Jahresbericht 2007 - Rheinland-Pfalz
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Lebensmittel, Arzneimittel & Bedarfsgegenstände<br />
Keine schöne Vorstellung: Bei einem heimischen Hersteller wurden Nudeln unter katastrophalen Bedingungen produziert.<br />
Die Tagesproduktion wurde erst nach Vorlage der<br />
Untersuchungsergebnisse von der Überwachungsbehörde<br />
zum Verkauf freigegeben. Als es trotz der<br />
Auflagen und der erhöhten Präsenz der Kontrolleure<br />
im Betrieb zu weiteren erheblichen Verstößen kam,<br />
wurde dem Betriebsverantwortlichen wegen Unzuverlässigkeit<br />
das Gewerbe untersagt und der Betrieb<br />
wurde geschlossen.<br />
Besonderes öffentliches Interesse bekam der Fall,<br />
da der Betrieb gegen die Gewerbeuntersagung<br />
Rechtsmittel einlegte und das Verfahren Gegenstand<br />
einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts<br />
Neustadt wurde. Dabei entstand der Eindruck, es seien<br />
große Mengen Nudeln, die unter ekelerregenden<br />
Umständen produziert und gelagert wurden, in den<br />
Handel gelangt. Ein falscher Eindruck, denn die verdorbene<br />
Ware war auf Anordnung der Lebensmittelüberwachung<br />
komplett vernichtet worden.<br />
Verständlicherweise haben Verbraucher und Presse<br />
die Bekanntgabe des Herstellernamens gefordert.<br />
Dies wäre nach damals geltendem Recht aber nur<br />
erlaubt gewesen, wenn von den Nudeln eine Gefahr<br />
für die Gesundheit ausgegangen wäre. Das LUA hatte<br />
aber mehrere Proben des Endprodukts untersucht<br />
und keine Gesundheitsgefahr festgestellt.<br />
Durch eine Änderung des für die Lebensmittelüberwachungsbehörden<br />
maßgeblichen § 40 des<br />
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches wurde<br />
Ende <strong>2007</strong> Rechtssicherheit für Behörden geschaffen:<br />
Sie dürfen bei erheblichen Verstößen gegen das<br />
Lebensmittelrecht jetzt Ross und Reiter auch dann<br />
nennen, wenn keine Gefahr für die Gesundheit der<br />
Verbraucher besteht. Hätte sich der Fall des Nudelherstellers<br />
nach dem 9. November <strong>2007</strong> abgespielt,<br />
wäre es möglich gewesen, den beunruhigten Verbrauchern<br />
den Namen des Betriebs zu nennen.<br />
Landesuntersuchungsamt <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> - <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2007</strong><br />
Beworbene Fremdstoffe<br />
werden Lebensmittelzutaten<br />
Ist jede Lebensmittelzutat, die ausdrücklich beworben<br />
wird, „charakteristisch“ und damit ohne<br />
jede Prüfung und Zulassung verwendbar? Eine<br />
im Juli <strong>2007</strong> getroffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts<br />
in Leipzig wird große<br />
Auswirkungen vor allem auf die Beurteilung von<br />
Nahrungsergänzungsmitteln haben.<br />
Nachdem im Zuge der Industrialisierung der Lebensmittelherstellung<br />
immer neue Stoffe wie Konservierungsmittel<br />
oder Farbstoffe in Lebensmittel<br />
gelangten, forderten 48 Bundestagsabgeordnete aller<br />
Fraktionen 1956 in einem gemeinsamen Antrag,<br />
Lebensmitteln ihre natürliche Frische und Reinheit<br />
wiederzugeben. „Fremde Stoffe“ sollten soweit wie<br />
möglich aus Lebensmitteln verbannt werden.<br />
Mit dem Lebensmittelgesetz von 1958 wurde der<br />
Paradigmenwechsel vollzogen: Bis dahin galt das mit<br />
dem Nahrungs- und Genussmittelgesetz von 1879<br />
eingeführte Missbrauchsprinzip. Führte ein Stoff in<br />
einem Lebensmittel zu Gesundheitsschäden, musste<br />
die Ursache aufwendig ermittelt und der schädliche<br />
Stoff gesetzlich verboten oder zumindest limitiert<br />
werden – angesichts der Vielzahl neuer Stoffe ein<br />
schier aussichtsloses Unterfangen.<br />
Mit dem seit 1958 geltenden „Verbotsprinzip mit<br />
Erlaubnisvorbehalt“ hat sich das geändert: Seither<br />
muss jede Zutat zu einem Lebensmittel ausdrücklich<br />
zugelassen sein, ansonsten ist sie verboten. Damit<br />
man aber weiterhin ohne gesetzliche Erlaubnis<br />
Kuchen backen konnte, wurden natürliche Stoffe,<br />
die der Ernährung und dem Genuss dienen, von