogenics bei der <strong>Linde</strong> Gases Division.<br />
„Zudem sorgt der hohe Gasdruck dafür, dass die Kunststoffmasse<br />
die Form präzise ausfüllt – und beim Abkühlen nicht schrumpft“, so<br />
Heninger. Er und seine Kollegen haben die Versorgung mit Hochdruck-Stickstoff<br />
jetzt mit einem neuartigen Gasversorgungssystem<br />
noch effizienter gestaltet. Denn die Gas-Innendruck-Technik<br />
benötigt oft Drücke von mehr als 300 Bar. Für konventionelle Kompressoren<br />
bedeutet das, physikalisch bedingt, einen enormen<br />
Energieaufwand. <strong>Linde</strong> geht mit seiner Druckerhöhungsanlage<br />
PRESUS® N10 einen anderen Weg: Anstatt das Gas zu verdichten,<br />
fördert das System flüssigen Stickstoff mit Drücken von bis zu 350 Bar
KUNSTSTOFFVERARBEITUNG // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
39<br />
Werkstoffmix auf vier Rädern<br />
Ein typischer Mittelklassewagen ist heute eine<br />
bunte Mischung aus verschiedenen Materialien,<br />
die leicht und trotzdem stabil sind.<br />
13 %<br />
14 % 6 %<br />
2 %<br />
Stahl<br />
Gusseisen<br />
Fluide<br />
Elastomere<br />
Glas<br />
Aluminium<br />
• Kunststoffe<br />
Sonstige<br />
5 %<br />
3 %<br />
4 %<br />
53 %<br />
Quelle: polymotive<br />
Autor: Sven Titz<br />
↳ Bildquellen: <strong>Linde</strong> AG, dpa/picture-alliance<br />
↲<br />
Hightech-Karossen: Kunststoffe machen Fahrzeuge nicht nur stabil<br />
und spritsparend, sondern ermöglichen auch futuristische Designs.<br />
zu Hochdruck-Verdampfern. „Dort wird das Gas bei unverändertem<br />
Druck über die Umgebungswärme verdampft“, erklärt Heninger. Und<br />
das senkt die Kosten für Kunststoff-Verarbeiter: PRESUS® N10 spart so<br />
rund 90 Prozent Energie im Vergleich zu üblichen Gaskompressoren.<br />
Kühler Stickstoff für kürzere Taktzeiten<br />
Zu der hohen Energieeffizienz tragen noch weitere Faktoren bei.<br />
So muss die Kolbenpumpe für die Gasverdichtung nicht permanent<br />
arbeiten: „Sobald die Pumpe den benötigten Arbeitsdruck des Stickstoffs<br />
erreicht hat, bleibt sie einfach stehen. Das wirkt sich auch positiv<br />
auf die Wartungsintervalle aus“, sagt Heninger. Darüber hinaus ist<br />
PRESUS® N10 sehr robust. „Im Prinzip könnte das System ein Jahr<br />
lang ununterbrochen laufen – das ist für unsere Kunden natürlich ein<br />
großer Vorteil“, so der <strong>Linde</strong>-Experte. Denn beim harten Wettbewerb,<br />
dem die Automobilzulieferer ausgesetzt sind, zählt jede Produktionsminute.<br />
Und auch die Qualität des Stickstoffs erhöht sich, denn konzeptbedingt<br />
kommt er an keiner Stelle mit Schmieröl in Kontakt. So<br />
entstehen keine Verunreinigungen wie bei herkömmlichen Kompressoren.<br />
Die PRESUS® N10-Anlage hat zudem bei vergleichbaren<br />
Investitionskosten eine vielfach höhere Förderleistung. Und sie deckt<br />
einen Bereich ab, für den Kryopumpen meist zu groß sind.<br />
Leichte und trotzdem stabile Kunststoffe sind auch in der Luftfahrt-<br />
und Elektronikindustrie gefragt. Mit dem Gasversorgungsystem<br />
PRESUS® N10 lassen sich auch die Gehäuse von Laptops effizienter<br />
per Gas-Innendruck-Technik herstellen. Zudem bietet es für weitere<br />
Hochdruckanwendungen eine vielversprechende Alternative: So liefert<br />
das System bereits Hochdruck-Stickstoff für das so genannte<br />
thermische Spritzen, ein Oberflächenbeschichtungsverfahren. Auch<br />
beim eigentlichen Herstellungsprozess, dem Abkühlungsprozess<br />
der Plastikmasse, steigert die <strong>Linde</strong>-Lösung die Wirtschaftlichkeit:<br />
Die Taktzeiten in der Kunststoffproduktion können mehrere Minuten<br />
betragen, bevor das Spritzguss-Bauteil aus der Form entnommen<br />
werden kann. Das neue System zur Innenkühlung, das so genannte<br />
Inner Cooling, verkürzt diese Zeiten dank eines zusätzlichen Gasinjektors:<br />
Durch einen zweiten Einlass strömt kühler Stickstoff in den<br />
Hohlraum des heißen Plastikteils. Das vorhandene, warme Gas entweicht<br />
durch den ursprünglichen Injektor. „Mit der Innenkühlung<br />
härtet der Kunststoff viel schneller aus und senkt die Taktzeit um<br />
bis zu 50 Prozent“, erklärt Heninger. Zudem werden die Innenseiten<br />
der Bauteile dadurch glatter. Um die Innenkühlung auch mit herkömmlichen<br />
Gas-Innendruck-Regelmodulen zu betreiben, hat <strong>Linde</strong><br />
ein Zusatzelement zum Umschalten und Spülen entwickelt.<br />
Jetzt wollen die <strong>Linde</strong>-Ingenieure die Effizienz des Spritzgießprozesses<br />
noch weiter verbessern – beispielsweise mit einem Verfahren<br />
zum „Inertisieren“ der Formen: Das Einleiten von Stickstoff soll verhindern,<br />
dass der flüssige Kunststoff beim Befüllen der Form mit dem<br />
Sauerstoff der Luft reagiert und störende Rückstände bildet. „Das<br />
Ziel ist, über die Inertisierung den Wartungsbedarf zu verringern<br />
und die Produktivität zu steigern“, erklärt Heninger. Eine weitere<br />
neue Entwicklung: „Wir sehen CO₂ als attraktive Alternative zur verbreiteten<br />
Innendruck-Technik mit Wasser“, sagt Heninger. Denn CO 2<br />
besitzt ähnlich gute thermodynamische Eigenschaften, vermindert<br />
aber die Gefahr, dass die Spritzguss-Werkzeuge durch Feuchtigkeit<br />
beeinträchtigt werden. Ein Serieneinsatz steht kurz bevor. „Die entwickelten<br />
Verfahren machen die Herstellung von Kunststoffbauteilen<br />
einfacher, schneller, präziser und kostengünstiger“, so Heninger.<br />
Vor allem aber sparen die <strong>Linde</strong>-Lösungen eine Menge Energie.<br />
LINK:<br />
www.lindeplastics.com
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Gusseisen<br />
40<br />
Energieeffizienz in der Gießereitechnik steigern<br />
Sauerstoff-Turbo<br />
für Schmelzöfen<br />
Zur Produktion von Gusseisen wird viel Energie benötigt. Aber seine besonderen Eigenschaften<br />
machen den bewährten Werkstoff unverzichtbar für Wasserrohre, Autos und Maschinenteile.<br />
<strong>Linde</strong>-Ingenieure haben jetzt zusammen mit Gießerei-Experten das Herstellungsverfahren mit<br />
innovativer Sauerstofftechnik verbessert. Das schont Ressourcen und Geldbeutel.<br />
Durch diese Pipelines fließt unser Lebenselixier: Gusseiserne Wasserleitungen<br />
durchziehen die Böden der Welt. Ohne das flüssige Nass<br />
würden nicht nur ganze Industriezweige stillstehen, auch Privathaushalte<br />
säßen auf dem Trockenen ohne eine sichere Versorgung<br />
mit sauberem Trinkwasser. Und für die Rohre zu dessen Transport<br />
behauptet sich der jahrtausendealte Werkstoff Gusseisen heute<br />
immer noch – trotz starker Konkurrenz durch moderne Hightech-<br />
Materialien. Die Industrie nutzt diese kohlenstoff- und siliziumreiche<br />
Eisenlegierung aber auch für andere Erzeugnisse wie Kanaldeckel,<br />
Eisenbahn-Bremsbacken, Getriebegehäuse, Fahrwerkskomponenten<br />
oder Maschinenteile. Denn Gusseisen<br />
besitzt eine hohe Festigkeit und Dichtheit, lange<br />
Lebensdauer, gute Korrosionsbeständigkeit und<br />
Formbarkeit sowie eine außergewöhnlich hohe<br />
Druckfestigkeit. „Deshalb eignet sich Gusseisen<br />
besonders für Rohre zur Versorgung mit Wasser,<br />
Gasen und Chemikalien“, erklärt Heinz Kadelka,<br />
Leiter des Gießereiteams bei <strong>Linde</strong> Gas Deutschland.<br />
Aber die Produktion der Mini-Pipelines ist<br />
extrem energieintensiv. Angesichts steigender Energiepreise und<br />
der CO₂-Problematik hat das Thema Energieeffizienz in den letzten<br />
Jahren stark an Bedeutung gewonnen.<br />
Zur Herstellung des Gusseisens setzen viele Gießereien auf die<br />
bewährte Technik der Schachtöfen – auch Kupolöfen genannt. Rund<br />
tausend dieser Schmelzöfen gibt es auf der Welt. Die Technologie ist<br />
zwar einfach und weit verbreitet, aber seit jeher auch ressourcenintensiv.<br />
„Erst in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Forschung<br />
eingehender mit Kupolöfen beschäftigt“, erklärt Kadelka. Zusammen<br />
mit seinen Kollegen und Experten der Fusoris <strong>Engineering</strong><br />
GmbH sowie der Gießerei Düker im bayerischen Karlstadt hat der<br />
50 Prozent<br />
weniger<br />
Abgase bei der<br />
Gusseisen-<br />
Produktion.<br />
<strong>Linde</strong>-Ingenieur jetzt eine Technologie entwickelt, die bei Gießerei-<br />
Schachtöfen in puncto Energieeffizienz neue Standards setzt: Das<br />
Verfahren High Efficiency Furnace, kurz HEF genannt, reduziert die<br />
Abgas-Emissionen sowie den Energie- und Materialverbrauch des<br />
Düker-Kupolofens deutlich – ohne negative Auswirkungen auf die<br />
Werkstoffgüte. „Zum Teil konnten wir die Qualität des hergestellten<br />
Gusseisens sogar noch erhöhen“, sagt Kadelka.<br />
Geschafft haben die <strong>Linde</strong>-Experten diese Einsparungen durch<br />
den innovativen Einsatz von Sauerstoff. Üblicherweise wird nur<br />
gewöhnliche Luft, der so genannte „Wind“, durch mehrere Düsen in<br />
den unteren Teil eines Kupolofens geblasen. Wenn<br />
sich der Koks entzündet, entstehen Kohlendioxid<br />
und Kohlenmonoxid. Die heißen Gase strömen<br />
nach oben und erwärmen dabei das abwechselnd<br />
mit Koks im Kupolofen geschichtete Eisen. Zusammen<br />
mit dem Stickstoff (N₂) aus der Luft bilden<br />
Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO₂) das<br />
so genannte Gichtgas. Um schädliche Emissionen<br />
zu vermeiden, saugen die meisten Gießereien das<br />
Abgas im oberen Teil des Kupolofens ab und leiten es in eine separate<br />
Brennkammer. Dort wird zum einen das Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid<br />
nachverbrannt, zum anderen werden möglicherweise vorhandene<br />
organische Schadstoffe zerstört. Die Hitze dieses Verbrennungsprozesses<br />
wird wiederum genutzt, um den „Wind“ vorzuwärmen.<br />
Beim HEF-Verfahren nutzen die <strong>Linde</strong>-Ingenieure das Gichtgas auf<br />
andere Weise. Der Trick ist ein geschickter Gas-Kreislauf, der die chemische<br />
Energie der Abgase besonders effizient nutzt: Denn einen Teil<br />
des heißen Gases saugt man ab und bläst diesen dann erneut in den<br />
Ofen. Vor dieser so genannten Eindüsung wird das Gichtgas in einer<br />
Mischkammer mit reinem Sauerstoff aus einem Tank angereichert.
Gusseisen // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
41<br />
Autorin: Ute Kehse<br />
Bildquellen: <strong>Linde</strong> AG, Dieter Klein/laif<br />
↲<br />
↳<br />
Das Gemisch gelangt dann über drei wassergekühlte Kupferdüsen –<br />
einer Spezialentwicklung von Kadelka und seinen Kollegen sowie<br />
Fusoris <strong>Engineering</strong> – direkt in die Koksschicht. „Neben einer optimierten<br />
Ausnutzung der thermischen Energie verbessert sich so auch<br />
die technische Nachverbrennung“, sagt Kadelka. Denn die benötigte<br />
Windmenge sinkt um etwa 50 Prozent. Weil weniger Luft in den Ofen<br />
geleitet wird, reduziert sich zum einen die Wärmemenge, um die Luft<br />
– vor allem den nicht an der Verbrennung beteiligten Stickstoff – erst<br />
einmal aufzuwärmen. Die Effizienz der Verbrennung wird sogar noch<br />
gesteigert, weil das mit Sauerstoff angereicherte Gichtgas bis zu<br />
30 Prozent des brennbaren Gases Kohlenmonoxid enthält. „Kohlenmonoxid<br />
ist im Grunde reine Energie“, sagt Kadelka. Aber die ideale Verbrennungsatmosphäre<br />
in einem Kupolofen einzustellen, ist durchaus<br />
eine Kunst. „Man kann Koks zum Beispiel nicht beliebig reduzieren<br />
oder durch ein anderes Brennmaterial ersetzen, weil er den Kohlenstoff<br />
für das Gusseisen liefert“, sagt Heinz Kadelka. Das Gichtgas<br />
muss genau die richtige Mischung aus Kohlendioxid und Kohlenmonoxid<br />
aufweisen. Je nach Temperatur zerfällt ein gewisser Teil des<br />
CO₂ zu CO – ein Prozess, der Energie verbraucht. „Entsteht zu viel<br />
Kohlenmonoxid, wird der Ofen kalt“, sagt Kadelka.<br />
Kosten sparen – mit umweltschonenden Prozessen<br />
Diese Gefahr sieht Kadelka allerdings beim HEF-Verfahren nicht.<br />
Und nach einjähriger erfolgreicher Testphase ging die Düker-<br />
Anlage Mitte 2012 in Betrieb. Im Probelauf konnten die <strong>Linde</strong>-<br />
Experten beeindruckende Einsparungen erzielen: Der Verbrauch an<br />
Koks reduzierte sich um 27 Prozent und der CO₂-Ausstoß sank um<br />
20 Prozent. Die Abgasmenge verringerte sich insgesamt um mehr<br />
als die Hälfte – und der gesamte Schmelzprozess konnte deutlich<br />
beschleunigt werden.<br />
Aber das HEF-Verfahren schont nicht nur die Umwelt, sondern<br />
auch den Geldbeutel, betont Kadelka: Bei einer Gießerei, die<br />
30.000 Tonnen Koks im Jahr verbraucht, bedeuten zwei Prozent weniger<br />
bereits eine Einsparung von 300.000 Euro. Bei einem bestimmten<br />
Ofentyp, dem so genannten Kaltwind-Ofen, kann das HEF-Verfahren<br />
zudem die Betriebsdauer erheblich verlängern. „Diese Öfen müssen<br />
normalerweise nach einem Tag aufwendig gereinigt werden. Viele Gießereien<br />
haben daher zwei Öfen, die im Wechsel laufen“, sagt Kadelka.<br />
Wie sich gezeigt hat, können Kaltwind-Öfen mit HEF-Verfahren<br />
fünf, vielleicht sogar sieben Tage am Stück arbeiten. „So können die<br />
Gießereien ihre Produktionsleistung ohne Neuinvestition steigern“,<br />
sagt Kadelka. Die Gießereien haben großes Interesse – und eine<br />
Modernisierung des Schmelzverfahrens würde dann gleich auf vielfache<br />
Weise zur Ressourcenschonung beitragen.<br />
LINK:<br />
www.thewfo.com<br />
Heiße Schmelze: Die Gusseisen-Produktion (links)<br />
lässt sich mit dem HEF-Verfahren (High Efficiency<br />
Furnace) deutlich effizienter und umweltschonender<br />
gestalten. Der robuste Werkstoff ist vor allem für<br />
Trinkwasserrohre (oben) unverzichtbar.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Healthcare<br />
42<br />
Arzneimittel:<br />
Medizinische Gase werden im<br />
Operationssaal eingesetzt.<br />
Ersthelfer: Medizingase<br />
im Notfallkoffer.<br />
Umfassende Lösungen für den Gesundheitsbereich<br />
An der Seite des Patienten<br />
Wer Patienten mit Medizingasen versorgt, trägt eine große Verantwortung. Denn an den<br />
Atemmasken und Schläuchen hängt nicht nur ein Sauerstoffgerät, sondern oft auch ein<br />
Menschenleben. <strong>Linde</strong> Healthcare bietet Patienten ebenso wie Ärzten und Therapeuten<br />
individuelle Lösungen, die weit über die reine Medizingase-Versorgung hinausreichen.<br />
Atmen heißt Leben – und läuft meist unterbewusst. Doch sobald sich<br />
ein Engegefühl in der Brust ausbreitet, bekommen Lunge und Atemwege<br />
die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht. Genau hier setzt <strong>Linde</strong><br />
Healthcare an: Wenn Menschen, egal welchen Alters, Hilfe beim Atmen<br />
oder eine andere Atemwegstherapie brauchen. Die <strong>Linde</strong>-Experten<br />
kennen die Not der Patienten und versorgen zum Beispiel Menschen<br />
mit einer chronischen Atemwegserkrankung wie der chronisch obstruktiven<br />
Bronchitis (COPD) mit medizinischem Sauerstoff oder verabreichen<br />
ihnen während eines schmerzvollen Eingriffs ein inhalierbares,<br />
schmerzlinderndes Medizingasegemisch. Doch die Patienten<br />
und das medizinische Umfeld mit Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften<br />
benötigen oft mehr als die reinen Medizingase. „Wir begleiten<br />
alle Akteure entlang der kompletten medizinischen Versorgungs-<br />
kette: vom Notfalleinsatz über Untersuchungen beim Haus- oder<br />
Facharzt und die Behandlung im Akutkrankenhaus bis hin zur Nachsorge<br />
in einer Rehaklinik oder bei der Langzeittherapie zuhause“,<br />
sagt Kenth Drott, Leiter Hospital Care bei <strong>Linde</strong> Healthcare.<br />
Die Experten von <strong>Linde</strong> Healthcare beraten auch individuell bei<br />
der Auswahl der passenden Geräte. Ein Service, den insbesondere<br />
große Krankenhäuser zu schätzen wissen: „Wir Ärzte müssen uns<br />
nicht nur darauf verlassen können, dass die medizinischen Gase von<br />
höchster Qualität und Reinheit sind, sondern auch auf die technische<br />
Ausstattung, mit der die Gase den Patienten verabreicht werden“,<br />
sagt Dr. Francisco López, Leiter der Clínica Pichincha in Quito, Ecuador.<br />
Mit den QI (Quality Improvement) Medical Gas Services bietet <strong>Linde</strong><br />
Healthcare Komplettlösungen im Management von Medizingasen. Denn<br />
Autorin: Clara Steffens<br />
↳ Bildquellen: <strong>Linde</strong> AG (2), Getty Images (2)<br />
↲
Healthcare // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
43<br />
Intensivpflege:<br />
Das medizinische REMEO®-Center ist<br />
auf Langzeitbeatmung spezialisiert<br />
und hilft Patienten, wieder selbständig<br />
atmen zu lernen.<br />
Reisebegleiter:<br />
Tragbare Sauerstoffgeräte<br />
ermöglichen<br />
dem Patienten, mobil<br />
zu sein.<br />
auch das Personal muss zum Beispiel im korrekten Umgang mit den<br />
Gasen geschult werden. <strong>Linde</strong> Healthcare geht daher noch einen<br />
Schritt weiter und hat das gesamte Medizingasesystem und alle damit<br />
verbundenen Prozesse seiner Kunden im Blick. Diese unterliegen<br />
oft strengen Anforderungen im Hinblick auf Sicherheitsvorschriften.<br />
Das breite Angebot der QI Medical Gas Services garantiert deshalb<br />
nicht nur beste Qualität. Die Experten von <strong>Linde</strong> Healthcare beraten<br />
ihre Kunden auch und eröffnen ihnen Möglichkeiten, wie sich Sicherheit,<br />
Verlässlichkeit und Effizienz in der Gaseversorgung etwa in der Krankenhausumgebung<br />
verbessern lassen. Die Kunden wissen dieses Angebot<br />
zu schätzen: „<strong>Linde</strong> Healthcare ist für uns nicht nur Lieferant, sondern<br />
ein verlässlicher Partner“, so López. <strong>Linde</strong> Healthcare arbeitet seit Langem<br />
auf diesem Gebiet. Und die Mitarbeiter wissen, dass es gerade<br />
bei Notfällen zum Beispiel keine Verzögerungen oder Engpässe<br />
geben darf. Die <strong>Linde</strong>-Experten kommen deshalb in die Klinik, um<br />
die besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden zunächst genau<br />
zu ermitteln – und entwickeln dann individuelle Lösungen.<br />
<strong>Linde</strong> Healthcare hat alle Patienten im Fokus, die eine Atemwegserkrankung<br />
haben. Während COPD-Patienten noch lange Zeit<br />
aus eigener Kraft atmen können und lediglich mit zusätzlichem<br />
Sauerstoff versorgt werden müssen, haben Menschen mit Muskeldystrophie,<br />
Multipler Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose<br />
häufig schon in jungen Jahren nicht mehr die Kraft, ihren Brustkorb<br />
zu heben und damit einen Unterdruck für den Gasaustausch<br />
zu erzeugen. Sie müssen mit Überdruck künstlich beatmet<br />
werden. Unfallopfer können oftmals von der Atemhilfe „entwöhnt“<br />
werden, doch dieser Prozess dauert mehrere Wochen. <strong>Linde</strong> Healthcare<br />
errichtet weltweit so genannte REMEO®-Center, in denen die<br />
Patienten und ihre Familien auf eine Heimkehr nach Hause vorbereitet<br />
werden. Auch Patienten mit einer Sauerstofftherapie können außerhalb<br />
der Klinik auf Angebote von <strong>Linde</strong> Healthcare zurückgreifen:<br />
„In Großbritannien haben wir zum Beispiel ein neues Rehabilitationsangebot<br />
etabliert, das die Lebensqualität von Patienten mit<br />
COPD verbessert“, erklärt Heike Thiele, Leiterin Homecare bei <strong>Linde</strong><br />
Healthcare. In einem achtwöchigen Übungs- und Schulungsprogramm<br />
treffen die Teilnehmer andere Betroffene, treiben Sport und erhalten<br />
Tipps zur richtigen Ernährung. „Das senkt die Wahrscheinlichkeit für<br />
einen erneuten stationären Aufenthalt“, so Thiele. „Mit einer Sauerstofftherapie<br />
gewinnen viele Patienten wieder Bewegungsfreiheit<br />
und vor allem Sicherheit zurück.“<br />
Ob in der Gymnastikhalle einer Reha-Einrichtung, auf der Intensivstation,<br />
im Notarztwagen oder bei der Lieferung einer Sauerstoffflasche<br />
oder eines -konzentrators: „Überall wo <strong>Linde</strong> Healthcare unterwegs<br />
ist, steht die Sicherheit für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal an<br />
oberster Stelle“, betont Drott. Denn er und seine Kollegen wissen: Die<br />
Betroffenen sind auf die Versorgung mit den Medizingasen angewiesen<br />
– und können so erst wieder ein selbstbestimmtes Leben führen.<br />
LINK:<br />
www.Blindtext.com<br />
LINK:<br />
www.linde-healthcare.com
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Interview<br />
44<br />
Dr. Christian Wojczewski, Leiter der globalen<br />
Geschäftseinheit Healthcare, <strong>Linde</strong> AG<br />
Interview<br />
„Es geht um ganzheitliche<br />
Gesundheitsversorgung“<br />
Dr. Christian Wojczewski, Leiter der globalen Geschäftseinheit Healthcare bei der <strong>Linde</strong> AG,<br />
erläutert, wie das Unternehmen sein Geschäft mit medizinischen Gasen, Geräten, Dienstleistungen<br />
und medizinischer Versorgung in dem vom demografischen Wandel geprägten<br />
Wachstumsmarkt aufstellt.<br />
↳<br />
Worin unterscheidet sich das Geschäft mit medizinischen<br />
Gasen vom Handel mit Industriegasen?<br />
Der entscheidende Unterschied ist der Patient. Unsere Medizingase<br />
werden nahezu täglich direkt von Menschen genutzt<br />
– bei Therapien für Neugeborene ebenso wie für Langzeitpatienten.<br />
Oft sind diese Therapien für die Betroffenen sogar<br />
überlebenswichtig. Das hat für unsere Produkte, Dienstleistungen<br />
und unsere Arbeit weitreichende Konsequenzen:<br />
Wir müssen bei den jeweils zuständigen Gesundheitsbehörden<br />
eine Zulassung für unsere Medizinprodukte beantragen.<br />
Auch nach der Markteinführung werden sie auf Arzneimittelsicherheit<br />
sowie auf andere Standards wie etwa die<br />
„Good Manufacturing Practice (GMP)“ überprüft. Das hat<br />
seine Berechtigung. Denn bei einem medizinischen Notfall<br />
dürfen die eingesetzten Produkte keine Qualitätsmängel<br />
↳<br />
aufweisen. Ärzte und Pflegepersonal zählen in diesen Momenten<br />
auf uns. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst.<br />
Die Arbeit von <strong>Linde</strong> Healthcare geht also weit über<br />
die reine Bereitstellung von Medizingasen hinaus?<br />
Auf alle Fälle. Wir haben viele Dienstleistungen und<br />
Therapien im Angebot, die sich entweder an die Mitarbeiter<br />
im Gesundheitswesen oder direkt an die Patienten<br />
richten. Zum Beispiel kümmern wir uns um alle praktischen<br />
Einzelheiten beim Monitoring und der Instandhaltung<br />
der Gaseleitungen in einem Krankenhaus. Außerdem<br />
schulen wir das medizinische Fachpersonal im Umgang<br />
mit den Medizingasen und in der korrekten Anwendung<br />
der Therapien. Auch bei der häuslichen Versorgung<br />
können sich Patienten, die eine Sauerstofftherapie benöti-
Interview // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
45<br />
gen oder die eine andere Atemwegserkrankung haben – wie<br />
beispielsweise Schlafapnoe – auf uns verlassen: Wir beraten<br />
bei der Auswahl der passenden Therapie, bei der Bedienung<br />
der technischen Geräte und liefern Medizingase. Wir helfen<br />
aber auch bei Fragen rund um Ernährung oder Bewegung<br />
weiter. In Zukunft werden wir unsere medizinischen Kompetenzen<br />
noch weiter entwickeln. Wir wollen vom reinen Gaselieferanten<br />
zum Anbieter kompletter Healthcare-Lösungen<br />
werden.<br />
↳ Welche Innovationen gibt es bei <strong>Linde</strong> Healthcare?<br />
Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung neuer Produkte,<br />
Apparate und Dienstleistungen, die zu unserem Klinik- und<br />
Homecare-Geschäft passen. Unser Produkt INOmax® war<br />
beispielsweise das erste medizinische Gas, das 2001 als<br />
Medikament zur Behandlung von Neugeborenen mit Lungenfunktionsstörung<br />
von der Europäischen Arzneimittelagentur<br />
EMA zugelassen wurde. Im März 2011 haben wir eine weitere<br />
Zulassung der EMA erhalten: INOmax® kann seither auch<br />
bei peri- und postoperativem Lungenhochdruck in Verbindung<br />
mit einer Herzoperation eingesetzt werden. Das Gasmischgerät<br />
für Distickstoffmonoxid SEDARA® ist von der amerikanischen<br />
Arzneimittelbehörde FDA zugelassen und in den<br />
USA auf den Markt gebracht worden. Und mit der <strong>Linde</strong>-Integrated-Valve-Technologie<br />
– kurz LIV® – haben wir zudem ein<br />
mobiles Flaschensystem entwickelt, das sehr bedienungsfreundlich<br />
ist und zudem ein hohes Maß an Sicherheit für<br />
Ärzte, Krankenschwestern sowie Patienten gewährleistet.<br />
Und mit QI Medical Gas Services bieten wir Audits und Dienstleistungen<br />
zur technischen Instandhaltung der Gaseversorgung<br />
in Krankenhäusern an. Auch Kryobanken zum Einfrieren<br />
von biologischem Material gehören zu unserem Produktportfolio.<br />
REMEO® – unser Versorgungskonzept für langzeitbeatmete<br />
Patienten – eröffnet darüber hinaus für <strong>Linde</strong> Healthcare<br />
ein völlig neues Geschäftsmodell. Es bietet beatmeten Patienten<br />
die Möglichkeit, außerhalb der akutmedizinischen Versorgung<br />
sowie zu Hause weiter betreut und gepflegt zu werden.<br />
↳ Welche Trends beobachten Sie im Bereich Healthcare?<br />
Der Gesundheitssektor wird hauptsächlich vom demografischen<br />
Wandel geprägt. Die Zahl an älteren Menschen<br />
wächst stetig – und damit auch der Pflegebedarf. Zudem<br />
haben sich die Diagnoseverfahren und Therapien für chronische<br />
Erkrankungen erheblich weiterentwickelt. Daraus<br />
ergeben sich für uns viele neue Geschäftsmöglichkeiten.<br />
Andererseits ist der Kostendruck auf Klinikbetreiber, vor allem<br />
in den westlichen Märkten, enorm. Sie müssen ihre Häuser<br />
immer effizienter und kostendeckender aufstellen. Das<br />
bekommen auch wir zu spüren. Viele Kliniken konzentrieren<br />
sich zudem verstärkt auf die akute Patientenversorgung.<br />
Doch nicht jeder Patient kann nach einer Akutbehandlung<br />
sofort nach Hause.<br />
↳ Wie wirken sich diese verschärften Rahmenbedingungen<br />
auf <strong>Linde</strong> Healthcare aus?<br />
↳<br />
Wir haben immer mehr Kunden jenseits des Klinikgeschäfts<br />
– mit veränderten Anforderungen. So beobachten wir, dass<br />
sich viele Gesundheitsleistungen jetzt auf Bereiche außerhalb<br />
der Kliniken verlagern. Zudem sehen wir einen immer<br />
größer werdenden Bedarf an Übergangseinrichtungen für<br />
Patienten mit Atemwegserkrankungen. Die Nachfrage nach<br />
Rehabilitationsangeboten, Pflegeeinrichtungen und Ärztezentren<br />
steigt. Unsere REMEO®-Center zielen in diese Richtung.<br />
Zunehmend wichtiger werden auch ambulante OP-Zentren,<br />
die sich auf kleinere Eingriffe, die früher nur im Krankenhaus<br />
durchgeführt wurden, spezialisiert haben. Insgesamt<br />
bedeutet dies, dass wir die Patienten mit all ihren Bedürfnissen<br />
immer ganzheitlicher im Blick haben müssen. Zudem<br />
werden neue Entwicklungen wie auf dem Gebiet der Telemedizin<br />
den Patienten ganz neue Freiheiten eröffnen. Sie<br />
können zu Hause bleiben – und wissen dennoch, dass Parameter<br />
wie Blutdruck und Sauerstoffsättigung medizinisch<br />
überwacht werden.<br />
Welche Ziele haben Sie sich in diesem dynamischen<br />
Umfeld gesetzt?<br />
Wir wollen in den kommenden Jahren unsere Position in den<br />
großen Healthcare-Regionen Europa und Amerika weiter<br />
stärken – mit verlässlicher Qualität und als Partner Nummer<br />
eins für Patienten, Kostenträger und Beschäftigte im Gesundheitswesen.<br />
Dank strategischer Zukäufe sind wir im Bereich<br />
Homecare jetzt auch global bestens aufgestellt: Mit der Übernahme<br />
des kontinental-europäischen Homecare-Geschäfts<br />
von Air Products können sich jetzt mehr als 250.000 weitere<br />
Patienten auf uns als Partner verlassen. Und mit der Akquisition<br />
des US-amerikanischen Homecare-Unternehmens Lincare<br />
ist uns ein noch größerer Vorstoß in den mit Abstand größten<br />
Homecare-Markt der Welt gelungen. <strong>Linde</strong> Healthcare betreut<br />
heute mehr als 1,3 Millionen Patienten weltweit. Auch in den<br />
aufstrebenden Volkswirtschaften nehmen wir eine führende<br />
Stellung ein. Dabei konzentrieren wir uns zum Beispiel auf<br />
neue Märkte in Ländern wie Brasilien, Russland, Indien und<br />
China. Wir sind weltweit die Nummer eins im Bereich medizinischer<br />
Gase sowie der entsprechenden Service- und Beratungsleistungen.<br />
Und auch auf dem Gebiet der Atemwegstherapien<br />
im häuslichen Bereich sind wir der weltweit<br />
größte Anbieter. Diese Position wollen wir weiter ausbauen.<br />
LINK:<br />
www.linde-healthcare.com
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Healthcare<br />
46<br />
<strong>Linde</strong> Healthcare: Partner für Ärzte, Patienten und Pflegekräfte<br />
Die Medizingase-Welt<br />
Notärzte verabreichen<br />
medizinischen<br />
Sauerstoff<br />
aus Gasflaschen in<br />
einem kompakten<br />
Notfallrucksack.<br />
Ein Arzt überprüft die Atemfunktion<br />
einer Patientin mithilfe eines Lungenfunktionstests.<br />
20.000 Atemzüge: So oft holt ein gesunder Erwachsender täglich Luft, die<br />
hauptsächlich aus Sauerstoff und Stickstoff besteht. Aber auch andere Gase<br />
sind im Gesundheitsbereich von Bedeutung. <strong>Linde</strong> Healthcare sorgt für eine<br />
sichere Versorgung: in Kliniken und Arztpraxen, in Pflegeeinrichtungen<br />
und Remeo®-Centern und auch zu Hause.<br />
In der Klinik betreibt REMEO®<br />
Rehabilitations-Einrichtungen<br />
für langzeitbeatmete Patienten.<br />
Inhalierbares medizinisches<br />
Lachgas-Sauerstoff-Gemisch wird<br />
auch in der Unfallmedizin zur<br />
Schmerzlinderung eingesetzt.<br />
Ärzte in einem ambulanten Operationszentrum<br />
verwenden medizinisches<br />
Kohlendioxid während einer Bauchspiegelung,<br />
um die Bauchdecke anzuheben.<br />
Im Kreißsaal: Schwangere<br />
inhaliert ein schmerzlinderndes<br />
medizinisches Lachgas-Sauerstoff-Gemisch.<br />
Schlafapnoe-<br />
Patient im<br />
Schlaflabor.<br />
Patient erhält<br />
Sauerstoff aus<br />
einer tragbaren<br />
Gasflasche – ausgestattet<br />
mit LIV®-<br />
Ventil von <strong>Linde</strong>.<br />
Einsatz von<br />
medizinischem<br />
Stickstoffmonoxid<br />
auf Säuglingsintensivstation.<br />
CRYOBOX-<br />
Einheit zur<br />
Lagerung<br />
von Proben.<br />
<strong>Linde</strong> liefert<br />
schlüsselfertige<br />
Lösungen für<br />
die Kryokonservierung.<br />
Operationssaal<br />
mit Anschlüssen<br />
für medizinischen<br />
Sauerstoff (weiß),<br />
medizinisches Distickstoffmonoxid<br />
(blau), medizinische<br />
Luft (schwarz) und<br />
Vakuum (gelb).<br />
<strong>Linde</strong> QI Services<br />
bietet Vor-<br />
Ort-Versorgung<br />
mit flüssigem<br />
Stickstoff für<br />
die Kryokonservierung<br />
von<br />
medizinischen<br />
Proben.<br />
Kernspin-Tomographie<br />
benötigt Flüssighelium<br />
zur Kühlung der Magnetspulen.<br />
Krankenschwester gibt verletztem<br />
Kind schmerzlinderndes<br />
medizinisches Lachgas-<br />
Sauerstoff-Gemisch.<br />
Tragbare Sauerstoffgeräte<br />
helfen<br />
Menschen mit Atemwegserkrankungen,<br />
mobil zu sein.<br />
QI Monitoring der medizinischen Gaseversorgungsanlage<br />
mit Echtzeit-Alarm, QI Nachverfolgung von<br />
Gasflaschen und Kontrollzentrum zur automatischen<br />
Gase-Nachfüllung.<br />
QI Medical Gas Services<br />
unterstützt die gesamte<br />
Medizingase-Versorgung:<br />
Design, Konstruktion,<br />
Logistik, Vor-Ort-Dienst<br />
und Verwaltung.<br />
<strong>Linde</strong>-Lkw befüllt Tank mit<br />
medizinischem Sauerstoff.<br />
QI Services unterstützen im Umgang mit medizinischen<br />
Gaseversorgungsanlagen. Ein <strong>Linde</strong>-Healthcare-Techniker<br />
kontrolliert die sichere Lagerung der Gasflaschen und<br />
gewährleistet die Sicherheit aller damit verbundenen<br />
Gaseinstallationen.<br />
QI Medair und QI Medvac bieten<br />
Servicelösungen – vom Design<br />
über die Versorgung und Installation<br />
bis zur Bereitstellung der<br />
On-site-Anlage.<br />
QI Training: <strong>Linde</strong>-Experten schulen medizinisches<br />
Fachpersonal im Umgang mit Gasen<br />
in der Medizin. Lehrvideos zeigen, wie das<br />
mobile LIV®-Flaschensystem genutzt wird.<br />
Die Gasflaschen mit dem LIV®-System<br />
von <strong>Linde</strong> besitzen einen eingebauten<br />
Druckminderer, so dass Patienten<br />
direkt über eine Atemmaske versorgt<br />
werden können. Das LIV®-System ist<br />
zudem kompatibel mit den Wandanschlüssen<br />
in Kliniken.
Healthcare // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
49<br />
Dank der CPAP-Beatmung (Continuous<br />
Positive Airway Pressure)<br />
können Schlafapnoe-Patienten<br />
besser schlafen und leiden weniger<br />
an Folgeerkrankungen wie<br />
Herz-Kreislauf-Problemen.<br />
Patient erhält während einer<br />
Zahnbehandlung ein inhalierbares<br />
medizinisches Lachgas-Sauerstoff-<br />
Gemisch.<br />
Ein Patient wird in<br />
Therapiefragen beraten.<br />
Das medizinische Beatmungs-<br />
Center REMEO® ist auf Langzeitbeatmung<br />
spezialisiert<br />
und hilft Patienten, wieder<br />
selbständig atmen zu lernen.<br />
Ein Arzt erhält per<br />
Telehealth medizinische<br />
Daten eines<br />
seiner Patienten<br />
auf den Monitor.<br />
Ein <strong>Linde</strong>-Experte berät<br />
einen Patienten in<br />
Ernährungsfragen.<br />
In einem Bürgerzentrum zeigen<br />
<strong>Linde</strong>-Healthcare-Physiotherapeuten<br />
Patienten mit Atemwegserkrankungen<br />
gymnastische Übungen.<br />
Ein Therapeut führt Rehabilitation<br />
mit beatmetem<br />
Patienten durch.<br />
Professionelle Pflege für langzeitbeatmete<br />
Patienten zu Hause. Krankenpflege<br />
und Geräte-Management<br />
sind 24 Stunden am Tag verfügbar.<br />
Ein Patient, der auf eine Sauerstofftherapie<br />
angewiesen ist, übermittelt<br />
per Telehealth medizinische Daten<br />
an seinen Arzt.<br />
Diese Grafik ist eine vereinfachte Darstellung, die<br />
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Flüssigerdgas für Hamburgs Frachter:<br />
Der Schiffsverkehr muss umweltfreundlicher<br />
werden. Mit LNG lassen sich schädliche<br />
Emissionen deutlich eindämmen.
LNG-INFRASTRUKTUR // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
51<br />
LNG-Terminals: Maritime Infrastruktur für flüssiges Erdgas<br />
Sauber auf See<br />
Bildquelle: Frank Siemers/laif<br />
Autorin: Andrea Hoferichter<br />
↲ ↳<br />
Häfen sind wichtige Drehscheiben für die Weltwirtschaft. Doch der zunehmende<br />
Schiffsverkehr macht der Luft in den Hafenregionen und über den Meeren zu<br />
schaffen. Ab 2015 sollen strengere Grenzwerte die Schadstoffemissionen eindämmen.<br />
Damit sind auch umweltfreundlichere Treibstoffe gefragt. Flüssigerdgas, kurz LNG,<br />
würde die neuen Auflagen mehr als erfüllen. Damit der Durchbruch gelingt, arbeitet<br />
<strong>Linde</strong> mit Hochdruck an einem Netzwerk neuer LNG-Terminals in Europa.<br />
Maschinen soweit das Auge blickt: Am Containerterminal Altenwerder<br />
des Hamburger Hafens trifft man kaum Menschen – dafür<br />
umso mehr Kräne. Ferngesteuert hieven sie die tonnenschweren<br />
Stahlboxen aus den Schiffen und laden diese auf führerlose Fahrzeuge.<br />
Der Hamburger Hafen zählt zu den wichtigsten europäischen<br />
Ports: Über 130 Millionen Tonnen Güter werden hier pro Jahr umgeschlagen.<br />
Mehr als 10.000 Schiffe fahren den Hafen jedes Jahr<br />
an – und sie alle tanken Treibstoffe, die eine<br />
Ab 2020: Weltweit<br />
strengere<br />
Grenzwerte<br />
für Emissionen.<br />
Menge Abgase freisetzen. „Die Schifffahrt ist<br />
zwar, gemessen an den Emissionen je Tonnenkilometer,<br />
sehr umweltfreundlich“, sagt Hamburgs<br />
Wirtschaftssenator Frank Horch. „Doch die Anforderungen<br />
an den Umweltschutz steigen auch<br />
hier.“ Im Fokus der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation<br />
stehen vor allem die Schwefeldioxidemissionen.<br />
Diese müssen nach den neuen Richtlinien<br />
deutlich sinken. In den so genannten Emissionskontrollgebieten<br />
(Emission Control Areas, ECA), zu denen die Nord- und Ostsee<br />
und ein Areal vor den Küsten der USA zählen, dürfen Schiffstreibstoffe<br />
schon ab Januar 2015 nur noch 0,1 Prozent Schwefelverunreinigungen<br />
enthalten. Weltweit werden die Grenzwerte schrittweise<br />
herabgesetzt – von derzeit 3,5 auf 0,5 Prozent im Jahr 2020.<br />
Und für neue Schiffe werden auch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen<br />
ab 2016 drastisch gedrosselt.<br />
„Das klingt im ersten Moment hart, ist aber etwa im Vergleich<br />
zum erlaubten Schwefeldioxidausstoß im Straßenverkehr, der schon<br />
seit Jahrzehnten bei maximal 0,001 Prozent liegt, noch moderat“,<br />
erklärt Dr. Thomas Tork, der bei <strong>Linde</strong> im Bereich<br />
Clean Energy für die LNG-Geschäftsentwicklung<br />
zuständig ist. Und das Durchgreifen der Schifffahrtsbehörde<br />
ist berechtigt. Die Luftschadstoffe<br />
versauern Wasser und Böden, und sie können<br />
Atembeschwerden auslösen sowie das Herz-<br />
Kreislaufsystem schwächen. Wissenschaftler des<br />
dänischen Zentrums für Energie, Umwelt und<br />
Gesundheit haben errechnet, dass EU-weit etwa sieben Prozent der<br />
Kosten für emissionsbedingte Krankheiten auf das Konto der Schifffahrt<br />
gehen. Im Jahr 2000 etwa waren es 60 Milliarden Euro. „Die<br />
Schifffahrtsindustrie muss jetzt über einen Wechsel zu schadstoffärmeren<br />
Treibstoffen nachdenken“, sagt Tork. Ein Favorit für den
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // LNG-INFRASTRUKTUR<br />
52<br />
Umstieg ist verflüssigtes Erdgas, kurz LNG für Liquefied Natural Gas.<br />
Seine Hauptkomponente ist Methan, das im Wesentlichen zu Wasser<br />
und Kohlendioxid verbrennt.<br />
Das erst kürzlich gegründete Joint Venture Bomin <strong>Linde</strong> LNG GmbH<br />
& Co. KG – ein Zusammenschluss von <strong>Linde</strong> und Bomin, einem Tochterunternehmen<br />
von Marquard und Bahls – will den Umstieg auf LNG<br />
jetzt vorantreiben und die dafür erforderliche Infrastruktur aufbauen.<br />
Schließlich waren fehlende Tankmöglichkeiten bislang ein starkes<br />
Argument vieler Reedereien gegen einen Wechsel. Das erste Projekt<br />
von Bomin <strong>Linde</strong>: ein LNG-Terminal am Hamburger<br />
Hafen. „<strong>Linde</strong> und die Hamburg Port Authority<br />
haben schon in einer Machbarkeitsstudie gezeigt,<br />
dass das Projekt technisch zu meistern und sowohl<br />
ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll ist“, berichtet<br />
Tork. So könnten bereits in zwei Jahren mehrere<br />
tausend Tonnen Flüssigerdgas in haushohen, weiß<br />
lackierten Stahltürmen am Hamburger Hafen lagern<br />
– gut gekühlt bei minus 161 Grad Celsius, denn nur<br />
dann bleibt es flüssig. Bunkerschiffe, die mit <strong>Linde</strong>-Technologie ausgerüstet<br />
sind, bringen es zu den ankernden Schiffen und betanken<br />
deren Treibstoffspeicher.<br />
Mit dem neuen Schiffskraftstoff können Reedereien die kommenden<br />
Auflagen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation<br />
mehr als erfüllen. Schließlich entstehen bei der Verbrennung<br />
von Flüssigerdgas fast keine Schwefeloxide und etwa 80 Prozent<br />
weniger Stickoxide. Die Emissionen enthalten weder Ruß noch<br />
LNG-BEdarf<br />
steigt: bis 2020<br />
geschätzt auf<br />
fünf Millionen<br />
Tonnen.<br />
Schwermetalle. Betrieben mit LNG fahren die Schiffe auch energieeffizienter<br />
und pusten bis zu 25 Prozent weniger klimaschädliches<br />
Kohlendioxid in die Luft. Zudem laufen die Erdgas-Motoren<br />
leiser – für Matrosen und Hafenanlieger ein positiver Nebeneffekt.<br />
Zwar können auch Schiffe, die mit schwefelarmem Marine-Gasöl<br />
(MGO) fahren oder Anlagen zur Treibstoffaufbereitung und Abgasbehandlung<br />
an Bord haben, die künftigen Grenzwerte einhalten.<br />
Tork zufolge sind diese Lösungen jedoch bei weitem nicht so<br />
sauber wie der LNG-Betrieb, deutlich aufwendiger – und auch<br />
ökonomisch die schlechteren Alternativen. „Die<br />
Vorlaufkosten für eine Umrüstung auf LNG-Betrieb<br />
sind heute zwar noch höher als die Investition in<br />
eine vergleichbare Abgasnachbehandlung für<br />
herkömmliche Schiffe“, räumt er ein. „Auf lange<br />
Sicht aber rechnet sich der Umstieg, denn LNG ist<br />
der preisgünstigere Treibstoff.“<br />
Das Flüssigerdgas für das neue Terminal der<br />
Hamburger Hafenstadt soll vor allem von den großen<br />
internationalen LNG-Importterminals geliefert werden, zum Beispiel<br />
aus Rotterdam und Zeebrugge. Als Verteilerstation für Teile der Ostsee<br />
könnte <strong>Linde</strong>s Mid-Scale-Terminal im schwedischen Nynäshamn<br />
mit einer Kapazität von 20.000 Kubikmetern fungieren, gebaut und<br />
betrieben von den <strong>Linde</strong>-Töchtern Cryo AB und AGA AB. „Gemeinsam<br />
mit Bomin decken wir also die gesamte Wertschöpfungskette ab. Das<br />
Flüssigerdgas, die Speicher, weitere Kryotechnik und der Bunkerservice<br />
stammen aus einer Hand“, betont der <strong>Linde</strong>-Manager.<br />
Treibstoff tanken: Küstennahe LNG-Terminals<br />
speichern das Flüssigerdgas in großen Tanks – und<br />
verteilen es von dort in die Welt (ganz oben). Die<br />
Verteilstationen werden von Verflüssigungsanlagen<br />
wie zum Beispiel in Stavanger mit LNG beliefert<br />
(oben). Bereits in zwei Jahren könnte der Hamburger<br />
Hafen (rechts) über eine LNG-Infrastruktur verfügen<br />
– mithilfe von <strong>Linde</strong>-Technologie.
LNG-INFRASTRUKTUR // <strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13<br />
53<br />
Und das Vorhaben am Hamburger Hafen ist nur ein erster Meilenstein<br />
auf dem Weg zur LNG-betriebenen Schifffahrt. Bomin <strong>Linde</strong><br />
plant bereits Terminals in weiteren strategisch wichtigen Häfen,<br />
etwa in Bremerhaven, Kiel und Rotterdam. Recht weit gediehen ist<br />
zudem ein LNG-Terminal, das zurzeit in Lysekil an der schwedischen<br />
Westküste für das norwegische Unternehmen Skangass entsteht<br />
– unter der Federführung von Ingenieuren der <strong>Linde</strong> Kältetechnik-<br />
Tochter Cryo AB. Das Terminal soll bereits 2013 den Betrieb aufnehmen.<br />
„Es wird zunächst vorrangig eine Raffinerie und die Industrie<br />
vor Ort beliefern, aber wir sehen die Schifffahrt als ein riesiges<br />
Zukunftsthema“, sagt Lars Persson von der Cryo AB in Götheburg.<br />
Flüssigerdgas für Hafenfahrzeuge<br />
Olof Källgren, der die LNG-Handelsaktivitäten bei <strong>Linde</strong> leitet, ist<br />
ohnehin überzeugt, dass Flüssigerdgas als Schiffstreibstoff schnell<br />
Karriere machen wird. „Nordsee, Ostsee und die Gebiete vor der USamerikanischen<br />
Küste werden wegen der besonders strengen Auflagen<br />
Vorreiter sein“, schätzt der <strong>Linde</strong>-Experte. Einer Studie der<br />
dänischen Schifffahrtsbehörde Danish Maritime Authority zufolge<br />
wird sich der LNG-Bedarf für den maritimen Bereich in Nordsee, Ostsee<br />
und Ärmelkanal bis 2020 sogar verfünfzigfachen: von zurzeit<br />
etwa 100.000 Tonnen auf bis zu fünf Millionen Tonnen Flüssigerdgas.<br />
2030 könnten es bis zu acht Millionen Tonnen sein. Treffen die Prognosen<br />
zu, würden schon in gut 15 Jahren mehr als die Hälfte aller<br />
Schiffe mit Flüssigerdgas fahren. Ein aktuelles Beispiel für ein LNGbetriebenes<br />
Schiff ist die „Viking Grace“, die größte LNG-betriebene<br />
Fähre der Welt. Seit Januar 2013 verkehrt sie zwischen Stockholm<br />
und dem finnischen Turku. Sie hat Platz für 2.800 Passagiere, Autos<br />
und Lkw. Betankt wird sie mit LNG aus Nynäshamn und über ein mit<br />
<strong>Linde</strong>-Technik bestücktes Bunkerschiff.<br />
Um in den Häfen internationaler Metropolen für gute Luft zu sorgen,<br />
reicht es aber nicht, nur die Schiffe mit LNG zu versorgen. „Die<br />
Schadstoffkonzentrationen in der Hamburger Hafenluft zum Beispiel<br />
stammen zu einem Drittel auch von Lkw, Rangierlokomotiven und<br />
Schleppern – und liegen damit gleichauf mit den Schiffsabgasen“, sagt<br />
Tork. Am Hamburger Hafen soll deshalb eine LNG-Tankstelle entstehen,<br />
die die Hafenfahrzeuge mit dem sauberen Treibstoff versorgt.<br />
Ob nun für den Verkehr auf See oder auf der Straße – die neue<br />
LNG-Infrastruktur ist Tork zufolge auch auf lange Sicht eine zuverlässige<br />
Alternative und taugt sogar für regenerative Brennstoffe. „Die<br />
LNG-Systeme und -Technologien lassen sich direkt für Biomethan,<br />
also für aufbereitetes Biogas, nutzen“, sagt der <strong>Linde</strong>-Experte. Auch<br />
auf diesem Gebiet ist <strong>Linde</strong> ein Pionier: Im US-amerikanischen Altamont<br />
betreibt das Unternehmen gemeinsam mit den Abfallspezialisten<br />
von Waste Management eine Methanverflüssigungsanlage, die<br />
mit Deponiegas arbeitet. So kann selbst aus Müll ein sauberer Brennstoff<br />
werden, mit dem voraussichtlich schon in den kommenden<br />
Jahren ganze Lkw-Flotten betankt werden – und von dem in Zukunft<br />
auch die Schifffahrt profitieren könnte.<br />
LINK:<br />
www.naturalgas.org<br />
↳<br />
↳<br />
↳<br />
Kurzinterview<br />
„Es hilft zu wissen, Wo neue<br />
LNG-Terminals entstehen“<br />
<strong>Linde</strong> Technology sprach<br />
mit Dr. Pierre Sames,<br />
Leiter der Forschung und<br />
Vorschriftenentwicklung<br />
beim Germanischen Lloyd<br />
in Hamburg, über die<br />
Zukunft von Flüssigerdgas<br />
als Schiffstreibstoff.<br />
Wie aufwendig ist es, Schiffe auf LNG umzurüsten?<br />
Prinzipiell können alle Schiffstypen Flüssigerdgas als Brennstoff<br />
nutzen. Wie beim Schiffsneubau müssen dafür spezielle<br />
LNG-Tanks, Antriebe und Versorgungssysteme installiert<br />
werden. Die meisten Motoren, die heute in Schiffen eingebaut<br />
sind, lassen sich aufrüsten. Andere müssen dagegen komplett<br />
ersetzt werden. Die Umrüstung ist also mit zusätzlichen<br />
Investitionen verbunden. Am teuersten sind die Tanks. Deshalb<br />
werden in den nächsten Jahren vor allem Schiffe mit<br />
kürzeren, küstennahen Routen LNG als Treibstoff nutzen.<br />
Was sind die Herausforderungen für den Umstieg?<br />
Zurzeit wird LNG als Schiffsbrennstoff nur in Norwegen<br />
angeboten. Die Versorgung in anderen nordeuropäischen<br />
Häfen wird erst in ein bis zwei Jahren etabliert sein. Erst<br />
dann werden mehr Reedereien ihre Schiffe umrüsten beziehungsweise<br />
neu bestellen. Ankündigungen, wo neue LNG-<br />
Terminals geplant sind, helfen sehr. Denn es zeigt den<br />
Reedereien, dass die Versorgungsbranche willens ist, den<br />
Anfang zu machen und bei steigender Nachfrage die entsprechende<br />
Infrastruktur bereitzustellen.<br />
Welche Rolle spielt LNG für den Germanischen Lloyd?<br />
Der Germanische Lloyd hat die Umrüstung des Produkttankers<br />
Bit Viking unterstützt. Dieses Schiff fährt seit Herbst 2011<br />
mit LNG. Und wir haben weitere Aufträge für LNG-betriebene<br />
Schiffe und sind in vielen Vorprojekten zu Schiffssystemen,<br />
Schiffsentwürfen und Betankung aktiv. In einer gemeinsamen<br />
Studie mit MAN haben wir uns mit den Kostenund<br />
Nutzenaspekten LNG-betriebener Containerschiffe<br />
beschäftigt. Daraus geht unter anderem hervor: Die wichtigsten<br />
Faktoren für die Amortisierungsdauer sind der Preisunterschied<br />
zwischen Schweröl und LNG sowie die Zeit, die<br />
das Schiff in ECA-Zonen – also den Emissionsüberwachungsgebieten<br />
– verbringt.
<strong>LINDE</strong> <strong>TECHNOLOGY</strong> #1.13 // Höhentraining<br />
54<br />
Hypoxie-Kanal für Profisportler<br />
Die Gipfelschwimmer<br />
Höhentraining macht fit. Leistungssportler<br />
nutzen den Effekt. Jetzt können Schwimmer davon<br />
profitieren – dank Gasetechnologie von <strong>Linde</strong>.<br />
Die Luft in den Pyrenäen ist dünn. Mit jedem Höhenmeter sinkt der<br />
Luftdruck – und damit das Sauerstoffangebot. Doch für Sportler sind<br />
das ideale Bedingungen. Das Höhentraining auf zwei- bis dreitausend<br />
Metern bringt ihnen einen Leistungskick. Bekannt ist das Phänomen<br />
seit den olympischen Spielen 1968 in Mexiko, die auf 2.240 Metern<br />
Höhe stattfanden. Das Sportereignis war ein Festival der Rekorde –<br />
und die Geburt des Höhentrainings: Sportler, die sich länger dort aufgehalten<br />
hatten, brachten zurück im Flachland bessere Leistungen.<br />
Der Grund: Der Körper gleicht den Sauerstoffmangel aus, indem er<br />
mehr rote Blutkörperchen produziert, die das Gas in die Muskelzellen<br />
bringen und den Sportler leistungsfähiger machen. Hypoxiegestütztes<br />
Training heißt diese gezielte Sauerstoffunterversorgung.<br />
Profischwimmer des Deutschen Schwimmverbandes müssen dafür<br />
aber nicht mehr in die Höhentrainingslager der Pyrenäen oder Sierra<br />
Nevada reisen: Denn die Experten von <strong>Linde</strong> bringen das Hochgebirge<br />
jetzt zum Olympiastützpunkt Brandenburg in Ostdeutschland. Dessen<br />
Schwimmkanal ist seit April 2012 mit einer Hypoxie-Anlage ausgerüstet,<br />
die den Sauerstoffgehalt herabsetzt, ohne den Luftdruck zu verändern.<br />
Fachleute sprechen von der normobaren<br />
Hypoxie. „Nach Expertenmeinung kommt diese<br />
Art der gezielten Sauerstoffunterversorgung dem<br />
normalen Empfinden des Sportlers eher entgegen<br />
als die hypobare, also einem niedrigen Luftdruck“,<br />
erklärt Johann Kaltenegger aus der Marktentwicklung<br />
Chemie der <strong>Linde</strong> Gases Division in Unterschleißheim. „Und es<br />
gibt Hinweise, dass ein niedrigerer Druck schneller höhenkrank machen<br />
kann“, so der <strong>Linde</strong>-Experte. In Potsdam verändert man deshalb<br />
die Zusammensetzung der Luft: Ein Dosiersystem mischt Frischluft<br />
mit zusätzlichem Stickstoff von <strong>Linde</strong>, bevor das Gasegemisch in die<br />
Schwimmhalle geleitet wird. Dadurch sinkt der Sauerstoffanteil, der<br />
normalerweise 21 Prozent beträgt. Kaltenegger: „Bei einer simulierten<br />
Höhe von 4.500 Metern, auf die die Anlage in Potsdam aus Sicherheitsgründen<br />
begrenzt ist, liegt die Konzentration bei etwa zwölf Prozent.“<br />
Die Schwimmer trainieren im Extremfall auf Matterhorn-Niveau.<br />
<strong>Linde</strong> liefert aber nicht nur den Stickstoff, sondern das gesamte<br />
verfahrenstechnische Konzept einschließlich der komplexen Mess-,<br />
Steuer- und Regeltechnik: Empfindliche Sensoren kontrollieren<br />
Autorin: Kathrin Wildemann<br />
Bildquelle: Tim Tadder/Corbis<br />
↲ ↳<br />
Matterhorn-<br />
Niveau für die<br />
Schwimmhalle.<br />
permanent Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchte sowie Sauerstoff- und<br />
Kohlendioxid-Gehalt. Acht- bis zehnmal pro Stunde wird die Atmosphäre<br />
in der Schwimmhalle von 3.000 Kubikmetern komplett ausgetauscht:<br />
„So sichern wir die nötige Luftgüte auch unter schwierigsten<br />
Bedingungen und halten die simulierte Höhe – also die Luftzusammensetzung<br />
– konstant“, erklärt Jörg Steinke, Anwendungstechniker<br />
und Produktmanager Hypoxie bei <strong>Linde</strong>. Hohe Luftfeuchtigkeit und<br />
Chlor sind in Schwimmbädern allgegenwärtig – und das macht es der<br />
Mess- und Anlagentechnik nicht einfach, für eine stabile Raumluft<br />
zu sorgen. Eine besondere Herausforderung, die<br />
die <strong>Linde</strong>-Ingenieure gemeistert haben, waren vor<br />
allem die strengen Richtlinien der Schwimmbäder<br />
im Hinblick auf Luftgüte und Hygiene. Steinke:<br />
„Unsere Hypoxie-Anlage bietet einen nahezu hundertprozentigen<br />
Schutz gegen die Anreicherung<br />
von Bakterien oder Legionellen.“ Die Schwimmprofis können dank<br />
einer benutzerfreundlichen Software sogar selbst steuern, auf welcher<br />
Höhe sie trainieren. „Nach unseren Informationen ist die Anlagentechnik,<br />
wie sie jetzt in Potsdam steht, in Europa bisher einmalig“,<br />
so Steinke. Zwar sind die olympischen Spiele in Rio de Janeiro<br />
erst in drei Jahren, aber dann will das Schwimmteam auch bei der<br />
Medaillenverteilung die Gipfel stürmen.<br />
LINK:<br />
www.high-altitude-medicine.com
– 45.000<br />
Tonnen CO 2 .<br />
LNG-Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen: Aus Deponieabfällen wird wertvoller Biokraftstoff!<br />
Gemeinsam mit Waste Management Inc. haben wir in Kalifornien die weltweit größte Anlage<br />
zur Umwandlung von Deponiegas gebaut. Inzwischen werden die Müllentsorgungsfahrzeuge von<br />
Waste Management mit verflüssigtem Biogas betrieben. Dies entspricht einer Einsparung von jährlich<br />
circa 20 Millionen Liter Benzin bzw. Diesel, oder anders ausgedrückt: 45.000 Tonnen CO 2 . Das ist nur<br />
eines von vielen Beispielen, wie wir mit unseren „Clean Technology”-Lösungen zu einer sauberen und<br />
nachhaltigen Energiewirtschaft beitragen.<br />
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website www.linde.com/cleantechnology
Herausgeber<br />
<strong>Linde</strong> AG<br />
Klosterhofstraße 1<br />
80331 München<br />
Telefon +49.89.35757-01<br />
Telefax +49.89.35757-1398<br />
www.linde.com