Kulturwissenschaftliches Symposium Wald : Museum : Mensch ...
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entstand das Kunstlied, und eine Vielzahl von Komponisten<br />
wandte sich dieser musikalischen Form zu. Franz Schubert<br />
(1797 – 1828) und Robert Schumann (1810 – 1856) sind deren<br />
exponierteste Vertreter, doch neben ihnen gehören zu den<br />
produktivsten Komponisten von Kunstliedern Fanny Hensel<br />
(1805 – 1847), Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847),<br />
Johannes Brahms (1833 – 1897), Gustav Mahler (1860 – 1911),<br />
Hugo Wolf (1860 – 1903), Richard Strauss (1864 – 1949), Max<br />
Reger (1873 – 1916), Arnold Schönberg (1874 – 1951), Anton<br />
von Webern (1883 – 1945) und Alban Berg (1885 – 1935). Sie<br />
nutzten gezielt die hohe emotionale Ausdruckskraft des Kunstliedes,<br />
das als typisch deutsches Musikgenre und als Kennzeichen<br />
unserer Kultur gilt. Wie sehr deutsche Komponisten<br />
dieses Genre international prägten, zeigt sich daran, dass diese<br />
musikalische Gattungsbezeichnung in vielen Sprachen aus dem<br />
Deutschen übernommen wurde, so im Französischen „le lied“,<br />
oder im Englischen: „the lied“.<br />
Abb. 2 Liedkomposition „<strong>Wald</strong>eseinsamkeit“ von C. J. Oberhoffer, Sänger und<br />
Dirigent des Großherzoglich Badischen Hoftheaters. Aus: Europa. Chronik der<br />
gebildeten Welt, hg. von August Lewald, Karlsruhe 1842, Bd. 1, S. 560. Oberhoffer<br />
vertonte dazu das Gedicht „Im Englischen Garten“, das in der Zeitschrift<br />
„Der Bazar für München und Bayern. Ein Frühstücksblatt für Jedermann<br />
und jede Frau“, Nr. 207, am 4. September 1833, S. 832, erschienen war. Die<br />
Impressionen des seit 1792 der Öffentlichkeit zugänglichen Münchner Stadtgartens<br />
überführt Oberhoffer in das unspezifische Bild der „<strong>Wald</strong>einsamkeit“, das<br />
als literarischer Topos in Biedermeier und Vormärz sehr beliebt war und blieb<br />
(siehe Anm. 17).<br />
WALDKULTUR. EIN RÜCKBLICK AUF 200 JAHRE KULTURELLE ANEIGNUNG | 35<br />
Im Kunstlied stellt der <strong>Wald</strong> einen viel und gerne genutzten<br />
„Empfindungsraum“ dar. Mitunter nutzten Komponisten die<br />
Abgeschiedenheit des <strong>Wald</strong>es zur Konzentration auf ihre Arbeit:<br />
„<strong>Wald</strong> aussen, Musik innen“ 25 formuliert dies die damals im<br />
Schwarzwald verborgen komponierende Clara Schumann. Der<br />
bedeutendste Vertreter des romantischen Kunstliedes ist Franz<br />
Schubert, dessen tonmalerische Liedkompositionen mitunter zu<br />
ganzen „Liederzyklen“ wachsen – vergleichbar der „Programm-<br />
Musik“ jener Zeit, der „Sinfonischen Dichtung“. Schubert<br />
komponierte Lieder zu Gedichten von Johann Wolfgang von<br />
Goethe, Heinrich Heine, Wilhelm Müller und Johann Mayrhofer.<br />
26 Neben ihm ist es Robert Schumann, der sich den <strong>Wald</strong> als<br />
Motivfeld seiner Kompositionen systematisch erschließt. Seine<br />
Tondichtungen greifen vornehmlich auf Eichendorffs Lyrik<br />
zurück, in dessen Gedichten der <strong>Wald</strong> personalisiert und beseelt<br />
erscheint und folgerichtig „rauscht“, „rührt“, „wogt“ und „klingt“:<br />
„Wie schön, hier zu verträumen /die Nacht im stillen <strong>Wald</strong>, /<br />
wenn in den dunklen Bäumen /das alte Märchen hallt.“ 27 . Auch<br />
Clemens Brentano steht für solches Naturempfinden und wird<br />
ebenfalls reichlich vertont: „Es rauscht der grüne <strong>Wald</strong>, /vor<br />
wildentbrannten Weisen, /der Vogelsang erschallt.“ 28<br />
Vor allem Eichendorffs bildstarke, melodische Dichtung schien<br />
geeignet zur kongenialen Rezeption als Liedvertonung, so etwa<br />
in Schumanns Liederkreis op. 39 aus dem Jahr 1840. 29 Acht<br />
Jahre später legte Schumann auch eine instrumentale <strong>Wald</strong>komposition<br />
vor, den Klavierzyklus „<strong>Wald</strong>szenen“ op. 82 für Klavier<br />
Solo, bestehend aus neun Stücken mit <strong>Wald</strong>motivik. 30 Wie bei<br />
den Dichtern der Romantik, so findet sich auch bei deren Komponisten<br />
vielfach eine Haltung, die die künstlerische Produktion<br />
von Naturillusionen und <strong>Wald</strong>bildern als Distanzierung von<br />
und Kritik an der Gegenwart ansieht. Folgerichtig sieht Robert<br />
Schumann im Kunstlied das gedankenvolle Kunstwerk als Gegenposition<br />
zum vorherrschenden Geschmack. 31<br />
Eine Gemeinsamkeit der <strong>Wald</strong>-Lieder liegt darin, dass die<br />
Naturdarstellung zum Abbild der Seele wird. Diese Natursicht<br />
verbindet die Komponisten der Romantik auch mit den<br />
Malern. Aber auch als symbolischer Ort der Handlung ist der<br />
<strong>Wald</strong> im Lied emotional eingesetzt. Die hohe Sentimentalität<br />
25 Aus dem Brief Clara Schumanns an Theodor Kirchner vom 27. Juli 1859 während ihres<br />
Aufenthaltes in Wildbad im Schwarzwald, zit. n. Renate Hofmann: Clara Schumanns Briefe<br />
an Theodor Kirchner mit einer Lebensskizze des Komponisten. Tutzing 1996, S. 58.<br />
26 Als eines seiner ersten Lieder mit <strong>Wald</strong>-Motivik wäre aus dem Jahr 1811/12 „Des Mädchens<br />
Klage: Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn“ (op. D 191b) und als eines seiner letzten aus<br />
dem Jahr 1828 das Lied „Aufenthalt: Rauschender Strom, brausender <strong>Wald</strong>“ aus dem Zyklus<br />
„Schwanengesang“ (op. D 957 Nr. 5) zu nennen.<br />
27 Joseph von Eichendorff: „Nacht“ (vor 1835). In: Joseph von Eichendorff. Werke in sechs<br />
Bänden, Bd. 1., hg. von Hartwig Schultz. Frankfurt 1987, S. 293 – 294.<br />
28 Clemens Brentano: „Auf dem Rhein“ (um 1800). In: Clemens Brentano. Werke, Bd. 1., hg.<br />
von Wolfgang Frühwald. München 1963, S. 98 – 101.<br />
29 Vgl. dazu die 2003 erschienene Dissertation von Christiane Tewinkel: Vom Rauschen Singen.<br />
Robert Schumanns „Liederkreis“ op. 39 nach Gedichten von Joseph von Eichendorff.<br />
Würzburg 2003.<br />
30 Vgl. dazu die Dissertation von Peter Jost: Robert Schumanns ,<strong>Wald</strong>szenen‘ op. 82. Zum<br />
Thema <strong>Wald</strong> in der romantischen Klaviermusik. Saarbrücken 1989.<br />
31 Vgl. Robert Schumann: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker. Band 4. Leipzig<br />
1854, S. 264.