Kulturwissenschaftliches Symposium Wald : Museum : Mensch ...
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32 | WALDKULTUR. EIN RÜCKBLICK AUF 200 JAHRE KULTURELLE ANEIGNUNG<br />
den Worten: „Ich ging mit Lust durch einen grünen <strong>Wald</strong>, ich<br />
hört die Vöglein singen […].“ Bereits in diesem Liedanfang<br />
findet sich ein zentraler Aspekt der Naturbegegnung mit<br />
dem <strong>Wald</strong>: Der <strong>Wald</strong> ist Quelle heiterer, oft überbordender<br />
Gefühle. Text und Melodie wurden dabei zu unmittelbarem<br />
Ausdruck des Empfindens.<br />
Abb. 1 Niederschrift des Gedichtes „Leb wohl, du schöner <strong>Wald</strong>“ durch Heinrich<br />
Hoffmann von Fallersleben. Undatiert. Aus: Nürnberg, Historisches Archiv des<br />
Germanischen Nationalmuseums, Autographen K. 20, B 43. Erstveröffentlichung<br />
als Lied Nr. 32 in: „37 Lieder für das junge Deutschland“. Leipzig 1848,<br />
S. 32.<br />
Neben von Arnim/Brentano und Goethe sammelten weitere<br />
Dichterinnen und Dichter in dieser Zeit Volkslieder, so etwa<br />
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848) 10 oder August<br />
Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874). Gerade am<br />
literarischen wie editorischen Werk Hoffmann von Fallers lebens<br />
zeigt sich, welche politische Bedeutung dem Sammeln und<br />
Herausgeben von Volksliedern zukommen konnte. Im Vormärz<br />
schienen vor dem Hintergrund politischer Repression und<br />
Zensur selbst die harmlosen Naturbilder und Metaphern der<br />
Volkslieder eine politische Sprache zu sprechen, und so wurde<br />
10 1842 zeichnete Droste-Hülshoff im Münsterland westfälische Märchen, Sagen und Volkslieder<br />
wie „Die zwei Königskinder“ auf und schrieb im selben Jahr von Ortssagen inspiriert die<br />
Novelle „Die Judenbuche“. Droste-Hülshoff gehörte neben Clemens Brentano sowie Wilhelm<br />
und Jacob Grimm dem „Bökendorfer Romantikerkreis“ (1810 – 1834) an, der mit Schloss<br />
Bökerhof ein spirituelles Zentrum besaß.<br />
Hoffmann von Fallersleben 1842 auf der Grundlage seiner<br />
1840/41 erschienenen Gedichtsammlung „Unpolitische Lieder“<br />
nicht nur seiner Professur an der Universität Breslau enthoben,<br />
sondern auch der preußischen Staatsbürgerschaft. Der Autor<br />
des 1841 erstmals in Hamburg aufgeführten „Lied der Deutschen“<br />
zog über Jahre hinweg „heimatlos“ durch Deutschland.<br />
Während dieser Emigration gab Hoffmann von Fallersleben<br />
unterstützt von Freunden beharrlich weitere Liededitionen<br />
heraus. So veröffentlichte er 1842 „Deutsche Lieder aus der<br />
Schweiz“, 1843 eine Neuedition der 1826 erstmals erschienen<br />
„Allemannische[n] Lieder“ und im selben Jahr „Fünfzig Kinderlieder“,<br />
die Erweiterung einer bereits 1827 erschienenen Liededition.<br />
1844 erschienen „Die Deutschen Gesellschaftslieder des<br />
16. und 17. Jahrhunderts“ sowie 1847 „Vierzig Kinderlieder“.<br />
In den Letztgenannten finden sich die von ihm bereits 1837<br />
erstveröffentlichten Gedichte und heute als Volkslieder bekannten<br />
„Winter adé“, „Alle Vöglein sind schon da“, „Summ, summ,<br />
summ …“; „Kuckuck, Kuckuck, ruft aus dem <strong>Wald</strong>“ oder etwa<br />
das Rätsellied „Das Männlein im <strong>Wald</strong>e“. Wie sehr die damals<br />
notwendige naive „Verkleidung“ auch heute noch greift, zeigt<br />
sich daran, dass Hoffmann von Fallerslebens Naturlyrik, wenn<br />
sie ihm überhaupt zugeschrieben wird, als „Kinderlied“ tradiert<br />
ist. 11 In den „Deutschen Gesellschaftliedern“ ist auch das<br />
Liebeslied „Entlaubet ist der <strong>Wald</strong>e“ (auf Versionen des 15. und<br />
16. Jahrhunderts fußend) enthalten. In diesem spiegelt sich die<br />
Gemütsverfassung im Naturbild, und in einem eher düsteren,<br />
melancholischen Ton sind Natur- und <strong>Wald</strong>bilder symbolisch<br />
eingesetzt. Unschwer erkannte der liberale und nationale Freundes-<br />
und Sympathisantenkreis darin aber auch ein Stimmungsbild<br />
der politischen Stagnation in den Staaten des Deutschen<br />
Bundes im Vorfeld der Revolution von 1848/49:<br />
„Entlaubet ist der <strong>Wald</strong>e,<br />
gen diesem Winter kalt.<br />
Beraubet wird ich balde,<br />
mein Lieb das macht mich alt.<br />
Dass ich die Schön muss meiden,<br />
die mir gefallen thut,<br />
bringt mir mannigfältig Leiden,<br />
macht mir ein schweren Muth.“ 12<br />
Die meisten der heute bekannten Volkslieder wurden im 19.<br />
Jahrhundert in regionalen Liedsammlungen 13 zusammengetra-<br />
11 Dieses Erscheinungsbild des Kindlichen rührt mitunter auch daher, dass im lyrischen Lied<br />
wie im Märchen die Dinge gerne verniedlicht wiedergegeben werden und daher eine „kindlich“<br />
harmlose Fassade haben.<br />
12 Aus: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: „Entlaubet ist der <strong>Wald</strong>“. In: Deutsche<br />
Gesellschaftslieder des 16. und 17. Jahrhunderts. Leipzig 1844, S. 9f.<br />
13 Siehe dazu Lutz Röhrich/Rolf-Wilhelm Brednich (Hg.): Deutsche Volkslieder. Texte<br />
und Melodien. Band 1. Düsseldorf 1965, S. 16 – 25. Über die Homepage des Deutschen<br />
Volksliedarchivs Freiburg können neben den Dokumentationen des Historisch-Kritischen<br />
Liederlexikons auch in einem Online-Katalog Digitalisate der bisher überspielten Volkslieder<br />
mit motivischem <strong>Wald</strong>bezug abgerufen bzw. abgehört werden: http://pollux.bsz-bw.de/<br />
DB=2.316/SET=4/TTL=1/ADVANCED_SEARCHFILTER – Zugriff am 15.02.2011.