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kinder und jugend : literatur<br />
7<br />
gen und Steinmauern werden, durch <strong>die</strong> sich an der<br />
Stelle der Bindfäden alter Ringmappen Stacheldraht<br />
zieht. Eine expressive Fülle an Requisiten reichert <strong>die</strong><br />
Seiten der Alben zusätzlich an, verweist durch Alltagsgegenstände<br />
auf <strong>die</strong> jeweilige Zeitebene, setzt durch<br />
Naturmetaphern Assoziationen frei. Auch <strong>die</strong> Gestaltung<br />
der Bilder selbst entspricht <strong>die</strong>sem Gestus der<br />
Dreidimensionalität, wenn Dirk Steinhöfel Körper in<br />
all ihrer Haptik kreiert und sie computerunterstützt<br />
ins fotorealistische Szenario setzt.<br />
In den an Düsternis kaum zu übertreffenden Binnenerzählungen<br />
werden Märchenmotive mit dem<br />
Alltagsrealismus der Un-Orte unserer Gesellschaft und<br />
Geschichte zusammengeführt, wenn zum Beispiel ein<br />
Geschwisterpaar im Betonwald der Großstadt ums<br />
Überleben kämpfen muss, indem es sich eine Bro(t)-<br />
samenspur aus Pfennigen zusammenschnorrt - letztlich<br />
aber doch im Räucherofen der Opiumpfeife verelendet.<br />
Wie stets am Übergang von Leben und Tod<br />
der in mehrfacher Hinsicht vorgeführten Kinder treten<br />
auch hier <strong>die</strong> Puppenfiguren auf und geleiten sie in<br />
eine liminale Welt. Kleine weiße Frühlingsblüten stoßen<br />
dann durch den Karton der Alben, <strong>die</strong> sich im<br />
Zug angesammelt haben und in <strong>die</strong> Wagner <strong>die</strong> Bilder<br />
der anderen Kinder ebenso einordnet wie sein eigenes.<br />
Sein hölzernes Leben wandelt sich in eine utopierte<br />
Kinder-Welt der Freiheit. Die Blaue Fee e der<br />
Holzpuppe(n) wird hier zur Tochter eines Puppenspielers<br />
gemacht. Ihre Geschichte rahmt jene der Kinder<br />
ein; sie wird zur Erlöserfigur, <strong>die</strong> den aus der Zeit ge-<br />
fallenen, spinnenverhangenen Zug entdeckt und zu<br />
einem befriedeten Jenseits-Ort t macht.<br />
Dirk Steinhöfel, der bereits mit Die Wolke an der<br />
Schnittstelle von Illustration und Graphic Novel gearbeitet<br />
hat, legt mit Die Kinder im Wind ein Gewalt-<br />
werk im wahrsten Sinn vor. In der Gesamtheit seiner<br />
Zeichensetzungen kaum erfassbar, schafft es dennoch<br />
außerordentlich intensive Eindrücke davon, wie sehr<br />
Kindheit sich von jener Bilderbuch-Welt unterscheiden<br />
kann, <strong>die</strong> ihr im Fiktionalen so gerne zugeordnet<br />
wird. Im literaturwissenschaftlichen Kontext hat Ernst<br />
Seibert den Begriff des Kindheitsromans s geprägt - ei-<br />
nes Romans, der sich nicht an Kinder richtet, sondern<br />
sich dem zeitgeschichtlichen Erleben aus kindlicher<br />
Perspektive annähert. In <strong>die</strong>se Tradition reiht sich Dirk<br />
Steinhöfel mit seinem Bild-Roman ein. Er irritiert. Er<br />
fordert heraus. Er fasziniert mit seiner Bildgewalt<br />
ebenso wie mit seinem Einblick in <strong>die</strong> Verbildlichungen<br />
kindlicher Psyche. Ein zweiter Blick, wie er der<br />
Definition der<br />
Kröte des Monats zu Grunde liegt, wird<br />
da nicht genügen. Doch mit jedem weiteren lohnenden<br />
Blick eröffnet sich eine neue metaphorische Ebene,<br />
eine neue Assoziations- und Interpretationsmöglichkeit.<br />
|heidi lexe|<br />
Steinhöfel, Dirk:<br />
Die Kinder im Wind<br />
/ Steinhöfel Dirk.<br />
- Stuttgart [u.a.] : Thienemann, 2013.<br />
- [224] S. : überw. Ill.<br />
ISBN 978-3-522-20190-2<br />
fest geb. : EUR 41,10<br />
Als Gestalterin zahlreicher humorvoll-kantiger Kinderbuch-Illustrationen<br />
(z. B. zu Büchern von Kirsten Boie)<br />
ist <strong>die</strong> Hamburger Illustratorin seit vielen Jahren breit<br />
bekannt. Nun jedoch lässt Regina Kehn sich auf ein<br />
ganz außergewöhnliches Buch-Projekt ein: auf <strong>die</strong> bildliche<br />
Transformation weltliterarischer Miniaturen. Von<br />
Daniil Charms bis Friederike Mayröcker, von Theodor<br />
Storm bis Rose Ausländer wählt sie sich Lyrik und Kürzestprosa<br />
und patchworkt ihre eigenen künstlerischen<br />
Wahrnehmungen <strong>die</strong>ser Texte zu einem literarischen<br />
Kaleidoskop. Mit jedem Drehen der Linse erprobt sie<br />
dabei ein ganz neuen Stil, wobei sie sich <strong>die</strong> Texte<br />
wortwörtlich aneignet und mit Pinsel oder Bleistift über<br />
<strong>die</strong> Seiten breitet, sie druckt oder stempelt, großzügig<br />
aquarelliert, verschoben oder exakt ausgerichtet,<br />
in Sprachblasen eines Comic oder verschwindend hell.<br />
Ach, sagte <strong>die</strong> Maus (in Franz Kafkas kleiner Fabel),<br />
<strong>die</strong> Welt wird enger mit jedem Tag. Mag sein. Regina<br />
Kehns künstlerische Welt hingegen weitet sich zu einer<br />
Form der wortwörtlichen künstlerisch-experimenkröte<br />
der monate<br />
november 2013<br />
regina kehn<br />
das literarische<br />
kaleidoskop<br />
doppel:punkt 2013:4