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12<br />

me<strong>die</strong>n : empfehlungen<br />

doppel:punkt 2013:4<br />

meine lebenswege<br />

<strong>die</strong> erinnerungen des steirischen landesrabbiners david herzog<br />

close-up<br />

zeitgeschichte<br />

herzog, david<br />

meine lebenswege<br />

Nun wurde ich auf <strong>die</strong> Straße getrieben und zum<br />

Laufen gezwungen. Da ich <strong>als</strong> 70jähriger, seelisch<br />

gebrochener Mann nicht so laufen konnte, wurde ich mit<br />

Fußtritten traktiert, so dass ich zweimal schnurstracks<br />

hinfiel und mir beide Knie schwer verletzte. Wir kamen<br />

zur Murbrücke, da wollten mich drei der Kerle in den<br />

Fluss werfen [...]<br />

Im Gedenken an den Novemberpogrom vor 75 Jahren<br />

hat <strong>die</strong> österreichische Künstlerin Catrin Bolt<br />

mit ihrem Projekt Lauftext t eine Intervention im Grazer<br />

Stadtraum unternommen: Von der Radetzkystraße bis<br />

zum Griesplatz ziehen sich auf <strong>die</strong> Gehsteige affichier-fi<br />

te Textauszüge aus den Lebenserinnerungen eines<br />

Mannes, der aufgrund seiner exponierten Stellung <strong>als</strong><br />

Landesrabbiner <strong>als</strong> einer der ersten den barbarischen<br />

Exzessen der Nazischergen ausgesetzt war. <strong>Sie</strong> markieren<br />

auch topografisch (siehe oben) einen Teil des<br />

Leidensweges, den David Herzog, so wie hunderttausende<br />

Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich, am<br />

9. und 10. November 1938 beschreiten musste, eines<br />

Weges, der für viele in <strong>die</strong> Vernichtung führte.<br />

Die Publikationsgeschichte seiner Erinnerungen<br />

wurzelt in einem von ihm im englischen Exil verfassten<br />

Manuskript, das Mitte der Neunzigerjahre<br />

im Rahmen einer Diplomarbeit an der Karl-Franzens-Universität<br />

transkribiert und in Folge in zwei<br />

heute vergriffenen Auflagen veröffentlicht wurde. Mit<br />

der nun erschienenen Neuausgabe hat der Verein Clio<br />

ein überaus wertvolles zeit- und lokalgeschichtliches<br />

Dokument wieder allgemein verfügbar gemacht.<br />

Meine Lebenswege umfasst mit der Zeitspanne<br />

von 1932 bis zu den ersten Exiljahren jene Phase im<br />

Leben Herzogs, <strong>die</strong> von traumatischen Erfahrungen<br />

geprägt war. Wohl war der 1869 geborene, aus<br />

Trnava in der heutigen Slowakei stammende Sohn eines<br />

Textilkaufmanns auch in jungen Jahren mit dem<br />

Übel des Antisemitismus konfrontiert worden, beispiellos<br />

jedoch blieb der sich mit dem zunehmenden<br />

Einfluss der nation<strong>als</strong>ozialistischen Bewegung in<br />

Österreich radikalisierende Judenhass: So berichtet<br />

Herzog, der seit 1908 das Amt des Landesrabbiners<br />

für <strong>Steiermark</strong> und Kärnten ausübte, von massiven<br />

Beschimpfungen und Bedrohungen, <strong>die</strong> dem Anschluss<br />

zeitlich deutlich vorausgingen.<br />

Während es in Wien im Zuge der Machtübernahme<br />

im März 1938 auch seitens der Zivilbevölkerung<br />

zu zahlreichen Übergriffen gegen <strong>die</strong> jüdischen MitbürgerInnen<br />

kam, versuchte man <strong>die</strong>se in Graz mit willkürlichen<br />

Verhaftungen, oft mehrwöchigen Inhaftierungen<br />

und Deportationen ins Konzentrationslager<br />

einzuschüchtern und zur Flucht zu drängen. Daneben<br />

ero<strong>die</strong>rten Geschäftsboykotte, Berufsverbote, Vermögensentziehungen,<br />

Vereinsauflösungen etc. <strong>die</strong> Exis-<br />

tenz und das kulturelle und religiöse Leben der jüdischen<br />

Gemeinde.<br />

Als spontane Volksreaktion auf das Attentat auf den<br />

deutschen Diplomaten Ernst von Rath stellte <strong>die</strong> NS-<br />

Propaganda <strong>die</strong> reichsweiten Pogrome am 9. und 10.<br />

November hin. De facto waren <strong>die</strong> Ausschreitungen<br />

gegen <strong>die</strong> jüdische Bevölkerung - im NS-Duktus ob<br />

der Zerstörungen von Synagogen und anderen Einrichtungen<br />

zynisch <strong>als</strong> Reichskristallnacht t bezeichnet -,<br />

von langer Hand geplant und oft von SA-Formationen<br />

zu verantworten. Mehr <strong>als</strong> 400 Menschen fielen <strong>die</strong>sen<br />

zum Opfer, in Graz überlebte David Herzog <strong>die</strong> Misshandlungen<br />

schwer verletzt. Er konnte im Dezember<br />

1938 nach England fliehen, wo er 1946 starb.<br />

|hannes ortner|<br />

Herzog, David:<br />

Meine Lebenswege<br />

: Die persönlichen Aufzeichnungen des Grazer Rabbiners<br />

David Herzog / David Herzog. Hg. von Heimo Halbrainer ...<br />

- Graz : Clio-Verl., 2013. - 240 S. : Ill.<br />

ISBN 978-3-902542-39-7 fest geb. : EUR 25,-

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